Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosenversicherungsfreiheit wegen verminderter Leistungsfähigkeit. arbeitslosenversicherungsrechtliche Beurteilung von jugendlichen Behinderten in Einrichtungen für Behinderte. Nahtlosigkeitsregelung. Feststellung der BU (oder EU) durch den Rentenversicherungsträger
Leitsatz (amtlich)
1. Die Nahtlosigkeitsregelung des AFG § 103 Abs 1 S 3 Nr 1 Buchst a iVm Abs 2 setzt nicht voraus, daß der leistungsgeminderte Antragsteller vor Beginn seiner Berufsausbildung und vor Eintritt seiner Arbeitslosigkeit eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeübt hat und deshalb einen Rentenanspruch besitzt oder die dafür erforderliche Wartezeit erfüllt (Fortführung von BSG 1977-05-26 12 RAr 13/77 = BSGE 44, 29 und BSG 1979-08-07 7 RAr 45/78).
2. Für die Frage, ob eine nach AFG § 168 Abs 1 S 1 (Fassung: 1969-06-25) beitragspflichtige Berufsausbildung gemäß AFG § 169 Nr 4 beitragsfrei ist, kommt es auf die Entscheidung des zuständigen Rentenversicherungsträgers gemäß AFG § 103 Abs 2 an, ob der Auszubildende berufsunfähig iS der gesetzlichen Rentenversicherung ist (AFG § 103 Abs 1 S 3 Nr 1 Buchst a).
3. Eine berufsfördernde Maßnahme soll dem jugendlichen Behinderten iS AFG § 168 Abs 1 S 2 idF des SVBehindertenG eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ermöglichen, wenn sie sich nach ihrem objektiven Inhalt und ihrer objektiven (institutionellen) Ausgestaltung als regelförmige Berufsausbildung für einen anerkannten Arbeitsmarktberuf darstellt; sie ist dann beitragspflichtig nach AFG § 168 Abs 1 S 1, ohne daß es auf die Prognose ankommt, ob der Auszubildende später in der Lage sein wird, eine entsprechende Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben. AFG § 169 Nr 4 findet in diesen Fällen keine Anwendung.
4. Ein als "Antrag auf Arbeitslosenhilfe" bezeichneter Leistungsantrag ist als Antrag auf Arbeitslosengeld aufzufassen, wenn die Voraussetzungen für diesen Anspruch gegeben sind und der Antrag nicht als Beschränkung auf die ausdrücklich genannte Leistungsart verstanden werden muß (Fortführung von BSG 1977-07-21 7 RAr 132/75 = BSGE 44, 164, 167).
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Frage, ob Arbeitnehmer wegen Minderung ihrer Leistungsfähigkeit dauernd der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stehen und damit nach AFG § 169 Nr 4 arbeitslosenversicherungsfrei sind, beurteilt sich vollinhaltlich nach Maßgabe des AFG § 103 Abs 1, dh die Arbeitslosenversicherungsfreiheit setzt die Feststellung der Nichtverfügbarkeit nach AFG § 103 Abs 1 voraus.
2. Bei einem Arbeitnehmer, der wegen verminderter Leistungsfähigkeit nur kurzzeitige Beschäftigungen ausüben kann und darf, verlangt die Nichtverfügbarkeit nach AFG § 103 Abs 1 S 3 Nr 1 Buchst a die Feststellung seiner Berufsunfähigkeit durch den zuständigen Rentenversicherungsträger; bis zum Vorliegen der Entscheidung des Rentenversicherungsträgers gilt der Arbeitnehmer als nicht berufsunfähig und damit als verfügbar, so daß insoweit Arbeitslosenversicherungsfreiheit nach AFG § 169 Nr 4 nicht in Betracht kommt.
Orientierungssatz
Die Feststellung der BU (oder EU) eines Antragstellers durch den Rentenversicherungsträger kann unabhängig vom Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen für einen Rentenbezug getroffen werden. Der Begriff "berufsunfähig iS der gesetzlichen Rentenversicherung" in AFG § 103 Abs 1 S 3 Nr 1 Buchst a (nF) und AFG § 103 Abs 2 bezieht sich nämlich auf die Definition der BU in RVO § 1246 Abs 2, nicht aber auf die Aufzählung der Leistungsvoraussetzungen in RVO § 1246 Abs 1.
Normenkette
AFG § 100 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25, § 103 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 Buchst. a Fassung: 1975-12-18, Abs. 2 Fassung: 1969-06-25, § 168 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1969-06-25, S. 2 Fassung: 1975-05-07, § 169 Nr. 4 Fassung: 1969-06-25; RVO § 1246 Abs. 1-2
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 27.04.1978; Aktenzeichen L 9 Al 163/76) |
SG Nürnberg (Entscheidung vom 12.10.1976; Aktenzeichen S 9 Al 26/76) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 27. April 1978 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger trotz eingeschränkten Leistungsvermögens Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung zustehen.
Der am 4. Januar 1954 geborene Kläger leidet an den Folgen einer Kinderlähmung in Form von Lähmungserscheinungen an beiden Beinen und Armen, einer erheblichen motorischen Unruhe und einer starken Sprechbehinderung. Der Kläger ist ständig an einen Rollstuhl gebunden und auf fremde Hilfe angewiesen. Auf seine geistige Entwicklung blieb die Erkrankung jedoch ohne Einfluß. Der Kläger besuchte nach Abschluß der Volksschule die einjährige kaufmännische Berufsfachschule an der Bayerischen Landesschule für Körperbehinderte in M. Von September 1972 bis Juli 1975 erhielt er im W A der F Anstalten der I M e.V. eine Ausbildung zum Bürokaufmann mit Schwerpunkt im Schreibmaschinenschreiben, wobei der Kläger wegen seiner Behinderung vom Schnellschreiben auf der Schreibmaschine befreit werden mußte. Die Beklagte förderte die Ausbildung in der Zeit vom 13. September 1972 bis 22. Juli 1975 durch die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe (BAB). Im Juli 1975 legte der Kläger vor der Industrie- und Handelskammer N mit Erfolg die Kaufmannsgehilfenprüfung ab und erwarb den Kaufmannsgehilfenbrief. Am 17. Juli 1975 meldete sich der Kläger beim Arbeitsamt A zum 23. Juli 1975 arbeitslos und beantragte Arbeitslosenhilfe (Alhi). Er gab dabei an, halbtags bzw fünf Stunden täglich Schreibmaschinenarbeiten ausführen zu können. Durch Bescheid vom 12. August 1975 (Widerspruchsbescheid vom 14. Januar 1976) lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, daß der Kläger wegen seiner schweren körperlichen Behinderung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes selbst zu einer geringfügigen Arbeitsleistung nicht imstande sei und er deshalb der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stehe.
