Beteiligte
Kläger und Revisionsbeklagter |
Beklagte und Revisionsklägerin |
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob dem Kläger ab 15. Dezember 1990 wieder Krankengeld zu gewähren ist.
Der 1952 geborene Kläger, der als Kanalmaurer bei der Beklagten versichert war, ist seit 27. Oktober 1987 in diesem Beruf durchgehend arbeitsunfähig krank, im wesentlichen wegen eines Morbus Bechterew, ferner wegen Gonarthrose beiderseits und Hyperurikämie. In der ersten Blockfrist vom 27. Oktober 1987 bis 26. Oktober 1990 bezog er für 78 Wochen (einschließlich Lohnfortzahlung) Krankengeld bis 24. April 1989. Nach zeitweisem Arbeitslosengeldbezug bewilligte die Landesversicherungsanstalt (LVA) Berlin dem Kläger eine berufsfördernde Rehabilitationsmaßnahme (Umschulung), die am 15. Januar 1990 begonnen und am 2. November 1990 mit der Begründung abgebrochen wurde, daß ein erfolgreicher Abschluß der Ausbildung wegen der krankheitsbedingten Fehlzeiten nicht zu erwarten sei. Bis 14. Dezember 1990 zahlte die LVA Übergangsgeld.
Bereits am 17. September 1990 hatte sich der Kläger wieder arbeitsunfähig krankschreiben lassen und die Gewährung von Krankengeld mit Beginn der neuen Blockfrist (27. Oktober 1990) beantragt. Dies lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, daß der Kläger nicht die Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 des Fünften Buchs des Soziagesetzbuchs (SGB V) erfülle, weil er seit dem letzten Krankengeldbezug nicht mindestens sechs Monate arbeitsfähig gewesen sei (Bescheide vom 24./25. Januar 1991; Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 1991). Auf die hiergegen erhobene Klage hob das Sozialgericht (SG) Berlin die genannten Bescheide auf und verurteilte die Beklagte, dem Kläger ab 15. Dezember 1990 wieder Krankengeld zu gewähren. Die Sprungrevision wurde zugelassen. Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt, der seit 1987 wegen derselben Krankheit ununterbrochen arbeitsunfähige Kläger habe einen Anspruch auf Fortzahlung des Krankengeldes in der neuen Blockfrist nach § 183 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) aF. Diese Vorschrift sei im vorliegenden Fall anzuwenden, weil der Versicherungsfall der Krankheit, der den Krankengeldanspruch ausgelöst habe, zu einer Zeit eingetreten sei, als die RVO noch gegolten habe. Nach den einschlägigen versicherungsrechtlichen Grundsätzen sei für die Frage, welches Recht jeweils anzuwenden sei, immer der Zeitpunkt maßgebend, zu dem der Versicherungsfall eingetreten sei und solange nicht der Gesetzgeber eine von diesem Versicherungsprinzip abweichende Regelung getroffen habe. Da der Gesetzgeber versäumt habe, eine Übergangsregelung für die sog. Altfälle zu treffen, müsse im vorliegenden Falle § 183 Abs. 2 RVO a.F. angewendet werden, dessen Voraussetzungen der Kläger erfülle. Die abweichende Rechtsprechung des 1. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) sei nicht überzeugend, weil sie mit der früheren ständigen Rechtsprechung des BSG nicht vereinbar sei. Sie stelle eine völlige Abkehr von dem Prinzip der Bindung des anzuwendenden Rechts an den Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles dar.
Mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 48 Abs. 2 SGB V und macht geltend, es sei der erklärte Wille des Gesetzgebers gewesen, das neue Recht auf alle nach dem 1. Januar 1989 eintretenden Wiederauflebensfälle von Krankengeld anzuwenden. Mit dem Gesundheits-Reformgesetz (GRG) bzw. § 48 Abs. 2 SGB V habe die Rentenersatzfunktion des Krankengeldes beseitigt werden sollen. Das habe die Rechtsprechung inzwischen bestätigt. Allerdings habe das BSG die Verfassungsmäßigkeit des § 48 Abs. 2 SGB V insoweit bezweifelt, als er auch auf Versicherte Anwendung finde, bei denen der Versicherungsfall vor dem 1. Januar 1989 eingetreten sei und die auf Dauer arbeits- und erwerbsunfähig seien, ohne daß sie einen Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitsrente hätten (Hinweis auf den Beschluß des BSG vom 10. Dezember 1991 - 1/3 RK 9/90 -).
