Entscheidungsstichwort (Thema)
Erwerbsunfähigkeitsrente. besondere versicherungsrechtliche Voraussetzungen. Drei-Fünftel-Belegung. Arbeitsunfähigkeit. Aufschubtatbestand. Anrechnungszeit
Leitsatz (amtlich)
Die Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung eines Aufschubtatbestandes wegen einer rentenversicherungsrechtlichen Anrechnungszeit richtet sich entsprechend den Anforderungen dieses Begriffs in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht unbegrenzt nach der letzten Beschäftigung. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses und fortdauernder Erkrankung entfällt ein derartiger (krankenversicherungsrechtlicher) "Berufsschutz" jedenfalls nach Ablauf von drei Jahren (§ 48 Abs 1, 2 SGB 5).
Normenkette
SGB VI § 44 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Fassung: 1999-03-24, Abs. 2 Fassung: 1999-03-24, Abs. 4 Fassung: 1999-03-24, § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Fassung: 1999-03-24, Abs. 3 Nr. 1 Fassung: 1999-03-24, § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1; SGB V § 44 Abs. 1, § 48 Abs. 1-2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beklagte wendet sich gegen ihre Verurteilung, dem Kläger für die Zeit ab 1. Januar 1997 bis 31. Dezember 2002 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) zu zahlen.
Der 1949 geborene Kläger hat nach seinen Angaben den Beruf eines Industriekaufmanns erlernt (Prüfung 1969), war jedoch in der Folgezeit nicht in diesem Beruf beschäftigt. Nach verschiedenen Berufstätigkeiten ab 1969 bis 1980 (Kellner, Verkaufsfahrer, Versicherungsvertreter, Verkäufer) war er ab November 1984 - mit Unterbrechungen - bis September 1988 als Folienschweißer beitragspflichtig beschäftigt. Seit 7. September 1988 war er arbeitsunfähig erkrankt und bezog bis 24. März 1990 durchgehend Krankengeld (Krg).
Den im Februar 1990 gestellten Antrag des Klägers auf Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) bzw EU lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 30. März 1990 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 1991 ab. Dabei nahm sie bei dem Kläger entsprechend dem Ergebnis eines sozialmedizinischen Gutachtens vom 19. März 1990 wegen eines chronischen Wirbelsäulensyndroms nach Bandscheibenprolaps (1986) und anstehender Bandscheibenoperation einen Zustand vorübergehender EU vom 7. September 1988 bis 31. März 1991 an, verneinte jedoch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen; im maßgeblichen Zeitraum vom 1. April 1982 bis 31. August 1988 seien statt der erforderlichen 36 Monate lediglich 32 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt und die Zeit vom 1. Januar 1984 bis 31. Dezember 1987 (Ende des Kalenderjahres vor Eintritt des Versicherungsfalls) sei auch nicht gemäß Art 2 § 6 Abs 2 Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz durchgehend mit Beiträgen oder anwartschaftserhaltenden Zeiten belegt, unbelegt seien die Monate Januar bis Juni 1984. Der nachfolgende Rechtsstreit endete am 8. Juni 1994 mit einem Vergleich, in dem sich die Beklagte bereit erklärte, ausgehend von dem Rentenantrag vom Februar 1990 zu überprüfen, ob ab 1. Januar 1992 (nach Inkrafttreten des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch ≪SGB VI≫) ein Anspruch auf Rente bestehe.
Mit Bescheid vom 6. April 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juli 1995 lehnte die Beklagte den Antrag erneut ab, da bei dem Kläger über den 31. März 1991 hinaus keine verminderte Erwerbsfähigkeit vorgelegen habe; es bestehe kein Berufsschutz, und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne der Kläger zumindest leichte Arbeiten noch vollschichtig verrichten; vor Eintritt des Versicherungsfalls der vorübergehenden EU am 7. September 1988 habe der Kläger - wie im Erstbescheid bereits ausgeführt - nicht die erforderliche Belegungsdichte erreicht. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 22. Mai 1997 abgewiesen. Gestützt auf die von ihm eingeholten Gutachten des Orthopäden Dr. R. und der Nervenärztin Dr. O. ist es davon ausgegangen, dass sich beim Kläger eine fixierte Schmerzschonhaltung und ein depressives Versagenssyndrom entwickelt hätten und er vor allem wegen dieser Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Fachgebiet nur noch ca vier Stunden täglich erwerbstätig sein könne. Dieser Zustand lasse sich allerdings erst seit der Untersuchung durch Dr. O. am 14. Juni 1996 annehmen. Daneben könne eine über den 31. März 1991 hinaus fortdauernde EU wegen der orthopädischen Gesundheitsstörungen nicht bejaht werden. Für einen am 14. Juni 1996 eingetretenen Versicherungsfall erfülle der Kläger aber nicht die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen. In den maßgebenden Zeitraum vom 14. Juni 1991 bis 13. Juni 1996 fielen nach dem Versicherungsverlauf keine Pflichtbeiträge. Die Voraussetzungen des § 241 Abs 2 SGB VI seien ebenfalls nicht erfüllt; der Versicherungsverlauf des Klägers weise erhebliche Beitragslücken, insbesondere für die Zeit von Januar 1981 bis Juni 1984 auf, die nicht mehr geschlossen werden könnten. Das Landessozialgericht (LSG) hat nach weiterer Sachverhaltsaufklärung mit Urteil vom 28. November 2001 die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Beklagte - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - verurteilt, dem Kläger unter Abänderung der angefochtenen Bescheide Rente wegen EU ab 1. Januar 1997 bis 31. Dezember 2002 zu gewähren. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Nicht zu beanstanden sei das SG-Urteil, soweit es die streitigen Leistungen auf Rente wegen EU bzw BU für die Zeit bis 31. Dezember 1996 betreffe. Durch den angefochtenen, in Ausführung des Prozessvergleichs erteilten Zweitbescheid habe die Beklagte erneut über den Rentenantrag des Klägers vom Februar 1990 entschieden und dadurch eine weitere gerichtliche Überprüfung ohne Bindung an die Voraussetzungen des § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch eröffnet. Bei dem Kläger sei - übereinstimmend mit den Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils - der Versicherungsfall der EU iS des § 44 Abs 2 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung am 14. Juni 1996 eingetreten. Seit diesem Zeitpunkt könne der Kläger selbst leichte Arbeiten nur noch im Umfang von ca vier Stunden täglich verrichten. Ausgehend von dem am 14. Juni 1996 eingetretenen Leistungsfall der EU (auf Zeit) erfülle der Kläger auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung der Rente. Denn er habe zwar in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der EU (14. Juni 1991 bis 13. Juni 1996) nicht für wenigstens drei Jahre Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt (unstreitig sei für ihn in dieser Zeit kein einziger Pflichtbeitrag nachgewiesen); der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit verlängere sich jedoch um Anrechnungszeiten wegen Arbeitsunfähigkeit (AU) nach § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI. Nach Überzeugung des Senats habe die AU des Klägers nach Wegfall des Krg-Bezugs am 24. März 1990 nicht geendet, sondern durchgehend von September 1988 bis zum Eintritt der EU am 14. Juni 1996 angedauert, da die bis zum Eintritt der AU ausgeübte Tätigkeit als Folienschweißer, die nach den glaubhaften Angaben des Klägers mit schwerem Heben und Tragen in nicht unerheblichem Umfang verbunden gewesen sei, auf Dauer aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr habe verrichtet werden können. Die als Anrechnungszeit zu berücksichtigende Zeit der AU führe zu einer Verlängerung des Bemessungszeitraums um eine so genannte Aufschubzeit, die von Beginn der AU am 7. September 1988 bis zum Eintritt des Leistungsfalles am 14. Juni 1996 insgesamt sieben