Durch Urteil vom 12. Oktober 1976 hat das Sozialgericht (SG) Nürnberg die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 27. April 1978 die angefochtenen Bescheide und das Urteil des SG aufgehoben, die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 23. Juli 1975 Arbeitslosengeld (Alg) zu gewähren und die Revision zugelassen. Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe zwar Alhi begehrt. Da jedoch inzwischen feststehe, daß der Kläger während seiner Berufsausbildung beitragspflichtig zur Arbeitslosenversicherung gewesen sei und damit die Anwartschaftszeit zum Bezug von Alg erfüllt habe, müsse sein Klageantrag so ausgelegt werden, daß Alg als vorrangige Leistung beantragt werde. Objektiv fehle es dem Kläger an der Verfügbarkeit (§ 103 Abs 1 des Arbeitsförderungsgesetzes - AFG -). Er könne nämlich eine auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verwertbare Arbeitsleistung nicht erbringen. Tätigkeiten, die genaues Arbeiten mit den Händen erforderten oder die mit Sprechen verbunden seien, schieden von vornherein aus. Trotz des erfolgreichen Abschlusses habe auch seine Berufsausbildung zum Bürokaufmann keine wesentliche Verbesserung oder Erweiterung der Einsatzmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gebracht. Es käme allenfalls eine Tätigkeit im kaufmännischen Bereich einer beschützenden Werkstätte in Betracht. Die fehlende objektive Verfügbarkeit lasse jedoch nicht seinen Anspruch auf Alg entfallen. Solange die Beklagte noch nicht gemäß § 103 Abs 2 AFG eine Entscheidung des Rentenversicherungsträgers über das Vorliegen von Berufsunfähigkeit eingeholt habe, müsse der Kläger noch als verfügbar gelten. Die Nahtlosigkeitsregelung des § 103 AFG sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - (BSG SozR 4100 § 103 Nr 4) auch in den sogenannten "Null-Fällen" anzuwenden. Nach dem Sinn dieser Regelung könne keine Ausnahme für die Fälle gelten, in denen von vornherein eine entsprechende Feststellung des Versicherungsträgers über die Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit deshalb nicht zu erreichen sei, weil eine Rente bereits aus versicherungsrechtlichen Gründen nicht in Betracht komme. Dasselbe gelte für solche Schwerbehinderte, bei denen von vornherein feststehe, daß sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht einsatzfähig seien. Beim Kläger seien die übrigen Voraussetzungen des Anspruchs auf Alg gegeben.
Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der §§ 103 Abs 2, 168 Abs 1 Satz 2, 169 Nr 4 AFG. Sie trägt im wesentlichen vor: Für den Anspruch auf Alg fehle es bereits an der Anwartschaft; denn entgegen der Auffassung des LSG sei die Ausbildung des Klägers nicht beitragspflichtig gewesen, da der Kläger wegen Minderung seiner Erwerbsfähigkeit dauernd der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stehe (§ 169 Nr 4 AFG). Selbst bei einer gegenteiligen Annahme fehle es aber sowohl für den Alg- als auch einen Alhi-Anspruch an der Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung. Die Nahtlosigkeitsregelung des § 103 AFG könne ihrem Sinn nach hier nicht angewendet werden, weil das eingeschränkte Arbeitsvermögen bereits vor Eintritt in das Berufsleben bestanden habe und der Arbeitslose schon nach seinem Alter die für einen Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitsrente erforderliche Wartezeit (20 Versicherungsjahre, § 1247 Abs 3 b der Reichsversicherungsordnung - RVO -) nicht zurückgelegt haben könne. Da der Kläger bereits bei Eintritt in das Berufsleben berufsunfähig gewesen sei, könne ein Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente nicht entstehen. Der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit (EU) könne angesichts seines jugendlichen Alters auf keinen Fall entstanden sein. Denn anders als sonst in der Rentenversicherung sei in den Fällen des § 1247 Abs 3 b RVO die Erfüllung der Wartezeit eine Voraussetzung für das Entstehen des Versicherungsfalles (§ 1247 Abs 3 Satz 2 RVO). In solchen Fällen ließe sich eine Nahtlosigkeit zwischen Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit (BA) und der Rentenversicherung überhaupt nicht herbeiführen. Einem Anspruch auf Alhi stehe darüber hinaus noch die Vorschrift des § 134 Abs 2 Satz 2 AFG entgegen. Nach den Gesetzesmaterialien solle im übrigen die Nahtlosigkeitsregelung auch nur im Verhältnis zwischen Alg und Rente, nicht jedoch zwischen Alhi und Rente gelten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 27. April 1978 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 12. Oktober 1976 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er trägt vor, daß er während seiner Berufsausbildung der Beitragspflicht zur BA unterlegen habe. Der Beitrag sei aus seinem Arbeitsentgelt von monatlich DM 30,- (1972) bis DM 198,- (1975) berechnet worden. Die Ausbildung sei auch durchgeführt worden, um ihn in den allgemeinen Arbeitsmarkt einzugliedern. Das gehe daraus hervor, daß die Beklagte schon während der Berufsausbildung eine Spezialschreibmaschine finanziert habe, mit der auch ein späterer Arbeitsplatz ausgestattet werden sollte. Für den Kläger sei eine Beschäftigung im Büro einer beschützenden Werkstätte in Frage gekommen. Ein solcher Arbeitsplatz unterscheide sich nicht von einem Arbeitsplatz in der Privatwirtschaft. Allerdings könne erwartet werden, daß in einer Werkstätte für Behinderte ein besonderes Verständnis für die sich aus den schweren Behinderungen des Klägers ergebenden Schwierigkeiten (bestimmte längere Ruhezeit oder Pflegezeiten) aufgebracht würde. Jedenfalls sei eine der Ausbildung des Klägers entsprechende Tätigkeit denkbar.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das LSG hat die Beklagte zu Recht zur Gewährung von Alg verurteilt. Allein dieser Anspruch ist Gegenstand des Revisionsverfahrens, da nur die Beklagte Revision eingelegt hat.
Der Kläger hat mit seiner Arbeitslosmeldung zum 23. Juli 1975 die Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg gemäß § 100 AFG erfüllt. Nach dieser Vorschrift hat Anspruch auf Alg, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hat.
Der Kläger hat zwar bei seiner Arbeitslosmeldung am 17. Juli 1975 den von der Beklagten hierfür ausgegebenen Vordruck "Antrag auf Arbeitslosenhilfe" benutzt und demgemäß formell die Gewährung von Alhi beantragt. Sein Antrag ist jedoch als Antrag auf Alg aufzufassen. Dem Vorbringen des Klägers ist zu entnehmen, daß er die ihm zustehende Leistung begehrt. Ist dies, wie hier, das Alg, so kommt es für die Annahme einer entsprechenden Antragstellung nicht darauf an, welchen Vordruck der Antragsteller benutzt oder welchen Ausdruck er gewählt hat, sofern - wie hier - keine Anhaltspunkte dafür gegeben sind, daß nur die ausdrücklich bezeichnete Leistungsart beantragt wurde (vgl BSG vom 19. Juni 1979 - 7 RAr 77/78 -; Schönefelder/Kranz/Wanka, Kommentar zum AFG, 1. Lieferung, Stand August 1972, Anm 18 zu § 100; s auch BSGE 44, 164, 167 mwN und zu anderen Rechtsgebieten BSGE 36, 120, 121; BSG vom 16. März 1979 - 9 RV 18/78 -). Aus diesem Grunde hat das LSG auch den Klageantrag zutreffend dahin ausgelegt, daß der Kläger die Verurteilung zur Gewährung von Alg beantragt hat. Daß die Beklagte im Verwaltungsverfahren ausdrücklich nur über einen etwaigen Anspruch des Klägers auf Alhi entschieden hat, ändert nichts daran, daß sie den Antrag des Klägers insgesamt abgelehnt hat, wenn auch möglicherweise mit einer unzutreffenden Begründung. Das Erfordernis eines Vorverfahrens iS von § 78 SGG ist damit erfüllt. Im übrigen ergibt sich aus dem Vorbringen der Beklagten im Berufungs- und Revisionsverfahren, daß sie selbst in den angefochtenen Bescheiden auch die Ablehnung eines Alg-Antrages erblickt.