Die Beklagte beantragt (sinngemäß),
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das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Januar 1993 aufzuheben und die Klage abzuweisen. |
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Der Kläger beantragt,
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die Revision zurückzuweisen. |
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Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und meint, die Anwendung des § 48 Abs. 2 SGB V auf den vorliegenden Fall bedeute einen verfassungswidrigen Eingriff in eine grundrechtlich geschützte Eigentumsposition, weil er, der Kläger,
zu dem Personenkreis gehöre, für den das BSG in seinem Vorlagebeschluß vom 10. Dezember 1991 selbst einen Verstoß gegen Art 14 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) angenommen habe. Denn bei ihm sei der Versicherungsfall bereits am 27. Oktober 1987, also vor Inkrafttreten des GRG, eingetreten; er sei auch auf Dauer wegen derselben Krankheit arbeits- und erwerbsunfähig, ohne einen Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitsrente erlangt zu haben. Deshalb sei in seinem Fall § 183 Abs. 2 RVO a.F. anzuwenden, nach dem ihm aber das Krankengeld - wie vom SG zugesprochen - zustehe.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).
II
Die Revision der Beklagten führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das SG. Dessen Feststellungen reichen nicht aus, um abschließend entscheiden zu können, ob dem Kläger ab 15. Dezember 1990 wieder Krankengeld zu gewähren ist.
Nach den bisher getroffenen Feststellungen kann der Krankengeldanspruch des Klägers entgegen der Auffassung des SG nicht nach § 183 Abs. 2 RVO aF, sondern nur unter den erschwerten Bedingungen des neuen Rechts wiederaufleben.
Nach dem ab 1. Januar 1989 geltenden § 48 Abs. 2 SGB V besteht für Versicherte, die im letzten Dreijahreszeitraum wegen derselben Krankheit für 78 Wochen Krankengeld bezogen haben, nach Beginn eines neuen Dreijahreszeitraums ein neuer Anspruch auf Krankengeld wegen derselben Krankheit nur dann, wenn sie bei Eintritt der erneuten Arbeitsunfähigkeit mit Anspruch auf Krankengeld versichert sind und in der Zwischenzeit mindestens sechs Monate lang 1) nicht wegen dieser Krankheit arbeitsunfähig waren und 2) erwerbstätig waren oder der Arbeitsvermittlung zur Verfügung standen. Diese Regelung erfaßt hinsichtlich ihrer zeitlichen Geltung auch den vorliegenden Fall. Sie nimmt weder Personen aus, die - wie der Kläger - in ihrem bisherigen Beruf seit langem wegen derselben Krankheit arbeitsunfähig sind, noch sind schlechthin Versicherungsfälle vor dem 1. Januar 1989 ausgenommen. Vielmehr wollte der Gesetzgeber mit den ab 1. Januar 1989 aufgrund des GRG verschärften Bedingungen für das Wiederaufleben des Krankengeldanspruchs verhindern, daß Versicherte auch künftig das Krankengeld als eine nur unterbrochene Dauerleistung mit Rentenersatzfunktion in Anspruch nehmen (vgl. dazu BT-Drucks 11/2237, S. 181 zu § 47 Abs. 2 des Gesetzentwurfs). Deshalb soll nach Beginn eines neuen Dreijahreszeitraums künftig ein Anspruch auf Krankengeld nur dann bestehen, wenn zwischen dem Ablauf des Krankengeldbezuges nach 78 Wochen und dem erneuten Eintritt von Arbeitsunfähigkeit ein Zeitraum von mindestens sechs Monaten liegt, in dem die besonderen, unter Nrn 1) und 2) des § 48 Abs. 2 SGB V genannten Bedingungen erfüllt sind. Daraus ist hinreichend deutlich zu entnehmen, daß der Gesetzgeber grundsätzlich alle Fälle - ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles - erfassen wollte, in denen das Wiederaufleben des Krankengeldanspruchs in einer neuen Blockfrist in die Zeit nach dem 31. Dezember 1988 fällt (vgl. die Urteile des erkennenden Senats vom 26. November 1991 in SozR 3-2500 § 48 Nrn 1 und 2). Dies verstößt - von einem noch zu erörternden Sonderfall abgesehen -auch nicht gegen höherrangiges Recht (Vorlagebeschluß an das Bundesverfassungsgericht [BVerfG] vom 10. Dezember 1991 - 1/3 RK 9/90 -; SGb 1992, 508).
