Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Minderung der Anspruchsdauer bei Anrechnung von Nebeneinkommen. Verfassungsmäßigkeit. Anhörungspflicht. Abgrenzung zum Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs bei Arbeitsentgelt
Leitsatz (amtlich)
Mit Inkrafttreten des SGB 3 mindert sich die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld auch dann in vollem Umfang, wenn Nebeneinkommen angerechnet wird.
Normenkette
SGB III § 128 Abs. 1 Nr. 1, § 141 Abs. 1 S. 1; AFG § 110 S. 1 Nr. 1 Hs. 2; SGB III § 143 Abs. 1, § 313 Abs. 1; GG Art. 14 Abs. 1 Sätze 1-2; SGB X § 24 Abs. 2 Nrn. 3, 5
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Brandenburg vom 20. März 2003 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Klägerin wendet sich gegen die Anrechnung von Nebeneinkommen auf das ihr gewährte Arbeitslosengeld (Alg) und begehrt hilfsweise die Weiterzahlung von Alg über den 24. August 1999 hinaus.
Die Beklagte bewilligte der Klägerin im März 1999 Alg in Höhe von wöchentlich 294,35 DM ab 22. Februar 1999 für eine Restanspruchsdauer von 184 Tagen bis einschließlich 24. August 1999. Nachdem die Klägerin der Beklagten Bescheinigungen über das aus einer Beschäftigung im Umfang von weniger als 15 Wochenstunden erzielte Entgelt vorgelegt hatte (324 DM im Juni, 1.044 DM im Juli und 918 DM bis 24. August 1999), hob die Beklagte die Alg-Bewilligung für Juni 1999 in Höhe von 59 DM, für Juli 1999 in Höhe von 779 DM und für August 1999 in Höhe von 603 DM auf; gleichzeitig forderte sie jeweils Erstattung des überzahlten Alg und erklärte hinsichtlich der auf Juni und Juli 1999 entfallenden Beträge die Aufrechnung gegen die laufende Leistung (Bescheide vom 23. Juli 1999 und 11. August 1999, Widerspruchsbescheid vom 4. November 1999, Bescheid vom 11. November 1999, Widerspruchsbescheid vom 19. April 2000). Die Bewilligung von Alg über den 24. August 1999 hinaus, die die Klägerin mit der Begründung verlangt hatte, eine aufgehobene Leistungsbewilligung stelle keine Anspruchserfüllung dar, lehnte die Beklagte ab.
Das Sozialgericht hat die gegen die vorgenannten Bescheide erhobenen Klagen nach Verbindung zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung abgewiesen (Urteil vom 19. Oktober 2000). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 20. März 2003). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ua ausgeführt: Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Das Nebeneinkommen sei dem Grunde und der Höhe nach zutreffend angerechnet worden. Einer vorherigen Anhörung der Klägerin habe es nicht bedurft; jedenfalls sei ein Anhörungsmangel mit Durchführung der Widerspruchsverfahren geheilt. Die Anrechnung habe nicht dazu geführt, dass der Anspruch der Klägerin auf Alg mit Ablauf des 24. August 1999 noch nicht erschöpft gewesen sei, da die Anrechnung an der Erfüllung des Anspruchs nichts geändert habe. Die frühere Regelung des § 110 Satz 1 Nr 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG), wonach der Anspruch auf Alg bei der Anrechnung von Nebeneinkommen in bestimmtem Umfang als nicht erfüllt gegolten habe, sei nicht in das Dritte Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) übernommen worden. Dies sei in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend: Die angefochtenen Bescheide seien bereits deshalb rechtswidrig, weil sie zuvor nicht angehört worden sei. Eine Anhörung sei nicht entbehrlich; von einer Nachholung im Widerspruchsverfahren könne nicht ausgegangen werden, weil die Ursprungsbescheide nicht alle entscheidungserheblichen Tatsachen angegeben hätten. Die Aufrechnung sei rechtswidrig, weil die Beklagte das ihr zustehende Ermessen nicht ausgeübt und zu einem Zeitpunkt in das Leistungsverhältnis eingegriffen habe, zu dem die Aufhebungsentscheidung noch nicht bestandskräftig gewesen sei; mittlerweile seien allerdings die Wirkungen der Aufrechnung überholt. Hilfsweise sei der Klägerin Alg über den 24. August 1999 hinaus für weitere 34,27 Tage zu