Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Urteil vom 18.01.1978; Aktenzeichen L 4 Kr 1/77)

SG Osnabrück (Urteil vom 31.03.1977)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 18. Januar 1978 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 31. März 1977 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte zu Recht Umlagebeträge zum Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen nach dem Lohnfortzahlungsgesetz (LFZG) nachfordert.

Die Klägerin beschäftigt insgesamt etwa 100 Arbeitnehmer, davon in ihrer Hamburger Zweigniederlassung weniger als 20. Der Geschäftsführer dieser Zweigniederlassung hatte in allen Beitragsnachweisungen der Jahre 1970 bis 1974 angegeben, die Anzahl aller am 1. des Beitragsmonats im Betrieb beschäftigten Arbeiter und Angestellten liege unter 20. Am 6. Januar 1971 teilte die Beklagte der Hamburger Zweigniederlassung deshalb mit, daß sie zu den am Ausgleichsverfahren beteiligten Arbeitgebern gehöre. Die Beklagte bezeichnete das Schreiben als Feststellungsbescheid gemäß § 10 Abs. 2 LFZG und wies darauf hin, daß die Geltungsdauer dieses Bescheides unbefristet sei, jedoch mit Ablauf des Kalenderjahres ende, in dem in der Regel mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigt würden. Die Klägerin nahm von 1971 bis 1974 mit ihrer Hamburger Zweigniederlassung am Ausgleichsverfahren teil. Sie zahlte von 1972 bis 1974 Umlagebeträge in Höhe von 15.377,09 DM und erhielt Arbeitgeberaufwendungen in Höhe von 15.178,40 DM erstattet. Mit Bescheid vom 8. Januar 1975 forderte die Beklagte für die Zeit vom 1. Dezember 1972 bis 31. Dezember 1974 Umlagebeträge in Höhe von 6.398,66 DM nach, weil die Klägerin die Beträge anstatt nach dem seit dem 1. August 1972 geltenden Umlagesatz von 4 % nach dem früheren Umlagesatz von 2,8 % abgeführt habe. Nachdem die Klägerin sich dagegen mit der Begründung gewandt hatte, sie könne am Ausgleichsverfahren gar nicht teilnehmen, weil sie mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftige, nahm die Beklagte am 5. März 1975 ihren Bescheid vom 6. Januar 1971 mit Wirkung vom 1. Januar 1975 an zurück. An der Nachforderung von 6.398,66 DM hielt sie jedoch fest. Widerspruch und Klage dagegen blieben erfolglos.

Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) die Bescheide der Beklagten bzw deren Widerspruchsstelle sowie das Urteil des Sozialgerichts (SG) aufgehoben und die Beklagte verurteilt den Feststellungsbescheid vom 6. Januar 1971 zurückzunehmen, soweit er die Kalenderjahre 1972, 1973 und 1974 betrifft. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Teilnahme am Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen trete nicht kraft Gesetzes ein, sondern werde durch den jeweils zu Beginn eines Kalenderjahres zu erlassenden Feststellungsbescheid für die Dauer dieses Jahres begründet. Bereits aus diesem Grunde sei der Feststellungsbescheid der Beklagten, der die unbefristete Teilnahme anordne, rechtswidrig. Darüber hinaus verstoße er auch deshalb gegen § 10 Abs. 2 Satz 2 LFZG, weil die Klägerin stets mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigt habe. Dennoch entfalte er, nachdem er unanfechtbar geworden sei, Bindungswirkungen. Denn seine Mängel wögen nicht so schwer, daß sie zur Nichtigkeit führten. Jedoch müsse die Beklagte den Bescheid zurücknehmen. Dies folge aus § 11 Abs. 2 Nr. 1 LFZG. Danach habe die Beklagte die Erstattungsbeträge zurückzufordern, wenn der Arbeitgeber schuldhaft falsche oder unvollständige Angaben gemacht habe. So liege es aber hier. Denn der Geschäftsführer der Zweigniederlassung habe diese „versehtlich”, und damit schuldhaft als selbständigen Betrieb angesehen. Dieses Verschulden habe die Klägerin als Verschulden ihres Erfüllungsgehilfen nach § 278 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) auch zu vertreten. Wenn aber die Beklagte zur Rückforderung der Erstattungsbeträge nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 LFZG verpflichtet sei, setze dies denknotwendig die Pflicht zur gleichzeitigen Rücknahme des – den Ausgleichsleistungen zugrundeliegenden Feststellungsbescheides – voraus. Jedes andere Ergebnis wäre unbillig, weil der Arbeitgeber seinerseits die gezahlten Umlagebeträge sonst nicht zurückverlangen könnte; dem stünde die Bindungswirkung des Feststellungsbescheides entgegen. Durch diese Verpflichtung zur Rücknahme des Bescheides vom 6. Januar 1971 sei die Beklagte gehindert – gestützt auf dessen Bindungswirkung – Umlagebeträge nachzufordern.

Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision macht die Beklagte geltend, sie sei nach § 11 Abs. 2 LFZG nicht verpflichtet, den Feststellungsbescheid zurückzunehmen. Diese Vorschrift regele vorrangig den Fall, daß der Arbeitgeber zu dem jeweiligen Erstattungsantrag falsche oder unvollständige Angaben gemacht habe. Ob darunter auch die. Fälle fielen, in denen die Teilnahme des Arbeitgebers am Ausgleichsverfahren auf falschen Angaben beruhe, könne dahinstehen. Denn der Rückforderung stehe insofern der bindende Feststellungsbescheid entgegen. Auf die Bindungswirkung würde sich ihrer – der Beklagten – Ansicht nach im übrigen ein Arbeitgeber dann zu Recht berufen, wenn – anders als im vorliegenden Fall – die Erstattungsbeträge höher wären als die Umlagebeträge. Beide Fälle könnten aber nur einheitlich gelöst werden. Schließlich sei der Feststellungsbescheid vom 6. Januar 1971 nicht – wie das LSG gemeint hat – bereits deshalb eindeutig gesetzeswidrig, weil er eine „unbefristete” Beteiligung des Arbeitgebers am Ausgleichsverfahren vorsehe. Die nach § 10 Abs. 2 Satz 1 LFZG vorgesehene jährliche Feststellung werde durchaus getroffen, allerdings nicht durch Bescheid, sondern intern anhand der monatlich einzureichenden Beitragsnachweisungen. Nur wenn bei einem Arbeitgeber eine Veränderung eintrete, erhalte er einen Bescheid. Auch bei diesem Verfahren habe der Arbeitgeber die nötige Gewißheit, ob er am Ausgleichsverfahren teilnehme oder nicht.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück von 31. März 1977 zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision ist begründet.

Zu Unrecht hat das LSG die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte zur Rücknahme des Bescheids vom 6. Januar 1971 für die Jahre 1972 bis 1974 verurteilt. Entgegen der Meinung des LSG ist die Klägerin zur Nachzahlung der Umlagebeträge verpflichtet. Dies folgt aus der bindend festgestellten Teilnahme am Ausgleich der Arbeitsaufwendungen durch den Bescheid vom 6. Januar 1971, dessen Rücknahme die Beklagte rechtmäßig abgelehnt hat. Nach § 10 Abs. 1 LFZG idF des § 93 Nr. 1 des Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte vom 10. August 1972 (BGBl I, 1433) erstatten die Ortskrankenkassen, die Innungskrankenkassen, die Bundesknappschaft und die Seekrankenkasse den Arbeitgebern, die in der Regel ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten nicht mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigen, 80 vH des für den in § 1 Abs. 1 und den in § 7 Abs. 1 bezeichneten Zeitraum an Arbeiter fortgezahlten Arbeitsentgelts sowie die darauf entfallenden von den Arbeitgebern zu tragenden Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit und Arbeitgeberanteile an Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung. Absatz 2 Satz 1 idF vom 27. Juli 1969 (BGBl I, 946) bestimmt, daß der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung jeweils zum Beginn eines Kalenderjahres festzustellen hat, welche Arbeitgeber für die Dauer dieses Kalenderjahres an dem Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen teilnehmen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Feststellung konstitutive oder nur deklaratorische Wirkung hat. Erläßt der Versicherungsträger den feststellenden Bescheid, so entfaltet dieser jedenfalls nach § 77 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Bindungswirkung. Sie gilt auch beim feststellenden Verwaltungsakt, dessen Wirkung eben gerade deklaratorisch ist (Töns DOK 1969, 755, 759).