Zu einem anderen Ergebnis führen insbesondere nicht die zum zeitlichen Geltungsbereich von Normen bestehenden allgemeinen Auslegungsgrundsätze. Zwar hat das BSG in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß sich Entstehung und Fortbestand sozialrechtlicher Ansprüche grundsätzlich nach dem Recht beurteilen, das zur Zeit der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände gegolten hat, soweit nicht später in Kraft gesetztes Recht ausdrücklich oder sinngemäß etwas anderes bestimmt (vgl. die Nachweise in den vorgenannten Entscheidungen). Dieser Grundsatz der Maßgeblichkeit des Versicherungsfalles galt aber auch schon nach früherem Recht für das Krankengeld nicht uneingeschränkt. Bereits unter der Geltung der RVO war der Grundsatz, daß der Zeitpunkt der Erkrankung für die Beurteilung aller aus diesem Versicherungsfall erhobenen Ansprüche maßgeblich ist, erheblich modifiziert worden (vgl. die Nachweise in BSG SozR 2200 § 183 Nr. 36, S. 99/100). Insbesondere war schon nach damaligen Recht - wie der erkennende Senat im einzelnen ausgeführt hat (a.a.O.) - dem Wiederauflebenstatbestand gegenüber dem Entstehungstatbestand des Krankengeldanspruchs eine relativ selbständige Bedeutung beigemessen worden, so daß die Grundsätze des intertemporalen Rechts auch für diesen - den eigentlichen Versicherungsfall überlagernden - Tatbestand maßgeblich sind: Treten die Voraussetzungen der Wiedergewährung des Krankengeldes sämtlich erst unter Geltung des neuen Rechts ein, findet grundsätzlich - mangels anderweitiger Bestimmung des Gesetzgebers - neues Recht Anwendung, auch wenn der Versicherungsfall der Krankheit bereits unter der Geltung des alten Rechts eingetreten ist.
In dieser Auslegung verstößt die Neuregelung im Grundsatz auch nicht gegen Art 14 Abs. 1 GG, wie der Senat ebenfalls im einzelnen dargelegt hat. Ein Verstoß gegen diese Grundrechtsnorm, der den erkennenden Senat zur Vorlage an das BVerfG veranlaßt hat (vgl. den Beschluß vom 10. Dezember 1991, a.a.O.), ist nur insoweit angenommen worden, als § 48 Abs. 2 SGB V auch diejenigen Versicherten erfaßt, bei denen der Versicherungsfall der Krankheit vor dem 1. Januar 1989 eingetreten ist und die schon vor diesem Stichtag dauernd arbeits- und zugleich erwerbsunfähig waren, ohne - wegen Fehlens der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen - Anspruch auf eine Erwerbsunfähigkeitsrente zu haben. Zu diesem Personenkreis, der für längere Zeit oder auf Dauer krankheitsbedingt aus dem Arbeitsleben ausscheiden mußte, ohne anderweitig - insbesondere durch rentenrechtliche Anwartschaften - für diesen Fall abgesichert zu sein, gehört der Kläger aber offensichtlich nicht. Es ist weder ersichtlich noch festgestellt, daß er bereits vor dem 1. Januar 1989 nicht nur (im bisherigen Beruf) arbeitsunfähig, sondern zugleich erwerbsunfähig war und daß ihm eine Erwerbsunfähigkeitsrente allein deshalb nicht zustand, weil er die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für diese Leistung nicht erfüllte. Dagegen spricht bereits die Gewährung einer Umschulungsmaßnahme durch die LVA, die die Zurücklegung einer Versicherungszeit von 180 Kalendermonaten oder den Bezug einer Versichertenrente wegen Berufs-oder Erwerbsunfähigkeit vorausgesetzt hat (§ 1236 Abs. 1a Satz 1 RVO in der damals geltenden Fassung). Der Kläger hat nach eigenen Angaben keine Berufs-oder Erwerbsunfähigkeitsrente bezogen. Darüber hinaus bestehen - wie das SG noch im einzelnen festzustellen haben wird - Anhaltspunkte dafür, daß beim Kläger noch ein (Rest) Leistungsvermögen für andere Erwerbstätigkeiten bestand, das ihn - jedenfalls zeitweise - befähigt hat, die verschärften Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 SGB V zu erfüllen. Dann aber wäre der Kläger durch § 48 Abs. 2 SGB V nicht endgültig und ersatzlos vom Wiederaufleben des Krankengeldanspruchs ausgeschlossen, so daß eine eventuelle Verfassungswidrigkeit des § 48 Abs. 2 SGB V ihm gegenüber keine Wirkung hätte.