gewähren. Das LSG habe das Verhältnis des § 128 Abs 1 Nr 1 SGB III zu § 143 Abs 1 SGB III nicht richtig beurteilt. Die Anrechnung des Nebeneinkommens werde von § 143 Abs 1 SGB III erfasst. Während der Geltung des AFG sei anerkannt gewesen, dass der Ruhenszeitraum auf die Anspruchsdauer nicht angerechnet werde. An diesem Grundverständnis habe sich auch nach Inkrafttreten des SGB III nichts geändert. Die Sonderregelung des § 110 Satz 1 Nr 1 AFG existiere nicht mehr, sodass die Anrechnung von Nebeneinkommen dem Ruhenstatbestand des § 143 Abs 1 SGB III unbeeinflusst unterfalle. Dies ergebe sich ua aus der Entstehungsgeschichte des § 128 SGB III. Zudem mache die Gesetzesbegründung zu § 141 SGB III deutlich, dass eine Minderung der Leistungsdauer durch die Anrechnung von Nebeneinkommen nicht bezweckt worden sei. Die Einbeziehung der Sachverhalte zur Nebeneinkommensanrechnung nach § 141 SGB III in § 143 SGB III und die Erhaltung der Anspruchsdauer im Wert der Anrechnung sei auch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Insofern sei der Alg-Anspruch gemäß § 128 Abs 1 Nr 1 SGB III nur dann vollständig erfüllt, wenn und soweit Kalendertage im Umfang der Anspruchsdauer nach § 127 SGB III mit der Zahlung von Alg in Höhe des Betrages belegt seien, auf den ohne eine Anrechnung nach § 141 Abs 1 SGB III ein Leistungsanspruch bestehe. Demzufolge seien bei einem kalendertäglichen Alg von 42,05 DM insgesamt 34,27 Tage – im Juni 1999 1,4 Tage, im Juli 1999 18,53 und im August 1999 14,34 Tage – unerfüllt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Brandenburg vom 20. März 2003 – L 10 AL 214/00 – und das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 19. Oktober 2000 – S 15 AL 711/99 – sowie die Bescheide der Beklagten vom 23. Juli und 11. August 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. November 1999 und den Bescheid der Beklagten vom 11. November 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2000 aufzuheben,
hilfsweise
das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Brandenburg vom 20. März 2003 – L 10 AL 214/00 – und das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 19. Oktober 2000 – S 15 AL 711/99 – sowie die Bescheide der Beklagten vom 23. Juli und 11. August 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. November 1999 und den Bescheid der Beklagten vom 11. November 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2000 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab 25. August 1999 Arbeitslosengeld für weitere 34,27 Kalendertage zu gewähren,
weiter hilfsweise
das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Brandenburg vom 20. März 2003 – L 10 AL 214/00 – und das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 19. Oktober 2000 – S 15 AL 711/99 – sowie die Widerspruchsbescheide der Beklagten vom 4. November 1999 und 19. April 2000 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab 25. August 1999 Arbeitslosengeld für weitere 34,27 Kalendertage zu gewähren.
Nach Hinweisen des Senats auf Bedenken, ob eine isolierte Anfechtung der Aufrechnungsentscheidung beabsichtigt bzw ob insoweit ein Rechtsschutzinteresse gegeben sei, hat die Klägerin weitere Hilfsanträge formuliert, die auf die Feststellung gerichtet sind, der Anspruch auf Alg bestehe ab dem 25. August 1999 für weitere 34,27 Tage; wegen des genauen Wortlauts dieser weiteren Hilfsanträge wird auf den Inhalt der Revisionsakten Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist unbegründet.
Zu Recht hat das LSG die Klage als unbegründet angesehen, soweit sich die Klägerin mit ihrem Hauptantrag gegen die Bescheide der Beklagten über die Aufhebung der Bewilligung und die Rückforderung von Alg infolge Anrechnung des in den Monaten Juni bis August 1999 erzielten Nebeneinkommens wendet.
a) Entgegen dem Vorbringen der Revision sind die angefochtenen Bescheide nicht schon wegen mangelnder Anhörung gemäß § 24 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) rechtswidrig.
