Entscheidungsstichwort (Thema)
Geburtsdatum. Feststellung. Vormerkung. Vormerkungsbescheid
Leitsatz (amtlich)
Der Versicherungsträger ist nicht verpflichtet und nicht berechtigt, das für den späteren Leistungsfall maßgebende Geburtsdatum eines Versicherten durch Bescheid festzustellen.
Normenkette
SGB VI § 149; PersStdG § 60; SGG § 55
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 03.02.1994; Aktenzeichen L 1 J 40/92) |
SG Dortmund (Entscheidung vom 29.07.1992; Aktenzeichen S 38 (8) J 60/91) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 3. Februar 1994 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Umstritten ist, ob die Beklagte im Versicherungskonto des Klägers den 1. Juni 1937 als Geburtsdatum vormerken muß.
Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er lebt seit Juli 1969 in der Bundesrepublik Deutschland. Seit Juli 1991 erhält er hier Leistungen des Arbeitsamtes und von seinem ehemaligen Arbeitgeber im Rahmen eines Sozialplans einen Einkommensausgleich, der bis zu seinem 60. Lebensjahr gewährt werden soll. Gegenüber der Beklagten gab er zunächst an, er sei, entsprechend der damaligen Eintragung in das türkische Einwohnerbuch, am 1. Juni 1939 geboren worden. Seine Versicherungsnummer (VNr) wurde unter Verwendung dieses Datums gebildet. Im Jahr 1990 wurde durch Beschluß eines türkischen Gerichts das Geburtsdatum des Klägers auf den 1. Juni 1937 festgelegt. Der Kläger beantragte unter Hinweis auf diese Entscheidung die Berichtigung seiner VNr.
Mit Bescheid vom 6. Juni 1991 stellte die Beklagte unter anderem fest:
„Das für die deutsche Rentenversicherung maßgebende Geburtsdatum lautet: 1. Juni 1939.
Die Versicherungsnummer lautet: 18010639 K 065.”
Den Widerspruch gegen diesen Bescheid wies sie zurück (Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 1991).
Das Sozialgericht (SG) hat die auf Berichtigung des Geburtsdatums gerichtete Klage als unbegründet abgewiesen, weil sich nicht feststellen lasse, daß bei der Vergabe der VNr. ein unrichtiges Geburtsdatum verwendet worden sei (Urteil vom 29. Juli 1992).
Mit seiner Berufung hat der Kläger geltend gemacht, die Beklagte habe sein wahres Geburtsdatum im Versicherungskonto vorzumerken. Er müsse wissen, ab wann er Altersrente wegen Arbeitslosigkeit nach § 38 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) beziehen könne. An der Klärung dieser Frage habe er ein berechtigtes Interesse, denn Zahlungen seines ehemaligen Arbeitgebers erhalte er nur bis zum 60. Lebensjahr. Ausgleichszahlungen seien dementsprechend bisher lediglich bis zum Juni 1997 vorgesehen.
Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG abgeändert (Urteil vom 3. Februar 1994) und den angefochtenen Bescheid insoweit aufgehoben, als darin ein Geburtsdatum des Klägers festgestellt wird. Im übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Der Bescheid der Beklagten sei aufzuheben. Die Beklagte sei zum Erlaß eines Bescheides über die Feststellung bzw Vormerkung des Geburtsdatums eines Versicherten nicht befugt.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger sinngemäß die Verletzung des § 149 SGB VI. Er macht geltend, er habe im Berufungsverfahren nach einem Hinweis des LSG auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats den Antrag, die VNr. zu berichtigen, nicht mehr gestellt. Ob darin eine Klägerücknahme zu sehen sei, sei fraglich. Er habe durch sein Berufungsvorbringen deutlich gemacht, daß es ihm um die verbindliche Klärung gehe, ab wann ihm Altersruhegeld wegen Arbeitslosigkeit nach Vollendung des 60. Lebensjahres zustehe. Das LSG habe den Hinweis erteilt, die Verurteilung der Beklagten zur Vormerkung des Geburtsdatums zu beantragen. Hätte das LSG die Rechtsansichten des 13. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) zur Frage, was die richtige VNr. sei, zugrunde gelegt, so hätte es darauf hinweisen müssen, den Antrag auf Berichtigung der VNr, zumindest hilfsweise, zu stellen. Es sei abzuwarten, wie gegebenenfalls der Große Senat des BSG in dieser Frage entscheiden werde. Das Urteil des LSG könne aber auch deshalb keinen Bestand haben, weil das Gericht zu Unrecht die Feststellungsklage als unzulässig angesehen habe. Die Elementenfeststellungsklage sei zulässig, wenn dadurch alle Streitpunkte zwischen den Beteiligten ausgeräumt würden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 3. Februar 1994 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist nicht begründet. Das LSG hat zutreffend unter Abänderung des Urteils des SG den Bescheid der Beklagten insoweit aufgehoben, als darin ein Geburtsdatum des Klägers festgestellt wird.
Im Revisionsverfahren ist allein noch streitig, ob der Kläger verlangen kann, daß die Beklagte den 1. Juni 1937 als sein Geburtsdatum in seinem Versicherungskonto feststellt, oder ob dieses Geburtsdatum zumindest im Wege der Feststellungsklage (§ 55 SGG) gesondert für sich festzustellen ist. Die Frage, ob die VNr. des Klägers zu berichtigen ist, steht dagegen nicht mehr in Streit. Das LSG hat ohne Rechtsverstoß als vom Kläger erhobene Ansprüche iS des § 123 SGG nur die Anfechtung der im Bescheid getroffenen Aussage, daß „das für die deutsche Rentenversicherung maßgebende Geburtsdatum lautet: 1. Juni 1939”, und die Vormerkung (Feststellung nach § 149 Abs. 5 SGB VI) des Geburtsdatums „1. Juni 1937” in dessen Versicherungskonto angesehen (kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage). Zutreffend hat es weiterhin als in diesem Antrag mitenthalten einen Hilfsantrag auf Feststellung des Geburtsdatums nach § 55 Abs. 1 SGG angenommen. Die Berichtigung seiner VNr. hat der Kläger schon im Berufungsverfahren nicht mehr beantragt; insoweit ist das klagabweisende Urteil des SG rechtskräftig geworden. Ein Antrag auf Berichtigung der VNr. ist auch im Revisionsverfahren nicht gestellt worden. Unerheblich ist, ob der Kläger seinen Antrag auf Berichtigung der VNr. im Berufungsverfahren weiter verfolgt hätte, wenn er Kenntnis gehabt hätte, daß über die Frage, was die richtige VNr. in Fällen wie dem vorliegenden ist, möglicherweise der Große Senat des BSG entscheiden wird. Rechtskräftig geworden ist das Urteil des LSG insoweit, als es der Anfechtungsklage stattgegeben und den Bescheid vom 6. Juni 1991 in entsprechendem Umfang aufgehoben hat. Die Beklagte hat das Urteil nicht angefochten.