Davon, daß es sich bei dem Schreiben der Beklagten von 6. Januar 1971 um einen Verwaltungsakt handelte, ist das LSG zu Recht ausgegangen. Verwaltungsakt ist jede Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen trifft (vgl. BSGE 17, 124, 126 = SozR Nr. 1 zu Art. II § 1 AnVNG; siehe jetzt auch die Legaldefinition in § 31 des Sozialgesetzbuches – Verwaltungsverfahren – (SGB X) vom 18. August 1980 BGBl I, 1469). Indem die Beklagte die Klägerin auf die Teilnahme am Ausgleichsverfahren hinwies und unmißverständlich zum Ausdruck brachte, daß sie das Schreiben als „Feststellungsbescheid gemäß § 10 Abs. 2 LFZG” verstanden wissen wollte, traf sie eine verbindliche Feststellung subjektiver Rechte und Pflichten, nämlich das damit verbundene Recht der Klägerin auf Erstattung der Arbeitgeberaufwendungen einerseits und die Pflicht zur Zahlung der Umlagebeträge andererseits (vgl. dazu Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz mit Erläuterungen 2. Aufl 1980 § 35 RdNr. 4). Daß dies in einer höflichen Form erfolgte, hindert den Verwaltungsaktcharakter nicht.

Der Bescheid umfaßte – auch insoweit ist dem LSG zuzustimmen – die gesamte streitige Zeitspanne von 1972 bis 1974. Zwar gibt der Wortlaut Anlaß zu gewissen Zweifeln über seine Geltungsdauer, wenn es einerseits heißt, er gelte unbefristet, andererseits aber, er ende mit Ablauf des Kalenderjahres in dem mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigt worden seien. Im Wege der Auslegung ergibt sich aber eine Geltung, die nach den Umständen des Falles bis zum 31. Dezember 1974 reichte. Verwaltungsakte sind entsprechend den Grundsätzen, die für Willenserklärungen allgemein gelten, danach auszulegen, wie der Empfänger unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles die Erklärung bei verständiger Würdigung zu deuten hatte. In Betracht kommen dabei die Umstände vor und beim Ergehen der behördlichen Maßnahme und in gewissem Umfang auch solche, die ihr folgen (vgl. BSGE 17 124, 126; Kopp aaO § 35 RdNr. 6). Aus dem Gesamt Zusammenhang des Bescheides folgt aber, daß die Teilnahme nur bei Veränderung der Beschäftigtenzahl enden sollte. Ob dies automatisch geschehen sollte oder erst nach entsprechender Feststellung durch die Beklagte, brauchte der Senat nicht zu entscheiden. Die Bindungswirkung eines Bescheides hängt – von Fall der Nichtigkeit abgesehen – nicht von seiner Rechtmäßigkeit ab, also insbesondere nicht davon, daß der vom Versicherungsträger angenommene Sachverhalt der Wirklichkeit entspricht. Deshalb würde es dem Wesen eines verbindlichen Bescheides widersprechen, wenn seine Verbindlichkeit vom Vorliegen bestimmter Tatsachen abhängen würde. Die Behörde müßte, wenn man von einer solchen Auslegung ausgehen wollte, dem Bescheid einen Widerrufsvorbehalt beigegeben haben, weil sie die Tatsachen noch nicht sicher feststellen konnte. Dem Bescheid vom 6. Januar 1971 ist aber keine solche Einschränkung zu entnehmen. Indem die Beklagte vielmehr die Teilnahme mit der unter 20 liegende Beschäftigtenzahl begründet und die Beendigung bei Überschreitung dieser Zahl in Aussicht gestellt hatte, wird deutlich, daß unter diesen Beendigungstatbestand die von vornherein unberechtigte Teilnahme nicht fallen sollte. In diesem Sinne haben beide Beteiligte den Bescheid ersichtlich auch verstanden, wie die über vier Jahre anhaltende Zahlung von Umlagebeträgen durch die Klägerin und Erstattungsbeträgen die Beklagte zeigt.