Die Beklagte konnte von einer Anhörung absehen, weil sie die Angaben der Klägerin über das erzielte Nebeneinkommen zu Grunde gelegt und insoweit nicht zu Ungunsten der Klägerin von diesen Angaben abgewichen ist (§ 24 Abs 2 Nr 3 SGB X). Die Klägerin hat für die genannten Monate jeweils Nebeneinkommensbescheinigungen vorgelegt, von denen die Beklagte in den Anrechnungsbescheiden ausgegangen ist. Zwar sind diese Bescheinigungen vom Arbeitgeber der Klägerin ausgestellt. Zu beachten ist aber, dass nach § 313 Abs 1 Satz 1 und 3 SGB III der Arbeitgeber (nur) verpflichtet ist, dem Leistungsbezieher die formularmäßige Bescheinigung zu erteilen und auszuhändigen. Bei der Vorlage einer solchen Nebeneinkommensbescheinigung bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) handelt es sich also nicht etwa um Angaben des Arbeitgebers; vielmehr macht der Arbeitnehmer, der die Bescheinigung des Arbeitgebers an die BA weitergibt, im Verhältnis zur BA eigene Angaben über sein Nebeneinkommen.
Im Übrigen konnte die Beklagte von einer Anhörung auch gemäß § 24 Abs 2 Nr 5 SGB X absehen, weil sie mit den Anrechnungsbescheiden eine einkommensabhängige Leistung iS der vorgenannten Bestimmung den geänderten Verhältnissen angepasst hat. Zwar handelt es sich beim Alg nicht um eine Leistung, bei der der Anspruch dem Grunde nach von der Frage der Einkommenserzielung abhängt; von § 24 Abs 2 Nr 5 SGB X werden jedoch auch Leistungen erfasst, die nur der Höhe nach einkommensabhängig sind und bei Erzielung von Einkommen oberhalb bestimmter Grenzen teilweise entfallen (vgl Schneider-Danwitz in Gesamtkommentar, § 24 SGB X RdNr 45). Dass das Alg in diesem Sinne eine einkommensabhängige Leistung ist, ergibt sich gerade aus der nach § 141 SGB III vorgeschriebenen Anrechnung von Nebeneinkommen.
Darüber hinaus hat bereits das LSG zutreffend darauf hingewiesen, dass ein möglicher Mangel der zunächst unterbliebenen Anhörung jedenfalls dadurch geheilt worden ist, dass die Klägerin im Widerspruchsverfahren Gelegenheit hatte, Einwendungen vorzubringen (vgl BSG SozR 1200 § 34 Nr 1, 7 und 13). Die in der Revisionsbegründung aufgestellte Behauptung, die Ursprungsbescheide hätten nicht alle entscheidungserheblichen Tatsachen angegeben, ist jedenfalls bezüglich der Aufhebungs- und Rückforderungsentscheidung unzutreffend.
b) Nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG zur Höhe des bewilligten Alg sowie zur Höhe des von der Klägerin in der Zeit von Juni bis August 1999 erzielten Nebeneinkommens, für das die Klägerin keine Werbungskosten geltend gemacht hat, sind die angefochtenen Bescheide der Beklagten, soweit mit ihnen jeweils die Leistungsbewilligung in bestimmter Höhe (59 DM für Juni, 779 DM für Juli und 603 DM für August 1999) aufgehoben und Erstattung überzahlter Beträge verlangt worden ist, nicht zu beanstanden (§ 141 SGB III, §§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3, 50 Abs 1 Satz 1 SGB X, § 330 Abs 3 SGB III). Die Klägerin erhebt insoweit auch keine Einwendungen.
- Nach der Bestätigung der Aufhebungs- und Rückforderungsentscheidung bedurfte es keiner Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der in den Bescheiden vom 23. Juli und 11. August 1999 erklärten Aufrechnung. Mit dem Revisionsvorbringen der Klägerin war erkennbar keine allein gegen die Bestätigung der Aufrechnung durch das LSG gerichtete Revision beabsichtigt. Dies ergibt sich schon aus dem Vortrag der Klägerin, die Aufrechnung sei mittlerweile überholt, denn für die Überprüfung einer “überholten” Entscheidung besteht in der Regel kein Rechtsschutzinteresse. Es ergibt sich auch aus dem Schriftsatz vom 5. Februar 2004; den in diesem Schriftsatz formulierten Hilfsanträgen und der hierzu gegebenen Begründung ist zu entnehmen, dass auch die Klägerin für den Fall der Bestätigung der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide von der Wirksamkeit der Aufrechnung ausgeht. Der Senat kann deshalb offen lassen, ob für eine isolierte Revision gegen eine Aufrechnungserklärung noch im Revisionsverfahren ein Rechtsschutzinteresse besteht, wenn Aufhebung der Leistungsbewilligung, Rückforderung und Aufrechnung in einem Bescheid ausgesprochen werden.
