Entscheidungsstichwort (Thema)
Revision. Zulässigkeit. Verfahrensmangel. Rechtliches Gehör. Übermaßverbot. Waffengleichheit. Sachaufklärungspflicht. Erlaubnis zur privaten Arbeitsvermittlung. Zuverlässigkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Das dem Untersuchungsgrundsatz folgende sozialgerichtliche Verfahren schließt nicht aus, Verfahrensbeteiligte zur Sachaufklärung anzuhören.
2. Die Sachaufklärungspflicht der Gerichte korrespondiert mit der Mitwirkungspflicht der Verfahrensbeteiligten.
Normenkette
SGG §§ 62, 103, 106 Abs. 1, 3 Nr. 7, §§ 107, 160 Abs. 2 Nr. 3, § 170 Abs. 5; GG Art. 19 Abs. 4, Art. 20, 103 Abs. 1; ZPO §§ 445, 447; SGB III § 293 Abs. 1 S. 1; AFG § 23 Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 20. September 2001 wird zurückgewiesen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Rechtsstreit betrifft die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Rücknahme der befristeten Erlaubnis zur Vermittlung von Au-pair-Arbeitsverhältnissen, die Ablehnung einer befristeten Arbeitserlaubnis, hilfsweise die Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Entscheidung, und die Erteilung einer unbefristeten Erlaubnis zu entsprechender Arbeitsvermittlung.
Die Klägerin war Inhaberin einer befristeten Erlaubnis zur Vermittlung von Au-pair-Arbeitsverhältnissen. Diese Erlaubnis entzog die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) nachdem bekannt geworden war, dass die Klägerin Mitglied und Auditor der Scientology-Organisation (SO) ist. Die BA hielt die Klägerin im Hinblick auf die hierarchische Struktur der SO nicht für zuverlässig zur Ausübung der Arbeitsvermittlung.
Ein Urteil des Landessozialgerichts (LSG) vom 28. Januar 1999 – L 7 Ar 23/98 –, mit dem das LSG Bescheide der BA aufgehoben und diese verurteilt hat, die Erlaubnis zur privaten Arbeitsvermittlung zu verlängern, hat das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 14. Dezember 2000 – B 11/7 AL 30/99 R – aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen. Darin hat das BSG ausgeführt, die Beurteilung der Zuverlässigkeit eines Bewerbers für die private Arbeitsvermittlung hänge von der Prognose ab, ob er die zum Schutz der Allgemeinheit erlassenen Vorschriften beachten werde. Die Prognose beruhe auf objektiven und subjektiven Tatsachen wie zB der grundsätzlichen Lebenseinstellung des Erlaubnisbewerbers. Bei der Würdigung der Zuverlässigkeit sei die Gesamtpersönlichkeit der Klägerin, die auch ihre Mitgliedschaft in der SO und ihre Stellung als Auditor umfasse, zu berücksichtigen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Sachdarstellung und der rechtlichen Würdigung wird auf die erwähnten Entscheidungen Bezug genommen.
Nach der Zurückverweisung an das LSG hat die Klägerin sich unter anderem zu ihrer Lebenseinstellung in einer eidesstattlichen Versicherung geäußert und ausgeführt, von der Ethiklehre der SO sei sie überzeugt. Sie sehe keinen Widerspruch zwischen dieser Lehre und dem geltenden Recht, weil ein ethisch handelnder Mensch sich rechtmäßig verhalte. Sie selbst halte sich stets an geltende Rechtsnormen auch bei ihrer Tätigkeit als Arbeitsvermittlerin. Den Vorwurf, die Vermittlungstätigkeit diene auch den Interessen der SO, weise sie mit Entschiedenheit zurück. Ihre Geschäftsbeziehungen auch für die Ziele der SO einzusetzen, sei von ihr weder verlangt noch erwartet worden. In der mündlichen Verhandlung am 20. September 2001 hat das LSG Auszüge aus der „Einführung in die Ethik der Scientology von L. Ron Hubbard” in das Verfahren eingeführt und dazu Erklärungen der Klägerin entgegengenommen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 20. September 2001 Bezug genommen.
