Leitsatz (amtlich)
Wird Unfall-Entschädigung durch eine formlose "Nachricht" abgelehnt, die nicht an den Versicherten, sondern an dessen Dienststelle gerichtet ist und ist es nicht ausgeschlossen, daß bei dem Versicherten der Eindruck entstanden ist, als habe nicht ein unabhängiger Versicherungsträger, sondern sein Arbeitgeber den Anspruch abgelehnt, so kann dem Versicherten nicht entgegengehalten werden, durch diese Nachricht sei der Anspruch bindend abgelehnt worden.
Leitsatz (redaktionell)
Während einer Dienst- oder Geschäftsreise kann für einen Unfall innerhalb eines Hotels ein rechtlich wesentlicher Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit des Reisenden auch bei einer unmittelbar dem privaten Bereich angehörenden Verrichtung gegeben sein, wenn er wegen seiner Unkenntnis der örtlichen Gegebenheiten des Gefahrenbereichs aufgrund besonderer Gefahrenmomente verunglückt; ein Arbeitsunfall kann hiernach auch dann vorliegen, wenn der Reisende beim Ankleiden im Hotel auf einem Teppich infolge glatten Bodens ausrutscht.
Normenkette
SGG § 66 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03, § 77 Fassung: 1953-09-03, § 53 Fassung: 1953-09-03; RVO § 1569b S. 1 Fassung: 1951-02-22, § 1570 Fassung: 1924-12-15; GG Art. 19 Abs. 4 Fassung: 1968-06-24; RVO § 548 Abs. 1 S. 1
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 3. Dezember 1973 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der 1940 geborene Kläger stieß am 18. Februar 1960 als Zugschaffner (Arbeiter) der Bundesbahn mit der Stirn gegen den oberen Türrahmen eines Packwagens, übte seinen Dienst aber trotz zunächst heftiger Schmerzen, die sich allmählich besserten, weiter aus. Der Durchgangsarzt Dr. E diagnostizierte am nächsten Tag eine Kopfprellung mit Verdacht auf leichte Gehirnerschütterung. Ab 5. April 1960 war der Kläger wieder arbeitsfähig. Auf Anordnung der Bundesbahnverwaltung nahm der Kläger im Oktober 1961 an einem Lehrgang für Schnellzugbegleiter in der Bundesbahnschule in H teil. Die Lehrgangsteilnehmer erhielten Einweisungsscheine, aufgrund deren sie kostenlos im Ledigenheim der Bundesbahn in H untergebracht wurden. Der Kläger und die zwei mit ihm zusammen in einem Zimmer schlafenden Kollegen wurden am 28. Oktober 1961 morgens um 6,30 Uhr geweckt. Während die Kollegen bereits in den Waschraum gegangen waren, wollte sich der Kläger ankleiden. Als die Kollegen zurückkamen, fanden sie den Kläger ohnmächtig auf dem Fußboden liegend. Anschließend wurde dieser mehrere Wochen im Krankenhaus wegen Kopfverletzungen stationär behandelt. Nach seiner Darstellung hatte er beim Ankleiden auf einem Bettvorleger gestanden, der bei einer Bewegung auf dem glatten Fußboden unter ihm weggerutscht sei; dabei sei er mit dem Kopf auf den Fußboden oder gegen eine Schrankkante geschlagen; die Kollegen hätten geäußert, daß er etwa 50 Minuten bewußtlos gewesen sei. Die Beklagte ließ dem Kläger unter dem 9. Januar 1962 durch den Bahnhof F eine "Nachricht über die Anspruchsablehnung" wegen des Unfalles vom 28. Oktober 1961 zukommen. Der Kläger bestätigte mit seiner Unterschrift, daß er hiervon Kenntnis genommen und einen Durchschlag erhalten habe. Der Aufenthalt des Klägers in den Räumen des Ledigenheimes wurde als eigenwirtschaftlich und nicht versichert erachtet. Diese "Nachricht" blieb unangefochten. Nachdem der Kläger im Dezember 1963 ohne äußere Ursache zu Hause bewußtlos von einem Stuhl gefallen war, wurden verschiedene Sachverständige (Prof. Dr. B / Dr. S und Dr. R) gehört. Am 29. Juni 1964 ließ die Beklagte dem Kläger wieder eine Ablehnungsnachricht zugehen mit dem Hinweis, daß nach dem Gutachten des Dr. R die beiden Unfälle vom 18. Februar 1960 und 28. Oktober 1961 offensichtlich keine bleibenden Schäden hinterlassen hätten, bei dem Kläger vielmehr jetzt ein unfallunabhängiges Anfallsleiden vorliege. Am 20. September 1968 stellte der Kläger einen "Verschlimmerungsantrag", zu dessen Begründung er ausführte, er bitte um Gewährung einer Unfallentschädigung, da