Die Beklagte hat es auch zu Recht abgelehnt, mit Rücksicht auf die Minderung der Leistungshöhe durch Anrechnung von Nebeneinkommen gemäß § 141 SGB III von einer eingeschränkten Minderung der Anspruchsdauer durch Erfüllung des Alg-Anspruchs (§ 128 Abs 1 Nr 1 SGB III) auszugehen. Die Klägerin hat demnach – wie das LSG zutreffend entschieden hat – keinen Anspruch auf Gewährung von Alg über den 24. August 1999 hinaus. Insoweit erweisen sich sämtliche Hilfsanträge der Klägerin, die unabhängig von geringfügig unterschiedlichen Formulierungen sämtlich auf die Gewährung von Alg über den 24. August 1999 hinaus abzielen, als unbegründet.
Das Begehren der Klägerin lässt sich nicht mit der gesetzlichen Regelung in § 128 Abs 1 Nr 1 SGB III vereinbaren. Nach dieser Vorschrift mindert sich die Dauer des Anspruchs auf Alg um die Anzahl von Tagen, für die der Anspruch erfüllt worden ist. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG ist von der Beklagten für alle 184 Tage, für die noch Anspruch auf Alg bestand, Alg gezahlt worden. Etwas anderes folgt nicht daraus, dass mit den angefochtenen – jedoch, wie ausgeführt, rechtmäßigen – Bescheiden das ausgezahlte Alg nachträglich infolge Anrechnung von Nebeneinkommen für den Kalendermonat (§ 141 Abs 1 Satz 1 SGB III) vermindert worden ist; denn mit dieser Anrechnung wird die Gewährung von Alg nur der Höhe nach eingeschränkt, an der Erfüllung des Anspruchs iS des § 128 Abs 1 Nr 1 SGB III für jeden einzelnen Tag ändert sich dadurch nichts.
Auf die bis Ende 1997 geltende Vorschrift des § 110 Satz 1 Nr 1 – zweiter Halbsatz – AFG, wonach der Anspruch auf Alg für so viele Tage als nicht erfüllt galt, als das wöchentliche Alg durch Anrechnung von Nebenverdienst um volle Sechstel gemindert ist, kann sich die Klägerin nicht berufen. Die vorgenannte Bestimmung ist auf den Fall der Klägerin, bei der es um die Frage der Minderung der Anspruchsdauer durch Erfüllung im Jahre 1999 geht, nicht anwendbar. Eine Anwendung kommt auch nicht – wie das LSG zutreffend ausgeführt hat – kraft Übergangsrechts (§ 427 SGB III) in Betracht.
Der im Schrifttum vertretenen Auffassung, bei § 110 Satz 1 Nr 1 – zweiter Halbsatz – AFG habe es sich nur um eine Klarstellung gehandelt, die bereits aus den Grundprinzipien der Erfüllung abzuleiten gewesen sei, und die genannte Bestimmung des AFG sei sinngemäß auch im Rahmen des § 128 Abs 1 Nr 1 SGB III anzuwenden (Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III, § 128 RdNr 11 und in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 10 RdNr 291), folgt der Senat nicht. Gegen eine nur deklaratorische Bedeutung des zweiten Halbsatzes des § 110 Satz 1 Nr 1 AFG spricht bereits, dass im ersten Halbsatz der Grundsatz der Minderung durch Erfüllung aufgestellt wird und daran anschließend eine Ausnahmeregelung mit Rechenvorgaben (volle Sechstel) getroffen wird. Der Hinweis auf Grundprinzipien der Erfüllung iS der Annahme, eine auf Grund einer gesetzlichen Regelung der Höhe nach eingeschränkte Zahlung stelle keine den Anspruch mindernde Erfüllung dar, ist im Übrigen keineswegs zwingend. Auch kann entgegen der Auffassung der Revision den Gesetzesmaterialien zu § 141 SGB III nicht entnommen werden, der Gesetzgeber habe trotz des Fehlens einer § 110 Satz 1 Nr 1 – zweiter Halbsatz – AFG entsprechenden Regelung die Rechtslage hinsichtlich der Minderung der Anspruchsdauer durch Erfüllung des Anspruchs unverändert gelassen; denn die vom Gesetzgeber beabsichtigte großzügigere Ausgestaltung der Bestimmungen zur Anrechnung von Nebeneinkommen (BT-Drucks 13/4941 S 180) impliziert nicht zugleich die Übernahme aller Regelungen des AFG zur Minderung der Anspruchsdauer.