Jahre und neun Monate umfasse, mithin den Beginn des maßgeblichen Bemessungszeitraums auf den 1. September 1983 vorverlege. Darin seien für den Kläger 39 mit Pflichtbeiträgen belegte Monate enthalten; somit seien die versicherungsrechtlichen Erfordernisse erfüllt. Da bei einem Leistungsvermögen von ca vier Stunden täglich für einfache Arbeiten der Anspruch auf EU-Rente auch von der jeweiligen Arbeitsmarktlage abhängig sei, könne die Rente nur auf Zeit geleistet werden (§ 102 Abs 2 SGB VI); der Senat habe die Befristung bei rückschauend unveränderter Arbeitsmarktlage über drei Jahre hinaus auf insgesamt sechs Jahre verlängert, eine weitere Verlängerung durch die Beklagte, abhängig von der Arbeitsmarktlage und einem entsprechenden Antrag des Klägers, sei nicht ausgeschlossen.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision wendet sich die Beklagte gegen die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der AU durch das LSG. Die Feststellung, der Kläger könne der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Folienschweißer im streitigen Zeitraum nicht mehr nachgehen, genüge für die Annahme einer fortdauernden AU nicht. Vielmehr müsse geprüft werden, ob für den Kläger eine ähnliche oder gleich geartete Tätigkeit in Betracht komme, die das Vorliegen von AU ausschließe. Nach der zur AU als Voraussetzung einer Ausfallzeit nach § 1259 Reichsversicherungsordnung (RVO) entwickelten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei der Begriff der AU in der Rentenversicherung nicht anders zu verstehen als in der Krankenversicherung; demgemäß sei zwar Ausgangspunkt für die Beurteilung der AU die vor Eintritt der AU zuletzt ausgeübte Tätigkeit. Bei gelöstem Arbeitsverhältnis werde jedoch auf ein erweitertes berufliches Bezugsfeld der ähnlichen oder gleichgearteten Tätigkeiten abgestellt. Außerdem sei zum einen der Funktionszusammenhang zwischen dem Tatbestand der AU und der für ihren Nachweis erforderlichen Bescheinigung zu berücksichtigen, den die Rechtsprechung des BSG seit dem Beschluss des Großen Senats vom 16. Dezember 1981 (BSGE 53, 22 = SozR 2200 § 1259 Nr 59) zur seinerzeitigen Fassung des § 1259 Abs 1 Satz 1 Nr 1 RVO für die Ablehnung eines eigenständigen AU-Begriffs in der Rentenversicherung gefordert habe. Zum anderen sei im Hinblick auf die geänderte Gesetzesfassung (§ 58 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI) auch die Entwicklung der neueren Rechtsprechung des BSG zum Begriff der AU bei gelöstem Arbeitsverhältnis zu bedenken. Auch wenn die Bereitschaft, eine dem verbliebenen Leistungsvermögen entsprechende Arbeit anzunehmen, den für den Krg-Anspruch maßgebenden Bezug zur früheren Beschäftigung nicht beseitige, so sei Endtermin für die Beurteilung der AU anhand der bisherigen Tätigkeit doch die Ausschöpfung der Bezugsdauer des Krg nach § 48 Abs 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). In einer neuen Blockfrist iS des § 48 Abs 2 SGB V komme der Rückgriff auf die bisherige berufliche Tätigkeit nur noch in Frage, sofern die AU in der Zwischenzeit für mindestens sechs Monate entfallen sei und der Versicherte erwerbstätig gewesen sei oder der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden habe. Für letztere Begrenzung spreche auch das Urteil des BSG vom 14. Februar 2001 (B 1 KR 30/00 R), wonach ein Anspruch auf Krg nur wieder aufleben könne, wenn mindestens für sechs Monate keine AU im bisherigen Beruf bestanden habe (§ 48 Abs 2 SGB V). Für den Fall, dass der Versicherte auf Grund durchgehender AU im erlernten und bei Beginn der Erkrankung ausgeübten Beruf für 78 Wochen Krg bezogen und damit seinen Anspruch erschöpft habe, könne sich danach die für einen neuen Krg-Anspruch erforderliche AU nicht mehr an der früheren Tätigkeit orientieren.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 28. November 2001 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 22. Mai 1997 in vollem Umfang zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Beklagte ergänzend mitgeteilt, nach den ihr vorliegenden Informationen, insbesondere auch von Seiten des Arbeitgebers, sei das Arbeitsverhältnis des Klägers arbeitsrechtlich erst am 31. Juli 1990 beendet worden. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat erklärt, nach ihren Unterlagen könne das Arbeitsverhältnis des Klägers bereits am 21. August 1988 oder auch am 30. November 1989 beendet gewesen sein.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet.