Mit dem angefochtenen Urteil vom 20. September 2001 hat das LSG festgestellt, die Ablehnung befristeter Erlaubnisse zur Arbeitsvermittlung sei nicht rechtswidrig gewesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erteilung einer unbefristeten Erlaubnis zur Arbeitsvermittlung, weil sie nicht iS des Gesetzes zuverlässig sei. Gegen ihre Zuverlässigkeit spreche die objektive Tatsache, dass sie seit Aufnahme ihrer Vermittlungstätigkeit im Jahre 1994 durchgehend Au-pair-Mädchen auch in der SO angehörende Familien vermittelt habe, ohne sie über diesen Umstand aufzuklären. Außerdem habe die Klägerin bei früheren Anhörungen teilweise falsche und teilweise unvollständige Angaben über ihre Tätigkeit als Auditor gemacht. Ihr Status als so genannter „operierender Thetan” zeige, dass sie die Lehren der SO zutiefst verinnerlicht habe. Die Klägerin habe auch schriftlich eingeräumt, dass die SO auf die praktische Anwendung der Lehrinhalte besonderen Wert lege. Nach den Einlassungen der Klägerin gehöre es zu den Lehren der SO, Verantwortung für das Heil der Mitmenschen zu übernehmen und eine intensive Mitgliederwerbung zu betreiben. Die Gesamtpersönlichkeit der Klägerin, die wesentlich durch ihr Bekenntnis zur SO und ihre Lehren geprägt sei, begründe in Verbindung mit dem Missionsauftrag der SO die Gefahr, dass die Klägerin im Rahmen der Arbeitsvermittlung Ziele der SO verfolge. Dies belege auch der Umstand, dass die Klägerin sich bei ihrer Anhörung vor dem Sozialgericht (SG) geweigert habe die Negativerklärung, auf Technologien von Ron Hubbard bei der Arbeitsvermittlung zu verzichten, zu unterschreiben. Im Rahmen seiner Würdigung hat das LSG die Einlassung der Klägerin, sie werde sich stets an das geltende Recht halten, nicht für glaubhaft gehalten. Die Einlassung der Klägerin zu bestimmten Lehren von Ron Hubbard hat die Überzeugung des LSG begründet, die Klägerin gewährleiste nicht, dass sie sich im Falle einer Pflichtenkollision zwischen den Verhaltensmaßstäben der SO und dem geltenden Recht sich stets an das geltende Recht halten werde. Beweisanträgen der Klägerin ist das LSG nicht gefolgt, weil diese nicht entscheidungserheblich seien. Die Revision hat das LSG nicht zugelassen.
Mit der Beschwerde macht die Klägerin den Zulassungsgrund Verfahrensmangel geltend. Sie vertritt die Ansicht, das Verfahren vor dem LSG widerspreche „allen Grundsätzen der Rechtstaatlichkeit”. Das LSG habe gegen den Anspruch der Klägerin auf ein faires Verfahren verstoßen. Es habe den Anspruch auf Waffengleichheit und das Gebot der Rücksichtnahme verletzt. Die Klägerin habe sich in der mündlichen Verhandlung zu dem Buch von Ron Hubbard, „Einführung in die Ethik der Scientology” erklären müssen. Ihre Aussagen seien als „Beweis” fehlender Zuverlässigkeit gewertet worden, obwohl das sozialgerichtliche Verfahren eine Parteivernehmung nicht kenne. Vor dem Termin habe das LSG die Klägerin nicht davon unterrichtet, dass es die Absicht habe, sie einem „Inquisitionsprozess” vergleichbar in ein „Kreuzverhör” von Vorsitzendem und Berichterstatterin zu nehmen. Die Klägerin sei mit dieser Verfahrensweise zum „Objekt des Verfahrens degradiert” worden. Während einer 4 Stunden dauernden „peinlichen Befragung”, bei der sich Vorsitzender und Berichterstatterin mit der Verlesung zahlreicher Passagen aus dem erwähnten Buch abgewechselt hätten, habe man der Klägerin zugemutet, sich ohne vorherige Kenntnis der Passagen spontan zu äußern und sich für etwas zu „rechtfertigen, was sie weder geschrieben noch sich zu Eigen gemacht” habe. Das LSG habe der Klägerin damit zu viel zugemutet. Einen Einschnitt im Verfahren habe es gegeben, als die Klägerin auf Grund der inquisitorischen Befragung des LSG in Tränen ausgebrochen sei und erklärt habe, dass sie sich für „zuverlässig und tugendhaft halte” und es sie zutiefst verletze, dass sie über so lange Zeit darstellen müsse, was sie innerlich fühle und für zuverlässig halte. Dieses Vorgehen des LSG verstoße gegen den Anspruch auf ein faires Verfahren und sei mit dem Rücksichtnahmegebot und der Fürsorgepflicht des Gerichts nicht vereinbar. Das LSG hätte die Ausführungen der Klägerin im Termin nicht verwerten dürfen. Stattdessen habe es seine Entscheidung wesentlich auf das Ergebnis der mündlichen Verhandlung gestützt und hieraus den Schluss gezogen, die Klägerin biete nach ihrer Gesamtpersönlichkeit nicht die Gewähr dafür, dass sie Arbeitsvermittlung redlich und ordnungsgemäß durchführe und sich an das geltende Recht halte. Die gegenteilige Beteuerung der Klägerin habe das LSG als nicht glaubhaft gewürdigt. Aus diesem Grunde habe es auch keine Möglichkeit gesehen, der Klägerin die Erlaubnis zur Arbeitsvermittlung unter Auflagen zu erteilen.
Gegen die Bindungswirkung des § 170 Abs 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) habe das LSG verstoßen, weil es trotz der Zurückverweisung des BSG den Sachverhalt nicht weiter aufgeklärt habe, sondern lediglich auf das im sozialgerichtlichen Verfahren nicht zulässige Beweismittel der Parteivernehmung zurückgegriffen habe. Ohne dieses habe das LSG keine neue tatsächliche Grundlage für seine Entscheidung gehabt. Gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör nach §§ 62, 107 SGG, Art 103 Abs 1 Grundgesetz (GG) und Art 6 Abs 1 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) habe das LSG verstoßen, weil es von mehreren kirchlichen Sektenbeauftragten und anderen Scientology-Gegnern Stellungnahme bzw Auskünfte fernmündlich eingeholt und schriftliches Material erhalten habe, ohne dies der Klägerin vor oder in der mündlichen Verhandlung mitzuteilen. Die Klägerin habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör nicht wahrnehmen können, weil sie die Tatsachen, die sich auf Grund dieser geheimen Erkundigungen ergeben hätten, nicht kenne. Die Entscheidung des LSG könne auf diesem Verfahrensverstoß beruhen. Näheres könne sie erst ausführen, wenn ihr bekannt sei, welche Unterlagen und welche Auskünfte die Berichterstatterin erhalten habe. Das werde sich erst aus dienstlichen Stellungnahmen ergeben, die von dem Vorsitzenden und der Berichterstatterin des LSG einzuholen seien. Die mangelnde Mitteilung sei auch nicht damit zu rechtfertigen, aus den Auskünften sei nichts zum Nachteil der Klägerin „verwertet” worden. Falls diese Auskünfte nichts Nachteiliges über die Klägerin ergäben hätten, hätte sie vortragen können, dass Scientology-Mitglieder im Konfliktfall den Richtlinien von Scientology nicht den Vorrang vor der staatlichen Rechtsordnung einräumten. Dieser Punkt sei nach dem Urteil des BSG vom 14. Dezember 2000 entscheidungserheblich. Die mangelnde Mitteilung der Erkundigungen bei den Sektenberatungsstellen und Scientology-Gegnern enthalte auch dann eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, wenn das LSG sein Urteil hierauf nicht gestützt haben sollte. In jedem Fall gebiete der Grundsatz der Waffengleichheit, dass die Klägerin die gleichen Kenntnisgrundlagen besitze wie das Gericht.
Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb das Gericht die Einlassung der Klägerin im August 1995, sie vermittle nicht bewusst SO-angehörige Au-pairs in nicht SO-angehörige Gastfamilien und umgekehrt, nicht als korrekt angesehen habe. Eine dahingehende Frage sei in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt und auch von der Klägerin nicht gegeben worden. Der Entscheidung liege damit eine Schlussfolgerung zu Grunde, mit welcher die Klägerin nicht habe rechnen können.
Ein weiterer Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör liege darin, dass das LSG nicht das gesamte Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung zur Kenntnis genommen habe. Es sei nicht auf die Erläuterung der Klägerin zu dem vermeintlichen Widerspruch über die Funktion eines Auditors innerhalb der SO eingegangen. Das LSG habe sich damit auseinander setzen müssen, was die Klägerin unter „Funktion” verstanden habe. Das Gericht sei auch nicht auf die vor Beginn des Verfahrens in allen Instanzen wiederholte Versicherung der Klägerin eingegangen, dass sie strikt zwischen ihrer beruflichen Tätigkeit und ihrer Weltanschauung trenne und im Rahmen ihrer Tätigkeit als Arbeitsvermittlerin nicht missioniere. Auch in der mündlichen Verhandlung habe die Klägerin dies beteuert, ohne dass das LSG diese Einlassung erwogen und begründet habe, weshalb es die Einlassung der Klägerin nicht für glaubhaft oder für widerlegt halte. Soweit das LSG der Klägerin entgegenhalte, sie habe sich nicht von Auffassungen Hubbards distanziert, sei dies unzutreffend. Sie habe nicht nur gesagt, es handle sich bei den Äußerungen Hubbards um eine „innerkirchliche Richtlinie”. Ihre differenzierte Einlassung habe das LSG unberücksichtigt gelassen. Wegen der Bedeutung dieser Frage für die Beurteilung der Zuverlässigkeit der Klägerin hätte sich das LSG mit ihren Äußerungen in der Sitzungsniederschrift Seite 12 bis 15 näher auseinander setzen müssen.
Das rechtliche Gehör werde ferner dadurch verletzt, dass das LSG Beweisanträge der Klägerin nicht zur Kenntnis genommen und unberücksichtigt gelassen habe. Diese bezögen sich auf die Lehren Hubbards, die das LSG entgegen des „eindeutigen Auftrages des BSG” nicht in das Verfahren eingeführt, berücksichtigt und gewürdigt habe. Da das LSG den Beweisanträgen, die sich auf den Inhalt der Lehren der Scientology bezögen, nicht nachgekommen sei, habe es auch die Amtsermittlungspflicht verletzt.
Die Geschäftsverteilung des LSG anlässlich des Ausscheidens der Berichterstatterin zum 11. Oktober 2001 und die Ernennung der erstinstanzlich tätig gewesenen Richterin am SG zu ihrer Nachfolgerin lasse „Raum für Spekulationen”. Die Kritik im vorausgegangenen Revisionsverfahren an der Weisung des Präsidenten des LSG zur Behandlung von Berufungen, die per Fax übermittelt werden, könne zu persönlichen Vorbehalten gegenüber der Klägerin geführt haben, ohne dass es für einen Befangenheitsantrag genügend Anhaltspunkte gegeben habe. Nach dem Verlauf und dem Ergebnis des Verfahrens dränge sich für die Klägerin aber nunmehr der Verdacht auf, dass bei dem Präsidenten des LSG und der Berichterstatterin nicht die nötige Unbefangenheit bestanden habe. Erst im März 2002 habe der Bevollmächtigte von dem Rechtsamt der SO erfahren, dass die Berichterstatterin kirchliche Sektenbeauftragte und andere Scientology-Gegner telefonisch kontaktiert habe, um Belege für die Abhängigkeit der Klägerin von den Lehren von Ron Hubbard zu erhalten. Der Inhalt der Äußerungen sei ihr nicht bekannt.
Die Klägerin beantragt,
die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 20. September 2001 – L 1 AL 49/01 – zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
Sie hält die Beschwerde für unzulässig. Das LSG sei der Rechtsansicht des BSG gefolgt und habe folglich die Klägerin zu dem in Schriften Hubbards dokumentierten Verhältnis zu Recht und staatlicher Ordnung anhören müssen. Es habe sich dabei um die Ermittlung einer subjektiven Tatsache gehandelt, die nicht ohne Anhörung der Klägerin feststellbar sei. Dies sei der Klägerin auch bekannt gewesen, sodass sie und ihr Prozessbevollmächtigter sich auf das Vorgehen des LSG hätten einrichten können. Ein Verstoß gegen den Anspruch auf ein faires Verfahren sei in der Beschwerdebegründung nicht dargelegt, zumal das LSG nach § 170 Abs 5 SGG zur Anhörung der Klägerin verpflichtet gewesen sei. Die Behauptung, das Gericht habe fernmündliche Stellungnahmen von kirchlichen Sektenbeauftragten und anderen SO-Gegnern verwertet, ohne dies den Beteiligten mitzuteilen, sei nicht geeignet, eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zu bezeichnen. Die Beschwerdebegründung nenne keinen Anhaltspunkt dafür, dass es sich dabei um eine Beweisaufnahme oder eine Maßnahme iS des § 106 SGG gehandelt habe. Andernfalls könnten Privatgespräche von Richtern oder deren bloße Behauptung ausreichen, um eine Verletzung des rechtlichen Gehörs zu begründen. Im Ergebnis treffe dies auch für die übrigen Rügen zu, weil § 160 Abs 2 Nr 3 SGG die Verletzung der Grenzen tatrichterlicher Beweiswürdigung als Zulassungsgrund für die Revision ausschließe. Zu einer weiter gehenden Erörterung seiner Beweiswürdigung oder Rechtsansicht sei das LSG nicht verpflichtet. Es habe im Übrigen deutlich gemacht, weshalb es die Einlassung der Klägerin nicht für glaubhaft halte. Eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht sei nicht dargelegt, weil das LSG den Beweisanträgen nach der von ihm vertretenen Rechtsansicht nicht habe folgen müssen.
Entscheidungsgründe
II
Die Beschwerde ist nicht begründet, denn die Entscheidung des LSG beruht nicht auf einem Verfahrensmangel.
1. Die Rüge, das LSG habe durch und bei der Anhörung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 20. September 2001 das Prozessgrundrecht auf faires Verfahren, insbesondere den „auf Waffengleichheit” und das „Gebot der Rücksichtnahme” verletzt, greift nicht durch. Zwar ist ein Grundsatz auf faires Verfahren mit Verfassungsrang anerkannt, jedoch ist nicht zu erkennen, inwiefern das LSG einen diesem Grundsatz zuzuordnenden Rechtssatz für das Verfahren verletzt haben sollte. Zu anerkannten „Rechtsschutzstandards” gehören auch das Gebot der Waffengleichheit zwischen Beteiligten und das Übermaßverbot bei Ermittlungen im Schutzbereich von Freiheitsrechten (Schmidt-Assmann, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Art 19 Abs 4 RdNr 18). Die Beschwerdebegründung verkennt, dass das Vorgehen des LSG durch die Entscheidung des Senats vom 14. Dezember 2000 (BSGE 87, 208, 213 ff = SozR 3-4100 § 23 Nr 2) vorgezeichnet war. Die Klägerin konnte sich deshalb darauf einstellen, dass das LSG sie in der mündlichen Verhandlung zu ihrer Haltung zu Lehren des SO-Begründers L. Ron Hubbard anhören werde. Sie konnte sich auf eine solche Anhörung einstellen und vorbereiten. Überdies konnte das LSG davon ausgehen, dass ein SO-Mitglied – als so genannter „operierender Thetan” nach den nicht angegriffenen Feststellungen des LSG ständig in einer gehobenen und hoch qualifizierten Funktion tätig – zu den Lehren Hubbards über Recht und Staat im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal „zuverlässig” Stellung nehmen kann. Insoweit kann dahinstehen, ob der Grundsatz der „Waffengleichheit” sich überhaupt auf das Verhältnis von Verfahrensbeteiligten und Gericht oder nur auf das Verhältnis zwischen den Verfahrensbeteiligten bezieht.