Nachdem die Klägerin den Bescheid, der keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, nicht gem § 66 Abs. 2 SGG innerhalb eines Jahres angefochten hatte, ist er nach § 77 SGG bindend geworden. Der Bescheid war nicht nichtig, denn sein Fehler beruhte auf Angaben der Klägerin, deren Unrichtigkeit nicht offenkundig war. Die Beklagte muß ihn auch entgegen der Auffassung des LSG nicht zurücknehmen.

Allerdings war der Bescheid vom 6. Januar 1971 rechtswidrig. Seine Rechtswidrigkeit folgt bereits daraus, daß die Klägerin in ihrem Gesamtbetrieb mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigt hat. Daß – jedenfalls bei Zweigbetrieben – auf die Gesamtzahl aller vom Arbeitgeber beschäftigten und nicht nur auf die im Zweigbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer abzustellen ist, folgt bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes. In § 10 Abs. 2 Satz 2 LFZG wird nämlich auf die Anzahl der bei einem „Arbeitgeber” beschäftigten Arbeitnehmer abgehoben. Satz 3 spricht dagegen zwar von einem „Betrieb”. Darunter ist jedoch der Gesamt- und nicht der Teil- oder Zweigbetrieb zu verstehen. Dies entspricht zum einen dem in der Sozialversicherung üblichen Sprachgebrauch (vgl. zB zur Errichtung von Betriebskrankenkassen Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung 2. Aufl Stand April 1980 § 245 Anm. 3.1.; Peters, Handbuch der Krankenversicherung Band II/2 43. Nachtrag § 245 Anm. 5a). Zum anderen gebieten Sinn und Zweck des Gesetzes diese Auslegung. Der Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen wurde nämlich – wie der Senat in einem früheren Urteil ausgeführt hat – geschaffen, weil in Kleinbetrieben das mit der Lohnfortzahlung verbundene Risiko besonders hoch ist. Denn hier kann – anders als in Großbetrieben – die Krankheitshäufigkeit der Beschäftigten wegen ihrer geringen Zahl von dem statistischen Wahrscheinlichkeitswerten erheblich abweichen, so daß die Lohnfortzahlungspflicht den Arbeitgeber je nach den zufälligen Krankenstand seiner Arbeitnehmer unverhältnismäßig härter trifft, und mit abnehmender Beschäftigtenzahl für ihn kaum noch als Faktor seiner Kostenrechnung kalkulierbar ist (BSGE 36, 16, 19 = SozR Nr. 1 zu § 10 LFZG). Dieses Schutzes bedarf ein Arbeitgeber jedenfalls dann nicht, wenn er in einem verschiedene Teil- oder Zweigbetriebe umfassenden Betrieb mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigt (so im Ergebnis auch Kehrmann/Pelikan, Lohnfortzahlungsgesetz Kommentar 2. Aufl 1973 § 10 RdNr. 3; Schneider, Die Beiträge 1973, 97, 99). Sein Risiko aus der Verpflichtung zur Lohnfortzahlung hängt jedenfalls nicht davon ab, wie sich die Zahl seiner Arbeitnehmer auf die einzelnen Teilbetriebe verteilt.

Entgegen der Auffassung des LSG ergibt sich aus § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LFZG keine Verpflichtung der Beklagten, den Bescheid dieses Mangels wegen zurückzunehmen. Danach hat der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung Erstattungsbeträge vom Arbeitgeber insbesondere zurückzufordern, soweit der Arbeitgeber schuldhaft falsche oder unvollständige Angaben gemacht hat.