Die darüber hinausgehende Verpflichtungsklage hat das LSG zu Recht abgewiesen. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, aber auch – wovon das LSG ebenfalls zutreffend ausgegangen ist – nicht berechtigt, das Geburtsdatum des Klägers im Hinblick auf dessen Versicherungskonto oder mit bindender Wirkung für den Leistungsfall durch speziell darauf gerichteten Bescheid festzustellen. Die Befugnis der Beklagten, die für die Versicherung maßgebenden Daten im Versicherungskonto zu erfassen, richtet sich nach § 149 SGB VI, auch soweit ein entsprechender Anspruch schon vor dem Inkrafttreten des SGB VI geltend gemacht worden ist (§ 300 Abs. 1 SGB VI). Nach § 149 Abs. 1 SGB VI führt der Träger der Rentenversicherung für jeden Versicherten ein Versicherungskonto. In dem Versicherungskonto sind die Daten, die für die Durchführung der Versicherung sowie die Feststellung und Erbringung von Leistungen einschließlich der Rentenauskunft erforderlich sind, zu speichern. Über die im Versicherungskonto gespeicherten Sozialdaten, die für die Feststellung der Höhe einer Rentenanwartschaft erheblich sind (Versicherungsverlauf), hat der Träger der Rentenversicherung die Versicherten zu unterrichten (§ 149 Abs. 3 SGB VI). Durch Bescheid festzustellen vermag der Versicherungsträger nur die im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten (§ 149 Abs. 5 Satz 1 SGB VI). Da lediglich rentenrechtliche Zeiten angerechnet oder bewertet werden können, wie dies § 149 Abs. 5 Satz 2 SGB VI vorsieht, kommen als durch Bescheid feststellungsfähige Daten allein die Daten hinsichtlich der Beitragszeiten und sonstigen rentenrechtlichen Zeiten in Betracht. Eine Berechtigung oder Verpflichtung des Versicherungsträgers, das Geburtsdatum in der vom Kläger gewünschten Weise gesondert festzustellen, ergibt sich somit aus § 149 SGB VI nicht.
Auch aus anderen Gesichtspunkten läßt sich eine Rechtsgrundlage für das Klagebegehren nicht ableiten. Das Geburtsdatum hat keine das Versicherungskonto kennzeichnende Bedeutung. Identifizierungsmerkmal für das Versicherungskonto ist vielmehr die VNr; nach ihr ist das Versicherungskonto des Versicherten „geordnet” (§ 149 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Als Bestandteil der VNr. nimmt das Geburtsdatum zwar einerseits an dieser ordnenden Funktion der VNr. teil, geht aber andererseits gehaltlich auch nicht darüber hinaus, dh entfaltet insbesondere keine Verbindlichkeit für den – in seinen Voraussetzungen selbständig zu beurteilenden – Leistungsfall. Eine die Beteiligten für den Leistungsfall bindende Bedeutung könnte der Erfassung des Geburtsdatums durch den Versicherungsträger daher nur zukommen, wenn eine entsprechende spezifische Rechtsnorm dies anordnete. Weder in der früher geltenden Regelung der Rentenversicherung durch die RVO noch in der jetzt gültigen Normierung durch das SGB VI ist jedoch eine derartige Bindungsvorschrift zu finden. Bindende Wirkung hinsichtlich der Erfassung eines Geburtsdatums haben nach der innerstaatlichen Rechtsordnung noch nicht einmal die Eintragungen in die Personenstandsbücher. Das Personenstandsgesetz (PersStdG) sieht lediglich vor, daß die Eintragungen in die Personenstandsbücher bei ordnungsgemäßer Führung unter anderem die Geburt und die darüber gemachten näheren Angaben beweisen (§ 60 Abs. 1 Satz 1 PersStdG). Der Nachweis der Unrichtigkeit der beurkundeten Tatsachen ist zulässig (§ 60 Abs. 2 Satz 1 PersStdG). Die Eintragung des Geburtsdatums in die Personenstandsbücher ist damit auch weder für den Versicherungsträger noch den Versicherten rechtlich verbindlich. Jeder von ihnen kann den Beweis der Unrichtigkeit der Eintragung führen, falls für eine Entscheidung des Versicherungsträgers das Geburtsdatum rechtserheblich ist. Wenn aber schon der Gesetzgeber selbst den Eintragungen in die von Amts wegen geführten Personenstandsbücher keine abschließende Feststellungswirkung beimißt, sondern nur eine Beweisregel hinsichtlich ihrer Richtigkeit aufstellt, so bedürfte erst recht die Befugnis einer Selbstverwaltungskörperschaft, Feststellungen über ein Geburtsdatum mit verbindlicher Wirkung für einen Rechtsbereich zu treffen, einer besonderen gesetzlichen Regelung.