Nach Gegenstand und Umfang verletzt die Anhörung der Klägerin auch nicht das rechtsstaatliche Übermaßverbot (Gebot der Rücksichtnahme) im Verhältnis zu ihren Freiheitsrechten. Der Senat hat bereits in dem erwähnten Urteil vom 14. Dezember 2000 ausgeführt, weshalb es erforderlich ist, die Haltung der Klägerin zum geltenden Recht im Hinblick auf ihre Weltanschauung und zu diesen verlautbarten Lehren über Recht und Staat festzustellen, um das Tatbestandsmerkmal „zuverlässig” als Voraussetzung für die Erlaubnis zur privaten Arbeitsvermittlung zu klären. An diese Rechtsansicht war das LSG nach § 170 Abs 5 SGG gebunden. Auch eine Anhörung von 4 Stunden zu Veröffentlichungen von L. Ron Hubbard, die der Vorsitzende und die Berichterstatterin der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgenommen haben, verstößt nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Es ist verständlich, dass die Klägerin eine solche Befragung als belastend empfunden hat. Die Anhörung ist jedoch unerlässlich, weil die Prognose künftigen Verhaltens und die Beachtung des geltenden Rechts ohne Kenntnis der Einstellung der Klägerin zu Recht und Staat nicht zu stellen ist. Auch der zeitliche Umfang von 4 Stunden ist bedenken frei, zumal in der mündlichen Verhandlung die rechtskundig vertretene Klägerin im Falle der Ermüdung eine Verhandlungspause oder Vertagung zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung hätte beantragen können. Dies ist ausweislich der Sitzungsniederschrift nicht geschehen.
Die Beschwerdebegründung macht nicht geltend, das LSG habe sich bei der Anhörung unzulässiger Vernehmungstechniken (vgl zB: § 136a Strafprozessordnung ≪StPO≫) bedient. Allein der Begriff „Inquisitionsprozess” bezeichnet noch nicht unzulässiges Vorgehen des LSG, denn dieses ist nach § 103 SGG dem Ermittlungs- (Inquisitions-) Grundsatz verpflichtet. Auch der Ausdruck „Kreuzverhör” bezeichnet nicht unzulässiges Vorgehen. Diese Vernehmungsform ist im deutschen Recht zwar ungebräuchlich, sie ist ihm aber nicht fremd (vgl § 239 StPO). Im Übrigen erfüllt das Vorgehen des LSG nicht die Merkmale eines Kreuzverhörs.
