Entscheidungsstichwort (Thema)
sozialgerichtliches Verfahren. Zurückweisung gem § 170 Abs 1 S 2 SGG
Orientierungssatz
In der Revisionsinstanz ist gem § 170 Abs 1 S 2 SGG ein Rechtsmittel auch dann zurückzuweisen, wenn zwar die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils eine Gesetzesverletzung ergeben, die Entscheidung sich aber aus anderen Gründen als richtig darstellt. Die Vorschrift ist Ausdruck des Gedankens, dass ein Verfahren nicht wegen eines Fehlers fortgeführt werden soll, der mit Sicherheit für das endgültige Ergebnis des Prozesses bedeutungslos bleiben wird. In gleicher Weise wie für eine stattgebende Entscheidung im Revisionsverfahren selbst ist daher auch für eine Revisionszulassung kein Raum, wenn feststeht, dass das angefochtene Urteil unabhängig vom Vorliegen der geltend gemachten Zulassungsgründe aus anderen als den vom Berufungsgericht angestellten Erwägungen Bestand haben wird.
Normenkette
SGG § 170 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Gründe
Die Klägerin wurde auf dem Heimweg von ihrer Arbeitsstelle in einem Krankenhaus von einem früheren Bekannten angegriffen und durch Messerstiche schwer verletzt. Der beklagte Gemeindeunfallversicherungsverband hat eine Anerkennung als Arbeitsunfall abgelehnt, weil die Gründe für den Überfall im privaten Bereich lägen und die Tat auch nicht durch besondere Verhältnisse des Weges ermöglicht oder begünstigt worden sei. Sozialgericht und Landessozialgericht (LSG) haben diese Entscheidung bestätigt. Das LSG hat es abgelehnt, den Täter zu seinen Motiven für die Wahl des Tatortes (Parkplatz des Klinikums, wo die Klägerin ihr Auto abgestellt hatte) als Zeugen zu hören. Dass er der Klägerin deshalb auf dem Parkplatz aufgelauert habe, weil dort besonders günstige Bedingungen für die Ausführung der Tat bestanden hätten, habe der Täter zu keinem Zeitpunkt geäußert. Auch die Klägerin selbst sei bei ihrer Befragung durch die Polizei nicht von einer besonderen Gefährdungslage ausgegangen.
Die auf Verfahrensrügen gestützte Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unbegründet.
Die Klägerin rügt, das Berufungsgericht sei ihrem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag auf Vernehmung des Täters als Zeugen zu seiner Motivation bezüglich Auswahl des Tatorts und der Tatzeit ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt, obwohl es diesen Beweggründen selbst entscheidungserhebliche Bedeutung beigemessen habe. Es habe sich stattdessen auf das Protokoll der polizeilichen Vernehmung des Täters gestützt, ohne dies ordnungsgemäß in die Verhandlung einzuführen. Dieses Vorgehen verletze nicht nur § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), sondern auch die Grundsätze der Öffentlichkeit und der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§§ 116, 117 SGG). Darüber hinaus verstoße es gegen § 118 SGG iVm § 377 Abs 3 Zivilprozessordnung und gegen § 128 SGG, weil nicht alle für die Entscheidung benötigten Tatsachen festgestellt worden seien. Schließlich habe das LSG durch die Einführung neuer, als gerichtskundig bezeichneter Tatsachen ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, da sie sich dazu nicht habe äußern können.
Der Senat lässt offen, ob einer oder mehrere der behaupteten Verfahrensmängel tatsächlich vorliegen und, wenn ja, ob das Urteil des LSG darauf beruhen kann. Denn das Urteil würde sich jedenfalls aus anderen als den vom Berufungsgericht angeführten Gründen in der Sache als richtig erweisen.
In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist geklärt, dass bei einem auf persönlichen Gründen beruhenden vorsätzlichen Angriff ein innerer Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit nur dann in Betracht kommt, wenn besondere, dem betrieblichen Bereich zuzuordnende Verhältnisse den Angriff erst ermöglicht oder wesentlich begünstigt haben (BSGE 13, 290, 291 = SozR Nr 34 zu § 542 RVO aF; BSGE 78, 65, 67= SozR 3-2200 § 548 Nr 28 S 95 f; vgl auch bereits Reichsversicherungsamt EuM 22, 100) . Solche Verhältnisse müssen objektiv vorgelegen haben, wie den vorgenannten Entscheidungen zu entnehmen ist. Es genügt nicht, dass der Täter den Arbeitsweg als Tatort ausgewählt hat, weil er wusste, dass er sein Opfer dort zu einer bestimmten Zeit antreffen würde, und subjektiv der Meinung war, dass sich ihm auf dem Parkplatz eine günstige Gelegenheit zur Tatausführung bieten werde. Objektive Umstände, die es nahe legen, dass im vorliegenden Fall gerade die besondere Beschaffenheit des Arbeitsweges den Überfall begünstigt haben könnte, sind nicht erkennbar. Das LSG hat festgestellt, der Parkplatz befinde sich in unmittelbarer Nähe des Klinikgebäudes und einer öffentlichen Straße und sei gut einsehbar. Zur Tatzeit sei es hell gewesen, und der Parkplatz sei von Klinikangehörigen und Klinikbesuchern stark frequentiert worden.
Damit steht fest, dass die vorinstanzlichen Entscheidungen in einem etwaigen Revisionsverfahren jedenfalls aus dieser Erwägung heraus bestätigt werden müssten. Auf die von der Klägerin behauptete und unter Beweis gestellte Motivation des Täters käme es nicht an.
In derartigen Fällen ist auf den Rechtsgedanken aus § 170 Abs 1 Satz 2 SGG zurückzugreifen, wonach in der Revisionsinstanz ein Rechtsmittel auch dann zurückzuweisen ist, wenn zwar die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils eine Gesetzesverletzung ergeben, die Entscheidung sich aber aus anderen Gründen als richtig darstellt. Die Vorschrift ist Ausdruck des Gedankens, dass ein Verfahren nicht wegen eines Fehlers fortgeführt werden soll, der mit Sicherheit für das endgültige Ergebnis des Prozesses bedeutungslos bleiben wird. In gleicher Weise wie für eine stattgebende Entscheidung im Revisionsverfahren selbst ist daher auch für eine Revisionszulassung kein Raum, wenn feststeht, dass das angefochtene Urteil unabhängig vom Vorliegen der geltend gemachten Zulassungsgründe aus anderen als den vom Berufungsgericht angestellten Erwägungen Bestand haben wird (ebenso: BSG, 1. Senat - SozR 3-1500 § 160a Nr 28; BSG, 11. Senat - Beschluss vom 30. Juni 1994 - 11 BAr 139/93; stRspr des Bundesverwaltungsgerichts: BVerwGE 14, 342, 346 f; BVerwGE 54, 99 = Buchholz 310 § 132 Nr 153; Buchholz 310 § 132 Nr 166, Nr 178; Buchholz 310 § 144 Nr 34; stRspr des BFH: Beschluss vom 30. Oktober 1998 - III B 56/98 - BFH/NV 1999, 635 mwN; ferner: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl 2005, § 160a RdNr 18a mwN; aA BSG, 4. Senat - SozR 3-1500 § 160 Nr 33 S 63 ff) .
Die Beschwerde konnte nach alledem keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen