Beteiligte
…, Klägerin und Revisionsbeklagte |
…, Beklagte und Revisionsklägerin |
Tatbestand
I.
Streitig ist eine aufsichtsrechtliche Anordnung, mit der die Klägerin - eine Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) - zur Schließung ihrer Selbstabgabestelle für Verbands-, Heil- und Hilfsmittel verpflichtet worden ist.
Die Klägerin betreibt seit 1932 in B. ... eine Selbstabgabestelle, durch die sie ihre Versicherten und deren familienhilfeberechtigte Angehörige unmittelbar mit bestimmten Mitteln der Krankenpflege versorgt. Dabei handelt es sich um Fersen- und Kniekappen, Handgelenkriemen, Leibbinden, Windeln, Gummi-Unterlagen und -Strümpfe, Luftringe, Wasserkissen, Steckbecken, Krankenstöcke, Unterarmstützen und Krankenfahrstühle. Die beiden letztgenannten Hilfsmittel, die die Klägerin beim örtlichen Sanitätshandel oder dem Sanitätsfachgroßhandel beschafft, werden den Leistungsberechtigten jeweils nur leihweise zur Verfügung gestellt. Mit Schreiben vom 17. August 1982 beriet die Beklagte die Klägerin unter Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 18. Dezember 1981 - I ZR 34/80 - dahin, die Selbstabgabestelle einzustellen; da der BGH die Selbstabgabe von Brillen durch eine Ortskrankenkasse für unzulässig gehalten und untersagt habe, könne auch für die von der Klägerin betriebene Selbstabgabestelle nichts anderes gelten.
Nachdem die Klägerin mitgeteilt hatte, daß sie der Beratung nicht folgen werde, wurde sie von der Beklagten durch Bescheid vom 30. August 1982 verpflichtet, ihre Selbstabgabestelle bis zum 31. März 1984 zu schließen.
Die gegen diese Anordnung vor dem Sozialgericht (SG) Braunschweig erhobene Klage hatte Erfolg (Urteil vom 27. Juli 1983). Das SG hat die Aufhebung der Schließungsanordnung im wesentlichen damit begründet, daß durch den Betrieb einer Selbstabgabestelle geltendes Recht nicht verletzt werde. Zwar regele die Reichsversicherungsordnung (RVO) nicht ausdrücklich die Befugnis der Krankenversicherungsträger zum Betrieb einer Selbstabgabestelle. Auch sei der Beklagten zuzugeben, daß nach der Konzeption der RVO die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung ihre Leistungen durch Dritte erbringen könnten. Hieraus dürfe aber nicht geschlossen werden, daß der Betrieb von Selbstabgabestellen durch Krankenkassen unzulässig sei. Gerade das die gesetzliche Krankenversicherung wesentlich bestimmende Sachleistungsprinzip lasse diese Möglichkeit zu. Dafür sprächen auch mehrere Regelungen der RVO, die bestimmte Eigeneinrichtungen der Krankenkassen vorsähen, so zB § 368d Abs 1 Satz 3 RVO hinsichtlich der Erbringung ärztlicher Leistungen in eigener Regie, § 346 Abs 2 RVO hinsichtlich der Errichtung von Krankenhäusern und Genesungsheimen durch die Krankenkassen und §§ 185a, 376b RVO hinsichtlich der Anstellung von Krankenschwestern als Pflegepersonen und Gehilfinnen. Auch dies spreche für die Zulässigkeit der Selbstabgabestelle der Klägerin. Entgegen der Auffassung des BGH lasse sich auch aus dem Wettbewerbsrecht, kein hinreichender Grund für eine Untersagung der Selbstabgabe durch die Klägerin herleiten.
Mit der vom SG zugelassenen und unter Beifügung der Zustimmungserklärung der Klägerin eingelegten Sprungrevision rügt die Beklagte einen Verstoß gegen § 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Wie der BGH in seinem Urteil vom 18. Dezember 1981 ausgeführt habe, stelle die Ausschaltung des Fachhandels und der Verkauf unter Ausnutzung von Rabatten und sonstigen Preisvorteilen durch die Selbstabgabestellen der Krankenkassen einen Verstoß gegen diese Bestimmung dar. Auch wenn sie, die Beklagte, den Betrieb einer Selbstabgabestelle grundsätzlich - und im Gegensatz zum BGH - für zulässig halte, sei sie als Aufsichtsbehörde zur Wahrung des Rechts gehalten, die Klägerin zur Schließung ihrer Selbstabgabestelle zu verpflichten.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 27. Juli 1983 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält daran fest, nach Gesetz und Recht berechtigt zu sein, die Ansprüche ihrer Versicherten auf Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln unter anderem in Form der Selbstabgabe zu erfüllen. Dies ergebe sich schon aus dem Grundsatz der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung, der in §§ 29 Abs 3, 30 Abs 1 Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB 4) und in § 17 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB 1) seinen Niederschlag gefunden habe. Danach habe sie ihre Aufgaben als Versicherungsträger in eigener Verantwortung zu erfüllen. - Nach § 182 Abs 1 Nr 1 c RVO sei sie verpflichtet, den Versicherten ua die erforderlichen Hilfsmittel als Krankenhilfe zu gewähren, wobei sie diese Leistungen als Naturalleistungen schulde. Wie die Leistungen an den Versicherten abgegeben werden sollten, sei nicht ausdrücklich im Gesetz vorgeschrieben. Auch § 376d RVO biete keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Selbstabgabe als Versorgungsart habe ausgeschlossen werden sollen. Ferner bestätige auch die historische Entwicklung, daß den Krankenkassen von jeher das Recht zur eigenen Erfüllung der Sachleistungsansprüche zustehe. Zwar sei die Befugnis zur Selbstabgabe von Hilfsmitteln - wie auch anderer Eigenleistungen - im Laufe der langjährigen Geschichte der Krankenversicherung bekämpft worden; jedoch sei die Befugnis zur Selbstabgabe vom Gesetzgeber nie ausgeschlossen worden. Eher sei dieses Recht im Hinblick auf die Pflicht der Krankenkassen zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen bestätigt worden. Soweit sich die Beklagte auf die Entscheidung des BGH berufe, verkenne sie - wie dieses Gericht selbst - die der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung übertragenen Gestaltungsbefugnisse. Auch könnten die Selbstabgabestellen in ihrer steuerbegünstigten Leistungsweise nicht in Wettbewerb mit privaten Leistungserbringern gesehen und insoweit an § 1 UWG gemessen werden. Dies ergebe sich daraus, daß sie mit der Erfüllung der Sachleistungsansprüche der Versicherten öffentliche Aufgaben wahrnähmen. Im übrigen sei selbst bei Anwendung des § 1 UWG kein Wettbewerbsverstoß zu sehen. Schon die geringe Anzahl der Selbstabgabestellen schließe eine Gefährdung oder auch Beeinträchtigung der privaten Anbieter durch die Selbstabgabestellen aus.
Entscheidungsgründe
II.
Die Sprungrevision der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet.
Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist nach § 51 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gegeben. Es handelt sich im Sinne dieser Vorschrift um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Sozialversicherung. Zu diesen Angelegenheiten gehören auch aufsichtsrechtliche Maßnahmen, die im Verhältnis zwischen Sozialversicherungsträgern und ihren Aufsichtsbehörden im Rahmen des in §§ 87 ff SGB 4 geregelten aufsichtsrechtlichen Rechtsverhältnisses ergehen. Streitgegenstand der Klage ist im vorliegenden Rechtsstreit die Rechtmäßigkeit einer Anordnung der Aufsichtsbehörde, die die klagende Krankenkasse hinsichtlich der Versorgung ihrer Versicherten zu einem bestimmten Verhalten - Schließung ihrer Selbstabgabestelle - verpflichtet hat. Die Versorgung der in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten mit Verbands-, Heil- und Hilfsmitteln (§ 182 Abs 1 Nr 1 Buchst b und c RVO) gehört ebenso zu den Angelegenheiten der Sozialversicherung wie die Anordnung der Aufsichtsbehörde, die die Art der Durchführung dieser Versorgung durch die Krankenkasse betrifft. Dabei kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob die streitige Aufsichtsmaßnahme eine Verletzung öffentlichen oder privaten Rechts betrifft, insbesondere ob der beanstandete Betrieb einer sogen Selbstabgabestelle bzw die Fortsetzung einer Eigenabgabe der klagenden AOK mit Maßnahmen der Rechtsaufsicht unterbunden werden könnte, auch wenn damit allein gegen Zivilrecht - insbesondere Wettbewerbsrecht - verstoßen würde, oder ob die Rechtsaufsicht nur Verstöße gegen öffentliches Recht beanstanden kann. Darauf kommt es bei der Frage des Rechtsweges nicht an. Erheblich ist insoweit nur, daß die Beklagte als Aufsichtsbehörde für sich in Anspruch nimmt, die zwischen ihr und der Klägerin bestehenden Rechtsbeziehungen durch eine aufsichtsrechtliche Maßnahme zu regeln. Sie hat sich mit der angegriffenen Verpflichtungsanordnung unstreitig einer derartigen hoheitlichen Maßnahme bedient, um deren Aufhebung es hier allein geht. Da dieser Streitgegenstand eine unmittelbare Rechtsfolge des öffentlichen Rechts - hier des Sozialversicherungsrechts - ist, handelt es sich auch um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, und zwar um eine solche nicht verfassungsrechtlicher Art im Sinne des § 40 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), die jedoch nicht den Verwaltungsgerichten, sondern kraft Bundesrechts - § 51 SGG - ausdrücklich den Sozialgerichten zugewiesen ist. Dies ergibt sich auch aus § 54 Abs 3 SGG, der für Klagen der Sozialversicherungsträger auf Aufhebung einer aufsichtsrechtlichen Anordnung eine spezielle Klageart - die Aufsichtsklage - vorsieht.
An einer Entscheidung in der Sache ist der Senat nicht wegen des Fehlens einer notwendigen Beiladung gehindert. Eine Beiladung der im Zuständigkeitsbereich der Klägerin ansässigen privaten Leistungserbringer bzw ihrer Berufsverbände oder Interessenvertretungen, die an der Aufrechterhaltung der Aufsichtsanordnung ein Interesse haben können, ist nicht im Sinne von § 75 Abs 2 SGG geboten. Sie werden durch die zu erwartende Entscheidung in ihrer Rechtssphäre nicht unmittelbar betroffen. Der Senat läßt dahingestellt, ob es von vornherein der institutionellen Zielsetzung des Aufsichtsrechts widerspricht, auch den Individualinteressen einzelner zu dienen (BSGE 26, 237, 240). Auch wenn der Senat davon ausgeht, daß der Staatsaufsicht eine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle jeglichen Handelns der Krankenkasse obliegt, das Aufsichtsrecht mithin auch die Korrektur von Gesetzwidrigkeiten einschließt, die das - ggf privatrechtliche - Verhältnis der Krankenkasse zu privaten Dritten, insbesondere freiberuflichen Leistungserbringern betreffen, bedarf es keiner Beiladung der Betroffenen. Denn diese sind an dem streitigen Rechtsverhältnis zwischen Aufsichtsbehörde und Selbstverwaltungsträger nicht, insbesondere nicht in dem Sinne beteiligt, daß eine Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen könnte. An dem Aufsichtsverhältnis sind allein der aufsichtführende Staat und die beaufsichtigte Krankenkasse beteiligt. Die Rechtskontrolle ist ein interner Vorgang innerhalb der öffentlichen Verwaltung, bei der über Rechte und Pflichten nur der Krankenkasse, nicht aber Dritter entschieden wird. Dritte haben keinen Anspruch gegen die Aufsichtsbehörde auf ein aufsichtsrechtliches Einschreiten gegen die Krankenkasse (BSG aaO) und können daher auch durch die Unterlassung oder Ablehnung eines Einschreitens - ebenso durch die gerichtliche Aufhebung einer der Krankenkasse erteilten Verpflichtungsanordnung - nicht in ihren Rechten unmittelbar betroffen werden. Ob dies anders wäre, wenn die Aufsichtsanordnung im Zuge einer von den privaten Leistungserbringern unmittelbar gegen die Klägerin erhobenen Unterlassungsklage ergangen wäre, kann dahinstehen, weil ein solcher Fall hier nicht vorliegt.
In der Sache hat das SG die Verpflichtungsanordnung zu Recht aufgehoben, weil die Beklagte damit ihr Aufsichtsrecht überschritten hat. Ihre Anordnung verstößt gegen § 87 Abs 1, § 89 Abs 1 SGB 4. Danach erstreckt sich die staatliche Aufsicht, der die Krankenkassen als Versicherungsträger unterliegen, auf die Beachtung von Gesetz und sonstigem Recht, das für die Versicherungsträger maßgebend ist (§ 87 Abs 1 SGB 4). Nur wenn durch das Handeln oder Unterlassen eines Versicherungsträgers das Recht verletzt wird, kann die Aufsichtsbehörde - nach Beratung, die hier erfolgt ist - den Versicherungsträger verpflichten, die Rechtsverletzung zu beheben (§ 89 Abs 1 SGB 4). Hierbei kann der Senat wiederum offenlassen, ob die Rechtsaufsicht von vornherein nicht Rechtsverletzungen privatrechtlicher Art (im privatrechtlichen Handlungsbereich der Krankenkasse) erfaßt, ob insoweit wenigstens ein öffentliches Interesse am Einschreiten erforderlich oder ein Einschreiten jedenfalls dann ausgeschlossen ist, wenn Dritte unmittelbar Klagemöglichkeiten gegenüber der Krankenkasse haben (zu den verschiedenen Versionen des Subsidiaritätsprinzips in der Rechtsaufsicht, speziell der Kommunalaufsicht vgl neuerdings Hassel, DVBl 1985, 697 f mwN). Auch wenn der Senat derartige Einschränkungen des sozialversicherungsrechtlichen Aufsichtsrechts - für die schon nach dem Wortlaut des § 89 SGB 4 keine Anhaltspunkte bestehen - verneint, ist die streitige Aufsichtsmaßnahme rechtswidrig. Denn mit der Fortführung des Betriebs der im Jahre 1932 errichteten Selbstabgabestelle durch die Klägerin wird geltendes Recht nicht verletzt. Das gilt nicht nur insoweit, als die Klägerin im Wege der Selbstabgabe - ursprünglich von ihr erworbene und nach Gebrauch an sie zurückgegebene - Hilfsmittel derart wiederverwendet, daß sie sie in Form einer Leihe erneut Leistungsberechtigten (Versicherten und Mitversicherten) zum Gebrauch überläßt; auch soweit durch die Selbstabgabestelle Mittel der Krankenpflege in Form einer Überlassung zum Verbrauch abgegeben werden, fehlt es an einer Rechtsverletzung.
Insbesondere verstößt die hier streitige Selbstabgabestelle nicht gegen geltendes Sozialversicherungsrecht. Daß die RVO in ihrer bisherigen Entwicklung die Selbstabgabe von Verbands-, Heil- und Hilfsmitteln niemals ausdrücklich verboten, allerdings auch nicht geboten hat, steht außer Streit. Vorschriften, die die Frage der Selbstabgabe in diesem Bereich ausdrücklich regeln, sind in der RVO, aber auch im SGB nicht enthalten. Die beklagte Aufsichtsbehörde selbst ist der Auffassung, daß die Eigenabgabe von Heil- und Hilfsmitteln sozialversicherungsrechtlich zulässig ist. Sie beruft sich zur Begründung ihrer Schließungsverfügung ausschließlich auf ein Urteil des BGH vom 18. Dezember 1931 zur Selbstabgabe von Brillen (- I ZR 34/80 - BGHZ 82, 375 = NJW 1982, 2117 = SGb 1982, 407 = SozVers 1982, 270 mit ablehnender Anmerkung von Unger; vgl auch die fast gleichlautende Entscheidung vom selben Tag - I ZR 116/80 -), die ua wegen eines Verstoßes gegen § 1 UWG für unzulässig erachtet worden ist.
Die dort angestellten Erwägungen sind für den vorliegenden Fall von vornherein deshalb nicht erheblich, weil sich der BGH mit der Zulässigkeit der - erst 1978 erfolgten - Errichtung einer Selbstabgabestelle zu befassen hatte, es hier aber um die Schließung einer bereits seit 1932 bestehenden Abgabestelle geht, die seitdem unangefochten betrieben wird. Die vom BGH entschiedene Frage, ob Krankenkassen nach gegenwärtigem Recht "unbeschränkt" zur Schaffung neuer Eigenbetriebe (Selbstabgabestellen) berechtigt, befugt oder ermächtigt sind, ist eine andere als die, ob überkommene Einrichtungen der vorliegenden Art nunmehr unzulässig geworden und daher zu schließen sind. Der Senat sieht daher keinen Anlaß, den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes wegen einer Abweichung von der vorgenannten Entscheidung des BGH anzurufen.
In dieser Entscheidung hat der BGH zur Begründung einer Wettbewerbswidrigkeit der Selbstabgabe von Brillen durch Krankenkassen - nach einem obiter dietum auch der Selbstabgabe von sonstigen Heil- und Hilfsmitteln - in erster Linie darauf abgestellt, daß schon nach den gesetzlichen Regeln der RVO für den Regelfall die Erbringung von Leistungen der Krankenpflege "generell und primär" durch die bestehenden freien Berufe vorgesehen sei. Zwar könne nicht schon bestimmten Einzelregelungen (§ 182 RVO, § 17 SGB 1, § 30 Abs 1 SGB 4 iVm § 31 SGB 1) oder aus dem Sachleistungsprinzip entnommen werden, daß die Errichtung von Eigenbetrieben der gesetzlichen Krankenkassen zulässig oder unzulässig sei. Vielmehr ergebe sich aus dem Gesamtzusammenhang der die Leistungserbringung regelnden Vorschriften der RVO, daß die Erbringung von Krankenpflegeleistungen durch freie Berufe in wesentlichen Bereichen der Sozialversicherung - vornehmlich der kassenärztlichen und kassenzahnärztlichen Versorgung - dem gesetzlichen Regelfall entspreche. Demgegenüber komme die Tätigkeit von Eigeneinrichtungen und von eigenen Angestellten der Krankenkasse nur ausnahmsweise in Betracht, nämlich wenn sie "aus zwingenden gesundheits- und sozialrechtlichen Erwägungen" bzw "sozialversicherungsrechtlich geboten sei". Dies sei nur dann der Fall, wenn die Krankenkasse zur Erfüllung ihrer Aufgaben, die Versicherten mit bestimmten Krankenpflegemitteln zu versorgen, auf eigene Abgabestellen angewiesen und die Versorgung der Bevölkerung durch freiberuflich Tätige nicht gewährleistet sei. Allein durch diese Einschränkung werde beachtet, daß es der öffentlichen Hand verwehrt sei, über das sachlich Gebotene und verfassungsrechtlich Zulässige hinaus in den Bereich der privaten beruflichen Betätigung Dritter zu deren Nachteil einzugreifen - Art 12 Abs 1 Grundgesetz (GG) -. Es könne deshalb auch nicht angenommen werden, daß der Gesetzgeber angesichts der regelmäßigen Leistungserbringung durch Dritte den Krankenkassen ohne Einschränkung - generell - die Ermächtigung zur Einrichtung von Eigenbetrieben stillschweigend erteilt habe. Denn die schrankenlose Errichtung von Selbstabgabestellen schließe die - zu Art 12 Abs 1 GG in Widerspruch stehende - Möglichkeit ein, vorhandene und nach Herkommen und Gesetz anerkannte selbständige Berufe faktisch auszuschalten, und bedeute für diese die Gefahr eines ruinösen Wettbewerbs, wenn die hier beanstandete Errichtung einer Selbstabgabestelle bei einem entsprechenden Erfolg bundesweite Nachahmung und Ausdehnung finde. Diese ernstliche Gefahr für den Bestand selbständiger Berufe sei mit § 1 UWG nicht vereinbar. Dabei wird zwar eingeräumt, daß § 1 UWG nicht den Zugang der öffentlichen Hand zum Wettbewerb - das "0b" ihrer wirtschaftlichen Betätigung - regele, es vielmehr eine allgemeine wirtschaftspolitische und keine wettbewerbsrechtliche Frage sei, ob und inwieweit die öffentliche Hand sich am Wettbewerb beteiligen dürfe. Gleichwohl sei das Verhalten der Krankenkasse nach 1 UWG zu beurteilen, denn die Heranziehung dieser Bestimmung führe hier nicht zu einer Ergänzung oder Überlagerung dieser allgemeinen wirtschaftspolitischen Entscheidung, sondern bestätige nur die gesetzliche Regelung, wonach im Regelfall die Leistungserbringung durch Dritte vorgesehen sei.
Der Senat braucht nicht im einzelnen zu erörtern, ob und inwieweit die vorgenannte Entscheidung, die im Anschluß an Gutachten von Zacher (Krankenkassen oder nationaler Gesundheitsdienst?, 1980) und von Maydell/Scholz (Grenzen der Eigenwirtschaft gesetzlicher Krankenversicherungsträger, 1980) ergangen ist, einer kritischen Würdigung standhält. Zweifelhaft ist bereits, ob es sich dann, wenn die Krankenkasse gegenüber ihren Versicherten öffentlich-rechtliche Aufgaben wahrnimmt, indem sie ihre gesetzliche Verpflichtung zu deren Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln unmittelbar erfüllt, überhaupt um eine Teilnahme am Wettbewerb handelt, ob ferner, falls dies bejaht würde, die Entscheidung für eine Selbstabgabe (das "Ob" der Teilnahme am Wettbewerb) gleichwohl dem Wettbewerbsrecht unterliegt, und ob der BGH die sozialversicherungsrechtliche Rechtslage hinsichtlich der Zulässigkeit der Errichtung von Selbstabgabestellen richtig gesehen hat (kritisch dazu ua Behrends, Grenzen des Privatrechts in der gesetzlichen Krankenversicherung, 1986, S 86 ff; Rohwer-Kahlmann, SGb 1982, 373 ff; ders, ZSR 1985, 168 ff; Brackmann, NJW 1982, 84 ff; Krauskopf DOK 1982, 569 ff; ders, ZSR 1983, 686; Krause, ZfS 1983, 132 f; Peters/Mengert, Handbuch der Krankenversicherung, § 364 Anm 2b, § 368d Anm 6c und § 376d Anm 6; Spieß, SGb 1984, 56 ff; Tennstedt, DOK 1981, 904 ff; Unger, SGb 1983, 340 ff; ders ZfS 1983, 36 ff; SozSich 1983, 346 ff und 365 ff sowie ZfSH/SGB 1985, 19 ff; Döhler, ZSR 1984, 214, 217 f; Vorlagebeschluß des 8. Senats des BSG von 19. Februar 1986, SGb 1986, 420 ff mit Anmerkung von Spieß, S 422). Diese Fragen kann der Senat ebenso wie die weitere Frage offenlassen, ob Grenzziehungen, wie sie der BGH mit der Erforderlichkeit bzw "sozialversicherungsrechtlichen Gebotenheit" hinsichtlich der Errichtung von Selbstabgabestellen annimmt und wie sie in ähnlicher Weise für die konkurrierende Teilnahme der öffentlichen Hand am Wettbewerb schlechthin aus dem allgemeinen (oder speziellen) Gesetzesvorbehalt, bestimmten Grundrechten (Art 2, 12 und 14 GG), dem Subsidiaritätsprinzip und dem Übermaßverbot (iS des Grundsatzes der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit) sowie dem Wettbewerbsrecht abgeleitet werden (vgl etwa Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 1984, S 88 f, 97 ff), auf die Krankenkassen, die mit der Versorgung ihrer Versicherten mit Heil- und Hilfsmitteln öffentliche Aufgaben wahrnehmen, übertragen werden können. Auch wenn der Senat - dem BGH folgend - unterstellt, daß die Krankenkassen mit der Selbstabgabe von Heil- und Hilfsmitteln am Wettbewerb teilnehmen und die Frage der Zulässigkeit ihrer Teilnahme am Wettbewerb nach den Prinzipien der Erforderlichkeit bzw "der sozialrechtlichen Gebotenheit" zu lösen wäre, kann das für Fälle der vorliegenden Art nicht, jedenfalls nicht ohne weiteres gelten.
Die Erwägungen des BGH zur lediglich ausnahmsweisen Zulässigkeit von Eigeneinrichtungen im Bereich der Heil- und Hilfsmittelversorgung lassen erkennen, daß damit letztlich die aus dem Kommunalrecht bekannten (bereits in § 67 Abs 1 der deutschen Gemeindeordnung vom 30. Januar 1935 normierten) Regeln über die Begrenzung wirtschaftlicher Betätigung ("Funktionssperren") auf die Krankenkassen übertragen worden sind. Danach ist die "Errichtung und Erweiterung" gemeindlicher Eigenbetriebe grundsätzlich nur unter der Einschränkung zulässig, daß ein öffentlicher Zweck dies "gebietet" und dieser Zweck nicht besser und wirtschaftlicher durch andere erfüllt wird oder werden kann, insbesondere die Erfüllung des öffentlichen Zwecks durch die Privatwirtschaft nicht gewährleistet ist (vgl dazu statt vieler Hans-Uwe Erichsen, Gemeinde und Private im wirtschaftlichen Wettbewerb, 1987, S 32 f; Ehlers, aaO, S 99/100).
Derartige Regelungen, die zugleich der Begrenzung wirtschaftlicher Betätigung der öffentlichen Hand durch die Grundrechte, insbesondere durch die Wettbewerbsfreiheit des Art 2 Abs 1 GG und durch die - insoweit speziellere - Berufsfreiheit des Art 12 Abs 1 GG entsprechen (vgl etwa Ehlers, aaO, S 100 f, 102, 106; zum Kommunalrecht Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, 5. Aufl, § 86 Rz 62/63; Hans-Uwe Erichsen, aaO, S 22 ff, 31), entfalten aber ihre Sperrwirkung - wie diese Grundrechte selbst - grundsätzlich nur gegenüber Neuerrichtungen und Erweiterungen erwerbswirtschaftlicher Unternehmen auf Kosten vorhandener und ausreichender Einrichtungen der Privatwirtschaft. Sie wirken hingegen nicht, jedenfalls nicht in gleichem Maße, gegenüber zeitlich "vornormativ" errichteten Betrieben, die selbst dann Bestandsschutz genießen, wenn ihre Neuerrichtung unzulässig wäre (Stober, Kommunalrecht, 1987, S 174). Dies gilt erst recht gegenüber Einrichtungen, die bei Inkrafttreten des GG bereits bestanden haben. Der Bestand derartiger "vorkonstitutioneller" Einrichtungen ist jedenfalls, wie sich dem Zusammenhang mit der Behandlung der vom GG vorgefundenen Finanzmonopole entnehmen läßt, durch die Grundrechte nicht ohne weiteres berührt worden. Setzt das GG selbst die Zulässigkeit von Finanzmonopolen voraus (Art 105, 106, 108 GG), mittels derer die konkurrierende Privatwirtschaft ganz ausgeschlossen werden darf, muß dies unter dem Aspekt der Einheit der Rechtsordnung erst recht für die weniger absoluten Eigenbetriebe der öffentlichen Hand gelten, jedenfalls soweit sie vom GG vorgefunden worden sind (vgl dazu Dürig in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Komm zum GG, Art 2 Abs 1 Rz 52). Nicht deren Bestand als solcher, sondern allenfalls die konkreten Modalitäten derartiger Einrichtungen sind an den Grundrechten in Verbindung mit dem Übermaßverbot zu messen (vgl BVerfGE 14, 105, 111 f; dazu weiter unten).
Den vorgenannten Grundsätzen entspricht es, daß auch das neuere Krankenversicherungsrecht für bestimmte Eigeneinrichtungen der Krankenkassen und ihrer Verbände einen Bestandsschutz vorsieht. So hat der Gesetzgeber in Teilbereichen des Krankenversicherungsrechts - im Kassenarzt - und Kassenzahnarztrecht - hinsichtlich vorhandener Eigeneinrichtungen der Krankenkassen einen status quo insoweit geschaffen, als diese in ihrem Bestand uneingeschränkt erhalten geblieben sind; nur die Erweiterung sowie die Errichtung neuer Eigeneinrichtungen ist gesetzlich beschränkt worden, indem Zahl und Umfang der Eigeneinrichtungen (seit 1955) nur noch aufgrund von vertraglichen Vereinbarungen mit den Kassenärztlichen Vereinigungen vermehrt werden dürfen (§ 368d Abs 1 Satz 4 RVO idF des Gesetzes über Kassenarztrecht vorn 17. August 1955, BGBl I 513; vgl dazu BSGE 28, 42; 31, 21). Dasselbe gilt für die in § 368d Abs 1 Satz 1 RVO erwähnten kasseneigenen Zahnkliniken (Begründung zu § 368d Abs 1 im Entwurf des vorgenannten Gesetzes, BT-Drucks 2/1313), die hinsichtlich der ambulanten zahnärztlichen Behandlung keinen Beschränkungen unterliegen, während auf dem Sektor der ambulanten ärztlichen Behandlung die Eigenleistungen der Krankenkassen bereits nach der Vertragsordnung vom 30. Dezember 1931 auf ärztliche Sachleistungen (zB Röntgen- und Laboratoriumsleistungen) beschränkt sind (vgl dazu Behrends, aaO, S 58 und 82). Dementsprechend ist in § 2 Abs 8 Satz 2 des Bundesmantelvertrages-Ärzte (-BMV-Ä- vom 28. August 1978) bestätigt, daß die Befugnisse zur - ambulanten - Abgabe von ärztlichen Sachleistungen in bestehenden Eigeneinrichtungen der Krankenkassen und ihrer Verbände im Umfang des Jahres 1958 erhalten geblieben sind. Das gilt auch insoweit, als derartige Sachleistungen in kassen- und kassenverbandseigenen Krankenhäusern und Genesungsheimen ambulant erbracht werden. Hier hat der Gesetzgeber das bisherige Recht der Kassenverbände, Krankenhäuser und Genesungsheime zu errichten, bei der Neuordnung des Verbänderechts durch das Verbändegesetz vom 17. August 1955 (BGBl I S 524) durch die Verweisung auf § 346 RVO in § 414d RVO übernommen. § 346 Abs 2 Nr 2 RVO läßt die Errichtung von kasseneigenen Krankenhäusern und Genesungsheimen - bei Eröffnung ambulanter Behandlungsmöglichkeiten in den Grenzen des § 368d Abs 1 Sätze 3 und 4 RVO - zu und geht damit auch insoweit davon aus, daß bestehende Einrichtungen dieser Art uneingeschränkt erhalten bleiben. Im übrigen setzt auch das Krankenhausfinanzierungsgesetz (- KHG - vom 29. Juni 1972, BGBl I S 1009) - was der BGH (aaO S 388) verkannt hat - die Existenz von Krankenhäusern der Sozialversicherungsträger voraus und geht damit auch in diesem Bereich von der Zulässigkeit jedenfalls der bestehenden Einrichtungen aus (vgl auch Behrends, aaO, S 83).
Daß es für sonstige Einrichtungen der Krankenkassen, insbesondere im Bereich der Heil- und Hilfsmittelversorgung, an einer entsprechenden, den status quo wahrenden Regelung fehlt, kann nicht bedeuten, daß nunmehr jegliche Einrichtungen dieser Art zu schließen wären, sofern sie nicht ausnahmsweise "sozialversicherungsrechtlich geboten" sind oder sonst dem Gesetzesvorbehalt (§ 30 SGB 4 iVm § 31 SGB 1) genügen. Auch insoweit bestehen Anhaltspunkte dafür, daß der Gesetzgeber jedenfalls bestehende Eigeneinrichtungen vorausgesetzt und hingenommen hat.
Das ergibt sich einerseits aus einer Zusammenschau von gesetzlichen Neuregelungen der RVO, die Hinweise auf einen Bestandsschutz vorhandener Einrichtungen enthalten, andererseits aus der Rechtsentwicklung, in der sich zeigt, daß es von Beginn der Krankenversicherung an den Krankenkassen überlassen war, zur Erfüllung ihrer Naturalleistungspflichten Eigenbetriebe zu errichten. Dabei ist allerdings zu beachten, daß die einzelnen Bereiche der Krankenversicherung Sonderentwicklungen genommen haben, so daß es nicht angeht, aus dem Vorhandensein besitzstandswahrender Normen in Teilbereichen - insbesondere § 368d Abs 1 Satz 4 RVO - auf das Fehlen eines Bestandsschutzes in anderen Bereichen zu schließen, in denen eine ausdrückliche Regelung fehlt. Hat nämlich der Gesetzgeber sogar in Bereichen, in denen inzwischen die Erbringung von Krankenpflegeleistungen durch das Kassenarztrecht (§§ 368 ff RVO) voll auf die Kassenärzte und -zahnärzte übertragen worden ist, bestehende Eigeneinrichtungen der Krankenkasse unberührt gelassen, muß dies - erst recht - in solchen Bereichen gelten, in denen es an einer ausdrücklichen Zuweisung der Leistungserbringung an Dritte fehlt.
Insbesondere lassen die Neuregelungen über die Mittelverwendung (§§ 363 ff RVO) erkennen, daß jedenfalls bestehende Eigenbetriebe als zulässig vorausgesetzt worden sind. Nach § 367 Abs 1 RVO, der durch das Gesetz über die Verwaltung der Mittel der Träger der Krankenversicherung (KVMG vorn 15. Dezember 1979, BGBl I 2241) neugefaßt worden ist, umfaßt das Verwaltungsvermögen der Krankenkassen auch solche Vermögensanlagen, die der Führung ihrer "betrieblichen Einrichtungen (Eigenbetriebe)" zu dienen bestimmt sind (sowie die zur Anschaffung und Erneuerung dieser Vermögensteile bereitgehaltenen Geldmittel), soweit sie zur Erfüllung der Aufgaben der Kasse erforderlich sind. Diese Bestimmung enthält zwar keine Ermächtigung für die (Neu-) Errichtung solcher Einrichtungen und zeigt auch nicht, welche Einrichtungen überhaupt und unter welchen Voraussetzungen in Frage kommen. Gleichwohl kann dieser Vorschrift, die nicht nur auf die im Gesetz ausdrücklich genannten Eigeneinrichtungen - zB § 368d Abs 1 Sätze 3 und 4 RVO - verweist, entnommen werden, daß jedenfalls vorhandene Eigenbetriebe unangetastet bleiben. Da zu den Aufgaben, für die das Verwaltungsvermögen und auch die Betriebsmittel (§ 364 Abs 1 RVO) verwendet werden dürfen, alle nach § 30 Abs 1 SGB 4 vorgesehenen (gesetzlich vorgeschriebenen und durch Satzung zugelassenen) Aufgaben gehören (vgl die Klarstellung in BT-Drucks 8/3267, S 19), kann in § 367 RVO eine Bestätigung dafür gesehen werden, daß die Krankenkassen jedenfalls bestehende Eigenbetriebe grundsätzlich weiter betreiben dürfen. Hätte der Gesetzgeber eine eigenwirtschaftliche Betätigung der Krankenkassen grundsätzlich (bis auf die zugelassenen Ausnahmen) völlig beseitigen wollen, hätte es nahegelegen, an dieser Stelle eine Einschränkung vorzusehen, insbesondere den Begriff der "Aufgaben" einzugrenzen.
Sofern deshalb - wie im vorliegenden Fall - Eigeneinrichtungen der Kasse aus der Zeit lange vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges Bestand haben, können sie mangels einer gesetzlichen Regelung, die derartige Einrichtungen generell für unzulässig erklärt, nicht einem entsprechenden Verdikt unterworfen werden (ähnlich Krauskopf, DOK 1982, 569, 573). Sie sind auch nicht bereits nach früherem Recht unzulässig gewesen.
Entsprechende Hinweise in der Entscheidung des BGH (aaO S 394), daß Eigeneinrichtungen von Krankenkassen in der Zeit vor und nach dem 1. Weltkrieg in einem nicht näher ersichtlichen Umfang lediglich "faktisch" - also wohl ohne gesetzliche Legitimation - bestanden hätten, beruhen auf einer unzureichenden Berücksichtigung der Rechtsentwicklung. Diese zeigt vielmehr, daß den Krankenkassen von Beginn der gesetzlichen Krankenversicherung an - sowohl unter der Geltung des Krankenversicherungsgesetzes (- KVG - vom 15. Juni 1883, RGBl S 73) als auch der RVO - die Befugnis zugestanden wurde, zur Erfüllung ihrer Naturalleistungspflicht Eigenbetriebe (zB Ambulatorien, Badeanstalten, Zahnkliniken, Krankenhäuser) zu errichten und Dienstleistungen sowie Gegenstände der Krankenpflege in sogenannten Selbstabgabestellen durch angestelltes Personal abzugeben. Da das Gesetz nicht festlegte, in welcher Weise die Krankenkassen Vorsorge für die Erbringung von Krankenpflegeleistungen zu treffen hatten, wurde allgemein angenommen, daß es insoweit in der Gestaltungsfreiheit der Selbstverwaltung der Krankenkassen lag, wie den Versicherten die Sachleistungen zur Verfügung gestellt wurden (vgl zur geschichtlichen Entwicklung vor allem Behrends, aaO, S 37 f, 44 f, 47 f, 50 f, 61 f, 69 f; Leibfried/Tennstedt, ZSR 1980, 695 f; Tennstedt, DOK 1981, 904 f; Döhler, ZSR 1984, 214 f, 284 f und 354 f). Streitig war allerdings die Frage, ob die Krankenkassen berechtigt waren, auch die dem Apothekenverkauf vorbehaltenen Arzneien im großen zu beziehen und den Versicherten unmittelbar zu verabfolgen. Dieser bereits seit Ende des vorigen Jahrhunderts bestehende und sich verschärfende Streit um das sog. Selbstdispensierungsrecht der Krankenkassen, in dessen Verlauf diese häufig selbst die Versorgung der Versicherten mit Arzneien und Heilmitteln durch Einrichtung von Selbstabgabestellen übernommen hatten, wurde erst durch eine auf § 6 Abs 2 Reichsgewerbeordnung gestützte "Verordnung über den Verkehr mit Arzneimitteln" vom 27. März 1925 (RGBl I S 40) geklärt, indem den Krankenkassen nicht weiter erlaubt wurde, die nach der kaiserlichen Verordnung vom 22. Oktober 1901 dem Verkehr außerhalb der Apotheken entzogenen Arzneimittel an ihre Mitglieder abzugeben. Eine sich daran - im Jahr 1927 - anschließende Reichstagsinitiative mit dem Ziel, den Krankenkassen das (vorausgesetzte) Recht zur Selbstabgabe von Arznei- und Heilmitteln generell abzuerkennen, fand dagegen keine Mehrheit (Tennstedt, DOK 1981, 904, 909; Rohwer-Kahlmann, ZSR 1980, 197, 233; ders, SGb 1981, 133, 137; 1982, 378; von Maydell/Scholz, Gutachten, S 40 f). Im übrigen war bereits bei den Beratungen im Reichstag über die RVO ausdrücklich das Recht der Krankenkassen bestätigt worden, die dem freien Verkehr überlassenen Arznei- und Heilmittel, Verbandsstoffe uä sowie die sonstigen von Drogisten, Bandagisten und medizinischen Warenhäusern lieferbaren Stoffe selbst an die Versicherten abzugeben (RT-Verhandlungen, 12. Legislaturperiode, 2. Session 1909/1911, Band 267 S 7260, 7261; dazu Behrends, aaO, S 53). Sowohl in der Rechtsprechung des Reichsversicherungsamtes als auch in der Literatur bestand jedenfalls in den Jahren nach 1927 über die Zulässigkeit der Selbstabgabe der vorgenannten Krankenpflegeartikel keine Meinungsverschiedenheit (vgl Behrends, aaO, S 64/65 jeweils mwN). Auch der Reichsarbeitsminister hatte die Selbstabgabe von Arznei- und Heilmitteln durch die Krankenkassen mehrfach für zulässig erklärt (vgl dazu ausführlich Tennstedt, DOK 1981, 904, 909 f). In der Befreiung der eigenhändigen Leistungsgewährung von der Umsatzsteuer ab 1. April 1926 (durch § 2 Nr 9 des Umsatzsteuergesetzes idF des Gesetzes vom 31. März 1926, RGBl I, S 185; vgl dazu Lehmann, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, 1927, Anm zu § 375 RVO, S 389) und in der Einführung der Genehmigungspflicht für die Errichtung von Zahnkliniken, Erholungs- und Genesungsheimen, Kranken- und sonstigen Anstalten (zB Badeanstalten) durch die Notverordnung vom 26. Juli 1930 (RGBl I S 311) liegen weitere Anhaltspunkte dafür vor, daß der damalige Gesetzgeber die Befugnis der Krankenkassen zur Leistungserfüllung mit organisatorisch eigenen Mitteln vorausgesetzt und damit anerkannt hatte. Das hat freilich auch in der Vergangenheit nicht bedeutet, daß mit der zulässigen Selbstabgabetätigkeit der Krankenkassen zugleich der Rückgriff auf private Anbieter hätte ausgeschlossen werden können; vielmehr konnte und kann der Versicherte zwischen der Selbstabgabestelle und privaten Leistungsanbietern grundsätzlich frei wählen, jedenfalls soweit nicht die freie Wahl unter diesen nach Maßgabe des § 375 RVO durch Vereinbarungen über Vorzugsbedingungen mit bestimmten Leistungsanbietern faktisch eingeschränkt worden ist (vgl zur Entstehungsgeschichte und Bedeutung des § 375 RVO Behrends, aaO, S 50 f, 61 f und 69). In der sozialrechtlichen Nachkriegsliteratur und -rechtsprechung ist unter Hinweis auf die vorgenannte Rechtsentwicklung weiterhin die Meinung vorherrschend, daß die Krankenkassen berechtigt sind, die dem freien Verkehr überlassenen Arzneimittel, Heil- und Hilfsmittel, Brillen und sonstige Krankenpflegeartikel unmittelbar an die Versicherten abzugeben (vgl die umfangreichen Nachweise bei Behrends, aaO, S 84/85). Dies hat in der Nachkriegszeit zu einer Reihe von Neuerrichtungen von Selbstabgabestellen geführt, die bei Berücksichtigung ihres zum Teil jahrzehntelangen Bestandes und bei genügender Beachtung der vorgenannten Rechtsentwicklung nicht allein deshalb als unzulässig erachtet werden können, weil es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Anerkennung der Selbstabgabetätigkeit fehlt.