Aus § 11 Abs. 2 LFZG kann die Pflicht zur Rücknahme des Bescheides deshalb nicht hergeleitet werden, weil diese Vorschrift umgekehrt selbst die Rücknahme eines der Erstattung etwa zugrundeliegenden Bescheides voraussetzt. Die Rückforderung ist nur gerechtfertigt, wenn die Leistung zu Unrecht erbracht wurde. Das gilt allgemein und insbesondere auch für den Fall des § 11 Abs. 2 LFZG, wie sieh aus Satz 2 dieser Vorschrift ergibt. Wenn die Erstattung ohne Bescheid im Einzelfall zu Unrecht geleistet wurde, der Arbeitgeber aber allgemein zu Recht am Ausgleichsverfahren teilnimmt, hat die Krankenkasse die Erstattung unter den Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 LFZG (unmittelbar) zurückzufordern. Soweit aber ein bindender Bescheid vorliegt, richtet sich dessen Rücknahme nach den dafür geltenden Regeln; die Rückforderung nach der Vorschrift des § 11 Abs. 2 LFZG ist insoweit nachrangig. Die Regeln über die Rückforderung wirken sich nicht auf die Rücknahme aus, zumal da sie auch für Erstattungen ohne Bescheid gelten. Es kommt hinzu, daß § 11 Abs. 2 LFZG nur die Rückforderung der Erstattungsbeträge, nicht der Umlage regelt. Deshalb ist es zweifelhaft, ob die Vorschrift überhaupt gilt, wenn nicht nur einzelne Erstattungen, sondern die Teilnahme am Ausgleichsverfahren überhaupt rechtswidrig war. Zumindest verbietet es sich laber, aus der Pflicht zur Rückforderung von Erstattungsbeträgen auf die Pflicht und die Rechtmäßigkeit der Rücknahme des Teilnahmebescheids zu schließen.

Die Rücknahme des Feststellungsbescheides nach § 10 Abs. 2 Satz 1 LFZG ist in keiner anderen gesetzlichen Vorschrift geregelt.

Schließlich ist sie auch nicht nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts geboten. Diese sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) (vgl. BSGE 15, 252, 256 = SozR Nr. 2 zu § 173 Reichsversicherungsordnung –RVO–; BSGE 17, 295, 298 = SozR Nr. 4 zu § 1286 RVO; SozR Nr. 40 zu § 1246 RVO; BSGE 30, 17, 20 = SozR Nr. 63 zu § 77 SGG; BSGE 31, 190, 195 = SozR Nr. 3 zu § 27 GAL vom 14. September 1965; BSGE 47, 288, 289 = SozR 2200 § 183 RVO Nr. 19; BSG vom 21. September 1977 – 4 RJ 113/76 – DAngV 1978, 397, 398) bei Nichtleistungsbescheiden grundsätzlich anwendbar.

Dabei ist zwischen belastenden Verwaltungsakten, die zugunsten des Bürgers zurückgenommen werden sollen und begünstigenden Verwaltungsakten zu unterscheiden. Einen belastenden Verwaltungsakt kann die Behörde nach ihrem Ermessen zurücknehmen (Miesbach/Ankenbrank/Hennig/Danckwerts, Komm zum SGG § 77 Anm. 6; Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I 9. Aufl 1974 § 53 VI d). Die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts ist hingegen nur zulässig, wenn im Einzelfall das schutzwürdige Interesse des Begünstigen geringer wiegt wie das öffentliche Interesse an der Aufhebung des Verwaltungsakts (Miesbach/Ankenbrank/Hennig/Danckwerts aaO § 77 Anm. 8).

Die Feststellung, daß die Klägerin zu den am Ausgleichsverfahren beteiligten Arbeitgebern gehöre, wirkt teils begünstigend, teils belastend. Auf solche Verwaltungsakte sollen die jeweils strengeren Regeln der Rücknehmbarkeit angewendet werden (Wolff/Bachof aaO § 47 VII c). Ob ein solcher Grundsatz auch in vorliegenden Fall gelten kann und welche Regeln hier strenger wären, kann dahingestellt bleiben. Der angefochtene Bescheid, mit dem die Beklagte von der Rücknahme des Bescheides vom 6. Januar 1971 abgesehen hat, ist jedenfalls nach beiden Regeln rechtmäßig.

