Entscheidungsstichwort (Thema)
Revisibilität tatrichterlicher Feststellungen – Bedarfsnotwendigkeit eines Krankenhauses – Abschluß eines Versorgungsvertrags
Leitsatz (amtlich)
Zur revisionsgerichtlichen Überprüfbarkeit tatrichterlicher Feststellungen über die Bedarfsnotwendigkeit eines Krankenhauses als Voraussetzung für den Abschluß eines Versorgungsvertrages mit den Krankenkassen (Fortführung von BSG vom 29.5.1996 – 3 RK 26/95 = BSGE 78, 243 = SozR 3-2500 § 109 Nr 2).
Stand: 29. Oktober 2001
Normenkette
SGB V § 39 Abs. 2, § 73 Abs. 4 S. 3, § 109 Abs. 3 S. 1 Nr. 2, § 108 Nr. 3; SGG § 128 Abs. 1 S. 1
Beteiligte
5. Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. |
6. Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e.V. |
4. Betriebskrankenkassen-Landesverband Nord |
1. AOK Schleswig-Holstein – Die Gesundheitskasse |
2. IKK-Landesverband Nord |
3. Schleswig-Holsteinische landwirtschaftliche Krankenkasse |
1. Land Schleswig-Holstein |
Ministerium für Arbeit, Soziales, Jugend und Gesundheit |
2. Freie und Hansestadt Hamburg |
Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales |
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 23. Februar 1999 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat den Beklagten die Kosten des gesamten Rechtsstreits zu erstatten. Im übrigen sind keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger betreibt seit Oktober 1983 in F. eine sog Privatklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, die nicht in den Krankenhausplan des Landes Schleswig-Holstein aufgenommen ist. Er begehrt von den sieben Beklagten (Krankenkassen, Krankenkassenverbänden, Ersatzkassenverbänden sowie der Bundesknappschaft) den sofortigen Abschluß eines Versorgungsvertrages sowie die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Vertragsablehnung für die Zeit ab dem 1. Januar 1990.
Im Februar 1989 beantragte der Kläger den Abschluß eines Versorgungsvertrages für seine Klinik im Umfang von 23 Betten der Gynäkologie und Geburtshilfe, der von den Beklagten mangels Bedarfs abgelehnt wurde (Bescheid ohne Datum, zugegangen am 27. Dezember 1989). Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 19. Januar 1993), das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 11. April 1995). Auf die Revision des Klägers hat der erkennende Senat die Sache – soweit hier noch im Streit – zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen (Urteil vom 29. Mai 1996, 3 RK 26/95 – vgl BSGE 78, 243 ff = SozR 3-2500 § 109 Nr 2), weil die vom LSG durchgeführte Berechnung des Bettenbedarfs in einem wesentlichen Punkt rechtswidrig gewesen ist und die Neuberechnung noch weiterer Ermittlungen bedurft hat.
Das LSG hat nach weiteren Ermittlungen die Berufung des Klägers erneut zurückgewiesen (Urteil vom 23. Februar 1999) und ausgeführt, es bestehe zwar kein Anhaltspunkt für eine fehlende Leistungsfähigkeit oder Unwirtschaftlichkeit der Klinik des Klägers. Für eine Krankenhausbehandlung der Versicherten sei sie jedoch – unter Zugrundelegung der Kriterien des Urteils des erkennenden Senats vom 29. Mai 1996 (aaO) – nicht erforderlich und auch in der Vergangenheit nicht erforderlich gewesen, weil der Bedarf im maßgeblichen Planungsbereich „F. und Umgebung” durch die vorhandenen Plankrankenhäuser gedeckt sei. Dieser Bedarf errechne sich in Anlehnung an die staatliche Krankenhausbedarfsplanung, und zwar anhand der tatsächlichen Behandlungsfälle. Dabei müßten auch die zwar nicht aufgestellten, faktisch aber nutzbaren 17 Planbetten des St.-Fr. in F. berücksichtigt werden. Lediglich die medizinisch zum Teil nicht notwendigen Verweildauern im Städtischen Krankenhaus F. müßten korrigiert werden, wobei auf die übrigen Schwerpunktkrankenhäuser des Bundeslandes oder auf den Bundesdurchschnitt abgestellt werden könne. Bei jeder der beiden Vergleichsmöglichkeiten wäre eine Vollauslastung der Plankrankenhäuser, die bei einer Belegung von 86 % angenommen werden müsse, seit 1990 nur in zwei bestimmten Jahren erreicht worden, bei Einbeziehung der benachbarten Kreiskrankenhäuser auch dann nicht. Angesichts der von den Beklagten vorgelegten neuesten Zahlen für 1997 und 1998, des Bettenabbaus über den gesamten Zeitraum von 1987 bis 1998, der zunehmenden Möglichkeit ambulanten Operierens sowie der künftigen Abrechnung nach Fallpauschalen sei im Ergebnis der jetzige Abschluß eines Versorgungsvertrages mit dem Kläger nicht gerechtfertigt und auch bislang nicht gerechtfertigt gewesen.