Auch soweit der BGH die Unzulässigkeit der Selbstabgabe auf UWG gestützt hat, betrifft dies nur die im vorliegenden Fall nicht entscheidungserhebliche Frage, inwieweit die "unbeschränkte" Befugnis zur Schaffung von Eigeneinrichtungen die Gefahr eines ruinösen Verdrängungswettbewerbs begründet, wenn die erfolgreiche Neuerrichtung weithin Nachahmung findet. Indem der BGH diese Frage bejaht, geht er - stillschweigend - von der Annahme aus, daß jede Neuerrichtung einer Selbstabgabestelle sukzessiv ein faktisches Verwaltungsmonopol nach sich ziehe, weil diese Entwicklung "im prognostischen Geschehensablauf liege" (so Scholz in von Maydell/Scholz, Gutachten aaO, S 123 ff). Es mag schon bezweifelt werden, ob diese Annahme mit der Rechtswirklichkeit übereinstimmt; denn die eigenwirtschaftliche Betätigung der Krankenkassen hat in den letzten Jahrzehnten ständig abgenommen und ist heute in quantitativer Hinsicht nur noch von geringer Bedeutung (vgl ua die Stellungnahme der Bundesregierung in SdO 1983, 63; Spieß, SGb 1984, 56; ferner Tennstedt, DOK 1981, 904 ff; Peters/Mengert, Handbuch der Krankenversicherung, § 376d Anm 6). Jedenfalls wird die - vom BGH ohne nähere Begründung - prognostizierte Gefahr eines ruinösen Verdrängungswettbewerbs durch die hier streitige Selbstabgabestelle nicht bestätigt, die offensichtlich trotz langjährigen erfolgreichen Betriebes keine entsprechenden Auswirkungen auf den Wettbewerb gezeigt hat.
Im übrigen kann sich nach der ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts und des BGH - wie in BGHZ 82, 375, 397 ausdrücklich bestätigt - die wettbewerbsrechtliche Beurteilung der Selbstabgabetätigkeit grundsätzlich nur auf die Art und Weise der Beteiligung am Wettbewerb und nicht darauf erstrecken, ob und inwieweit die öffentliche Hand sich überhaupt am Wettbewerb beteiligen darf. Ist - wie ausgeführt - die vorliegend in Rede stehende Selbstabgabestelle der Klägerin "bestandsgeschützt" und daher sozialversicherungsrechtlich zulässig, folgt daraus - auch nach Meinung des BGH -, daß das "Ob" ihres weiteren Betriebs der Beurteilung nach § 1 UWG entzogen ist und daher grundsätzlich auch nicht der Beurteilung durch die Zivilgerichte unterliegt. Auch von daher gesehen besteht kein Anlaß, den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes wegen einer Abweichung von der Entscheidung des BGH anzurufen.
Allenfalls hätte im Hinblick auf die Art und Weise der Teilnahme der Klägerin am Wettbewerb aufsichtsrechtlich geprüft werden können, ob die konkreten Modalitäten des Betriebs der - in ihrem Bestand zulässigen - Selbstabgabestelle mit einschlägigen Grundrechten vereinbar sind, ob etwa deren Ausgestaltung im einzelnen eine übermäßige Beeinträchtigung der Berufsfreiheit bewirkt oder gar Tendenzen einer totalen Marktverdrängung erkennen läßt. Davon kann im vorliegenden Fall schon mangels konkreter Feststellungen der Vorinstanz keine Rede sein. Die beklagte Rechtsaufsichtsbehörde hat ihre Verpflichtungsanordnung nicht auf bestimmte Tatsachen gestützt, die Hinweise auf eine unzulässige Art und Weise des Betreibens der Selbstabgabestelle enthalten; solche sind auch im gerichtlichen Verfahren nicht vorgetragen oder festgestellt worden. Es ist insbesondere nicht festgestellt, daß sich die Klägerin bei ihrer Betätigung sittenwidriger Mittel bedient, beispielsweise unter Mißbrauch ihrer Stellung als öffentlich-rechtliche Körperschaft gehandelt oder geworben oder aus der Verbindung hoheitlicher und privatwirtschaftlicher Interessen einen unzulässigen Vorsprung vor ihren Mitbewerbern erlangt oder erstrebt hätte (vgl BGH NJW 1987, 6o/61). Es ist ferner nicht festgestellt, daß die Klägerin eine Erweiterung oder Ausdehnung ihres Bestandes zu Lasten der privaten Anbieter in unzulässiger, Bestand und Grundlagen des Leistungswettbewerbs in Frage stellender Weise erreicht oder auch nur erstrebt oder sonst auf eine Ausschaltung der privaten Anbieter hingearbeitet hätte (zu den Grenzen der Wettbewerbsteilnahme der öffentlichen Hand vgl ua BVerwGE 17, 306, 314; 39, 329, 337; ferner Behrends, aaO, S 400 f, 401/402 mwN).
Bei dieser Sachlage bedarf es keiner weiteren Erörterung der Frage, ob die vom BGH statuierten Funktionssperren für die Teilnahme der Krankenkassen am Wettbewerb überhaupt auf die Selbstabgabetätigkeit der Klägerin insoweit zutreffen, als sie ihren Versicherten bestimmte Hilfsmittel nur leihweise zum Gebrauch überläßt (Unterarmstützen und Krankenfahrstühle).
Nach allem ist die Verpflichtungsanordnung der Beklagten zu Recht aufgehoben worden; ihre Revision war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 4 SGG. Danach sind die Aufwendungen der Behörden und Körperschaften des öffentlichen Rechts nicht erstattungsfähig, so daß die Kostenentscheidung des SG, das die Beklagte zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Klägerin verurteilt hatte, entsprechend zu ändern war.
Fundstellen
Haufe-Index 517994 |
BSGE, 173 |