Streitgegenstand im Revisionsverfahren ist lediglich ein Rentenanspruch des Klägers für die Zeit vom 1. Januar 1997 bis 31. Dezember 2002 auf Grund einer ab 14. Juni 1996 gegebenen EU; denn der Kläger wendet sich mit einem eigenen Rechtsmittel nicht mehr gegen die teilweise Zurückweisung seines weitergehenden Klagebegehrens im Berufungsverfahren. Der Senat konnte in der Sache abschließend entscheiden, da auf Grund der Erklärungen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung feststeht, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers jedenfalls nach dem 31. Juli 1990 nicht mehr bestanden hat.
Die Voraussetzungen für den streitigen Rentenanspruch sind nicht erfüllt. Das LSG hätte daher die Berufung des Klägers gegen das klagabweisende Urteil des SG in vollem Umfang zurückweisen müssen.
1. Zutreffend hat das LSG den Anspruch des Klägers nach den Vorschriften des SGB VI beurteilt, denn sein im Februar 1990 gestellter Rentenantrag bezieht sich - entsprechend dem gerichtlichen Vergleich vom 8. Juni 1994 - ausschließlich auf Leistungen nach dem 31. Dezember 1991 (vgl § 300 Abs 1 und 2 SGB VI).
Nach § 44 Abs 1 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (aF) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen EU, wenn sie 1. erwerbsunfähig sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der EU drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der EU die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, wobei § 38 Abs 2 SGB VI aF anzuwenden ist. Die zu 2. genannten Pflichtbeiträge vor Eintritt der EU sind nach § 241 Abs 2 Satz 1 SGB VI aF bei Versicherten, die vor dem 1. Januar 1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, nicht erforderlich, wenn jeder Kalendermonat vom 1. Januar 1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der EU mit Anwartschaftserhaltungszeiten (§ 240 Abs 2 Satz 1 SGB VI aF) belegt ist oder wenn die EU vor dem 1. Januar 1984 eingetreten ist; für Kalendermonate, für die eine Beitragszahlung noch zulässig ist, ist eine Belegung mit Anwartschaftserhaltungszeiten nicht erforderlich (§ 241 Abs 2 Satz 2 SGB VI aF).
2. Nach den tatsächlichen, von der Beklagten im Revisionsverfahren nicht angegriffenen und somit gemäß § 163 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bindenden Feststellungen des LSG war der Kläger seit 14. Juni 1996 erwerbsunfähig iS des § 44 Abs 2 SGB VI aF und hat - was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist - die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren gemäß § 50 Abs 1 Nr 2 SGB VI iVm § 51 Abs 1 SGB VI erfüllt. Ferner weist der Versicherungsverlauf des Klägers in der Zeit ab 1. Januar 1984 bereits für das Jahr 1984 Beitragslücken auf, die sich - wie bereits vom SG festgestellt und vom Kläger auch nicht bestritten ist - nicht mehr schließen lassen. Der streitige Rentenanspruch des Klägers hängt daher davon ab, ob die erforderliche Drei-Fünftel-Belegung (§ 44 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB VI aF) erfüllt ist. Dies ist jedoch entgegen der Auffassung des LSG nicht der Fall.
Der Kläger hat in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der EU - also im Zeitraum vom 14. Juni 1991 bis 13. Juni 1996 - nicht für wenigstens drei Jahre (= 36 Kalendermonate) Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt; für diesen Zeitraum sind für den Kläger keinerlei Beiträge nachgewiesen. Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit verlängert sich allerdings gemäß § 43 Abs 3 Nr 1 SGB VI aF, auf den die Bestimmung des § 44 Abs 4 SGB VI aF ausdrücklich verweist, um Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind (vgl zu den Berechnungsmodalitäten ua Niesel in Kasseler Komm, § 43 SGB VI RdNr 13, 130, Stand Juni 1998). Vorliegend kommen - wie vom LSG zutreffend ausgeführt - lediglich Anrechnungszeiten nach § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI in Betracht. Danach sind Anrechnungszeiten ua Zeiten, in denen Versicherte wegen Krankheit arbeitsunfähig gewesen sind. § 58 Abs 2 Satz 1 SGB VI bestimmt außerdem, dass Anrechnungszeiten nach Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI nur vorliegen, wenn dadurch eine versicherte Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit oder ein versicherter Wehrdienst oder Zivildienst unterbrochen ist.