2. Die Rüge, das LSG habe eine im sozialgerichtlichen Verfahren nicht zulässige Parteivernehmung der Klägerin durchgeführt, trifft nicht zu. Die Parteivernehmung ist ein Beweismittel des Parteiprozesses, der dem Beibringungsgrundsatz folgt. Das zeigen die §§ 445, 447 Zivilprozessordnung. Das dem Untersuchungsgrundsatz folgende sozialgerichtliche Verfahren schließt jedoch nicht aus, Verfahrensbeteiligte zur Sachaufklärung anzuhören. Das ergibt sich mit aller Klarheit aus § 106 Abs 1 SGG, wonach der Vorsitzende darauf hinzuwirken hat, dass Verfahrensbeteiligte „alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen” abgeben, und § 106 Abs 3 Nr 7 SGG, wonach das persönliche Erscheinen der Beteiligten hierzu angeordnet werden kann. Es wäre auch nicht verständlich, wenn im Verwaltungsverfahren nach §§ 60 ff Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (SGB I) die Mitwirkung von Leistungsberechtigten in den hier gewahrten Grenzen des § 65 SGB I verlangt und nach § 66 SGB I sanktioniert werden könnte, im sozialgerichtlichen Verfahren dagegen die unerlässliche Mitwirkung bei der Sachaufklärung nicht möglich wäre. Nach ständiger Rechtsprechung korrespondiert die Sachaufklärungspflicht der Gerichte mit der Mitwirkungspflicht der Verfahrensbeteiligten (BSGE 81, 259, 264 = SozR 3-4100 § 128 Nr 5 mwN; BVerwGE 66, 237 f). Mit der Anhörung der Klägerin ist das LSG nicht nur verfahrensfehlerfrei vorgegangen, es hat vielmehr seiner Bindung an das Urteil des BSG vom 14. Dezember 2000 nach § 170 Abs 5 SGG genügt. Es ist auch nicht ersichtlich, wie das LSG die rechtserheblichen subjektiven Tatsachen anders als geschehen aufklären könnte. Das Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 20. September 2001 kann danach keinem Verwertungsverbot unterliegen.
3. Nach den Ausführungen zu 2. erweist sich die Rüge, das LSG habe mit seiner Entscheidung die Bindung an das Urteil des Senats vom 14. Dezember 2000 verletzt, als unbegründet.
4. Die Rüge, die Entscheidung des LSG verletze aus mehreren Gründen den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör, greift ebenfalls nicht durch.
4.1 Soweit die Beschwerdebegründung diese Rüge auf die Behauptung stützt, die Berichterstatterin des LSG habe fernmündliche Auskünfte von kirchlichen Sektenbeauftragten und anderen SO-Gegnern eingeholt und schriftliche Unterlagen erhalten, fehlt es an der Kennzeichnung auch nur einer Tatsache, auf die das LSG seine Entscheidung gestützt hat, zu der die Klägerin nicht hat Stellung nehmen können. Die Klägerin kann auch auf diesem Wege eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht begründen, weil sie – in anderem Zusammenhang – ausdrücklich rügt, das LSG habe seine Entscheidung „wesentlich” bzw „allein” auf die Anhörung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 20. September 2001 gestützt. Jene Äußerungen – Seite 7 der Beschwerdebegründung – betreffen auch nicht etwa Einzelfragen, sie sollen vielmehr die Behauptung begründen, das LSG habe sich weiterer Sachaufklärung entzogen, weil es seine Entscheidung allein auf eine nach Ansicht der Beschwerde unzulässige und damit nicht verwertbare Parteivernehmung gestützt habe. Es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern das LSG den Grundsatz des fairen Verfahrens verletzt haben könnte, obwohl es seine Entscheidung – auch nach Ansicht der Beschwerdebegründung – wie in §§ 62, 107, 124 Abs 1 und § 128 Abs 2 SGG vorgesehen auf Tatsachen gestützt hat, die es in der mündlichen Verhandlung am 20. September 2001 ermittelt hat. Selbst wenn das behauptete Verhalten geeignet wäre, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen, bezeichnet es nicht die Verletzung des rechtlichen Gehörs.