Der Kläger war arbeitslos (vgl BSGE 41, 229, 230) und hat die Anwartschaft für den Anspruch auf Alg erfüllt. Nach § 104 Abs 1 AFG in der hier maßgeblichen Fassung vor dem Inkrafttreten (1. Januar 1976) des Gesetzes über die Verbesserung der Haushaltsstruktur im Geltungsbereich des Arbeitsförderungs- und des Bundesversorgungsgesetzes vom 18. Dezember 1975 (BGBl I 3113 - HStruktG - AFG) erfüllt die Anwartschaftszeit, wer in der Rahmenfrist des § 104 Abs 2 AFG 26 Wochen oder sechs Monate in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung (§ 168 AFG) gestanden hat. Der Kläger hat diese Voraussetzung durch seine Berufsausbildung zum Bürokaufmann in der Zeit vom 13. September 1972 bis 22. Juli 1975 erfüllt und aus dieser Tätigkeit einen Anspruch auf Alg für 312 Tage erworben (§ 106 Abs 1 Nr 5 AFG).
Die Beitragspflicht während der Berufsausbildung des Klägers ergibt sich aus § 168 Abs 1 AFG, und zwar bis zum 30. Juni 1975 in der Ursprungsfassung des AFG vom 25. Juni 1969 (BGBl I 582), ab 1. Juli 1975 in der Fassung des Gesetzes über die Sozialversicherung Behinderter vom 7. Mai 1975 (BGBl I 1061 - SVBG), vgl Art 3 § 3 SVBG.
Nach § 168 Abs 1 AFG aF sind beitragspflichtig Personen, die als Arbeiter oder Angestellte gegen Entgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind (Arbeitnehmer), soweit sie nicht nach § 169 AFG oder einer Rechtsverordnung nach § 173 Abs 1 AFG beitragsfrei sind.
Der Kläger war während seiner Ausbildung zum Bürokaufmann im Sinne dieser Vorschrift zu seiner Berufsausbildung beschäftigt. Die Berufsausbildung im W A zum Bürokaufmann war eine Ausbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) vom 14. August 1969 (BGBl I 1112). Der Beruf des Bürokaufmanns ist ein nach § 25 Abs 1 BBiG anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von drei Jahren (Erlaß des Bundesministers für Wirtschaft - II B 5 - 46 50 22 - vom 12. März 1962, zitiert nach: Die anerkannten Ausbildungsberufe, Ausgabe 1975, herausgegeben vom Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft, S 34). Am 5. Juli 1972 hat der Kläger mit dem "W" einen Berufsausbildungsvertrag nach den §§ 3 und 4 BBiG abgeschlossen, der in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse bei der Industrie - und Handelskammer N eingetragen wurde. In § 11 (sonstige Vereinbarungen) des Berufsausbildungsvertrages heißt es zwar: "Ausbildungsvergütung wird aufgrund der derzeitigen Rechtsauffassung des Kostenträgers der Ausbildung nicht gewährt". Eine Beschäftigung zur Berufsausbildung im Sinne des § 168 Abs 1 AFG liegt jedoch auch dann vor, wenn kein Entgelt gezahlt wird. Es kommt lediglich auf das Beschäftigtsein an (vgl Schönefelder/Kranz/Wanka, Kommentar zum AFG, 2. Lieferung, Stand August 1973, § 168 Anm 13; BSG SozR Nr 5 zu § 165 a RVO).
Die bis 30. Juni 1975 nach § 168 Abs 1 AFG aF beitragspflichtige Ausbildung des Klägers war nicht durch § 169 Nr 4 AFG von der Beitragspflicht ausgenommen. Nach dieser Vorschrift sind beitragsfrei "Arbeitnehmer, die wegen einer Minderung ihrer Leistungsfähigkeit dauernd der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stehen (§ 103 Abs 1 AFG)".
Es kann dahinstehen, ob nach den Feststellungen des LSG der Schluß gerechtfertigt ist, daß der Kläger der Arbeitsvermittlung in diesem Sinne dauernd nicht zur Verfügung stand, insbesondere, ob diese Folgerung bereits zu Beginn der Ausbildung als Voraussetzung ihrer Beitragsfreiheit oder (erst) nach deren Beendigung möglich war. Es fehlt nämlich bisher - wie das LSG unangegriffen festgestellt hat - an der auch insoweit erforderlichen Entscheidung des zuständigen Rentenversicherungsträgers gemäß § 103 Abs 2 AFG über die Frage, ob der Kläger berufsunfähig im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung ist oder nicht, so daß für den gesamten hier in Rede stehenden Zeitabschnitt der Ausbildung (13. September 1972 bis 30. Juni 1975) von der Voraussetzung seiner Verfügbarkeit im Sinne des § 103 Abs 1 Satz 2 Nr 1 iVm Abs 2 Satz 2 AFG idF des Gesetzes vom 25. Juni 1969 (BGBl I 582) auszugehen ist (s jetzt § 103 Abs 1 Satz 3 Nr 1 a AFG idF des HStruktG-AFG iVm Abs 2 Satz 2).
Die §§ 168, 169 AFG betreffen zwar die Beitragspflicht einer Beschäftigung als Arbeitnehmer unter Einbezug der Berufsausbildung. Wenn das Gesetz die Frage der Beitragsfreiheit einer an sich beitragspflichtigen Beschäftigung von dem Begriff der (dauernden) Nichtverfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung abhängig macht, so führt es für die Bestimmung dieses Rechtsbegriffes hier keine anderen Merkmale ein, als sie auch sonst dafür gelten. Dies wird durch die ausdrückliche Verweisung in § 169 Nr 4 AFG auf § 103 Abs 1 AFG besonders deutlich. Die Frage nach der Verfügbarkeit im Sinne von § 169 Nr 4 AFG beurteilt sich demgemäß vollinhaltlich nach der Regelung in § 103 Abs 1 AFG (so auch Schönefelder/Kranz/Wanka, aaO, 2. Lieferung, Stand August 1973, Anm 23 zu § 169; Schmitz/Specke/Picard, Arbeitsförderungsgesetz, Erl. 2.5 zu § 169 - S 169-10 -; Krebs, Kommentar zum AFG, Anm 37 zu § 169; Draeger/Buchwitz/Schönefelder, Kommentar zum AVAVG, Anm 3 zu § 58). Nach § 103 Abs 1 AFG steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer bereit und in der Lage ist, eine arbeitsmarktübliche Beschäftigung von mehr als geringfügigem (kurzzeitigem) Umfang (§ 102 AFG) auszuüben. Das war beim Kläger zwar nicht der Fall, wie das LSG festgestellt hat. Danach konnte er nicht einmal mehr eine geringfügige (kurzzeitige) Beschäftigung im Sinne von § 102 AFG ausüben. Daraus ergibt sich jedoch noch nicht ohne weiteres seine Nichtverfügbarkeit; denn nach § 103 Abs 1 Satz 2 Nr 1 AFG idF von 1969 (jetzt § 103 Abs 1 Satz 3 Nr 1 a AFG idF des HStruktG-AFG) besteht bei einer Leistungsminderung, solange noch nicht Berufsunfähigkeit (BU) festgestellt ist, die Annahme der Verfügbarkeit weiter (vgl hierzu BSG vom 7. August 1979 - 7 RAr 70/78 und 7 RAr 45/78 -).