Eine derartige Unterbrechung war beim Kläger zwar mit Eintritt der AU ab 7. September 1988 gegeben. Denn er war hierdurch noch nicht endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden; sein bisheriges Beschäftigungsverhältnis war zu diesem Zeitpunkt - auch nach dem Vortrag der Beklagten - noch nicht beendet (vgl BSG Urteile vom 13. Mai 1966 - 4 RJ 115/65 - BSGE 25, 16, 18 = SozR Nr 17 zu § 1259 RVO und vom 28. Februar 1978 - 4 RJ 65/76 - BSGE 46, 48 = SozR 2200 § 1259 Nr 27 mwN; Senatsurteil vom 19. November 1997 - 5 RJ 24/96 - SozR 3-2600 § 46 Nr 1 S 5). Zu Unrecht ist das LSG aber davon ausgegangen, dass die AU bis zum Eintritt der EU am 14. Juni 1996 angedauert und deshalb der gesamte Zeitraum vom 7. September 1988 bis 14. Juni 1996 als Aufschubtatbestand iS des § 43 Abs 3 Nr 1 SGB VI aF zu werten ist. Ein Aufschubtatbestand ergibt sich vielmehr beim Kläger allenfalls für die Zeit ab 25. März 1990 (Ende des Krg-Bezugs am 24. März 1990) bis 6. September 1991 (drei Jahre nach Beginn der krankheitsbedingten Unterbrechung der Beschäftigung); der um diese Zeit verlängerte Fünfjahreszeitraum umfasst indes keine 36 Kalendermonate Pflichtbeitragszeiten (Näheres dazu nachfolgend unter d).
Die vor dem 25. März 1990 liegende Zeit der AU, in der der Kläger Krg bezogen hat, verlängert den Zeitraum von fünf Jahren für die Drei-Fünftel-Belegung nicht (vgl Senatsurteil vom 13. Dezember 2000 - B 5 RJ 18/99 R - SozR 3-2600 § 252 Nr 3; ebenso DRV 2002, 81, 108); Zeiten des Krg-Bezugs werden allerdings für die Drei-Fünftel-Belegung angerechnet (§ 44 Abs 1 Satz 2 iVm § 38 Satz 2 SGB VI aF ≪jetzt § 55 Abs 2 SGB VI≫). Die Zeit ab dem 7. September 1991 (Ende des Dreijahreszeitraums ab Beginn der AU) bis zum Eintritt der EU am 14. Juni 1996 ist kein Aufschubtatbestand mehr, weil der Kläger in dieser Zeit nach den Feststellungen des LSG erwerbs- und damit arbeitsfähig für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts war, wie sie einem vergleichbaren arbeitslosen Versicherten zuzumuten sind. Dass er - wie in der Revisionserwiderung geltend gemacht - die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Folienschweißer krankheitsbedingt nicht mehr ausüben konnte, steht dem nicht entgegen. Denn in Übereinstimmung mit den Anforderungen dieses Begriffs in der gesetzlichen Krankenversicherung (KV) bestimmt sich die AU im Rentenrecht nach Wegfall des Beschäftigungsverhältnisses (hier spätestens 31. Juli 1990) nicht unbegrenzt nach der letzten Beschäftigung. Vielmehr entfällt bei fortdauernder Erkrankung spätestens nach einem Zeitraum von drei Jahren - gerechnet vom Tag des Beginns der AU (vgl § 48 Abs 1 und 2 SGB V) - ein "nachgehender Berufsschutz" für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
a) Wie durch die Rechtsprechung des BSG bereits geklärt ist, ist für die Definition der krankheitsbedingten AU iS des § 58 Abs 1 Nr 1 SGB VI auf die im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung erfolgte Begriffsbestimmung zurückzugreifen. Letzteres hat der Große Senat des BSG mit Beschluss vom 16. Dezember 1981 (GS 3/78 und GS 4/78 - BSGE 53, 22 = SozR 2200 § 1259 Nr 59) zur früheren Regelung einer Ausfallzeit iS des § 1259 Abs 1 Satz 1 Nr 1 RVO entschieden und ist in weiteren Entscheidungen des erkennenden Senats vom 14. Oktober 1992 (5 RJ 46/91 - SozR 3-2600 § 252 Nr 2 S 9) und vom 13. Dezember 2000 (B 5 RJ 18/99 R - SozR 3-2600 § 252 Nr 3 S 15) für die Anrechnungszeit iS des § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI bestätigt worden. Für den Begriff der AU ist hier das ab 1. Januar 1989 geltende Recht des SGB V maßgebend, da es sich bei den streitigen Erkrankungszeiten um Zeiträume nach Inkrafttreten des SGB V handelt.