sich die durch die beiden Unfälle entstandenen epileptischen Krampfanfälle in der letzten Zeit stark gehäuft hätten. Hierauf erwiderte die Beklagte mit formlosem an den Kläger gerichteten Schreiben vom 26. September 1968 u.a., sie beziehe sich auf ihre Nachricht über die Anspruchsablehnung vom 29. Juni 1964. Zudem stelle der Unfall vom 28. Oktober 1961 keinen Arbeitsunfall dar. Auf den "Widerspruch" des Klägers, der am 16. Dezember 1968 bei der Beklagten eingegangen ist, hörte diese weitere Sachverständige (Prof. Dr. G und Dr. S) und erließ daraufhin den förmlichen, mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheid vom 9. Juni 1970, wonach der Unfall vom 18. Februar 1960 keine nachhaltige Hirnschädigung hervorgerufen habe; dies könne zwar für den Sturz vom 28. Oktober 1961 nicht gelten, dieser sei jedoch ein häuslicher Privatunfall gewesen, wie bereits am 9. Januar 1962 mitgeteilt worden sei. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 23. Februar 1971 abgewiesen, u.a. mit der Begründung, daß die Anerkennung des Unfalls vom 28. Oktober 1961 durch Bescheid vom 9. Januar 1962 bindend abgelehnt worden sei. Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte am 14. September 1972 einen Widerspruchsbescheid erlassen, mit dem sie einen Zugunstenbescheid hinsichtlich des Unfalls vom 18. Februar 1960 ablehnte. Dagegen hat der Kläger ebenfalls Klage erhoben. Durch weiteren Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 1973 hat die Beklagte auch hinsichtlich des Unfalls vom 28. Oktober 1961 den Erlaß eines Zugunstenbescheides abgelehnt; auch hiergegen wurde Klage erhoben.
Mit Urteil vom 3. Dezember 1973 hat das Landessozialgericht (LSG) die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es hat u.a. ausgeführt, es habe unerörtert bleiben können, ob die Ablehnung von Entschädigungsleistungen wegen des Unfalles vom 28. Oktober 1961 nach § 77 Sozialgerichtsgesetz (SGG) rechtsverbindlich geworden sei, ob insoweit der Bescheid vom 9. Juni 1970 den Rechtsweg neu eröffnet habe oder ob der Kläger einen auf diesen Unfall gestützten Anspruch nur mit einem Verschlimmerungsantrag (§ 622 Reichsversicherungsordnung - RVO -) oder mit einem Antrag auf Erteilung eines Zugunstenbescheides (§ 627 RVO) geltend machen könne. Denn die Klage sei jedenfalls deshalb erfolglos, weil ein Zusammenhang des Anfallsleidens des Klägers mit dem Unfall vom 18. Februar 1960 nicht nachgewiesen werden könne und weil der zweite Unfall vom 28. Oktober 1961, der möglicherweise für das Anfallsleiden mit ursächlich gewesen sei, nicht als Arbeitsunfall angesehen werden könne. Keiner der mit dem Kläger befaßten Gutachter habe den Arbeitsunfall vom 18. Februar 1960 als ausreichend angesehen, um ein traumatisches Anfallsleiden herbeizuführen. Im übrigen sei nach der eigenen Darstellung des Klägers der Sturz am 28. Oktober 1961 erfolgt, als er sich morgens nach dem Aufstehen, auf dem Bettvorleger stehend, habe anziehen wollen. Dabei habe es sich nicht um eine betriebsbezogene, sondern eigenwirtschaftliche Tätigkeit gehandelt. Die Unterbringung des Klägers im Ledigenheim der Bundesbahn ändere hieran nichts. In einem solchen Falle könne sich der Versicherungsschutz nur ausnahmsweise auf sonst als eigenwirtschaftlich anzusehende Tätigkeiten erstrecken, wenn der Unfall infolge einer besonderen Gefahrensituation des Unterbringungsortes eingetreten sei. Für derartige besondere Gefahren der Gemeinschaftsunterkunft böten sich indessen keine Anhaltspunkte. Insbesondere habe der Kläger selbst nicht vorgetragen, daß der Fußboden etwa ganz besonders glatt gewesen sei, so daß es für die Bewohner der Unterkunft ein erhöhtes Risiko bedeutet hätte, sich auf dem Bettvorleger stehend anzukleiden. Darüber hinaus wäre eine derartige besondere Gefahrensituation nur dann als betriebsbezogen anzusehen, wenn der Versicherte noch keine Gelegenheit gehabt hätte, sich hierauf einzustellen; der Kläger habe jedoch den Schlafraum bereits mehrere Tage mit zwei Kollegen gemeinsam bewohnt.
Mit der zugelassenen Revision rügt der Kläger Verstöße gegen § 548 RVO sowie die §§ 103, 128 SGG. Zu Unrecht habe das LSG den Unfall vom 28. Oktober 1961, der das Anfallsleiden wahrscheinlich verursacht habe, dem privaten, unversicherten Lebensbereich zugeordnet. Nach Beendigung der Nachtruhe setze der Versicherungsschutz wieder ein, falls die Betätigung betriebsbezogen sei. Das Ankleiden diene nicht nur den persönlichen Belangen des Beschäftigten, sondern sei zugleich eine Vorbereitung für den betriebsbezogenen Unterricht am Aufenthaltsort. Folge man dieser Auffassung nicht, so sei der Unfall des Klägers dennoch versichert, weil er durch eine besondere Gefahrensituation des Unterbringungsortes hervorgerufen worden sei. Die Gefahr, der der Kläger erlegen sei, sei von dem nicht gegen Wegrutschen gesicherten Bettvorleger und dem frisch gebohnerten Fußboden ausgegangen. Hiermit habe der Kläger nicht rechnen müssen, denn es habe sich dabei nicht um eine offenkundige Gefahr gehandelt. Das LSG habe bei der Urteilsfindung die Schilderung des Klägers über den Unfallhergang, die er dem Gutachter Dr. R im April 1964 (vgl. S. 2 seines Gutachtens vom 6. Juni 1964) gegenüber gemacht habe, nicht beachtet. Dort habe der Kläger angegeben, er sei mit dem Bettvorleger auf dem frisch gebohnerten Fußboden weggerutscht. Die Feststellung im angefochtenen Urteil, der Kläger habe selbst nicht vorgetragen, daß der Fußboden etwa ganz besonders glatt gewesen sei, sei daher unzutreffend und verstoße gegen § 128 SGG. Unabhängig von den Angaben des Klägers hätte sich das LSG auch gedrängt fühlen müssen, im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht über die Beschaffenheit des Fußbodens und des Bettvorlegers am Unfallort Beweis zu erheben. Im übrigen sei die Nachricht der Beklagten vom 9. Januar 1962 kein rechtsgültiger Verwaltungsakt. Sie sei nicht an den Kläger gerichtet, sondern an dessen Dienststelle und offensichtlich für den internen Dienstgebrauch bestimmt gewesen. Außerdem enthalte die Mitteilung die Anweisung, deren Inhalt dem Versicherten gegen Unterschrift bekanntzugeben und, falls er sich weigere zu unterschreiben, die Gründe hierfür der Beklagten mitzuteilen. Damit sei der Kläger nicht der Adressat der Nachricht über die Anspruchsablehnung, weshalb das Schreiben vom 9. Januar 1962 nicht in einen Verwaltungsakt umgedeutet werden könne. Außerdem genüge die Nachricht vom 9. Januar 1962 nicht den Erfordernissen der §§ 1583, 1590 RVO. Da kein bindend gewordener Bescheid vorliege, erübrige sich der Erlaß eines Zugunstenbescheides. Wolle man dem nicht folgen, so sei der Rechtsweg der Klage gegeben, weil durch den Bescheid vom 9. Juni 1970, der direkt an den Kläger gerichtet gewesen sei, sachlich über das Ereignis vom 28. Oktober 1961 entschieden worden sei.
Der Kläger beantragt,
die angefochtene Entscheidung, das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 23. Februar 1971 sowie die Bescheide der Beklagten vom 9. Juni 1970 und 23. November 1972 sowie die Widerspruchsbescheide vom 14. September 1972 und 21. Februar 1973 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Abänderung der früheren Bescheide das Anfallsleiden des Klägers als Folge der Arbeitsunfälle vom 18. Februar 1960 und 28. Oktober 1961 anzuerkennen und ihm deswegen Unfallentschädigung zu gewähren,
hilfsweise,
die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zu verwerfen,
hilfsweise sie zurückzuweisen.
Die Entscheidungen des SG und des LSG seien im Ergebnis richtig. Das LSG habe zu Unrecht die Rechtsfrage der Verbindlichkeit des Bescheides vom 9. Januar 1962 offengelassen. Die positive Feststellung der Bestandskraft dieses Verwaltungsaktes hätte die Prüfung der Frage, ob ein Unfall beim Ankleiden in einer Gemeinschaftsunterkunft als Arbeitsunfall angesehen werden kann, überflüssig gemacht; damit wäre der Grund der Zulassung der Revision entfallen. Die Zulassung der Revision ohne Entscheidung der der Sachfrage vorgreiflichen Frage, ob eine bindende Entscheidung vorliegt, sei offensichtlich fehlerhaft. Eine offenbar gesetzwidrige Zulassung der Revision sei rechtsunwirksam, weshalb diese zu verwerfen sei. Hilfsweise werde noch vorgetragen, daß das SG in der Nachricht vom 9. Januar 1962 zu Recht einen ablehnenden Bescheid gesehen habe, auf den sich die Beklagte immer wieder bezogen habe. Es handelte sich dabei keineswegs nur um einen behördeninternen Vorgang. Die unterbliebene Rechtsbehelfsbelehrung könne nach fast 7 Jahren den Rechtsweg nicht erneute eröffnen. Nach so langer Zeit sei die Klärung der vom Kläger neu vorgebrachten Fakten nicht mehr mit der erforderlichen Sicherheit möglich. Die Berufung auf die fehlende Rechtsmittelbelehrung des Bescheides von 1962 sei insoweit rechtsmißbräuchlich. Der Rechtsweg sei durch sie auch nicht durch den Bescheid vom 9. Juni 1970 bezüglich des Unfalles von 1961 neu eröffnet worden. Es habe nur über den Verschlimmerungsantrag wegen der Folgen des Unfalls vom 18. Februar 1960 formgerecht entschieden werden müssen. Daß der Kläger dabei auch den Unfall von 1961 einbezogen habe und sie diesen habe erwähnen müssen, ergebe noch keinen neuen Bescheid über diesen späteren Unfall. Im Gegensatz zu der vom Kläger zitierten Rechtsprechung zu Dienstreisen und Klassenfahrten handele es sich bei dem Aufenthalt des Klägers nicht um eine Dienstreise oder eine Schulung in seinem seitherigen Beruf, vielmehr habe eine freiwillige Fortbildung vorgelegen. Die Unterbringung habe nur deshalb im Ledigenheim stattgefunden, da der Kläger keine andere private Unterkunft am Ausbildungsort gefunden habe. Soweit der Kläger die äußeren Umstände seiner Unterkunft für den Unfall verantwortlich mache, lägen zivilrechtlich gesehen Ansprüche aus Mietvertrag oder aus Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vor; insoweit greife nicht die gesetzliche Unfallversicherung ein. Besondere Gefahren der gemeinschaftlichen Wohnverhältnisse seien in den seit Tagen bekannten Fußbodenverhältnissen nicht zu sehen. Der Fußboden sei weder besonders glatt noch der Bettvorleger besonders rutschgefährdet gewesen. Im übrigen dürften die zum Unfall führenden Beweisstücke nach mehr als 10 Jahren kaum mehr rekonstruierbar sein; das LSG treffe bezüglich der Sachaufklärung keine Pflichtverletzung.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Auch bestehen gegen die Zulassung der Revision durch das LSG, an die das Revisionsgericht nach dem hier anwendbaren, bis 31. Dezember 1974 geltenden Recht grundsätzlich gebunden ist (vgl. SozR Nr. 109 zu § 162 SGG und Nr. 19 zu § 150 SGG), nicht die von der Beklagten vorgetragenen rechtlichen Bedenken. Denn das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Frage, ob die beim Kläger bestehenden Gesundheitsstörungen durch die Unfälle vom 18. Februar 1960 und/oder 28. Oktober 1961 wesentlich mit verursacht worden sind, einer sachlichen Überprüfung zugänglich war und insoweit nicht etwa eine Bindungs- (Bestands-) Wirkung der Nachricht vom 9. Januar 1962 entgegenstand. Seine dahingehenden Ausführungen auf S. 11 des Urteils sind sinngemäß dahin zu verstehen, daß selbst bei Vorliegen einer Bindung im Sinne des § 77 SGG jedenfalls die Frage einer Zugunstenregelung nach § 627 RVO zu prüfen war, nachdem die Beklagte nicht nur im förmlichen Bescheid vom 9. Juni 1970 eine erneute sachliche Prüfung vorgenommen, sondern außerdem mit Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 1973 die Erteilung eines Zugunstenbescheides abgelehnt hat.
Die sonach zulässige Revision ist auch im Sinne einer Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet.
Mit Recht trägt die Revision zunächst vor, daß das Schriftstück vom 9. Januar 1962 keinen Verwaltungsakt darstelle, durch den Ansprüche des Klägers auf Leistungen für den Unfall vom 28. Oktober 1961 mit bindender Wirkung abgelehnt worden seien.
Dieses an den Bahnhof F gerichtete, über das Bundesbahn-Betriebsamt F geleitete Schriftstück stellt keine Maßnahme dar, die die Beklagte in Ausübung hoheitlicher Gewalt zur abschließenden Regelung eines Einzelfalls mit unmittelbarer Rechtswirkung für den Kläger getroffen hat. Dabei kann zunächst dahinstehen, welche Bedeutung dem Umstand beizumessen ist, daß, wie die Revision unter Hinweis auf die §§ 1583, 1590 RVO beanstandet, am 9. Januar 1962 keine förmliche Feststellung stattfand, an der gemäß § 1569 b Satz 1 RVO mindestens ein Vertreter der Versicherten beteiligt worden ist (vgl. § 1570 Satz 2 iVm § 1569 b Satz 1 RVO; ferner Urteil des erkennenden Senats vom 13. Februar 1975 - 8 RU 86/74 -). Denn unabhängig hiervon kann das Schriftstück vom 9. Januar 1962 schon seiner Form und der dadurch bedingten Umstände wegen nicht als ein der Bindung fähiger Verwaltungsakt im obigen Sinne angesehen werden. Die an die Dienststelle des Klägers (Bahnhof Flensburg) gerichtete Nachricht schreibt vor:
"Dem Versicherten ist dies gegen Unterschrift hierunter bekanntzugeben. Weigert er sich zu unterschreiben, so sind uns die Gründe hierfür mitzuteilen. Der Durchschlag ist auszuhändigen. Dieses Schreiben ist - zusammen mit dem beigefügten Unfallvorgang - zu den Personalpapieren des Versicherten zu nehmen."
Diese im Befehlston gegebenen Weisungen, die den Anschein erwecken können, als handele es sich um eine Nachricht innerbetrieblichen Charakters, können im Zusammenhang mit dem gänzlichen Fehlen irgend eines Hinweises auf das gesetzlich normierte (§§ 53, 54, 66 SGG) und verfassungsrechtlich abgesicherte (Art. 19 Abs. 4 GG) Recht des Gewaltunterworfenen, gegen einen ihn beschwerenden Verwaltungsakt den Rechtsweg zu beschreiten, beim Versicherten den Eindruck entstehen lassen, es habe nicht ein unabhängiger Versicherungsträger, sondern der Arbeitgeber den Anspruch abgelehnt. Dadurch kann beim Versicherten die Vorstellung erweckt werden, daß er im Falle einer "Weigerung" der Unterschrift im obigen Sinne Unannehmlichkeiten von Seiten seiner Vorgesetzten befürchten, ja u.U. bei gegebener Gelegenheit eine Entlassung aus dem Arbeitsverhältnis in Rechnung stellen müsse. Bei einer unter solchen Umständen mitgeteilten "Nachricht" kann dem Versicherten daher nicht entgegengehalten werden, er hätte sich innerhalb der allgemein geltenden Rechtsbehelfsfristen gegen diese Mitteilung wenden müssen, um den Eintritt einer endgültigen Bindungswirkung der Nachricht (vgl. § 77 SGG) zu verhindern.
Zwar kann auch eine formlose Mitteilung, die keine Rechtsbehelfsbelehrung enthält, einen Verwaltungsakt darstellen, der innerhalb eines Jahres nach der Zustellung (§ 66 Abs. 2 SGG) in Bindung erwächst (vgl. BSG 3, 251, 254; BSG in Breithaupt 1961, 118, 120; BSG 24, 162, 165). Dies kann aber dann nicht gelten, wenn eine solche Mitteilung gar nicht an den Versicherten, d.h. an den durch den Verwaltungsakt Beschwerten gerichtet ist und dieser deshalb möglicherweise annimmt, wenn der Adressat des Schreibens keine Einwendungen erhebe, müsse auch er sich mit der Ablehnung abfinden. Dieser Konsequenzen ist sich anscheinend auch die Beklagte - im Verwaltungsverfahren - bewußt gewesen. Denn sie hat sich nicht nur erneut mit dem Unfallereignis vom 28. Oktober 1961 in ihrer späteren Mitteilung vom 26. September 1968, die nun an den Kläger selbst gerichtet und von diesem rechtzeitig - innerhalb der Jahresfrist - angefochten worden ist, befaßt (Unfall-Akten Bl. 44/45), sondern im Anschluß hieran auch den förmlichen Bescheid vom 9. Juni 1970 erlassen, der nunmehr unter Mitwirkung des Versicherten-Vertreters (vgl. §§ 1583; 1569 b RVO und Bl. 73 Rücks. der Unfall-Akten) zustandegekommen ist. In diesem Bescheid, der unmittelbar Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, hat die Beklagte - gegenüber den früheren Mitteilungen vom 9. Januar 1962 und 26. September 1968 - erstmals eingeräumt, daß der Sturz vom 28. Oktober 1961 die Epilepsie des Klägers wesentlich beeinflußt habe, eine Entschädigung aber nach wie vor abgelehnt, weil es sich um einen häuslichen Privatunfall gehandelt habe. Die nunmehrige Ablehnung erfolgte - ohne irgend einen Hinweis auf § 627 RVO - in selbständiger Form, womit den oben dargelegten Bedenken gegen die Annahme einer durch die Nachricht vom 9. Januar 1962 eingetretenen Bindung - jedenfalls im Ergebnis - Rechnung getragen worden ist. Da der Bescheid vom 9. Juni 1970 nach alledem ohne Einschränkung gerichtlich nachprüfbar war, brauchte auf die späteren Zugunstenbescheide der Beklagten nicht mehr eingegangen zu werden.
In der Sache hat die Revision zutreffend einen Verstoß des LSG gegen § 128 SGG gerügt, der darin liegt, daß das LSG im Urteil feststellte, der Kläger habe "selbst nicht vorgetragen, daß der Fußboden etwa ganz besonders glatt gewesen sei" (Urteil S. 14). Dies steht einerseits in einem gewissen Widerspruch zu der eigenen Feststellung des LSG auf S. 4 des Urteils, wo es heißt: "Nach seiner Darstellung hatte er beim Ankleiden auf einem Bettvorleger gestanden, der bei einer Bewegung auf dem glatten Fußboden unter dem Kläger weggerutscht sei". Andererseits ist im Gutachten des Dr. R vom 6. Juni 1964, wie die Revision - wenn auch mit anderen Worten - zutreffend betont, als Angabe des Klägers festgehalten: "der Bettvorleger, auf den er getreten sei, sei auf dem frisch gebohnerten Boden weggeglitten" (Unfall-Akten Bl. 30). Da ein frisch gebohnerter Fußboden durchaus "ganz besonders glatt" sein kann, ist die angegriffene Feststellung des LSG unter Verstoß gegen den Akteninhalt und damit gegen § 128 SGG zustande gekommen.
Auf diesem Verfahrensverstoß kann auch die angefochtene Entscheidung beruhen. Denn nach dem zutreffenden sachlich-rechtlichen Standpunkt des LSG, der bei der zugelassenen Revision nachprüfbar ist, kam es darauf an, ob das Aufstehen und Ankleiden des Klägers, das grundsätzlich auch dann dem unversicherten eigenwirtschaftlichen Bereich zuzuordnen ist, wenn das Ankleiden auch eine Vorbereitung für den betriebsbezogenen Unterricht darstellte - insoweit ist der Revision nicht zuzustimmen, da das Ankleiden in den hier beachtlichen Fällen stets auch der alsbald sich anschließenden Betriebstätigkeit zu dienen pflegt - ausnahmsweise deshalb unter Unfallversicherungsschutz stand, weil der Unterbringungsort einen besonderen Gefahrenbereich bildete, dem der Versicherte erlegen ist. So hat der 2. Senat des Bundessozialgerichts in BSG 8, 48, 50 in dem Umstand, daß das dem Dienstreisenden von seinem Arbeitgeber zugewiesene Quartier besondere Gefahrenmomente herbeigeführt hatte, zutreffend einen betrieblichen Zusammenhang mit dem Hotelaufenthalt erblickt, weil Ausnahmefälle, in denen der Reisende allgemein wirkenden typischen Gefahren am Ort seines Reiseaufenthalts ausgesetzt seien, eine Durchbrechung des sonst geltenden Grundsatzes rechtfertigten, daß der Aufenthalt in einer fremden Umgebung allein noch keinen Unfallversicherungsschutz begründen könne. Ein Arbeitsunfall kann hiernach auch dann vorliegen, wenn Teilnehmer an einer lehrplanmäßigen Klassenreise einer Berufsschule, die in Hotelzimmern untergebracht sind, durch besondere gefährdende Umstände, die dem Nachtquartier eigentümlich sind, einen Unfall erleiden (BSG in SozR Nr. 3 zu § 548 RVO; vgl. ferner BSG in SozR Nr. 57 zu § 542 RVO aF und Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Aufl., Stand Dezember 1974 Anm. 31 zu § 548 RVO, wonach der Unfall eines Arbeiters beim Ausgleiten auf dem Fußboden im Eßraum eines Hotels nach Einnahme einer Mahlzeit ein Arbeitsunfall sein kann). Allerdings muß der Fußboden tatsächlich auf die Entstehung oder die Schwere des Unfalls eingewirkt haben (vgl. Lauterbach aaO), auch muß die dem persönlichen Bereich zuzurechnende Verrichtung unter Umständen erfolgt sein, denen sich der Reisende oder Lehrgangsteilnehmer unter den gegebenen örtlichen Verhältnissen nicht entziehen kann (vgl. dazu das bereits zitierte Urteil des erkennenden Senats vom 13. Februar 1975). Letzteres ist hier grundsätzlich zu bejahen, da der Kläger vom Arbeitgeber nach den Feststellungen des LSG in das Ledigenheim der Bundesbahn eingewiesen worden ist und sich den im dortigen Schlafraum bestehenden Verhältnissen nicht entziehen konnte. Dabei ist es unerheblich, ob der Kläger - wie das LSG feststellte - "auf Anordnung der Bundesbahnverwaltung" an dem Lehrgang in der Bundesbahnschule teilnahm, oder ob es sich - wie die Beklagte im Revisionsverfahren behauptet - um eine "freiwillige Fortbildung" gehandelt hat. Denn jedenfalls folgte der Kläger - freiwillig oder unfreiwillig - einer Maßnahme seines Arbeitgebers, der an seiner Schulung zum "Schnellzugbegleiter" ein betriebliches Interesse hatte.
Da es sonach - entgegen der Auffassung der Beklagten - auf die Klärung der Frage, ob der Sturz des Klägers durch den frisch gebohnerten Fußboden im Schlafraum des Ledigenheims der Bundesbahn wesentlich mitverursacht wurde, ankam und die dazu vom LSG getroffene Feststellung verfahrensfehlerhaft zustande gekommen ist, war das LSG-Urteil aufzuheben und die Sache zur weiteren Sachaufklärung in dieser Hinsicht an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dabei wird das LSG auch abwägen können, ob und inwieweit der Kläger - wie es auf S. 15 seines Urteils ausführte - sich auf den glatten Fußboden des Schlafraums, den er bereits mehrere Tage bewohnt haben soll (dabei wird es auch darauf ankommen, wann der Fußboden frisch gebohnert worden ist), hat einstellen können oder ob eine natürliche Schlaftrunkenheit ein solches "Einstellen" unter den gegebenen Umständen verhinderte.
Nach alledem war, wie geschehen, zu erkennen.
Die Kostenentscheidung bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Fundstellen