Für die Feststellung der BU ist nach § 103 Abs 2 AFG ausschließlich der zuständige Rentenversicherungsträger befugt (vgl BSG vom 7. August 1979 - aaO -). Der § 169 Nr 4 AFG verweist zwar nicht auch auf § 103 Abs 2 AFG. Das hindert dessen Anwendbarkeit im Rahmen einer erforderlichen Feststellung der Beitragsfreiheit gemäß § 169 Nr 4 AFG jedoch nicht. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist in § 103 Abs 1 AFG die Frage der Verfügbarkeit von Personen, die nur noch unter halbschichtig arbeiten können, dem materiellen Inhalt nach geregelt. § 103 Abs 2 AFG bestimmt die formelle alleinige Befugnis des Rentenversicherungsträgers zur Feststellung des insoweit erheblichen Merkmals der BU (BSG vom 7. August 1979 - 7 RAr 70/78 -; s dort auch zur Entwicklungsgeschichte dieser Regelung). Für die Verweisung auf § 103 Abs 2 AFG bestand in § 169 Nr 4 AFG deshalb kein Bedürfnis. Für die Frage nach der (dauernden) Verfügbarkeit eines Beschäftigten als (weitere) Voraussetzung für die Beitragspflicht seiner Tätigkeit kommt es lediglich auf den materiell-rechtlichen Inhalt dieses Begriffes an.
Es kann im übrigen nicht angenommen werden, daß der Gesetzgeber insoweit die formelle Befugnis zur Feststellung der BU im Sinne von § 103 Abs 1 AFG der Beklagten oder gar der Beitragseinzugsstelle übertragen wollte (vgl § 182 AFG). Dies würde nicht nur der der sogenannten Nahtlosigkeitsregelung in § 103 AFG zugrundeliegenden gesetzlichen Absicht und Systematik widersprechen (vgl dazu BSG aaO), sondern auch deren Verwirklichung verhindern können. Nach § 103 AFG bestimmt sich das Anspruchsmerkmal der Verfügbarkeit in bezug auf einen erhobenen Leistungsanspruch. Voraussetzung für den Anspruch ist aber auch die Erfüllung der Anwartschaftszeit durch (in der Regel) beitragspflichtige Beschäftigung. Macht das Gesetz aber das Merkmal der Verfugbarkeit als Voraussetzung für den Bestand eines Leistungsanspruchs in bestimmten Fällen von der unverzichtbaren Entscheidung des Rentenversicherungsträgers abhängig, so ist kein Grund dafür erkennbar, daß bei der Prüfung der Beitragspflicht (oder Beitragsfreiheit) - als Grundlage der Anwartschaftszeit - demgegenüber die Bundesanstalt für Arbeit (BA) über eine "dauernde" Nichtverfügbarkeit (§ 169 Nr 4 AFG) ohne Zuziehung des Rentenversicherungsträgers entscheidungsbefugt sein soll; insofern würde die Beklagte nämlich bereits bei der Beitragspflicht allein mittelbar über die Verfügbarkeit des Arbeitslosen im Sinne von § 103 Abs 1 AFG entscheiden, was gerade durch die Vorschrift des § 103 Abs 2 AFG verhindert werden soll.
Die negativen Auswirkungen einer anderen Auffassung auf die Absicht und Systematik der Nahtlosigkeitsregelung sind nicht zu verkennen: Die Zuständigkeit der BA für die Beurteilung der BU in diesen Fällen würde den alten, als unerträglich empfundenen Zustand vor der Einführung der Nahtlosigkeitsregelung zur Folge haben (vgl BSGE 44, 29, 30 ff). Wäre nämlich die BA bereits im "Vorfeld" eines möglichen Leistungsanspruchs - bei der Frage der Beitragspflicht einer Beschäftigung als Voraussetzung für den Anwartschaftserwerb auf Alg - nach § 169 Nr 4 AFG im Rahmen ihrer Verfügbarkeitsprüfung allein zur Entscheidung befugt, so würde dies die Befugnis einschließen, auch über die maßgebliche Frage der BU eines Arbeitnehmers im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung zu entscheiden. Damit würde die Entscheidung des nach § 103 Abs 2 AFG insoweit berufenen Rentenversicherungsträgers hinfällig werden; denn es bedürfte bei Bejahung der BU durch die Beklagte nach § 169 Nr 4 AFG mangels Entstehung einer Anwartschaft gar nicht mehr einer Prüfung der Verfügbarkeit nach § 103 Abs 1 und 2 AFG, und zwar auch dann nicht, wenn der Rentenversicherungsträger die BU anders bewerten würde. Der Zweck der Nahtlosigkeitsregelung wäre damit im Ansatz dadurch beseitigt, daß wiederum unterschiedliche Entscheidungen zweier Versicherungsträger über den Umfang einer Leistungsminderung möglich wären mit der Folge der Leistungsversagung sowohl von Seiten der BA als auch von Seiten des Rentenversicherungsträgers. Die alleinige Entscheidungsbefugnis der BA über die BU eines Arbeitnehmers im Rahmen des § 169 Nr 4 AFG beschränkte sich nämlich nicht nur auf Fälle, in denen eine Anwartschaft nach § 104 AFG noch gar nicht entstanden ist, sondern würde auch in den Fällen möglich sein, in denen - wie im vorliegenden Fall - ein Leistungsanspruch erhoben wird. Hat nämlich die Einzugsstelle mit oder ohne Beteiligung der BA (§ 182 AFG) zunächst Beitragspflicht nach § 168 Abs 1 AFG ohne Anwendung von § 169 Nr 4 AFG angenommen, so wäre die BA nicht gehindert, erst zum Zeitpunkt des Leistungsantrags nachträglich die Beitragsfreiheit der für die Anwartschaft zu berücksichtigenden Beschäftigung gemäß § 169 Nr 4 AFG festzustellen (vgl BSGE 44, 193, 197). Nicht nur in einem Falle wie dem des Klägers, sondern auch in anderer Gestaltung ist es denkbar, daß die objektive Leistungsminderung nicht erst mit dem Eintritt der Arbeitslosigkeit zusammenfällt, sondern schon vorher bestand. Wäre die Beklagte ohne rechtzeitige Beteiligung des Rentenversicherungsträgers dazu befugt, die BU im Sinne von § 103 Abs 1 AFG und die dauernde Nichtverfügbarkeit des Arbeitnehmers nach § 169 Nr 4 AFG für zurückliegende, möglicherweise längere Beschäftigungszeiten festzustellen, so daß damit die Anwartschaftszeit nach § 104 AFG entfiele, könnte sie den Leistungsanspruch ablehnen. Dadurch wäre es der Beklagten möglich, die für diese Fälle gedachte Nahtlosigkeitsregelung des § 103 AFG zu umgehen. Der Senat unterstellt hierbei nicht etwa eine solche Verfahrensweise der Beklagten. Sie wäre bei alleiniger Entscheidungszuständigkeit im Rahmen des § 169 Nr 4 AFG vielmehr gesetzlich dazu verpflichtet, entsprechend zu verfahren.