Wie schon im Krankenversicherungsrecht der RVO ist die AU auch nach dem SGB V Voraussetzung der Leistung von Krg. Für die Übertragung auf § 58 Abs 1 Nr 1 SGB VI folgt daraus: Nach den Vorgaben des SGB V richtet sich lediglich, ob der Versicherte als arbeitsunfähig anzusehen ist; dagegen ist der tatsächliche Bezug von Krg nicht Voraussetzung. Dies galt schon für die Ausfallzeit wegen AU nach § 1259 Abs 1 Nr 1 RVO und verhält sich nicht anders bei der Anrechnungszeit nach § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI. Zwar lässt sich aus dem Bezug von Krg regelmäßig auf das Bestehen von AU schließen (vgl BSG Urteil vom 19. Dezember 1968 - 5 RKn 66/65 - BSGE 29, 77 = SozR Nr 21 zu § 1251 RVO); wenn im Anschluss an einen Krg-Bezug aber für die weitere Dauer der AU allein deswegen kein Krg gezahlt wird, weil der Versicherte ausgesteuert worden ist, ist auch diese weitere AU als Ausfall- bzw Anrechnungszeit zu berücksichtigen (vgl Senatsurteile vom 27. Februar 1990 - 5 RJ 67/88 - veröffentlicht in JURIS, vom 22. April 1992 - 5 RJ 74/91 - SozR 3-2200 § 1259 Nr 12 und vom 13. Dezember 2000 - B 5 RJ 18/99 R - SozR 3-2600 § 252 Nr 3 S 15 - zu einer von den Beteiligten nicht in Zweifel gezogenen langjährigen AU; Verbands-Komm, § 1259 RdNr 9.1 S 53, Stand Januar 1989; Niesel in Kasseler Komm, § 58 SGB VI, RdNr 12, Stand Januar 2002).
b) Die Frage, nach welcher Tätigkeit sich die AU bestimmt, wird im Recht der KV für verschiedene Fallkonstellationen unterschiedlich beantwortet (vgl BSG Urteil vom 14. Februar 2001 - B 1 KR 30/00 R - SozR 3-2500 § 44 Nr 9 mwN).
Wie der 1. Senat des BSG in seinem Urteil vom 19. September 2002 (B 1 KR 11/02 R - BSGE 90, 72, 75 = SozR 3-2500 § 44 Nr 10 S 32 f) herausgestellt hat, wird die Versicherung gegen AU nach dem Recht des SGB V aus dem jeweils konkret bestehenden Versicherungsverhältnis abgeleitet und dies durch die Regelung in § 48 Abs 2 SGB V unterstrichen. Danach besteht für Versicherte, die im letzten Dreijahreszeitraum Krg bezogen haben, wegen derselben Krankheit nach Beginn eines neuen Dreijahreszeitraums nur dann ein neuer Krg-Anspruch, wenn sie bei Eintritt der erneuten AU mit Anspruch auf Krg versichert sind und in der Zwischenzeit mindestens sechs Monate 1. nicht wegen dieser Krankheit arbeitsunfähig waren und 2. erwerbstätig waren oder der Arbeitsvermittlung zur Verfügung standen. "Bei durchgehender AU im Tätigkeitsfeld des ursprünglichen Berufs ist eine zeitweilige Arbeitsfähigkeit nur für gesundheitlich weniger anspruchsvolle, berufsfremde Tätigkeiten denkbar; infolgedessen sind diese sowohl Maßstab für die Beurteilung der AU als auch für die Bemessung des Krg" (so ausdrücklich BSG Urteil vom 14. Februar 2001 - B 1 KR 30/00 R - SozR 3-2500 § 44 Nr 9 S 26). Ist der auf die ursprüngliche Beschäftigung bezogene Versicherungsschutz entfallen, kann ein Krg-Anspruch unter Berufung auf diese Beschäftigung nicht mehr begründet werden. Die AU richtet sich dann - wie vom 1. Senat im Urteil vom 19. September 2002 (B 1 KR 11/02 R - BSGE 90, 72, 76 = SozR 3-2500 § 44 Nr 10 S 33 f mwN) ausgeführt - nicht mehr nach den besonderen Anforderungen der zuletzt ausgeübten Beschäftigung, wenn der Versicherte seit dem Verlust des Arbeitsplatzes mehr als sechs Monate als Arbeitsloser krankenversichert war (vgl § 121 Abs 3 Satz 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch).