Die Rücknahme widerspräche nämlich dem von BSG wiederholt hervorgehobenen Prinzip, daß in der Vergangenheit abgeschlossen zurückliegende Versicherungsverhältnisse nicht nachträglich rückwirkend umgestaltet werden dürfen (vgl. BSGE 24, 45, 48 = SozR Nr. 7 zu § 73 G 131 mwN; BSGE 26, 120, 123 = SozR Nr. 20 zu § 160 RVO; BSGE 35, 195, 198 = SozR Nr. 4 zu § 1403 RVO; Urteil vom 28. Mai 1980 – 5 RKn 21/79 –; Urteil vom 26. Juni 1980 – 5 RKn 5/78 –). Zwar sind diese Entscheidungen sämtlich auf dem Gebiet der Sozialversicherung ergangen, wohingegen beim Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen nach dem LFZG zweifelhaft erscheint, ob es sich dabei um eine solche handelt, weil der insoweit typische soziale Ausgleich zwischen den versicherten Arbeitgebern fehlt (vgl. dazu BSGE 36, 16, 19 = SozR Nr. 1 zu § 10 LFZG). Auf jeden Fall ist die „Lohnfortzahlungsversicherung” aber als (Zwangs-)Versicherung zu qualifizieren (vgl. Töns aaO S 756, 764; BVerfG SozR 7860 LFZG Nr. 2; Schulte-Mimberg SdO 1980, 15, 16). Sie ist in gleicher Weise mit einem Risiko verbunden, das die Krankenkasse getragen und dafür die geschuldeten Beiträge entgegengenommen hat (vgl. dazu RVA GE vom 11. September 1915 II K 860/15 AN 1915, 775, 776). Ließe man in diesem Verhältnis eine wechselseitige Rückerstattung von Beiträgen und Leistungen zu, bliebe das von der Krankenkasse getragene Versicherungsrisiko unkompensiert. Im übrigen liefe dies dem Gesetzeszweck zuwider, klare Verhältnisse zu schaffen und die Kalkulation beeinträchtigende Veränderungen zu vermeiden (vgl. oben). Für den einzelnen Arbeitgeber könnten sich nämlich dann erhebliche – unvorhergesehene – Belastungen ergeben, wenn – anders als im vorliegenden Fall – die Erstattungsbeträge die gezahlten Umlagebeträge übersteigen.

Nach dem Prinzip, daß abgewickelte Versicherungsverhältnisse nachträglich nicht geändert werden dürfen, hat die Beklagte die Rücknahme des Bescheids vom 6. Januar 1971 sowohl hinsichtlich seiner begünstigenden als auch seiner belastenden Komponente mit Recht abgelehnt. Aus dem Prinzip ergibt sich, daß das öffentliche Interesse gerade nicht für die Aufhebung des Bescheides spricht. Das Prinzip stützt den die Rücknahme ablehnenden Verwaltungsakt aber auch, wenn es sich dabei um eine Ermessensentscheidung handelt. Im Bescheid vom 5. März 1975 hat die Beklagte eine entsprechende Ermessenserwägung angestellt, denn sie hat ausdrücklich zu bedenken gegeben, daß es der Zweck des Feststellungsbescheids sei, klare Verhältnisse zu schaffen und rückwirkende Änderungen auszuschließen.

Die Beklagte beharrt somit für die Vergangenheit zu Recht auf der bindend festgestellten Teilnahme am Ausgleichsverfahren. Die Klägerin ist deshalb nach § 14 Abs. 1 LFZG verpflichtet, die Umlagebeträge in der in der Satzung der Beklagten festgelegten Höhe (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 LFZG) zu entrichten. Da hinsichtlich der Höhe der nachgeforderten Beträge zwischen den Beteiligten kein Streit besteht, war auf die Revision der Beklagten hin das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das dem Nachforderungsbescheid bestätigende Urteil des SG zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI926268

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