Bei dieser Rechtslage kann eine Befugnis des Versicherungsträgers, das für die Rentenversicherung maßgebende Geburtsdatum eines Versicherten durch Bescheid im Rahmen des Versicherungskontos festzustellen, auch nicht damit begründet werden, daß sowohl der Versicherte als auch der Versicherungsträger regelmäßig ein Interesse daran haben, schon vorab zu wissen, welches Geburtsdatum für den Rentenbeginn maßgebend sein wird. Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, daß mit der Beweisregel des § 60 Abs. 1 Satz 1 PersStdG hinsichtlich der Eintragungen in die inländischen Personenstandsbücher eine hinreichende Sicherheit über das Geburtsdatum gegeben ist. In der Praxis genügt diese Beweisregel offenbar auch völlig, denn Rechtsstreitigkeiten hinsichtlich der Richtigkeit innerstaatlich eingetragener Geburtsdaten sind, soweit ersichtlich, bisher nicht aufgetreten. Der Umstand, daß für Eintragungen in ausländische Personenstandsbücher eine § 60 Abs. 1 Satz 1 PersStdG entsprechende Beweisregel nicht besteht und deshalb über das Geburtsdatum eines Ausländers Streit leichter entstehen kann, rechtfertigt nicht, in einem solchen Fall vorab die Feststellung des Geburtsdatums durch Bescheid vorzunehmen. Auch dazu hätte es einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung bedurft. Allein die denkbare praktische Schwierigkeit, das richtige Geburtsdatum eines Ausländers festzustellen, kann eine rechtliche Befugnis, das Geburtsdatum als Tatsache durch Bescheid festzustellen, nicht rechtfertigen. Ein Anspruch, das Geburtsdatum im Versicherungskonto festzustellen, läßt sich damit nicht begründen. Die vom Kläger erhobene Verpflichtungsklage ist demzufolge darauf gerichtet, die Verwaltung zum Erlaß eines Verwaltungsaktes zu verpflichten, den sie generell so nicht erlassen darf, und hierdurch unzulässig (vgl BSG SozR 3-2200 § 1325 Nr. 3).
Die Klage kann schließlich auch nicht – gemäß dem Hilfsantrag des Klägers – als Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 SGG Erfolg haben. Das LSG hat für den vom Kläger insoweit ergänzend geltend gemachten Anspruch zu Recht die Zulässigkeit einer solchen Klage verneint. Gegenstand des Hilfsantrags ist nicht die Feststellung eines Rechtsverhältnisses iS des § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Gleichfalls liegt nicht die Ausnahmeform der sogenannten Elementenfeststellungsklage vor, die vom BSG in Sonderfällen für möglich gehalten worden ist, ohne daß abschließend über die grundsätzliche Statthaftigkeit entschieden wurde (vgl BSGE 31, 235, 240 = SozR Nr. 14 zu § 141 SGG und BSGE 43, 134, 137 = SozR 4100 § 34 Nr. 6). Die Elementenfeststellungsklage kann überhaupt nur dann in Betracht kommen, wenn die Feststellung eines einzelnen Elementes eines Rechtsverhältnisses zur Rede steht. Das Geburtsdatum ist aber kein derartiges Einzelelement eines Rechtsverhältnisses, sondern bloße Tatsache, die lediglich einer beweismäßigen Feststellung zugänglich ist. Unerheblich ist, daß der Streit zwischen der Beklagten und dem Kläger durch die gerichtliche Feststellung, welches das für die Rentenversicherung maßgebende Geburtsdatum des Klägers ist, möglicherweise vollständig ausgeräumt wird. Mit dieser Begründung könnte jede Tatfrage zum Gegenstand einer Feststellungsklage gemacht werden, da es prinzipielles Ziel gerichtlicher Entscheidungen ist, den Streit über die dem Gericht zur Beantwortung vorgelegten Fragen zu beenden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1049519 |
Breith. 1995, 941 |