§ 48 Abs 2 SGB V begrenzt mithin den krankenversicherungsrechtlichen Berufsschutz für die ursprüngliche Beschäftigung und verhindert - wie der 1. Senat des BSG bereits in seiner Entscheidung vom 14. Februar 2001 (B 1 KR 30/00 R - SozR 3-2500 § 44 Nr 9 S 27 f) hervorgehoben hat -, dass die auf Grund der Lohnersatzfunktion des Krg gerechtfertigte Besserstellung des entgeltlich Beschäftigten gegenüber dem arbeitslosen Versicherten zu einer unverhältnismäßigen Vergünstigung führt. Dies gilt auch im Vergleich zu demjenigen, der sich von seinem bisherigen Beruf gelöst und einer neuen Tätigkeit zugewandt hat.
c) Unter Berücksichtigung der genannten Rechtsprechung des 1. Senats, der sich der erkennende Senat anschließt, ist daher bei - wie hier - fortdauernder Erkrankung im Hinblick auf den Maßstab für die AU zu differenzieren. Solange das Arbeitsverhältnis besteht (Phase 1), kommt eine "Verweisbarkeit" des erkrankten Arbeitnehmers zum Ausschluss von AU nur im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses und in den Grenzen der arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten in Betracht; auf Tätigkeiten bei einem anderen Arbeitgeber kann er nicht verwiesen werden (BSG Urteile vom 7. August 1991 - 1/3 RK 28/89 - BSGE 69, 180 = SozR 3-2200 § 182 Nr 9 und vom 14. Februar 2001 - B 1 KR 30/00 R - SozR 3-2500 § 44 Nr 9). Verliert der Versicherte nach Eintritt der AU seinen Arbeitsplatz (Phase 2), bleibt die letzte Tätigkeit zwar grundsätzlich für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit weiterhin maßgebend. Allerdings ist der Kreis der möglichen "Verweisungstätigkeiten" jetzt nicht mehr durch das konkrete Arbeitsverhältnis, sondern entsprechend der Funktion des Krg als Lohnersatz auf gleiche oder ähnlich geartete Tätigkeiten begrenzt. Dies sind Tätigkeiten, die nach der Art der Verrichtung, der körperlichen und geistigen Anforderungen, der notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten sowie nach der Höhe der Entlohnung mit der bisher verrichteten Arbeit im Wesentlichen übereinstimmen, sodass der Versicherte sie ohne größere Umstellung und Einarbeitung ausführen kann. Diese Bedingungen gelten nicht nur, wenn es sich bei der zuletzt ausgeübten Tätigkeit um einen Ausbildungsberuf handelt, sondern auch bei ungelernten Arbeiten; allerdings ist hierbei das Spektrum der zumutbaren Tätigkeiten deshalb größer, weil die Verweisung nicht durch die engen Grenzen eines Ausbildungsberufs eingeschränkt ist (vgl BSG Urteil vom 8. Februar 2000 - B 1 KR 11/99 R - BSGE 85, 271, 273 = SozR 3-2500 § 49 Nr 4 S 12 f mwN). Der in dieser Weise begrenzte krankenversicherungsrechtliche Berufsschutz für die bei Beginn der Erkrankung ausgeübte Tätigkeit entfällt jedoch, wenn ein auf die Beschäftigung bezogenes Versicherungsverhältnis entfallen ist, spätestens mit Ende des ersten Dreijahreszeitraums (Phase 3).
d) Übertragen auf die AU nach § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI folgt daraus für den vorliegenden Fall:
Die vom Kläger zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Folienschweißer war kein anerkannter Ausbildungsberuf, sondern - wie bereits das vom LSG in Bezug genommene SG-Urteil vom 22. Mai 1997 ausgeführt hat (S 7 im Urteilsumdruck) - eine allenfalls angelernte oder ungelernte Tätigkeit. Deshalb ist bereits fraglich, ob er nicht schon ab dem Verlust seines Arbeitsplatzes (also in Phase 2) und damit jedenfalls ab dem Ende der zeitlich begrenzten EU (31. März 1991) auf sämtliche leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verweisbar war, für die sein körperliches Leistungsvermögen wieder ausreichte. Dann würde es bereits aus diesem Grund an einer AU für den weiteren Zeitraum fehlen. Eine AU in Anknüpfung an die Tätigkeit als Folienschweißer ließe sich aber höchstens bis zum Ablauf des ersten Dreijahreszeitraums begründen. Jedenfalls entfällt dieser (krankenversicherungsrechtliche) Berufsschutz für den ab 7. September 1991 beginnenden zweiten Dreijahreszeitraum (also in Phase 3). Ob der Kläger (dessen Versicherungsverlauf nur Pflichtbeitragszeiten bis März 1990 enthält) mit seinem Restleistungsvermögen der Arbeitsvermittlung - mangels Arbeitslosmeldung - tatsächlich zur Verfügung stand, ist insoweit unerheblich. Die Tätigkeiten, für die ein arbeitsloser Versicherter vermittlungsfähig war, müssen für die Beurteilung der AU auch dann maßgebend sein, wenn er sich der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestellt hat (und schon aus diesem Grund im zweiten Dreijahreszeitraum kein Krg-Anspruch besteht - vgl § 48 Abs 2 SGB V).
Dieses Ergebnis entspricht auch der Funktion der Anrechnungszeiten, Beitragslücken auszugleichen, die durch persönliche und vom Versicherten nicht zu vertretende Umstände eingetreten sind. Sinn dieser Zeiten ist nicht, Beitragslücken zu überbrücken, die der Versicherte hätte vermeiden können. Der nicht zu vermeidenden Arbeitslosigkeit eines arbeitsfähigen Versicherten trägt der Anrechnungstatbestand des § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI Rechnung. Er setzt allerdings voraus, dass sich der Versicherte der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stellt. Ein unbegrenzter Schutz für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit bei Bewertung der AU im Rahmen der Anrechnungszeit würde jedoch diejenigen Versicherten ungerechtfertigt bevorzugen, die bei einer fortdauernden Erkrankung keine Beschäftigung suchen, obwohl sie für eine andere als die vor der Erkrankung ausgeübte Tätigkeit arbeitsfähig sind.
Nach alledem kann eine AU des Klägers nach dem Ablauf des ersten Dreijahreszeitraums, dh ab dem 7. September 1991, nicht mehr bestanden haben. Damit aber ist die versicherungsrechtliche Voraussetzung der Drei-Fünftel-Belegung nicht erfüllt. Der dafür maßgebliche Fünfjahreszeitraum vom 14. Juni 1991 bis 13. Juni 1996 könnte sich lediglich um eine Anrechnungszeit vom 25. März 1990 bis 6. September 1991, also insgesamt 18 Monate, bis zum 14. Dezember 1989 verlängern. In diesem Zeitraum finden sich jedoch - abgesehen von den vier Monaten Beitragszeit aus Anlass des Krg-Bezugs bis 24. März 1990 - keine Pflichtbeiträge.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1181837 |
BSGE 2004, 199 |
BSGE 92, 199 |
NWB 2005, 3306 |
NZS 2005, 264 |
SozR 4-2600 § 43, Nr.2 |
GuS 2004, 63 |
ZfSSV 2007 |