Sowohl mit Rücksicht auf den Inhalt von § 169 Nr 4 und § 103 Abs 1 AFG als auch mit Rücksicht auf die oa Rechtsfolgen ist der Senat deshalb der Auffassung, daß die Beitragsfreiheit wegen dauernder Nichtverfügbarkeit im Sinne von § 169 Nr 4 AFG denselben (verfahrensrechtlichen) Kriterien unterliegt, wie die Verfügbarkeit oder Nichtverfügbarkeit in § 103 AFG als Voraussetzung des Leistungsanspruchs auf Alg. Die Annahme der Beitragsfreiheit einer Beschäftigung gemäß § 169 Nr 4 AFG setzt demgemäß die Feststellung der Nichtverfügbarkeit nach § 103 Abs 1 AFG voraus. Diese wiederum verlangt bei einem Antragsteller, der nur noch zu geringfügiger (kurzzeitiger) Tätigkeit im Sinne von § 102 AFG imstande ist, die Feststellung seiner BU im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung. Diese Entscheidung trifft allein der Rentenversicherungsträger nach § 103 Abs 2 Satz 1 AFG. Bis zum Ergehen dieser Entscheidung gilt der Arbeitnehmer als nicht berufsunfähig (§ 103 Abs 2 Satz 2 AFG), damit als verfügbar. Für die Anwendung des § 169 Nr 4 AFG hat dies zur Folge, daß danach Beitragsfreiheit einer Beschäftigung solange nicht angenommen werden darf, als die Entscheidung des Rentenversicherungsträgers nicht vorliegt, daß der Beschäftigte berufsunfähig ist.
Der Senat verkennt nicht die verwaltungsmäßige Erschwernis, die diese Rechtsfolge für die beitragsrechtliche Beurteilung bestimmter Beschäftigungsverhältnisse für die Einzugsstelle und für die Beklagte mit sich bringt. Sie müssen aber mit Rücksicht auf die dem Gesetzeszweck der Nahtlosigkeitsregelung sonst entgegenstehenden Folgen hingenommen werden, um so mehr, als die Beklagte jederzeit in der Lage ist, die Entscheidung des Rentenversicherungsträgers nach § 103 Abs 2 AFG im Rahmen des § 169 Nr 4 AFG herbeizuführen, und daß ihre Leistungspflicht nur in dem Umfange entstehen und bestehen kann, als sie dies nicht tut.
Die vom Senat vertretene Auffassung dient im übrigen der Rechtsklarheit und der Rechtssicherheit gerade bei leistungsgeminderten Arbeitnehmern. Bekanntlich hängt der Anwartschaftserwerb als Voraussetzung für den Alg-Anspruch nicht von der tatsächlichen Beitragszahlung ab, dh die tatsächliche aber fehlerhafte Entrichtung von Beiträgen begründet keinen Anspruch auf Alg (vgl BSGE 44, 193, 197; Urteil des Senats vom 4. September 1979 - 7 RAr 57/78 -). Diese Rechtsfolge verschließt sich verständlicherweise der Einsicht der Betroffenen in hohem Maße. Die Auffassung des Senats ist für die Fälle der Leistungsminderung geeignet, solchen Unwägbarkeiten und Unsicherheiten entgegenzuwirken. Hat die BA frühzeitig unter Beteiligung des Rentenversicherungsträgers die Beitragsfreiheit einer Beschäftigung nach § 169 Nr 4 AFG festgestellt, werden keine Beiträge mehr entrichtet.
Damit wird für den leistungsgeminderten Arbeitnehmer deutlich erkennbar, daß keine Versicherungsansprüche nach dem AFG aus dieser Beschäftigung hergeleitet werden können. Wird die Feststellung nach § 169 Nr 4 AFG hingegen nicht oder erst später getroffen, bleibt die Beschäftigung solange beitragspflichtig und anwartschaftsbegründend im Sinne von § 104 AFG, so daß die tatsächliche Beitragsentrichtung für den Beschäftigten ihren Sinn behält.
Soweit es den Zeitraum der Ausbildung des Klägers ab 1. Juli 1975 anbelangt, ergibt sich deren Beitragspflichtigkeit unmittelbar aus der Änderung des § 168 Abs 1 AFG durch das von diesem Zeitpunkt an geltende SVBG. In Abs 1 wurde der Satz 2 angefügt, wonach jugendliche Behinderte, die in Einrichtungen für Behinderte, insbesondere in Berufsbildungswerken, an einer berufsfördernden Maßnahme teilnehmen, die ihnen eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ermöglichen soll, und Jugendliche, die in Einrichtungen der Jugendhilfe durch Beschäftigung für eine Erwerbstätigkeit befähigt werden sollen, den zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten gleichstehen. Unter den Begriff der Jugendlichen, die an einer berufsfördernden Maßnahme teilnehmen, fallen auch die behinderten Jugendlichen, die in einem Ausbildungsverhältnis nach dem BBiG stehen. Davon ist der Gesetzgeber ausgegangen (s Regierungsentwurf BR-Drucks 73/74, allgemeine Begründung, S 10 zu 1 c). Auch nach der Terminologie des AFG gehört die "Berufliche Ausbildung" (Überschrift II A vor § 40) zur "Förderung der beruflichen Bildung" (Überschrift des Vierten Unterabschnitts des Ersten Abschnitts). Die Leistungen, die die BA hierfür erbringt, gehören zu den berufsfördernden Leistungen (vgl § 56 AFG, §§ 1, 11 Abs 2 Nr 3 des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation - RehaAnglG -). Der Kläger war Jugendlicher im Sinne dieser Vorschrift. Aufgrund des Gesetzes zur Neuregelung des Volljährigkeitsalters vom 31. Juli 1974 (BGBl I 1713) war er zwar mit Wirkung vom 1. Januar 1975 an volljährig. Zu Beginn der Ausbildung war er aber jedenfalls noch Jugendlicher. Nach dem Runderlaß der BA Nr 249/75 vom 30. Juni 1975 (Dienstbl A S 606, unter IIIa) kommt es für den Begriff des jugendlichen Behinderten sogar nur darauf an, ob die betreffende Person vor der berufsfördernden Maßnahme zur Rehabilitation noch keine Berufstätigkeit ausgeübt hat.
Die Vorschrift des § 168 Abs 1 Satz 2 AFG hat, soweit sie die Beitragspflicht von behinderten Auszubildenden regelt, zunächst eine klarstellende Funktion. Wie bereits erwähnt, galt dieser Personenkreis nach Rechtsprechung und Literatur bereits vor Inkrafttreten des SVBG grundsätzlich als beitragspflichtig zur Arbeitslosenversicherung. Dementsprechend sind als Grund für die ausdrückliche Einbeziehung der Behinderten in einer beruflichen Erstausbildung im Regierungsentwurf (aaO) nur gewisse Zweifel angeführt, die auf der oftmals (wie im Falle des Klägers) fehlenden Ausbildungsvergütung beruhten. Auch in dem Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 11. Februar 1975 (BT-Drucks 7/3237, Bericht des Abgeordneten Glombig, S 4 I 3.) ist von einer rechtlichen Unsicherheit die Rede, die Anlaß für eine ausdrückliche gesetzliche Regelung gegeben habe.
Art 2 § 4 Nr 2 des Regierungsentwurfs sah zwar vor, daß (sämtliche) Personen, die in Einrichtungen für behinderte Jugendliche an einer Maßnahme der Berufsausbildung teilnehmen, den zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten gleichstehen sollten. Dieser Personenkreis sollte somit sowohl in der Kranken- und Rentenversicherung (s §§ 165 Abs 1 Nr 2 a, 1227 Abs 1 Satz 1 Nr 3 a RVO idF des SVBG) als auch in der Arbeitslosenversicherung versichert sein. Aufgrund der Beschlüsse des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung wurde jedoch eine weitere Voraussetzung für die Beitragspflicht in der Arbeitslosenversicherung in das Gesetz aufgenommen. Die berufsfördernde Maßnahme soll darauf ausgerichtet sein, eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu ermöglichen (s Gegenüberstellung der unterschiedlichen Fassungen in BT-Drucks 7/3237 S 21). Für diese Abweichung bei der Beitragspflicht in der Arbeitslosenversicherung hat der Ausschuß folgende Begründung gegeben: "Solche Maßnahmen werden auch durchgeführt mit dem Ziel. für die Arbeit in einer Werkstätte für Behinderte befähigt zu werden. Da die Tätigkeit in einer Werkstätte in der Regel nicht der Beitragspflicht nach dem AFG unterliegt, kann dies auch für die darauf zielende Vorbereitung (noch) nicht gelten" (vgl die Begründung in der Drucks 7/1992 S 10, II, 3 a),
Sowohl nach dem Gesetzeswortlaut als nach den verlautbarten Motiven des Gesetzgebers kommt es deshalb für die Beitragspflicht der Teilnahme an einer berufsfördernden Maßnahme in Einrichtungen für Behinderte auf das Ziel der Maßnahme an. Entscheidend ist, ob sie den Jugendlichen nur für eine Arbeit in einer beschützenden Werkstätte befähigt, dann ist sie beitragsfrei, oder ob sie ihm eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ermöglichen soll, dann ist sie beitragspflichtig.
Die Ausbildung des Klägers war deshalb ab 1. Juli 1975 beitragspflichtig; denn sie erfüllt die Voraussetzungen des § 168 Abs 1 Satz 2 AFG idF des SVBG. Wie schon ausgeführt, handelte es sich dabei um eine berufliche Ausbildung im Sinne des BBiG mit dem Ziel der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten eines auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt anerkannten und vorhandenen Berufs, nämlich dem des Bürokaufmannes. Dieser objektive Inhalt einer berufsfördernden Maßnahme ist für die Auslegung des § 168 Abs 1 Satz 2 AFG maßgebend, nicht etwa die subjektive und notwendigerweise prognostische Erwägung, ob der einzelne Teilnehmer nach Beendigung der Maßnahme mit Rücksicht auf seine gegenwärtige Behinderung auch tatsächlich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einen Arbeitsplatz finden wird oder nur innerhalb einer Werkstätte für Behinderte tätig sein kann. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Vorschrift. Maßgebend ist danach, daß die Teilnahme an der Maßnahme eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt "ermöglichen soll".
Das Gesetz verlangt also weder die Gewißheit eines derartigen Erfolgs noch etwa deren Verfestigung im Sinne einer sicheren Wahrscheinlichkeit. Hiervon ausgehend kann sich die Bedeutung der Maßnahme für den allgemeinen Arbeitsmarkt nur danach beurteilen, welches objektive Ziel sie nach inhaltlicher und institutioneller Ausgestaltung besitzt.
Dem stehen die oa Motive zu § 168 Abs 1 Satz 2 AFG nicht entgegen. Maßnahmen, die lediglich für die Arbeit in einer Werkstätte für Behinderte befähigen sollen und die demgemäß (nur) zu einer in der Regel beitragsfreien derartigen Beschäftigung führen (vgl Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Band I/2 S 312 q - 51. Nachtrag - März 1979), unterscheiden sich ebenfalls objektiv, nämlich inhaltlich und institutionell von solchen, die eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ermöglichen sollen. Dies wird besonders in § 11 RehaAnglG deutlich. Dort wird (ua) unterschieden zwischen berufsfördernden Leistungen bei der Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Anpassung, Fortbildung, Ausbildung und Umschulung (Abs 2 Nr 3) und sonstigen Hilfen der Arbeits- und Berufsförderung, um Behinderten eine angemessene und geeignete Erwerbs- oder Berufstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder in einer Werkstätte für Behinderte zu ermöglichen (Abs 2 Nr 4). Demzufolge unterscheidet auch die Beklagte in der gemäß § 58 Abs 2 AFG ergangenen Anordnung über die Arbeits- und Berufsförderung Behinderter vom 31. Juli 1975 (ANBA S 994 - AReha) zwischen Ausbildungs-, Fortbildungs-, Umschulungs- und Fernunterrichtsmaßnahmen einerseits (§§ 15 bis 18 AReha), die von Inhalt und Ausgestaltung her den Bezug zum allgemeinen Arbeitsmarkt besitzen müssen, und weiteren Bildungsmaßnahmen andererseits (§ 19 Areha), bei denen dieser Bezug durch die Maßnahme erst hergestellt werden soll, für deren Förderung es aber ausreicht, wenn sie für eine Tätigkeit in einer Werkstätte für Behinderte befähigt (vgl insbesondere § 19 Abs 1 Nr 4 AReha). Daß die Beklagte nach § 9 Abs 1 Nr 4 AReha berufsfördernde Leistungen - mit Einschränkungen, vgl § 9 Abs 2 AReha - auch für Maßnahmen mit dem Ziel der Aufnahme einer Tätigkeit in einer Werkstätte für Behinderte erbringt, entspricht ihrem Auftrag aus § 56 AFG und steht der oa Auslegung des § 168 Abs 1 Satz 2 AFG nicht entgegen.
Die Annahme der Beitragspflicht für eine berufsfördernde Maßnahme im Sinne von § 168 Abs 1 Satz 2 AFG, wenn sie nach Inhalt und Ausgestaltung objektiv geeignet ist, eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu ermöglichen, dient ferner einer wünschenswerten beitragsrechtlichen Klarheit und entspricht dem auch sonst gültigen Grundsatz, daß sich die Beitragspflicht eines Beschäftigungsverhältnisses nach dessen objektiven Merkmalen zu richten hat. Mag es im Falle des Klägers tatsächliche Anhaltspunkte dafür geben, daß er infolge seiner Behinderung kaum jemals dazu in der Lage sein dürfte, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu werden, so wird dies in allen vergleichbaren Fällen einer sicheren Prognose häufig nicht zugänglich sein. In diesen Fällen würde es praktisch von der arbeitsmedizinischen Beurteilung bei Beginn der Maßnahme abhängig sein, ob Beitragspflicht zu bejahen ist oder nicht. Die Beurteilung der gesundheitlichen Entwicklung eines jugendlichen Behinderten auf mehrere Jahre im voraus in bezug auf seine Einsatzfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt hängt darüber hinaus nicht nur von der Entwicklung seines individuellen Gesundheitszustandes selbst ab, sondern auch von den Veränderungen des Arbeitsmarktes als solchem in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht. Auch unter diesen Gesichtspunkten hält es der Senat deshalb für sinnvoll, einer an objektiven Kriterien orientierten Rechtsanwendung dann den Vorzug zu geben, wenn diese besser als eine andere Auslegung geeignet ist, den sozialrechtlichen Schutz Behinderter zu gewährleisten. Auf diese Weise wird jedenfalls für jene berufsfördernden Maßnahmen zugunsten Behinderter, die wie die hier vorliegende regelförmige Ausbildung objektiv zu einem Arbeitsmarktberuf führen, die Beitragspflicht zur BA der Versicherungspflicht in der Renten- und Krankenversicherung gleichgestellt (vgl §§ 165 Abs 1 Nr 2 a, 1227 Abs 1 Satz 1 Nr 3 a RVO idF des SVBG). Daß in diesen Fällen dann durchaus auch auf der Leistungsseite ein tatsächliches Bedürfnis zur Herstellung von Nahtlosigkeit zwischen Arbeitslosen- und Rentenversicherung bestehen kann, liegt auf der Hand.
Beitragspflicht gemäß § 168 Abs 1 Satz 2 AFG idF des SVBG tritt also dann nicht ein, wenn die berufsfördernde Maßnahme dem Behinderten nach ihrem objektiven Inhalt und ihrer objektiven (institutionellen) Ausgestaltung nicht eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ermöglichen kann, sondern allenfalls eine Tätigkeit in einer beschützenden Werkstätte. Das war bei der Ausbildung des Klägers zum Bürokaufmann nicht der Fall.
Diese Berufsausbildung des Klägers war auch nicht nach § 169 Nr 4 AFG beitragsfrei, soweit sich Beitragspflicht aus § 168 Abs 1 Satz 2 AFG idF des SVBG ergibt. Dieses Ergebnis folgt wie für die Zeit bis 30. Juni 1975 nicht daraus, daß die Entscheidung des Rentenversicherungsträgers gemäß § 103 Abs 2 AFG bis zum Ende der Ausbildung nicht vorlag. Vielmehr enthält § 168 Abs 1 Satz 2 AFG eine derart eigenständige Regelung über die Beitragspflicht der Berufsausbildung jugendlicher Behinderter, daß demgegenüber die Regelung in § 169 Nr 4 AFG keine gegenteilige Rechtswirkung mehr erlangt. Dies folgt aus der Bedeutung des § 168 Abs 1 Satz 2 AFG für diesen Personenkreis. Wie dargestellt, erübrigt sich bei Anwendung dieser Vorschrift eine Prüfung der individuellen Leistungsfähigkeit des Behinderten sowohl für den Beginn der Ausbildung als auch - prognostisch - für die Zeit danach in bezug auf seine Einsatzfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Maßgebend ist lediglich der objektive (allgemeine) Charakter der Ausbildung. Würde es nach Bejahung der Beitragspflicht in diesem Sinne wiederum zu ihrer Beitragsfreiheit führen können, wenn es auf die Feststellung ankäme, ob der behinderte Auszubildende wegen Minderung seiner Leistungsfähigkeit dauernd der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung steht (§ 169 Nr 4 AFG), so bedeutete dies, daß letztlich doch eine individuelle Wertung der Maßstab für die beitragsrechtliche Beurteilung der Ausbildung wäre. Dies steht in einem solchen Widerspruch zu der Regelung in § 168 Abs 1 Satz 2 AFG, daß sie dessen Bedeutung auflösen würde. Infolgedessen kann die Gleichstellung jugendlicher Behinderter in § 168 Abs 1 Satz 2 AFG mit den zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten im Sinne von § 168 Abs 1 Satz 1 AFG dann, wenn es sich bei der berufsfördernden Maßnahme um eine regelförmige Ausbildung für einen Arbeitsmarktberuf handelt, zur Erhaltung des Gesetzeszweckes nur bedeuten, daß in diesen Fällen die gesetzlich vorgesehene Beitragspflicht durch § 169 Nr 4 AFG nicht beseitigt werden kann. Dabei kann offen bleiben, ob man § 168 Abs 1 Satz 2 AFG als eine die Anwendbarkeit des § 169 Nr 4 AFG grundsätzlich ausschließende Sonderregelung versteht oder ob in der Feststellung der Beitragspflicht nach § 168 Abs 1 Satz 2 AFG zugleich die Feststellung enthalten ist, daß die Voraussetzungen für Beitragsfreiheit nach § 169 Nr 4 AFG (noch) nicht vorliegen. Im Ergebnis schließt jedenfalls die Beitragspflicht nach § 168 Abs 1 Satz 2 AFG Beitragsfreiheit nach § 169 Nr 4 AFG aus.
Hatte sonach der Kläger durch seine Ausbildung die Anwartschaftszeit gemäß § 104 AFG erfüllt, so steht es dem daraus entstandenen Anspruch auf Alg nicht entgegen, daß er nach den Feststellungen des LSG wegen Leistungsminderung nicht in der Lage war, mehr als geringfügige (kurzzeitige) Beschäftigungen - ja nicht einmal diese - auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben. Seine Verfügbarkeit ist nämlich gemäß § 103 Abs 1 und 2 AFG unwiderleglich solange zu vermuten, als der zuständige Rentenversicherungsträger nicht festgestellt hat, daß der Kläger berufsunfähig im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung ist (vgl BSGE 44, 29; BSG vom 7. August 1979 - 7 RAr 70/78 und 7 RAr 45/78 -).
Der Anwendbarkeit dieser grundlegenden Verfügbarkeitsbestimmung für leistungsgeminderte Arbeitslose steht es nicht entgegen, daß der Kläger vor Beginn seiner Berufsausbildung und vor Eintritt seiner Arbeitslosigkeit eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (noch) nicht ausgeübt hat. Nach dem Wortlaut des Gesetzes kommt es nur darauf an, daß der arbeitslose Antragsteller bereit und in der Lage ist, jede zumutbare Beschäftigung aufzunehmen, die er ausüben kann, daß er nur kurzzeitige Beschäftigungen ausüben kann und als Ursache hierfür seine BU vom Rentenversicherungsträger noch nicht festgestellt ist. An keiner Stelle des Gesetzes wird die Forderung erhoben, daß der Antragsteller zuvor eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeübt haben muß; die Regelungen in §§ 107 bis 109 AFG sprechen sogar dagegen. Sofern es überhaupt auf einen nur allgemeinen Bezug zum Arbeitsmarkt ankommen sollte, hätte sich dieser jedenfalls im Erwerb einer Anwartschaft auf Leistungen der Arbeitslosenversicherung bereits dargestellt.
Auch aus den Motiven für die Konzeption der "Nahtlosigkeitsregelung" spricht nichts gegen ihre Anwendbarkeit in einem Falle wie dem des Klägers. Zum einen ist dort kein ausdrücklicher Hinweis enthalten, daß sie nicht für Antragsteller gelten sollte, die noch nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig waren und schon gar nicht - wie die Beklagte offenbar meint -, die einen Rentenanspruch nicht besitzen oder nicht (mehr) erwerben können. In der Praxis und Rechtsprechung sind deshalb auch ohne weiteres die Fälle einbezogen worden, in denen ein Rentenanspruch zB wegen fehlender Wartezeit nicht erfüllt ist (vgl zB Urteil des Senats vom 7. August 1979 - 7 RAr 45/78 -).
Sicherlich war es der globale Sinn der "Nahtlosigkeitsregelung", über das Leistungsvermögen des Antragstellers und darauf beruhende Ablehnungen von Leistungsanträgen durch die Versicherungsträger zu vermeiden (vgl dazu insbesondere BSGE 44, 29). So gesehen setzte diese Erwägung den grundsätzlichen Bestand solcher Ansprüche im übrigen voraus. Die getroffene Regelung ist jedoch nicht in dieser Weise differenziert worden. Eine entsprechende Auslegung würde im übrigen bedeuten, daß die Beklagte rentenversicherungsrechtliche Vorfragen bindend zu entscheiden hätte, bevor es zur Anwendung von § 103 Abs 2 AFG käme. Gerade das sollte aber durch diese Regelung (iVm § 103 Abs 1 AFG) vermieden werden. Die Nahtlosigkeitsregelung des § 103 AFG kann folglich nicht deshalb unanwendbar sein, weil in Fällen wie dem des Klägers die rentenversicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente, insbesondere die Wartezeit, nicht erfüllt sind bzw aufgrund der Art der Behinderung oder des Alters nicht erfüllt werden können. Die Feststellung der BU (oder EU) eines Antragstellers durch den Rentenversicherungsträger kann unabhängig vom Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen für einen Rentenbezug getroffen werden. Der Begriff "berufsunfähig im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung" in § 103 Abs 1 Satz 3 Nr 1 a (nF) und § 103 Abs 2 AFG bezieht sich nämlich auf die Definition der BU in § 1246 Abs 2 RVO, nicht aber auf die Aufzählung der Leistungsvoraussetzungen in § 1246 Abs 1 RVO.
Für die Anwendung des § 103 Abs 1 Satz 3 Nr 1 a iVm Abs 2 AFG in Fällen wie dem des Klägers sprechen im übrigen rechtspolitische Gründe. Der 12. Senat des BSG hat bereits entschieden, daß die Vorschrift auch auf sogenannte Null-Fälle Anwendung findet (BSGE 44, 29). Gemeint sind damit Fälle völliger Leistungsunfähigkeit, die die Regelung also miterfaßt. Die Gründe, die den 12. Senat zu seiner Entscheidung veranlaßt haben, gelten auch in Fällen der "anfänglichen" Leistungsunfähigkeit. Es soll nicht Aufgabe der BA sein, den Umfang des Leistungsvermögens von leistungsgeminderten Arbeitslosen festzustellen. Dieses Prinzip gilt uneingeschränkt. Würde man für Fälle "anfänglicher" Leistungsunfähigkeit, welchen Grades auch immer, hiervon eine Ausnahme machen, wäre nicht nur dieses Prinzip verletzt; es ließe sich auch eine Fülle unterschiedlicher Kasuistik nicht vermeiden. Die Lebenssachverhalte lassen sich gar nicht übersehen, in denen eine "anfängliche" Leistungsunfähigkeit aus den verschiedensten Gründen angenommen werden kann. Eine Grenzziehung ist allgemein nicht möglich. Fraglich wäre, ob etwa eine nur wenige Stunden oder Tage dauernde Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt mit anschließender Erkrankung oder Verletzung und der Folge völliger Leistungsunfähigkeit genügte, um die Entscheidung des Rentenversicherungsträgers einholen zu müssen oder ob in diesen Fällen - der Rechtsauffassung der Beklagten folgend - diese zur alleinigen Entscheidung befugt wäre. Es kann nicht Sinn der Nahtlosigkeitsregelung in § 103 AFG sein, durch eine in dieser Weise am Einzelfall orientierte Auslegung erneut Unsicherheit in dessen Anwendungsbereich zu tragen, und zwar zu Lasten der einzelnen Versicherten.
Schließlich entstehen zum Nachteil der BA aus der Anwendung der Nahtlosigkeitsregelung bei Anträgen auf Alg von Arbeitslosen, die wie der Kläger noch keine Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt ausgeübt haben, keine unvertretbaren Lasten. Daß sie auch sonst für Arbeitslose gilt, die keinen Rentenanspruch besitzen, wurde schon ausgeführt. Es liegt aber weitgehend in der Hand der BA, die finanzielle Belastung durch Alg-Zahlung in diesen Fällen zu begrenzen; denn der Anspruch besteht wegen der Vermutung der Verfügbarkeit nur solange, bis der Rentenversicherungsträger gemäß § 103 Abs 2 AFG BU festgestellt hat. Im Falle des Klägers - und zwar gerade wegen der voraussehbaren Arbeitslosigkeit - hätte sie diese Entscheidung rechtzeitig einholen können. Der § 103 Abs 2 AFG setzt nämlich nicht eine Entscheidung des Rentenversicherungsträgers erst nach Antragstellung voraus.
Die Regelungen des SVBG über die Sozialversicherung Behinderter stehen der Anwendbarkeit des § 103 Abs 1 und 2 AFG nicht entgegen. Das SVBG bezieht sogar die Tätigkeiten in Werkstätten für Behinderte in den Schutz der gesetzlichen Rentenversicherung ein (§§ 1 bis 3 SVBG; § 1227 Abs 1 Satz 1 Nr 3 a RVO). In die Arbeitslosenversicherung sind jedenfalls diejenigen Behinderten aufgenommen, die die Voraussetzungen des § 168 Abs 1 Satz 2 AFG erfüllen. Beitragspflicht zur BA besteht nach § 168 Abs 1 a AFG für Behinderte auch bei der Teilnahme an berufsfördernden Maßnahmen mit Gewährung von Übergangsgeld, wobei es nicht darauf ankommt, daß der Behinderte vorher bereits Arbeitsentgelt erzielt hat (§§ 59, 59 a Satz 1 Nr 2 AFG). Aus dem Umstand, daß das SVBG lediglich Regelungen in bezug auf die Kranken- und Rentenversicherung getroffen hat, kann deshalb nicht gefolgert werden, daß der Gesetzgeber damit einen prinzipiellen Ausschluß der Behindertenbeschäftigung im Rahmen berufsfördernder Maßnahmen aus der Beitragspflicht zur BA zum Ausdruck bringen wollte.
Ergibt sich nach allem die Anwendbarkeit von § 103 Abs 1 und 2 AFG auf die Beurteilung der Verfügbarkeit des Klägers als Voraussetzung für seinen Alg-Anspruch, so ist dem LSG beizupflichten, daß diese nicht verneint werden kann, weil und solange die Entscheidung des Rentenversicherungsträgers über seine BU nicht vorliegt. Dieser Rechtszustand erstreckt sich nach der schon erwähnten Entscheidung des Senats vom 7. August 1979 - 7 RAr 70/78 - auch auf einen etwaigen Alhi-Anspruch nach § 134 Abs 1 Nr 4 a AFG, über den der Senat hier allerdings nicht zu entscheiden hatte. Die Revision der Beklagten ist demgemäß als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1653759 |
BSGE, 114 |