Soweit die Revision geltend macht, die Anrechnung von Nebeneinkommen werde im vorliegenden Fall von § 143 SGB III erfasst, weshalb der Anspruch ruhe und die Anspruchsdauer nicht gemindert werden könne, verkennt sie die Unterschiede zwischen § 141 und § 143 Abs 1 SGB III. § 141 SGB III betrifft nur Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung im Umfang von weniger als 15 Stunden, weshalb die für den Anspruch auf Alg erforderliche Voraussetzung der Beschäftigungslosigkeit nicht ausgeschlossen ist (§ 118 Abs 1 Nr 1, Abs 2 Satz 1 SGB III). § 143 Abs 1 SGB III erfasst dagegen Arbeitsentgelt, das auf Grund eines Arbeitsverhältnisses noch gezahlt oder zumindest geschuldet wird, obwohl der Arbeitnehmer tatsächlich schon nicht mehr beschäftigt wird, wobei nur Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung gemeint ist, die an sich Arbeitslosigkeit ausschließt, also mehr als kurzzeitig ist (vgl Winkler in Gagel, SGB III, § 143 RdNr 4). Auf § 143 Abs 1 SGB III kann sich mithin die Klägerin, die nur Nebeneinkommen aus einer weniger als 15 Stunden umfassenden Tätigkeit erzielt hat und für die deshalb § 141 SGB III die einschlägige Regelung ist, nicht berufen.
Der Senat ist auch nicht davon überzeugt, es sei aus verfassungsrechtlichen Gründen eine andere Auslegung des § 128 Abs 1 Nr 1 SGB III geboten. Zwar ist die Rechtsposition der Versicherten, die wie die Klägerin die für den Anspruch auf Alg erforderliche Anwartschaftszeit erfüllt haben, durch die Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) geschützt; die konkrete Reichweite der Eigentumsgarantie ergibt sich jedoch erst aus der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums durch den Gesetzgeber (Art 14 Abs 1 Satz 2 GG). Dies schließt die Befugnis des Gesetzgebers zur Änderung relevanter Vorschriften ein. Dass im vorliegenden Fall mit der Fassung des § 128 Abs 1 Nr 1 SGB III ohne Schaffung einer dem früheren § 110 Satz 1 Nr 1 AFG entsprechenden Regelung ein die Klägerin übermäßig belastender und deswegen unzumutbarer Eingriff verbunden wäre (vgl BVerfGE 72, 9 ff = SozR 4100 § 104 Nr 13), vermag der Senat nicht zu erkennen. Ebenso wenig bestehen durchgreifende Bedenken im Hinblick auf die unterschiedliche Behandlung der Bezieher von Nebeneinkommen iS des § 141 SGB III einerseits und der Bezieher von Arbeitsentgelt iS des § 143 Abs 1 SGB III andererseits; diese ist vielmehr sachlich gerechtfertigt. Während der Alg-Anspruch der von § 143 Abs 1 SGB III erfassten Versicherten vollständig ruht, erzielen die Bezieher von Nebeneinkommen – wie auch der vorliegende Fall der Klägerin zeigt – aus einer Beschäftigung von weniger als 15 Stunden wöchentlich im Regelfall kein Entgelt, das zum vollständigen Wegfall des Alg führt. Sie bleiben wegen des Bezugs von Alg in der Kranken- und Rentenversicherung versicherungspflichtig (§ 5 Abs 1 Nr 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung, § 3 Satz 1 Nr 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung). Sie sind jedoch hinsichtlich des bezogenen Nebeneinkommens in der Arbeitslosenversicherung versicherungsfrei (§ 27 Abs 5 SGB III), wenn sie wie die Klägerin mehr als geringfügig, jedoch weniger als 15 Stunden wöchentlich, beschäftigt sind und weiterhin Alg beziehen. Diese Regelungen verdeutlichen, dass die Bezieher von Nebeneinkommen weiterhin zu den Leistungsbeziehern gehören. Es ist deshalb sachgerecht, Nebeneinkommen aus einer Beschäftigung nur anzurechnen, den Alg-Anspruch bei Bezug von bzw Anspruch auf Arbeitsentgelt iS des § 143 Abs 1 SGB III aber ruhen zu lassen.
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1167107 |
NZS 2005, 47 |
SozR 4-4300 § 128, Nr.1 |
info-also 2005, 137 |