Wäre mithin im Falle des Klägers § 48 Abs. 2 SGB V anzuwenden, käme ein Anspruch auf Krankengeld für Zeiten ab 15. Dezember 1990 nur dann in Betracht, wenn der Kläger in der Zwischenzeit - zwischen dem Ende des Krankengeldbezuges am 24. April 1989 und dem Ende des Übergangsgeldbezuges am 14. Dezember 1990 - mindestens für sechs Monate arbeitsfähig (nicht wegen derselben Krankheit arbeitsunfähig) war und entweder erwerbstätig war oder der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden hat. Dazu hat das SG - von seinem Rechtsstandpunkt aus zu Recht - keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Das Revisionsgericht kann diese nicht selbst nachholen, so daß der Rechtsstreit an das SG zurückzuverweisen ist.
Bei seiner erneuten Entscheidung wird das SG u.a. zu prüfen haben, ob und ggf wie lange der Kläger in der genannten Zwischenzeit arbeitsfähig und entweder erwerbstätig war oder wenigstens der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden hat. Die sog. Verfügbarkeit richtet sich nach § 103 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG, hier i.d.F. durch das 8. AFG-ÄndG vom 14. Dezember 1987, BGBl. I 2602). Bei der Anwendung dieser Vorschrift ist zu beachten, daß die wegen einer Erkrankung fortbestehende Arbeitsunfähigkeit im bisherigen Beruf (hier: Kanalmaurer) nicht die Verfügbarkeit ausschließt. Denn während sich die Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich nach der zuletzt verrichteten Tätigkeit richtet, sind in die Beurteilung der Verfügbarkeit auch und gerade andere Beschäftigungen einzubeziehen, auf die der Arbeitslose zumutbar verwiesen werden und die er trotz der Krankheit ausüben kann. Im Falle einer Erkrankung fehlt die (objektive) Verfügbarkeit deshalb nur dann, wenn die Krankheit dazu führt, daß der Arbeitslose auch alle anderen ihm zuzumutenden (ggf unterwertigen) Beschäftigungen nicht mehr verrichten kann (vgl. dazu Gagel, Komm zum AFG, § 103 Rz 136). Sollte der Kläger nicht mehr in diesem Sinne arbeitsfähig gewesen sein, fehlt es an der Verfügbarkeit allerdings auch dann, wenn er Arbeitslosengeld allein aufgrund einer die mangelnde Verfügbarkeit heilenden Fiktion (§ 105a AFG) erhalten hat. Ferner wird das SG auch zu beachten haben, daß die Verfügbarkeit nicht ohne weiteres mit der Teilnahme an einer Bildungsmaßnahme endet. Das ist zwar in der Regel der Fall, wenn die Teilnahme an der Maßnahme den Arbeitslosen voll in Anspruch nimmt; etwas anderes kann gelten, wenn er gleichwohl und ungeachtet entstehender Nachteile jederzeit bereit ist, eine Beschäftigung aufzunehmen (vgl. dazu Gagel, a.a.O., § 103 Rz 142).
Schließlich wird das SG auch zu prüfen haben, ob der Kläger in der genannten Zwischenzeit erwerbstätig gewesen ist, insbesondere ob die Teilnahme an der von der LVA Berlin gewährten berufsfördernden Reha-Maßnahme als Erwerbstätigkeit i.S. des § 48 Abs. 2 SGB V anzusehen oder einer solchen jedenfalls gleichzubehandeln ist. Unter Erwerbstätigkeit i.S. von § 48 Abs. 2 SGB V ist eine Beschäftigung gegen Entgelt oder eine Tätigkeit mit Arbeitseinkommen zu verstehen (vgl. Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, SGB V, § 48 Rz 22). Als Beschäftigung gilt in der Sozialversicherung auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung (§ 7 Abs. 2 des Vierten Buchs des Sozialgesetzbuchs [SGB IV]). Diese an § 1 Abs. 5 des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) angelehnte Regelung erfaßt u.a. die Berufsbildung in Betrieben der Wirtschaft, also die betriebliche Berufsausbildung, Fortbildung und Umschulung. Beschäftigung i.S. des § 7 Abs. 2 SGB IV liegt folglich auch dann vor, wenn die Beschäftigung im Rahmen einer beruflichen Rehabilitation zum Zwecke der Umschulung in einem Betrieb erfolgt. Allerdings erhält der Arbeitslose auch in diesen Fällen nach dem Gesetz Übergangsgeld, weil alle Rehabilitanden während der Rehabilitation - ungeachtet der Ausbildungsstätte - gleichbehandelt werden sollen (§ 13 Abs. 1 RehaAnglG, § 1240 RVO aF, § 20 SGB VI; vgl. dazu Jung/Preuß, Rehabilitation, 2. Aufl., § 13 Anm. 3); dies hat zugleich zur Folge, daß das während der Rehabilitationsmaßnahme im Betrieb erzielte Entgelt in Höhe des Nettoentgelts auf das Übergangsgeld angerechnet wird (§ 18 Abs. 1 RehaAnglG, § 1241f. RVO aF, § 27 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI).
Bereits dieser Zusammenhang spricht dafür, daß die Teilnahme an einer Umschulung, auch wenn sie im Rahmen einer beruflichen Rehabilitation erfolgt, als Erwerbstätigkeit i.S. von § 48 Abs. 2 SGB V zu gelten hat und daß die Voraussetzungen dieser Regelung erfüllt sind, wenn der Versicherte in der maßgeblichen Zeit mindestens sechs Monate lang an der Maßnahme unter Bezug der vorgesehenen Lohnersatzleistung teilgenommen hat. Für die Einbeziehung derartiger Tatbestände in § 48 Abs. 2 SGB V spricht aber auch der Sinn und Zweck dieser Regelung. Mit den erschwerten Bedingungen der Nrn 1) und 2) des § 48 Abs. 2 SGB V will der Gesetzgeber gerade bei Versicherten, die in ihrem bisherigen Beruf dauernd arbeitsunfähig sind, die Bereitschaft fördern, zu einer anderen noch möglichen Erwerbstätigkeit überzugehen oder sich zumindest für eine dem Restleistungsvermögen noch entsprechende Tätigkeit der Arbeitsvermittlung zur Verfügung zu stellen. Nur wenn dies geschieht und sich der Versicherte auf die neue Situation einstellt, soll es - trotz Fortbestehens derselben Krankheit - zum Wiederaufleben des Krankengeldanspruchs in einer neuen Blockfrist kommen. Von daher ist es nur folgerichtig, auch diejenigen als erwerbstätig anzusehen, die nicht nur, wie es die Verfügbarkeit i.S. von § 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst b AFG voraussetzt, bereit sind, an einer beruflichen Bildungsmaßnahme oder einer Maßnahme der beruflichen Rehabilitation teilzunehmen, sondern die sich einer solchen auch tatsächlich unterziehen. Auch in diesen Fällen muß nach dem Plan des Gesetzgebers eine Erwerbstätigkeit i.S. von § 48 Abs. 2 SGB V bejaht werden, weil andernfalls die von dieser Regelung angesprochene Zielgruppe nur unvollständig erfaßt wäre und gerade diejenigen Versicherten vom Wiederaufleben des Krankengeldanspruchs ausgeschlossen wären, die das Erforderliche tun, um mit ihrem Restleistungsvermögen wieder in das Erwerbsleben eingegliedert zu werden. § 48 Abs. 2 SGB V setzt im übrigen nicht voraus, daß die sechs Monate zusammenhängend verlaufen sind; eine Unterbrechung der Verfügbarkeit oder der Rehabilitationsmaßnahme durch Arbeitsunfähigkeit oder aus sonstigen Gründen ist daher unerheblich (vgl. BT-Drucks 11/2237, S. 181). Sofern also die Feststellungen des SG ergeben sollten, daß der Kläger mindestens sechs Monate lang im Rahmen der von der LVA Berlin bewilligten Rehabilitationsmaßnahme umgeschult worden ist oder diese Frist mit sonstigen Zeiten erfüllt wird, in denen der Kläger der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden hat, kommt ein Anspruch auf wiederaufgelebtes Krankengeld in Betracht.
Das SG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens mitzuentscheiden haben.
Leitsatz
1) Zur Frage der Anwendung des § 48 Abs. 2 SGB V beim Wiederaufleben des Krankengeldanspruchs nach dem Inkrafttreten des GRG, wenn der Versicherte bereits vorher dauernd arbeits- und erwerbsunfähig war.
2) Einer Erwerbstätigkeit i.S. von § 48 Abs. 2 SGB V ist es gleichzubehandeln, wenn sich ein Versicherter im Rahmen einer beruflichen Rehabilitation einer Umschulungsmaßnahme unterzieht.1 RK 10/93
BUNDESSOZIALGERICHT
Fundstellen
Haufe-Index 518418 |
Breith. 1994, 793 |