4.2 Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist auch nicht wegen der Art der Entscheidungsgründe bezeichnet. Das LSG hat ausführlich dargelegt, weshalb es die Beteuerung der Klägerin, sie halte sich an das geltende Recht, nicht für glaubhaft gehalten hat. Selbst wenn es in einem Einzelpunkt einem Missverständnis – zB über die Bedeutung der Funktion der Klägerin innerhalb der SO – unterlegen sein sollte, führt dies nicht zu einer Verletzung des rechtlichen Gehörs. Überwiegend sind die Tatsachenfeststellungen, die in die Gesamtwürdigung des LSG (§ 128 Abs 1 SGG) eingegangen sind, von der Beschwerdebegründung nicht angegriffen. Aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe des LSG ergibt sich, weshalb es sich nicht die Überzeugung hat bilden können, die Klägerin gewährleiste die Beachtung des geltenden Rechts bei der Arbeitsvermittlung. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin vor dem LSG erklärt hat: „Ich bekräftige, dass ich auch nach dem Urteil des Bundessozialgerichts die vorstehende Belehrung (sc des Au-pairs über die SO-Mitgliedschaft einer Gastfamilie) nicht vorgenommen habe”.
4.3 Das rechtliche Gehör hat das LSG auch nicht bei seiner Würdigung der Einlassung der Klägerin zu den Lehren von L. Ron Hubbard verletzt. Dazu ist klarzustellen, dass diese Lehren nur Anknüpfungspunkt zur Ermittlung der Zuverlässigkeit der Klägerin waren, weil ihr Einfluss auf die Verhaltensweisen der Klägerin nicht von der Hand zu weisen ist. Für die Überzeugungsbildung des LSG war nach dem Urteil des BSG vom 14. Dezember 2000 nicht der „wahre” Inhalt der Lehre Hubbards entscheidungserheblich, sondern deren Verständnismöglichkeiten und deren Verständnis durch die Klägerin, weil zu erwarten ist, dass dieses ihr Verhalten mitbestimmt. Die Würdigung der Einlassung der Klägerin während ihrer Anhörung betrifft die Überzeugungsbildung des Tatsachengerichts (§ 128 Abs 1 SGG), deren Kritik durch die Beschwerdebegründung nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nicht geeignet ist, den Revisionsrechtszug zu eröffnen.
5. Das LSG hat seine Pflicht zur Sachaufklärung (§ 103 SGG) nicht verletzt. Zwar hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 20. September 2001 eine Reihe von Beweisanträgen gestellt, diese beziehen sich aber nicht auf Tatsachen, die nach der insoweit maßgeblichen Rechtsansicht des LSG entscheidungserheblich sind. Das LSG hat zutreffend die Rechtsansicht des BSG im Urteil vom 14. Dezember 2000 zu Grunde gelegt, wonach es auf das von der Klägerin nach ihrer Weltanschauung zu erwartende Verhalten als Arbeitsvermittlerin ankommt. Gegenstand einer Beweisaufnahme kann danach lediglich das Verständnis der Lehren Hubbards durch die Klägerin sein, das auch mögliche Missverständnisse einschließt. Entscheidungserheblich und aufzuklären ist dagegen nicht, welche Lehren zu Staat und Recht L. Ron Hubbard „in Wahrheit” verbreitet hat. Allein darauf beziehen sich aber die Beweisanträge der Klägerin. Ihnen hatte das LSG nach der der Entscheidung zu Grunde zu legenden Rechtsansicht nicht nachzugehen.
6. Falls die Beschwerdebegründung geltend machen will, der 1. Senat des LSG in Gänze oder der Vorsitzende und die Berichterstatterin seien nicht als gesetzliche Richter tätig geworden, ist der für das Beschwerdeverfahren unerlässlichen Darlegungslast des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG nicht genügt. „Spekulationen” über die Geschäftsverteilung des LSG für das Jahr 2001 reichen nicht aus, um einen Verfahrensmangel zu begründen. Soweit die Beschwerdebegründung angebliche Kontakte des Vorsitzenden oder der Berichterstatterin mit kirchlichen Sektenbeauftragten oder sonstigen SO-Gegnern rügt, ist den Ausführungen nicht zu entnehmen, dass nachträglich Richter als befangen abgelehnt werden sollen. Es kann deshalb dahinstehen, ob ein nachträgliches Ablehnungsgesuch überhaupt zulässig wäre und ob das BSG gegebenenfalls berufen wäre, im Beschwerdeverfahren zu Ablehnungsgründen Stellung zu nehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen