Entscheidungsstichwort (Thema)
Kassenärztliche Vereinigung. Bemessung des Regelleistungsvolumens. Vergütung der wesentlichen Leistungen des Fachgebiets eines Vertragsarztes
Leitsatz (amtlich)
Eine KÄV ist nicht verpflichtet, das Regelleistungsvolumen eines Vertragsarztes so zu bemessen, dass die wesentlichen Leistungen seines Fachgebiets rechnerisch in jedem Behandlungsfall mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung vergütet werden.
Normenkette
SGB V § 87 Abs. 2 S. 1, § 87a Abs. 2 Sätze 1, 6, § 87b Abs. 1 S. 1 Fassung: 2007-03-26, Abs. 2 S. 1 Fassung: 2007-03-26, S. 2 Fassung: 2007-03-26, Abs. 3 S. 2 Fassung: 2007-03-26
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 17. Januar 2013 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Tatbestand
Im Streit steht die Höhe des dem Kläger für das Quartal I/2009 zustehenden Regelleistungsvolumens (RLV).
Der Kläger nimmt als Facharzt für Augenheilkunde im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Die Beklagte setzte das RLV seiner Praxis für das Quartal I/2009 zunächst mit Bescheid vom 27.11.2008 auf 38 896,20 Euro fest, mit Änderungsbescheid vom 19.3.2009 sodann auf 42 765,24 Euro. Mit Widerspruchsbescheid vom 26.3.2009 gab die Beklagte dem Widerspruch des Klägers teilweise statt und setzte den Fallwert der Arztgruppe vor Gewichtung anhand des Altersfaktors der Praxis auf 20,85 Euro neu fest; im Übrigen wies sie den Widerspruch zurück. Hiergegen erhob der Kläger Klage. Nach Klageerhebung wurde dem Kläger mit Bescheid vom 18.8.2010 für das Quartal I/2009 Honorar in Höhe von 645,52 Euro nachvergütet und damit das RLV - unter Zugrundelegung eines (praxisbezogenen) Fallwerts von 21,18 Euro und einer Fallzahl von 2058 - auf nunmehr 43 588,44 Euro erhöht.
Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteil des SG vom 3.8.2011, Urteil des LSG vom 17.1.2013). Zur Begründung hat das SG ua ausgeführt, ein Grundsatz, dass der RLV-Fallwert nur rechtmäßig sei, wenn dieser sämtliche medizinisch notwendigen Leistungen umfasse, sei der Regelung des § 87b SGB V aF nicht zu entnehmen. Im Übrigen werde die durchschnittliche Höhe der augenärztlichen Grundpauschale durch den zuletzt festgesetzten (Arztgruppen-)Fallwert von 21,25 Euro abgedeckt. Der einzelne Arzt habe keinen subjektiven Rechtsanspruch auf Vergütung jeder einzelnen Leistung in einer bestimmten Höhe oder darauf, dass das vertragsärztliche Honorar für jede Einzelleistung kostendeckend sei. Das LSG hat auf die Ausführungen des SG Bezug genommen und ergänzend ua ausgeführt, der Vortrag des Klägers, die aufgrund des Gesetzes erlassene Gebührenordnung werde durch die Festlegung von RLV signifikant abgeändert, überzeuge nicht, weil die durchschnittliche Grundpauschale im streitgegenständlichen Quartal I/2009 abgedeckt werde. Die Frage, ob weitergehende Absenkungen des Fallwertes in den Folgequartalen rechtmäßig seien, sei nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von Bundesrecht. Das LSG habe zunächst gegen die §§ 153 Abs 2, 153 Abs 1 und 136 SGG verstoßen, da es sich nicht mit dem Verhältnis der RLV zu den zwingenden Vorgaben des Gesetzes zur Berechnung des Honorars gemäß dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) auseinandergesetzt habe; dies sei zentraler Gegenstand der Berufungsbegründung gewesen. In der Sache verstoße das RLV gegen § 87b Abs 2 SGB V aF, da der ihm - dem Kläger - im Rahmen des RLV zugebilligte Fallwert notwendige Leistungen des Kap 6.3 EBM-Ä in keiner Weise abbilde. Der Fallwert erreiche nicht einmal die von jedem Augenarzt in nahezu jedem Behandlungsfall zugrunde zu legende Grundpauschale gemäß den Nr 06210, 06211 und 06212 EBM-Ä. Der seinem RLV zugrunde gelegte Fallwert staffele notwendige Leistungen, die jenseits der Grundpauschale zu erbringen seien, nahezu vollständig ab, ohne dass dies mit dem Ziel der RLV, eine "übermäßige Ausdehnung der Tätigkeit des Arztes" zu verhindern, in Übereinstimmung zu bringen sei. Soweit er - der Kläger - weitere Leistungen gemäß dem Kap 6.3 EBM-Ä erbringen müsse, erfülle dies schon nach den eindeutigen gesetzlichen Vorgaben nicht den Tatbestand einer "übermäßigen Ausdehnung" seiner Tätigkeit. Er habe nicht die Wahl, ausschließlich Leistungen der Grundpauschale zu erbringen.
Entgegen der Auffassung des LSG fordere er kein höheres Honorar, sondern er berufe sich für seinen Honoraranspruch auf geltendes Recht, nämlich den EBM-Ä. Die Leistungen des Kap 6.3 EBM-Ä seien dort zutreffend bewertet. Die Beklagte habe bei der Festsetzung des für das RLV maßgeblichen Fallwerts keine davon abweichende Bewertung vorgenommen. Der niedrige Fallwert habe ausschließlich mit dem den konventionellen Augenärzten zur Verfügung gestellten "Honorartopf" in den Vorjahren zu tun. § 87b SGB V enthalte keine Regelung, wonach die Bewertungen des EBM-Ä im Rahmen der RLV "außer Kraft" gesetzt würden, sondern beziehe sich im Gegenteil in § 87b Abs 2 SGB V aF ausdrücklich auf die Vergütung gemäß EBM-Ä. Der vorliegend festgesetzte Fallwert habe zur Folge, dass alle Leistungen des Kap 6.3 EBM-Ä unbeschadet ihrer Notwendigkeit "mit abgestaffelten Preisen" vergütet würden, konkret in etwa mit einem Fünftel des von Gesetzes wegen garantierten Preises. Eine solche Korrektur sei insbesondere dann rechtswidrig, wenn man die Einführung der RLV als eine Maßnahme ansehe, die auf das Verhalten der Ärzte Einfluss nehmen solle. Die "Entwertung" einer notwendigen medizinischen Leistung habe mit einer Mengensteuerung nichts zu tun.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 17.1.2013 sowie das Urteil des SG Mainz vom 3.8.2011 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 27.11.2008, geändert durch Bescheid vom 19.3.2009, in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.3.2009, erneut abgeändert durch Bescheid vom 18.8.2010, abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger ein höheres Regelleistungsvolumen zuzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Das LSG habe sich nicht vertieft mit dem Verhältnis zwischen EBM-Ä und RLV auseinandersetzen müssen, weil es dem Kläger in Wirklichkeit darum gehe, dass keine angemessene Vergütung seiner vertragsärztlichen Leistungen erfolge. Das LSG habe zu Recht festgestellt, dass der Kläger keinen subjektiven Rechtsanspruch auf Vergütung jeder einzelnen Leistung in einer bestimmten Höhe habe. Dies gelte auch für pauschalierte Vergütungen. Die Pauschalen stünden für eine unbestimmte Menge an Leistungen. Dies bedeute, dass Teile der angeforderten Grundpauschalen mit abgestaffelten Preisen vergütet werden dürften. Es könne demnach nur der Fall eintreten, dass nicht alle zur Abrechnung gelangten Pauschalen mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung vergütet würden, nicht aber der Fall, dass keine Pauschale vollständig vergütet würde. Daher sei für die augenärztlichen Grundpauschalen eine Abstaffelung nicht ausgeschlossen. Die Grundpauschalen seien das Ergebnis einer Pauschalierung sämtlicher Behandlungsfälle der Augenärzte; ihnen liege eine Mischkalkulation zugrunde.
Die Berechnung der RLV-Fallwerte sei entsprechend der gesetzlichen Vorgabe und den Vorgaben des Bewertungsausschusses (BewA) vorgenommen worden. An die Beschlüsse des BewA sei sie - die Beklagte - gebunden. Diese seien auch rechtmäßig. Das RLV eines Arztes sei von einer Vielzahl gesetzlicher und untergesetzlicher Faktoren abhängig. Danach entziehe sich die Frage, ob für eine Leistung eine kostendeckende Vergütung zu erzielen sei, einer generellen Beantwortung. Es könne daher nicht von vornherein ein RLV in einer bestimmten Höhe erwartet werden. Das RLV sei ein Mengensteuerungsinstrument. Die Honorarverteilung könne nur im Rahmen der der KÄV zur Verteilung zur Verfügung stehenden Geldmenge erfolgen. Eine Auffüllung des augenärztlichen "Topfes" würde dazu führen, dass das Geld an anderer Stelle fehle. Eine nachträgliche Modifizierung der Gesamtvergütung komme nicht in Betracht.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt; sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das LSG hat zu Recht die Festsetzung des RLV für die klägerische Praxis als rechtmäßig angesehen.
A. 1. Die prozessualen Einwände des Klägers greifen nicht durch. Das Berufungsurteil leidet nicht an dem formellen Fehler unzureichender Entscheidungsgründe (§ 202 SGG iVm § 547 Nr 6 ZPO). Ein Urteil ist nicht als fehlerhaft aufzuheben, solange noch eine Auseinandersetzung mit dem Kern des Vorbringens erkennbar sowie die Argumentation noch nachvollziehbar und verständlich ist (BSG MedR 2007, 614 = USK 2007-26; BSGE 111, 114 = SozR 4-2500 § 87 Nr 26, RdNr 22). Diese Voraussetzungen erfüllt die angefochtene Entscheidung, da sie sich - wenn auch ggf nicht in der vom Kläger gewünschten Breite - mit dessen Vortrag auseinandersetzt, durch die Festlegung des RLV werde die gesetzliche Gebührenordnung abgeändert.
2. Die Zuweisung eines RLV ist gesondert anfechtbar (BSG SozR 4-2500 § 87b Nr 1 RdNr 10). Dies folgt, wie der Senat (aaO) dargelegt hat, bereits aus der in § 87b Abs 5 Satz 2 SGB V aF angeordneten Geltung des § 85 Abs 4 Satz 9 SGB V aF (jetzt § 87b Abs 2 Satz 4 SGB V nF bzw § 85 Abs 4 Satz 6 SGB V nF), welcher bestimmt, dass Widerspruch und Klage keine aufschiebende Wirkung haben. Dieser Geltungsanordnung hätte es nicht bedurft, wenn die Zuweisung nicht gesondert, sondern nur zusammen mit dem Honorarbescheid anfechtbar wäre. Die Zuweisung des RLV erfolgt im Übrigen in Form einer eigenständigen Regelung und stellt daher einen Verwaltungsakt dar (BSG aaO). Allerdings ist für die Klärung der Rechtmäßigkeit der Zuweisung eines RLV nur solange Raum - und ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben - als die den streitbefangenen Zeitraum betreffenden Quartalshonorarbescheide noch nicht bestandskräftig sind (BSG aaO RdNr 11 ff). Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.
B. In der Sache ist die Revision des Klägers unbegründet.
1. Streitgegenstand des Verfahrens ist ausschließlich die Höhe des dem Kläger für das Quartal I/2009 zugewiesenen RLV, nicht aber die Frage, ob ihm ein Anspruch auf höheres Honorar - etwa aufgrund von Regelungen über Ausgleichszahlungen im Fall von Honorarverlusten um mehr als 15 % gemäß Teil F Nr 3.7 des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses (EBewA) vom 27./28.8.2008 oder von Härteregelungen nach dem Honorarverteilungsvertrag - zusteht. Ebenfalls nicht streitbefangen ist die Frage, ob Gründe dafür vorliegen, ausnahmsweise von einer Vergütung mit abgestaffelten Preisen abzusehen (vgl § 87b Abs 2 Satz 3 Halbsatz 2 SGB V aF).
2. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zuweisung eines höheren RLV zu. Dass die Beklagte das RLV fehlerhaft berechnet hat, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Entgegen der Auffassung des Klägers sind auch die normativen Grundlagen dieser Berechnung beachtet worden und für sich genommen wirksam. Dass die gesetzlichen Vorgaben (§§ 87a und 87b SGB V aF) gegen höherrangiges Recht verstoßen, wird vom Kläger zu Recht nicht geltend gemacht, ebenso wenig, dass der zur Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben erlassene Beschluss des EBewA nicht im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben steht. Im Kern rügt der Kläger, dass das ihm zugewiesene RLV mit einem Fallwert von 21,18 Euro die notwendigen medizinischen Leistungen seiner Praxis nicht annähernd abbilde, und dass die Leistungsbewertungen im augenärztlichen Kapitel 6.3 des EBM-Ä durch ein derart niedriges RLV konterkariert würden. Letztlich macht der Kläger damit geltend, dass das - nach den gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben zutreffend berechnete - RLV jedenfalls in seinen Auswirkungen nicht mit höherrangigem Recht im Einklang steht.
Das trifft jedoch nicht zu. Das ihm zugewiesene RLV verstößt weder gegen die gemäß § 87b Abs 2 SGB V aF bei der Festlegung des RLV zu beachtenden Grundsätze (a.) noch gegen die in § 87 Abs 2 SGB V normierten Regelungen über die Bewertung ärztlicher Leistungen (b.). Auch der Grundsatz der angemessenen Vergütung vertragsärztlicher Leistungen ist durch die Festsetzung des RLV nicht verletzt worden (c.). Schließlich kann der Kläger auch keine Rechte aus den Grundsätzen über die Beobachtungs- und Reaktionspflicht der Beklagten herleiten (d.).
a. Das dem Kläger zugewiesene RLV verstößt nicht gegen § 87b Abs 2 SGB V aF.
aa. Gemäß § 87b Abs 1 Satz 1 SGB V aF werden die vertragsärztlichen Leistungen abweichend von § 85 von der KÄV auf der Grundlage der regional geltenden Euro-Gebührenordnung nach § 87a Abs 2 vergütet. Zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Arztes und der Arztpraxis sind gemäß § 87b Abs 2 Satz 1 SGB V aF arzt- und praxisbezogene RLV festzulegen. Dabei definiert § 87b Abs 2 Satz 2 SGB V aF ein RLV nach Satz 1 als die von einem Arzt oder der Arztpraxis in einem bestimmten Zeitraum abrechenbare Menge der vertragsärztlichen Leistungen, die mit den in der Euro-Gebührenordnung gemäß § 87a Abs 2 enthaltenen und für den Arzt oder die Arztpraxis geltenden Preisen zu vergüten ist. Abweichend von Abs 1 Satz 1 ist die das RLV überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Preisen zu vergüten; bei einer außergewöhnlich starken Erhöhung der Zahl der behandelten Versicherten kann hiervon abgewichen werden (§ 87b Abs 2 Satz 3 SGB V aF).
Der gemäß § 87b Abs 4 Satz 1 SGB V aF zur Bestimmung des Verfahrens zur Berechnung und zur Anpassung der RLV nach § 87b Abs 2 und 3 SGB V berufene BewA hat - als EBewA - in seiner Sitzung am 27./28.8.2008 unter Teil F einen entsprechenden Beschluss gefasst (DÄ 2008, A-1988). Nach Teil F Nr 1.2.1 des vorgenannten Beschlusses werden die RLV nach Maßgabe von Nr 2. und 3. sowie den Anlagen 1 und 2 zu Teil F für das jeweilige Abrechnungsquartal ermittelt. Den Rechenweg für die Bestimmung des arztindividuellen RLV hat der EBewA in der Anlage 2 zu Teil F Nr 1 des Beschlusses vom 27./28.8.2008 (DÄ 2008, A-1995) wie folgt vorgegeben: zunächst ist anhand der im Beschluss festgelegten Berechnungsformel und auf der Grundlage des (angepassten) Vergütungsvolumens 2007 das "vorläufige RLV-Vergütungsvolumen" - getrennt nach hausärztlichem und fachärztlichem Versorgungsbereich - zu ermitteln, sodann aus diesem unter Vornahme vorgegebener Abzüge (insbesondere für abgestaffelte Leistungen, erwartete Zahlungen für Neupraxen, für Ärzte und Einrichtungen, die kein RLV erhalten, sowie der Vergütungen des Jahres 2007 für bestimmte Leistungen, im hausärztlichen Bereich auch für zu erwartende Zahlungen für Qualitätszuschläge) das jeweilige "RLV-Vergütungsvolumen" eines Versorgungsbereichs (Nr 2). Gemäß der unter der Nr 3 vorgegebenen Formel ist sodann der arztgruppenspezifische Anteil hieran zu berechnen, sodann gemäß der Nr 4 der arztgruppenspezifische Fallwert. Die Multiplikation dieses Fallwertes mit der Fallzahl des Arztes (Nr 5) sowie eine morbiditätsbezogene Differenzierung nach Altersklassen gemäß der unter Nr 6 aufgeführten Formel ergibt dann unter Anwendung der konkreten (regionalen) Berechnungsformel das arztindividuelle RLV. Vereinfacht dargestellt ergibt sich die Höhe des arzt- und praxisbezogenen RLV damit aus der Multiplikation der Fallzahl des Arztes im Vorjahresquartal mit dem arztgruppenspezifischen Fallwert.
bb. Ein Verstoß gegen § 87b Abs 2 SGB V aF ergibt sich nicht daraus, dass - wie der Kläger meint - der ihm zugebilligte Fallwert notwendige Leistungen des Kap 6.3 EBM-Ä nicht hinreichend abbilde. Der Kläger geht davon aus, dass sein RLV so hoch sein muss, dass die wesentlichen Leistungen seines Fachgebietes rechnerisch in jedem Behandlungsfall mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung zu vergüten sind. Das mag der Idealkonzeption des Gesetzes entsprechen, ist jedoch nicht durchweg realisierbar, wenn die tatsächlich gezahlten Gesamtvergütungen Grundlage der Berechnung der RLV sind. Das Grundsystem der Vergütung der Gesamtheit der vertragsärztlichen Leistungen durch die Krankenkassen mit einem - steigenden, aber grundsätzlich festen - Betrag ist nicht durchweg kompatibel mit der Vorstellung, eine bestimmte, den Großteil der vertragsärztlichen Leistungen auf einem bestimmten Fachgebiet umfassende Leistungsmenge je Fall mit festen Preisen zu vergüten.
(1) Im Ausgangspunkt ist allerdings zutreffend, dass ein RLV nach seiner gesetzlichen Definition einer bestimmten Leistungsmenge entsprechen soll, die mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung vergütet wird (§ 87b Abs 2 Satz 2 SGB V aF). Innerhalb eines RLV werden die typischen und speziellen Leistungen einer Arztgruppe honoriert (BSG Urteil vom 17.7.2013 - B 6 KA 45/12 R - RdNr 26 - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Weiter ist davon auszugehen, dass diese Leistungsmenge - jedenfalls bei generalisierender Betrachtung - die jeweils notwendigen Leistungen umfasst (in diesem Sinne auch die Gesetzesbegründung zum GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 124 zu § 85b Abs 1). Die Annahme des Klägers, dass das ihm zugewiesene RLV die notwendigen Leistungen "nicht abbilde", wäre allerdings nur dann richtig, wenn man die RLV nicht allein als Leistungsmenge, sondern als garantiertes "Vergütungsvolumen" ansieht, welches sich zwingend aus der Multiplikation des Punktzahlvolumens der in das RLV fallenden Leistungen mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung ergibt.
Diese Sichtweise ließe aber außer Acht, dass eine Diskrepanz zwischen den gesetzlichen Regelungen zur Euro-Gebührenordnung und den Faktoren besteht, welche die Höhe des dem Kläger zugewiesenen RLV bestimmen: Auf der einen Seite regelt § 87a Abs 2 Satz 6 SGB V, dass aus den - gemäß § 87a Abs 2 Satz 1 SGB V auf der Grundlage der Orientierungswerte vereinbarten - Punktwerten und dem EBM-Ä eine regionale Gebührenordnung mit Euro-Preisen (Euro-Gebührenordnung) zu erstellen ist. Weiter gibt § 87b Abs 1 Satz 1 SGB V aF vor, dass die vertragsärztlichen Leistungen ab dem 1.1.2009 auf der Grundlage der regional geltenden Euro-Gebührenordnung nach § 87a Abs 2 vergütet werden. Schließlich wird das RLV - wie bereits erwähnt - nach § 87b Abs 2 Satz 2 SGB V aF als die Menge der vertragsärztlichen Leistungen definiert, die mit den in der Euro-Gebührenordnung enthaltenen Preisen zu vergüten sind. Den sich daraus ergebenden Anschein, dass das RLV einem Geldbetrag entspricht, der sich aus der Multiplikation der in das RLV fallenden Leistungsmenge mit den für die einbezogenen Leistungen geltenden Preisen der regionalen Euro-Gebührenordnung ergibt, erweckt auch die Gesetzesbegründung zum GKV-WSG (BT-Drucks 16/3100 S 124 zu § 85b Abs 2 SGB V): Danach erhalte der Arzt nach dem vorliegenden Modell für die im Rahmen des RLV erbrachten Leistungen die Preise der regionalen Euro-Gebührenordnung und nicht nur die Zusage auf eine Vergütung mit einem festen Punktwert. Das RLV einer Arztpraxis sei so zu bemessen, dass der einzelne Arzt in der Regel die medizinisch erforderlichen Leistungen im Rahmen seines RLV erbringen könne und er sie somit mit den vollen Preisen der Euro-Gebührenordnung vergütet bekomme (aaO S 124).
Auf der anderen Seite enthält das Gesetz jedoch keine diese Intention umsetzenden Berechnungsvorgaben für die RLV: Es gibt nicht vor, dass ein RLV anhand der mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung bewerteten Leistungsmenge zu berechnen ist. Nach § 87b Abs 3 SGB V aF sind die Werte für die RLV vielmehr zum einen morbiditätsgewichtet und differenziert nach Arztgruppen und nach Versorgungsgraden sowie unter Berücksichtigung der Besonderheiten kooperativer Versorgungsformen festzulegen (Satz 1 aaO), zum anderen sind gemäß Satz 2 aaO insbesondere die dort aufgeführten Zahlungen sowie Zahl und Tätigkeitsumfang der der jeweiligen Arztgruppe angehörenden Ärzte zu berücksichtigen (Satz 2 aaO). Nach Satz 2 Nr 1 aaO wird ausdrücklich die Berücksichtigung der "Summe der für einen Bezirk der KÄV nach § 87a Abs 3 insgesamt vereinbarten morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen" vorgegeben. Maßgeblicher Faktor für die Höhe des RLV sind somit nicht die Preise der Euro-Gebührenordnung, sondern die tatsächlich gezahlten Gesamtvergütungen. Somit stellt das RLV nur im "Idealfall" sicher, dass die von ihm erfasste Leistungsmenge in vollem Umfang mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung vergütet wird: Dies ist nämlich nur dann der Fall, wenn die Höhe der gezahlten Gesamtvergütungen - bzw der auf die in das RLV fallende Leistungsmenge bezogene Anteil hieran - mit dem Geldbetrag übereinstimmt, der für die in das RLV fallenden Leistungen nach den Preisen der Euro-Gebührenordnung insgesamt zu zahlen wäre. Es ist aber keineswegs ausgeschlossen, dass der für die Vergütung der in das RLV fallenden Leistungen zur Verfügung stehende Gesamtvergütungsanteil hierfür nicht ausreicht.
(2) Diese Diskrepanzen beruhen darauf, dass der Gesetzgeber die Vorgaben für die Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen - zum einen für die Berechnung der Gesamtvergütungen, zum anderen für die Ermittlung der vertragsärztlichen Honorare - nicht vollständig synchronisiert hat (vgl zur Vergütung im Quartal I/2009 auch Senatsurteil B 6 KA 4/13 R vom heutigen Tag).
Die Höhe der von den Krankenkassen zu zahlenden morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen (MGV) bestimmt sich nach § 87a Abs 3 SGB V aF (der Umstand, dass § 87c SGB V aF für das Jahr 2009 hiervon abweichende Übergangsregelungen enthielt, kann vorliegend außer Betracht bleiben). Danach haben die KÄVen und die Landesverbände der Krankenkassen sowie die Ersatzkassen die von den Krankenkassen mit befreiender Wirkung zu zahlenden Gesamtvergütungen für die gesamte vertragsärztliche Versorgung der Versicherten mit Wohnort im Bezirk der KÄV zu vereinbaren (Satz 1 aaO); damit sind insoweit die klassischen Elemente des bisherigen Vergütungsrechts übernommen worden (BSGE 111, 114 = SozR 4-2500 § 87 Nr 26, RdNr 59). Hierzu haben die Vertragspartner den mit der Zahl und der Morbiditätsstruktur der Versicherten verbundenen Behandlungsbedarf als Punktzahlvolumen auf der Grundlage des einheitlichen Bewertungsmaßstabs zu vereinbaren und diesen mit den nach Absatz 2 Satz 1 - dh auf der Grundlage des bundeseinheitlichen Orientierungswertes - vereinbarten Punktwerten in Euro zu bewerten (Satz 2 aaO). Für die Höhe der Gesamtvergütungen maßgeblich ist mithin der vereinbarte Behandlungsbedarf, nicht hingegen das Punktzahlvolumen der tatsächlich abgerechneten Leistungen.
Entgegen der offenbar vom Kläger vertretenen Auffassung ist mit "Behandlungsbedarf" iS des § 87a Abs 3 SGB V nicht das faktische Behandlungsaufkommen gemeint, sondern allein der durch Vereinbarung festgelegte Bedarf. Damit ist es durchaus denkbar, dass auch Leistungen, die nach Ansicht des Klägers "notwendig" sind, nicht mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung vergütet werden können und müssen. Diesem Umstand hat im Übrigen der Gesetzgeber schon dadurch Rechnung getragen, dass er in § 87a Abs 3 Satz 3 SGB V aF bestimmt hat, dass die "im Rahmen des Behandlungsbedarfs" erbrachten Leistungen mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung nach Absatz 2 Satz 6 zu vergüten sind. Für Leistungen, die über den "Behandlungsbedarf" iS des § 87a Abs 3 SGB V hinausgehen, gilt dies nicht.
Eine Vergütung mit festen Eurobeträgen kommt danach nur in dem Idealfall in Betracht, in dem das zur Verteilung benötigte - aus der Multiplikation aller erbrachten und abgerechneten Leistungen in Punkten mit dem regionalen Punktwert in Euro errechnete - Vergütungsvolumen der Summe der gesamtvertraglich vereinbarten (und zur Vergütung der in das RLV fallenden Leistungen bestimmten) Gesamtvergütungen entspräche. Der Umstand, dass die Höhe der von den Krankenkassen zu zahlenden Gesamtvergütungen gesondert zu vereinbaren ist, hat - in Verbindung mit dem Grundsatz, dass eine nachträgliche Erhöhung der Gesamtvergütungen nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt (vgl BSGE 111, 114 = SozR 4-2500 § 87 Nr 26, RdNr 59 ff) - jedoch zur Folge, dass dann, wenn die tatsächlich abgerechnete Leistungsmenge die als Behandlungsbedarf vereinbarte Leistungsmenge übersteigt, eine "Vergütungslücke" entsteht. Dieser Umstand bedingt, dass die von den Vertragsärzten erbrachten Leistungen auch nach dem 31.12.2008 nicht in jedem Fall mit den - nach Auffassung des Klägers - "garantierten Preisen" zu vergüten sind, sondern sich - namentlich bei abweichender Mengenentwicklung - zwangläufig Vergütungsabsenkungen ergeben. Dies ist letztlich unvermeidbar, weil angesichts insgesamt begrenzter Mittel eine "Auffüllung" der fehlenden Vergütungsanteile nur zu Lasten der übrigen Arztgruppen oder der freien Leistungen erfolgen könnte.
(3) Auf den Umstand, dass eine Garantie fester Preise nicht durchweg mit begrenzten Gesamtvergütungen kompatibel ist, hat der Senat im Übrigen bereits mit Urteil vom 17.7.2013 (B 6 KA 45/12 R - RdNr 26 - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) hingewiesen: "Eine feste, begrenzte Gesamtvergütung schließt die Vergütung aller vertragsärztlicher Leistungen mit einem garantierten Punktwert aus. Mengenbegrenzungen oder Quotierungen sind unvermeidlich, und jeder Garantiepreis für bestimmte, mengenmäßig nicht begrenzte Leistungen führt bei entsprechender Mengenentwicklung zwangsläufig zu einer Absenkung der Vergütung anderer Leistungen. Diese Beurteilung liegt der Rechtsprechung des Senats zu den festen Punktwerten iS von § 85 Abs 4 Satz 7 SGB V aF zugrunde, wonach die Festlegung von 'absolut' festen Punktwerten von vornherein ausgeschlossen ist, weil bei gedeckelter Gesamtvergütung die Vorgabe fester Punktwerte nur dadurch ermöglicht wird, dass entweder die RLV bzw Grenzwerte so (niedrig) bemessen werden, dass die gezahlten Gesamtvergütungen ausreichen, um alle erfassten Leistungen mit dem vorgesehenen Punktwert zu vergüten, oder dass dies zu Lasten der 'freien Leistungen' geht (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 40; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 70 RdNr 33). Daher ist auch ein gewisses Floaten der Punktwerte nicht zu vermeiden; das System der RLV bei begrenzter Gesamtvergütung setzt vielmehr eine Quotierung voraus (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 40 unter Hinweis auf BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 61 RdNr 16; ebenso BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 70 RdNr 33)." Auch wenn sich diese Ausführungen auf eine Quotierung von Leistungen beziehen, die nicht Bestandteil des RLV sind, beschreiben sie allgemeingültig die dem Grunde nach auch für die Vergütung der innerhalb des RLV liegenden Leistungen geltende Situation.
(4) Auch unabhängig von der schon durch die Vereinbarung der MGV bedingten Begrenzung der vertragsärztlichen Vergütungen geht die Annahme des Klägers fehl, dass mit dem EBM-Ä eine "absolute" Vergütungshöhe vorgegeben wird, der sich alle übrigen Regelungen unterzuordnen hätten. Denn das Gesetz geht weiterhin von der Notwendigkeit aus, bei der Verteilung der Gesamtvergütungen regulierend einzugreifen. Zwar bestimmt § 87b Abs 1 Satz 1 SGB V aF, dass die vertragsärztlichen Leistungen ab dem 1.1.2009 auf der Grundlage der regional geltenden Euro-Gebührenordnung nach § 87a Abs 2 SGB V vergütet werden, doch wird zugleich die Festlegung arzt- und praxisbezogener RLV vorgegeben (§ 87b Abs 2 SGB V aF). Diese RLV sind ausdrücklich als Instrument zur Mengensteuerung eingeführt worden (vgl den Gesetzentwurf zum GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 123 zu § 85b ≪jetzt 87b≫ Abs 2); sie bilden mit ihrer mengensteuernden Wirkung das notwendige Korrektiv zur Euro-Gebührenordnung (Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand: 10/09, K § 87b ≪aF≫ RdNr 9). Ziel dieser Mengensteuerung ist weiterhin, den Vertragsärzten einerseits Kalkulationssicherheit zu geben und andererseits (durch Abstaffelungen) den ökonomischen Anreiz zur Leistungsausweitung zu begrenzen (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 31 mwN).
Zielrichtung ist dabei nicht nur eine Begrenzung der Menge insgesamt, sondern auch eine Begrenzung des Umfangs der von einzelnen Arztgruppen erbrachten Leistungen, um zu verhindern, dass diese ihren Anteil an den zur Verteilung anstehenden Gesamtvergütungen zu Lasten anderer Arztgruppen erhöhen können. Dementsprechend bestimmt § 87b Abs 3 Satz 1 SGB V aF, dass die Werte für die RLV ua differenziert nach Arztgruppen festzulegen sind. Dies beinhaltet die Notwendigkeit, der jeweiligen Arztgruppe ein Vergütungsvolumen zuzuweisen, das bei der Festlegung der RLV zugrunde zu legen ist. Wie bereits oben dargestellt, hat der EBewA in der Anlage 2 zu Teil F Nr 1 seines Beschlusses vom 27./28.8.2008 (DÄ 2008, A-1995) den Rechenweg zur Bestimmung des arztgruppenspezifischen Anteils am RLV-Vergütungsvolumen vorgegeben. Dieser Anteil bestimmt sich - vereinfacht dargestellt - anhand des Anteils der Arztgruppe am Vergütungsvolumen 2007, welches einerseits an Veränderungen des EBM-Ä im Jahr 2008 angepasst und andererseits um zahlreiche Vorwegabzüge (s hierzu Nr 2.b. der Anlage) vermindert wurde. Dieses arztgruppenspezifische Vergütungsvolumen ist den früheren Honorarkontingenten oder -töpfen vergleichbar. Auch die nach Arztgruppen getrennte Zuweisung von RLV dient damit - wie Honorarkontingente - dem Zweck, die Folgen einer Leistungsmengenausweitung auf die jeweilige Teilgruppe zu beschränken und Honorarminderungen für solche Gruppen zu verhindern, die zu einer Leistungsausweitung nichts beitragen (vgl schon BSGE 81, 213, 218 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 23 S 154 - zu Honorarkontingenten). Diesen Zweck hat der Senat in ständiger Rechtsprechung gebilligt.
(5) In dem Umstand, dass aus den dargestellten Gründen nicht sichergestellt ist, dass die in das RLV fallenden Leistungen in jedem Fall mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung vergütet werden (oder das RLV umgekehrt nicht alle "notwendigen" Leistungen umfasst), liegt keine "gesetzwidrige" Lücke, die von der Rechtsprechung im Wege der Auslegung zu füllen wäre. Wenn der Gesetzgeber für die Berechnung des RLV nicht die Preise der Euro-Gebührenordnung, sondern die Höhe der vereinbarten Gesamtvergütungen zum Maßstab genommen hat, hat er damit zwangsläufig in Kauf genommen, dass die angestrebte Vergütung aller in das RLV fallenden Leistungen mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung nicht in jedem Fall erreicht werden kann. Im Übrigen blieb dem Gesetzgeber insoweit ohnehin kein Spielraum, weil er andernfalls die Finanzierung der vertragsärztlichen Leistungen von Grund auf neu hätte regeln müssen. Die Vorgabe absolut fester Preise für eine bestimmte - zumindest bei zahlreichen Arztgruppen den größeren Teil der vertragsärztlichen Leistungen umfassenden - Leistungsmenge ist nicht kompatibel mit einer nach anderen Kriterien vereinbarten Gesamtvergütung. Durch die Einführung der MGV und der RLV hat sich nichts daran geändert, dass die Menge des zur Verteilung unter die Vertragsärzte zur Verfügung stehenden Geldes begrenzt ist.
Auch in Bezug auf die Arztgruppe der Augenärzte (bzw speziell die Untergruppe der nicht operativ tätigen Augenärzte) stellt sich die Höhe des RLV somit als zwangsläufige Folge der gesetzlichen Rahmenbedingungen dar. Maßgebender Faktor für die Höhe des arzt- bzw praxisindividuellen RLV ist - wie dargestellt - der arztgruppenspezifische Fallwert, welcher sich nach dem arztgruppenspezifischen Anteil am RLV-Vergütungsvolumen des (fach-)ärztlichen Versorgungsbereiches und dieser wiederum nach dem (angepassten) Vergütungsvolumen 2007 bemisst. Da der Fallwert der nicht operativ tätigen Augenärzte somit deren Honorarvolumen in der Vergangenheit widerspiegelt, hat ein niedriger Fallwert seine Ursache nicht in der Neuregelung des Vergütungssystems. Der Gesetzgeber - wie auch der EBewA als Normgeber - war nicht gehindert, bei der Festlegung des maßgeblichen Vergütungsvolumens an die Werte vorangegangener Vergütungszeiträume anzuknüpfen; in Anbetracht der hinsichtlich der Bestimmung der Gesamtvergütungen weitgehend beibehaltenen gesetzlichen Vorgaben lag dies sogar nahe. Es mag sein, dass der Anteil an den Gesamtvergütungen, der für die von nicht operativ tätigen Augenärzten erbrachten Leistungen zur Verfügung steht, bereits in der Vergangenheit auf ein niedriges Niveau abgesunken ist; zwar fehlen hierzu entsprechende Feststellungen, doch ist die Annahme nicht von der Hand zu weisen, dass die Zunahme ambulanter augenärztlicher Operationen nicht ohne Auswirkungen auf das für konservativ ausgerichtete augenärztliche Leistungen zur Verfügung stehende Honorarvolumen geblieben ist. Für die Berechnung des RLV ist dieser Gesichtspunkt jedoch nicht relevant, sondern kann allenfalls im Rahmen des Grundsatzes der angemessenen Vergütung vertragsärztlicher Leistungen Berücksichtigung finden (s dazu c.).
cc. Soweit der Kläger weiter rügt, dass RLV gemäß § 87b Abs 2 Satz 1 SGB V aF allein den Zweck hätten, eine "übermäßige Ausdehnung der Tätigkeit des Arztes und der Arztpraxis" zu verhindern, nicht aber dazu dienten, notwendige Leistungen abzustaffeln, übersieht er zum einen, dass die "übermäßige Ausdehnung" nicht allein arztindividuell, sondern auch fachgruppenbezogen zu betrachten ist, nämlich auch in dem Sinne, dass eine "übermäßige" Ausdehnung des vergütungsrelevanten Leistungsumfangs durch eine Facharztgruppe zu Lasten anderer Arztgruppen verhindert wird. Zum anderen hat sich der Begriff "übermäßige Ausdehnung" von seinem ursprünglichen Inhalt entfernt. Der in § 87b Abs 2 Satz 1 SGB V aF verwendete Begriff der "übermäßigen Ausdehnung" ist daher nicht auf die in der früheren Rechtsprechung des BSG zu § 85 Abs 4 Satz 6 SGB V aF bzw zu § 368f Abs 1 Satz 5 RVO angezogenen Fallgestaltungen beschränkt, dass der Arzt das "Praxisvolumen" nur unter Verletzung der Pflichten zur sorgfältigen und persönlichen Behandlung bewältigen kann (BSG SozR 2200 § 368f Nr 6 S 10), also angesichts des Umfangs der abgerechneten Leistungen davon auszugehen ist, dass die einzelnen Leistungen nicht mehr in einer der Leistungsbeschreibung entsprechenden Art und Weise erbracht worden sein können und mithin Qualitätsmängel zu befürchten sind (BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 44 S 359; BSGE 89, 173, 174 = SozR 3-2500 § 85 Nr 45 S 369). Vielmehr erfasst er nunmehr - ohne hiermit, wie in der Vergangenheit, zugleich ein "Unwerturteil" zu verbinden - alle Konstellationen, in denen - aus welchen Gründen auch immer - honorarbegrenzende Maßnahmen erforderlich werden (in diesem Sinne auch Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand 12/13, § 87b RdNr 99). Hierzu gehören auch Maßnahmen, die Mengenausweitungen zu Lasten anderer Arztgruppen verhindern.
dd. Wenn der Kläger schließlich geltend macht, jedenfalls die über die Grundpauschalen hinausgehenden Leistungen würden nur noch (abgestaffelt) mit einem Fünftel des garantierten Preises vergütet, lässt er dabei (auch) außer Betracht, dass Mengenbegrenzungsregelungen nach der Rechtsprechung des Senats nicht dazu führen, dass die über die Grenze hinausgehenden Leistungen (mehr oder weniger) unvergütet bleiben, sondern lediglich die Höhe der Vergütung für jede einzelne der erbrachten Leistungen relativ absinkt (stRspr des BSG, vgl BSGE 78, 98, 108 = SozR 3-2500 § 87 Nr 12 S 44; BSGE 92, 233 = SozR 4-2500 § 85 Nr 9, RdNr 13).
b. Entgegen der Auffassung des Klägers verletzt "die Höhe des ihm zugewiesenen RLV" auch nicht § 87 Abs 2 SGB V. Weder die Vorgaben zur Berechnung der RLV noch das konkret für die Praxis des Klägers berechnete RLV stehen im Widerspruch zu den gesetzlichen Vorgaben zur Leistungsbewertung durch einheitliche Bewertungsmaßstäbe.
aa. Schon im Grundsatz gibt es keinen generellen Vorrang der Bestimmungen des einheitlichen Bewertungsmaßstabs gegenüber den Regelungen der Honorarverteilung, zu denen auch die Bestimmungen über die Festlegung von RLV gehören. Soweit sich in der Rechtsprechung des BSG Aussagen der Art finden, dass Honorarverteilungsmaßstäbe nicht gegen die Vorschriften des Bewertungsmaßstabes verstoßen dürfen (BSGE 86, 16, 25 = SozR 3-2500 § 87 Nr 23 S 124) bzw auf die sich aus der Normhierarchie ergebende Vorrangigkeit der vom BewA getroffenen Regelungen verwiesen wird (vgl BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53, RdNr 24; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 58 RdNr 19), gilt dies allein dann, wenn der Bewertungsmaßstab selbst Regelungen enthält, die sich auf die Honorarverteilung - insbesondere durch dort normierte honorarbegrenzende Regelungen - auswirken sollen. Im Übrigen gilt weiterhin, dass die gesetzlichen Vorschriften keine Bindung der Honorarverteilung an den Bewertungsmaßstab vorsehen (s schon BSGE 73, 131, 134 = SozR 3-2500 § 85 Nr 4 S 22).
Vorliegend macht der Kläger keine Verletzung des Vorrangs bundesweiter Vorgaben für die Honorarverteilung geltend, sondern einen Verstoß gegen die in § 87 Abs 2 Satz 1 SGB V normierten Vorgaben für die Leistungsbewertung, indem er die These aufstellt, dass die auf dieser Grundlage erfolgten Leistungsbewertungen nicht durch Regelungen der Honorarverteilung verändert werden dürften. Regelungen des Bewertungsmaßstabs über die Bewertung der vertragsärztlichen Leistungen bewirken jedoch keine generelle Bindung des Normgebers der Honorarverteilung. Art und Umfang der Leistungen, wie sie im einheitlichen Bewertungsmaßstab festgelegt sind, bilden nicht das alleinige Verteilungskriterium; vielmehr können die KÄVen im Rahmen ihrer Satzungsautonomie ebenso wie die Gesamtvertragspartner im Rahmen des ihnen vom Gesetz eingeräumten Handlungsspielraums daneben auch andere Gesichtspunkte berücksichtigen, auch wenn dadurch im Ergebnis von Bewertungen des einheitlichen Bewertungsmaßstabs abgewichen wird (BSGE 73, 131, 134 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 4 S 22; BSGE 76, 6, 10 = SozR 3-2500 § 121 Nr 1 S 5; vgl auch BSG SozR 2200 § 368f Nr 9 S 23 und SozR 2200 § 368f Nr 14 S 47).
Erst recht muss dies dann gelten, wenn das Gesetz selbst ausdrücklich Vorgaben für die Honorarverteilung - hier die RLV - normiert, weil diese Honorarverteilungsregelungen nicht lediglich durch den Gestaltungsspielraum des Normgebers des Honorarverteilungsvertrages gerechtfertigt, sondern vom Normgeber zwingend zu beachten und umzusetzen sind. Wenn schon durch Satzungsrecht bestimmte Honorarkontingente nicht gegen die Bewertungsvorgaben des Bewertungsmaßstabs verstoßen, weil es sich insoweit nicht um Bewertungskorrekturen handelt, sondern um Honorarverteilungsregelungen, die aus anderen Gründen erfolgen (so schon BSGE 73, 131, 135 = SozR 3-2500 § 85 Nr 4 S 23), muss dies gleichermaßen - oder erst recht - für gesetzlich vorgegebene Honorarkontingente in Form von RLV gelten. Dass die These einer strikten Bindung auf der Honorarverteilungsebene an die Bewertungen des EBM-Ä (iVm dem regionalen Euro-Punktwert) nicht tragfähig ist, ergibt auch folgende Überlegung: Wäre das Argument zutreffend, müsste dies auch für die das RLV übersteigenden Leistungen gelten, denn diese sind ja im EBM-Ä mit denselben Punktzahlen bewertet wie die innerhalb des RLV erbrachten Leistungen.
bb. Soweit der Kläger geltend macht, die Bewertungen des EBM-Ä würden durch die RLV unzulässiger Weise "außer Kraft" gesetzt, geht er schon von einer unzutreffenden Prämisse aus: Gemäß § 87 Abs 2 Satz 1 Teilsatz 1 SGB V bestimmt der einheitliche Bewertungsmaßstab den Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen und ihr wertmäßiges, in Punkten ausgedrücktes Verhältnis zueinander. Der EBM-Ä stellt damit keine - der Gebührenordnung für Ärzte vergleichbare - Gebührenordnung dar. Nach wie vor erfolgt die Leistungsbewertung nicht in Euro-Beträgen, sondern in Punktzahlen. Es handelt sich mithin um eine "relative" (vgl BSG SozR 3-2200 § 368g Nr 2 S 6), sowie, da sie der Konkretisierung durch andere Faktoren bedarf, um eine "abstrakte" Bewertung (vgl Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand 9/13, K § 87 RdNr 27). Einzig feststehende Größe ist - wie gesetzlich vorgegeben - das wertmäßige Verhältnis der im Bewertungsmaßstab aufgeführten Leistungen zueinander.
Hieran hat sich auch nach dem im Jahre 2009 geltenden Recht nichts geändert. Zum einen ergibt sich auch nach dem 31.12.2008 die Höhe der von den Krankenkassen für die Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen zur Verfügung zu stellenden Geldmittel nicht anhand gesetzlich vorgegebener - quasi mathematischer - Berechnungsschritte, sondern wird (weiterhin) im Verhandlungswege durch gesamtvertragliche Vereinbarung festgelegt. Zum anderen stimmen die den Vertragspartnern der Gesamtverträge für die Vereinbarung der Gesamtvergütungen vorgegebenen Kriterien - wie dargelegt - nicht im vollen Umfang mit den für die Verteilung der Gesamtvergütungen geltenden Regelungen überein. Der Umstand, dass die vertragsärztliche Vergütung auf zwei - der die Vereinbarung der Gesamtvergütung und der die Honorarverteilung betreffenden - Ebenen geregelt ist, hat (weiterhin) zur Folge, dass der einzelne Vertragsarzt keinen Anspruch auf ein Honorar in einer bestimmten Höhe, sondern nur auf einen angemessenen Anteil an der Gesamtvergütung hat (BSG Urteil vom 17.7.2013 - B 6 KA 45/12 R - RdNr 25 - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Dieser Gesichtspunkt schlägt auch auf die Festlegung der RLV durch.
c. Die Festsetzung des RLV verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der Angemessenheit der Vergütung. Nach § 72 Abs 2 SGB V ist die vertragsärztliche Versorgung durch schriftliche Verträge der KÄVen mit den Verbänden der Krankenkassen so zu regeln, dass eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten gewährleistet ist und die ärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden. Unabhängig davon, ob dieser Grundsatz auch bei der Verteilung der Gesamtvergütungen zu berücksichtigen ist (bejahend Spoerr, MedR 1997, 342, 344; in diesem Sinne wohl auch BSGE 81, 213, 219 = SozR 3-2500 § 85 Nr 23 S 154, das von einer "Mitverantwortung" der KÄVen spricht; verneinend Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand 12/00, § 85 RdNr 203), ist dieser jedenfalls vorliegend nicht verletzt, weil die hierfür in ständiger Rechtsprechung des Senats aufgestellten Anforderungen nicht vorliegen. Danach kommt ein subjektives Recht auf höheres Honorar aus § 72 Abs 2 SGB V iVm Art 12 Abs 1 GG erst dann in Betracht, wenn in einem fachlichen und/oder örtlichen Teilbereich kein ausreichender finanzieller Anreiz mehr besteht, vertragsärztlich tätig zu werden, und deshalb in diesem Bereich die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung gefährdet ist (stRspr des BSG, vgl BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 127 f, 140; BSGE 93, 258 = SozR 4-2500 § 85 Nr 12, RdNr 24 ff; SozR 4-2500 § 85 Nr 17 RdNr 23 ff; BSGE 95, 86 = SozR 4-2500 § 85 Nr 21, RdNr 21; SozR 4-2500 § 85 Nr 26 RdNr 27; zuletzt SozR 4-2500 § 85 Nr 61 RdNr 20). Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Situation im Bereich der Beklagten für die Gruppe der Fachärzte für Augenheilkunde in dem hier maßgeblichen Zeitraum eingetreten sein könnte, sind nicht ersichtlich. Auch der Kläger trägt hierzu nichts vor.
d. Schließlich verstößt die Festsetzung des RLV durch die Beklagte auch nicht gegen die Grundsätze, die der Senat in ständiger Rechtsprechung für eine Beobachtungs- und Reaktionspflicht des Normgebers aufgestellt hat. Danach kann eine Reaktionspflicht insbesondere dann gegeben sein, wenn sich bei einer Arztgruppe ein auf das Honorar mindernd auswirkender gravierender Punktwertverfall ergibt (vgl BSGE 83, 1, 5 = SozR 3-2500 § 85 Nr 26 S 186; BSGE 93, 258 = SozR 4-2500 § 85 Nr 12, RdNr 25; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 40 RdNr 20; zuletzt BSG Beschluss vom 28.10.2009 - B 6 KA 61/08 B - RdNr 12). Sofern diese Grundsätze in Bezug auf die Festsetzung von RLV überhaupt anwendbar sind, was angesichts der Bindung der Beklagten an die Vorgaben des BewA zweifelhaft sein könnte (vgl BSGE 86, 16, 28 = SozR 3-2500 § 87 Nr 23 S 128 - zu Praxisbudgets), hier jedoch keiner Entscheidung bedarf, steht ihrer Anwendung vorliegend schon entgegen, dass es um das Quartal I/2009 geht, mithin um das erste Quartal nach Inkrafttreten des neuen Vergütungssystems (§§ 87a, 87b SGB V). Eine Reaktionsverpflichtung der Beklagten setzt aber voraus, dass es sich um eine dauerhafte, nicht nur um eine vorübergehende Entwicklung handelt (BSGE 83, 1, 5 = SozR 3-2500 § 85 Nr 26 S 186; BSGE 93, 258 = SozR 4-2500 § 85 Nr 12, RdNr 25; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 17 RdNr 23, 25); dies kann im Regelfall frühestens nach Vorliegen der Daten aus mindestens zwei Quartalen angenommen werden (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 17 RdNr 25). Hinzu kommt, dass nach der Senatsrechtsprechung eine Korrektur bzw Nachbesserung regelmäßig nur für die Zukunft gefordert werden kann (BSGE 97, 170 = SozR 4-2500 § 87 Nr 13, RdNr 42 - unter Hinweis auf BSG SozR 3-5533 Nr 763 Nr 1 S 5).
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach hat der Kläger die Kosten des erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO). Eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, da diese keinen Antrag gestellt hat (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).
Fundstellen
Haufe-Index 6623004 |
ArztR 2014, 60 |
MedR 2015, 49 |
SGb 2014, 81 |
GesR 2014, 419 |
Breith. 2014, 705 |
ZMGR 2014, 269 |