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht und des materiellen Rechts. Das LSG habe beim Ermitteln der erforderlichen Verweildauern, insbesondere derjenigen des Städtischen Krankenhauses F., entgegen dem Urteil des erkennenden Senats vom 29. Mai 1996 keine ausländischen Erfahrungen herangezogen, keine Einzelfallüberprüfung und auch keine Überprüfung der Behandlungsdauer typischer Erkrankungen vorgenommen. Selbst auf der Grundlage des ermittelten Sachverhalts sei das LSG nur unter Verletzung materiellen Rechts zur Verneinung eines Bedarfs gekommen: Es habe den maßgeblichen Planungsbereich zu weit ausgedehnt und keine Prognose über den jeweiligen Bedarf an Betten aufgestellt. Die Feststellungen seien nur rückblickend getroffen worden. Unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verweildauern ergebe sich für die Jahre 1987 bis 1998 eine über 86 % liegende Auslastung der Plankrankenhäuser in F.. Die Einbeziehung der Krankenhäuser in S., K., N. und H., die Nichtberücksichtigung der tatsächlichen Auslastung des St.-Fr., der Diakonissenanstalt und des Städtischen Krankenhauses (alle in F.), die Annahme eines „krassen Mißverhältnisses” der Verweildauern dieser Krankenhäuser im Vergleich zu landes- bzw bundesweiten Daten sowie die Nichtberücksichtigung der sog Stundenfälle sei fehlerhaft, die Feststellung einer Bedarfsdeckung damit rechtswidrig.
Der Kläger beantragt,
die Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 23. Februar 1999 und des Urteils des Sozialgerichts Schleswig vom 19. Januar 1993 sowie des Bescheides vom Dezember 1989 zu verurteilen, mit ihm ab sofort einen Versorgungsvertrag über 23 Betten des Fachbereichs Gynäkologie und Geburtshilfe abzuschließen,
hilfsweise: die Beklagten zu verurteilen, ihn hinsichtlich seines Antrags vom 23. Februar 1989 gemäß der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden,
- festzustellen, daß die Ablehnung des Abschlusses eines Versorgungsvertrages beginnend ab Januar 1990 rechtswidrig war.
Die Beklagten zu 1, 2, 3 sowie 5 bis 7 beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beklagte zu 4 sowie die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
II
Die Revision ist unbegründet. Zu Recht hat das LSG entschieden, daß die Weigerung der Beklagten, mit dem Kläger einen Versorgungsvertrag abzuschließen, rechtmäßig ist und – in dem durch die Fortsetzungsfeststellungsklage noch streitbefangenen zurückliegenden Zeitraum – auch war.
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage bzw Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 iVm § 54 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫ bzw § 131 Abs 1 Satz 3 SGG) zulässig. Im einzelnen wird auf die Ausführungen des erkennenden Senats in dem in der gleichen Sache bereits ergangenen Urteil vom 29. Mai 1996 (3 RK 26/95, BSGE 78, 243 ff = SozR 3-2500 § 109 Nr 2) Bezug genommen. Den Bedenken des Senats hinsichtlich der Zusammensetzung der Beklagtenseite hat das LSG durch Beteiligung des Verbandes der Arbeiter-Ersatzkassen sowie der Bundesknappschaft Rechnung getragen.
Die Klage ist unbegründet, und zwar sowohl hinsichtlich des Abschlusses eines Versorgungsvertrages „mit Wirkung für die Zeit ab Vertragsschluß” (vgl Urteil des Senats vom 29. Mai 1996, aaO) als auch hinsichtlich der (Fortsetzungs-)Feststellung der Rechtswidrigkeit der Vertragsablehnung für den zurückliegenden Zeitraum, dh – gemäß dem eingeschränkten Antrag – ab 1. Januar 1990 bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG (23. Februar 1999). Ein Versorgungsvertrag nach § 108 Nr 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) darf für die Zukunft und durfte in der Zeit ab 1. Januar 1990 bis heute nicht abgeschlossen werden, weil die Klinik des Klägers für eine bedarfsgerechte Krankenhausbehandlung der Versicherten nicht erforderlich ist und war (§ 109 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB V).
Das LSG hat die Bedarfsgerechtigkeit der Klinik des Klägers zutreffend auf der Grundlage der Krankenhausbedarfsplanung nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) geprüft (stRspr: BSGE 78, 233, 240 f = SozR 3-2500 § 109 Nr 1; BSGE 78, 243, 250 f = SozR 3-2500 § 109 Nr 2). Abweichend von der Zulassung zur Krankenhausförderung nach § 8 Abs 1 Satz 3, Abs 2 Satz 2 KHG hat der Kläger im Verfahren der Kassenzulassung eines Krankenhauses seit Inkrafttreten des SGB V zum 1. Januar 1989 den Vorrang der Hochschulkliniken und Plankrankenhäuser (§ 108 Nr 1, 2 iVm § 109 Abs 1 Satz 2 SGB V) ohne weitere Prüfung hinzunehmen (stRspr: vgl BSG aaO, zuletzt Urteil des Senats vom 5. Juli 2000, B 3 KR 20/99 R = SozR 3-2500 § 109 Nr 7, zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen), weshalb die Hinweise der Revision auf die Prüfungskriterien nach dem Urteil des Senats vom 15. Januar 1986 (3/8 RK 5/84 = BSGE 59, 258 ff = SozR 2200 § 371 Nr 5), das noch auf der Grundlage des nur bis zum 31. Dezember 1989 geltenden und anders strukturierten § 371 Reichsversicherungsordnung (RVO) aF ergangen ist, fehl gehen. Auf die vom Kläger vorgetragene weitgehende tatsächliche Auslastung seiner Klinik und eine faktische Abrechnung der Versichertenfälle mit den Beklagten kommt es nicht an.
Die Regelung der §§ 108 Nr 3, 109 Abs 1 Satz 2 SGB V und insbesondere der Vorrang der Universitätskliniken und Plankrankenhäuser sind zur Zeit noch als verfassungsmäßig anzusehen, wie der Senat erst unlängst entschieden (Urteil vom 5. Juli 2000, aaO) und daher hier nur kurz zu umreißen hat. Die bedarfsabhängige Zulassung beschränkt zwar die Grundrechte aus den Art 12 und 14 Grundgesetz der sich um eine Kassenzulassung bewerbenden Krankenhausbetreiber. Dies ist jedoch durch das damit verfolgte Ziel gerechtfertigt, die begrenzten finanziellen Mittel zur Krankenhausfinanzierung und zur Gewährung der laufenden Versorgung sparsam einzusetzen, was bei Überkapazitäten gefährdet wäre. Dem Grundrechtsschutz der Bewerber ist durch die Modalitäten des Verfahrens der Zulassung zum Krankenhausplan nach dem KHG Genüge getan. Da die Abrechnung nach Fallpauschalen und Sonderentgelten bislang erst 20 % der in einem Krankenhaus anfallenden Leistungen erfaßt, ist die Abrechnung mittels tagesgleicher Pflegesätze nach wie vor die Regel, was bei vorhandenen Überkapazitäten die Neigung zum Beibehalten überlanger Verweildauern begünstigt. Ob die für 2003 geplante Einführung eines umfassend neuen Vergütungssystems auf der Grundlage der sog Diagnosis Related Groups an dieser Beurteilung etwas ändern wird, ist derzeit noch nicht abzusehen (vgl zum Ganzen das genannte Urteil des Senats vom 5. Juli 2000, aaO).
Bei der auf dieser Basis allein entscheidungserheblichen Frage, ob die Klinik des Klägers zur Versorgung der Versicherten notwendig ist, handelt es sich um eine tatsächliche Feststellung, die das Tatsachengericht gemäß § 128 Abs 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft. Im Urteil vom 29. Mai 1996 (aaO) hat der Senat bereits ausgeführt, daß insoweit der Krankenhausplan keine Tatbestands- oder Bindungswirkung entfaltet und auch den Kassenverbänden kein gerichtsfreier Beurteilungsspielraum zuzubilligen ist. Die vom Tatsachengericht ohne solche rechtlichen Beschränkungen vorzunehmende Tatsachenermittlung ist vom Revisionsgericht nur darauf zu überprüfen, ob das Tatsachengericht die Grenzen der freien Beweiswürdigung überschritten hat, indem es gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen, Beweisregeln nicht beachtet oder das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht berücksichtigt hat (BSG SozR 1500 § 164 Nr 31; BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 19; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 2. Aufl 1997, IX RdNr 126, 286; Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl 1998, § 128 RdNr 4 ff mwN). Von einem Verstoß gegen Denkgesetze kann nur dann gesprochen werden, wenn aus den gesamten Gegebenheiten nur eine Folgerung gezogen werden kann, jede andere nicht „denkbar” ist und das Gericht die allein denkbare nicht gezogen hat (BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 19 mwN). Ein allgemeiner Erfahrungssatz ist verletzt, wenn das Gericht einen bestehenden Erfahrungssatz nicht berücksichtigt (BSG SozR 1500 § 128 Nr 4; BSG SozR 1500 § 103 Nr 25) oder einen tatsächlich nicht existierenden Erfahrungssatz angewendet hat (BSGE 36, 35, 36 = SozR Nr 40 zu § 548 RVO; BSG SozR 1500 § 103 Nr 25). Dies muß im Revisionsverfahren im einzelnen gerügt werden (§ 164 Abs 2 Satz 3 SGG; vgl dazu BSG SozR 1500 § 164 Nr 31).
Die vom Kläger erhobenen Rügen greifen nicht durch. Sie betreffen insbesondere die vom LSG angewandte Methode der Bedarfsfeststellung, die dabei zugrunde gelegten Zahlen und die daraus gezogenen Schlußfolgerungen. Zutreffend ist das LSG zunächst davon ausgegangen, daß konkret zu prüfen war, ob die Versicherten, die in der Klinik des Klägers seit 1990 außerhalb eines Versorgungsvertrages behandelt worden sind, auch in zugelassenen Plankrankenhäusern hätten behandelt werden können, ohne daß es dort zu Engpässen oder unzumutbaren Wartezeiten gekommen wäre, und daß dies bei gänzlichem Wegfall der klägerischen Klinik auch für die absehbare Zukunft nicht zu befürchten ist. Das LSG hat dabei den jeweiligen Bettenbedarf anhand der tatsächlichen Bettenauslastung errechnet, wie dies auch bei der Krankenhausbedarfsplanung des Landes geschieht. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, obwohl auch andere Methoden der Bedarfsermittlung denkbar sind, etwa mit Hilfe der sog analytischen Bedarfsermittlungsformel (vgl dazu Depenheuer, Staatliche Finanzierung und Planung im Krankenhauswesen, 1986, S 43 ff). Die von der tatsächlichen Bettenauslastung ausgehende Methode unterstellt, daß die jeweilige Krankenhausbehandlung nach Art und Dauer medizinisch notwendig war, und versucht, den künftigen Bedarf aus den statistischen Trends, insbesondere der voraussichtlichen Entwicklung der Bevölkerung und der Krankheitshäufigkeit, sowie des medizinischen Fortschritts abzuschätzen. Die Ungenauigkeit, die mit der Gleichstellung von tatsächlicher Bettenauslastung und medizinischer Notwendigkeit in Kauf genommen wird, läßt sich in gewissem Umfang dadurch ausgleichen, daß bei auffälliger Überschreitung der durchschnittlichen Verweildauern vergleichbarer Krankenhäuser bzw Abteilungen trotz statistischer Vollauslastung Bettenreserven zu vermuten sind, die wiederum durch Vergleichsbetrachtung geschätzt und berücksichtigt werden können.
Diesen methodischen Anforderungen hat das LSG Rechnung getragen. Bei der zuerst getroffenen Feststellung, welche Plankrankenhäuser zur Behandlung der bisher vom Kläger versorgten Patienten zur Verfügung gestanden hätten, sind Rechtsfehler nicht zu erkennen. Das LSG durfte, ohne gegen Erfahrungssätze zu verstoßen, die jeweiligen Grenzen der Raumplanung des Landes überschreiten, weil Patienten bei der Inanspruchnahme von Krankenhausbehandlung auf derartige Grenzen keine Rücksicht nehmen. Soweit der Kläger insbesondere die Einbeziehung der in einiger Entfernung von F. gelegenen Krankenhäuser in S. (34 km), N. (38 km), H. (40 km) und K. (47 km) rügt, greift dies angesichts der Erreichbarkeit dieser Krankenhäuser mit öffentlichen Verkehrsmitteln bzw der breiten Motorisierung der Bevölkerung sowie der geringen Eigenbelastung der Versicherten durch zusätzliche Fahrtkosten bei Verzicht „auf die beiden nächstgelegenen Krankenhäuser” (§ 39 Abs 2 iVm § 73 Abs 4 Satz 3 SGB V) nicht durch (vgl zur Heranziehung außerhalb der Grenzen eines Bundeslandes: Urteil des Senats vom 19. November 1997, 3 RK 6/96, BSGE 81, 182, 189 = SozR 3-2500 § 109 Nr 5).
In dem zugrunde gelegten Versorgungsgebiet hat das LSG für den im Streit stehenden Zeitraum einen zusätzlichen Bettenbedarf ohne Rechtsfehler verneint. Ohne Verstoß gegen Erfahrungssätze ist das LSG von der „Vollauslastung” eines Krankenhauses bereits bei einer Belegung zu 86 % ausgegangen. Dies ist die dem Krankenhausplan entsprechende und vom Senat bereits in seinem Urteil vom 29. Mai 1996 (BSGE 78, 243, 252 = SozR 3-2500 § 109 Nr 2) akzeptierte Betrachtungsweise zur Bewältigung aller Belegungsschwankungen im Laufe eines Jahres, mithin auch der – lediglich statistisch nicht gezählten – sog Stundenfälle, also Fälle ohne mitternächtliches Verbleiben in einem „Bett”.
Des weiteren greifen die Rügen der Revision nicht durch, soweit das LSG bei der Bedarfsberechnung von den tatsächlichen Verweildauern im Städtischen Krankenhaus F. abgewichen ist. Da das Städtische Krankenhaus mit seinen Verweildauern stets um ca 20 % und mehr über dem Schnitt der übrigen Krankenhäuser lag, durfte sich das LSG für eine angemessene Bedarfsberechnung zu einer Korrektur veranlaßt sehen. Gegen die dabei angewandte Methode bestehen nunmehr keine Bedenken. Das LSG hat die Verweildauern des Städtischen Krankenhauses, eines Schwerpunktkrankenhauses, zum einen mit dem Durchschnitt der Verweildauern der übrigen Schwerpunktkrankenhäuser des Bundeslandes, unter Ausklammerung der anders strukturierten Universitätskliniken, zum anderen mit dem Bundesdurchschnitt verglichen und anschließend entsprechend bereinigt. In seinem Urteil vom 29. Mai 1996 (aaO) hat der erkennende Senat lediglich den bloßen Vergleich mit dem unbereinigten Landesdurchschnitt aller Krankenhäuser und die sog „Mischmethode” im früheren Urteil des LSG beanstandet, bei der hinsichtlich eines bestimmten Krankenhauses nach Vergleich seiner tatsächlichen Verweildauern mit den entsprechenden landesdurchschnittlichen Verweildauern der jeweils niedrigere Wert angesetzt worden ist. Statt dessen hat der Senat für eine angemessene Berücksichtigung zu hoher Verweildauern vier Berechnungsmöglichkeiten aufgezeigt: (1) Vergleich mit dem Bundesdurchschnitt oder (2) mit ausländischen Erfahrungswerten oder (3) Einzelprüfung mit Hochrechnung oder (4) Überprüfung der Behandlungsdauer typischer Erkrankungen. Diese Möglichkeiten sind jedoch nur beispielhaft, ohne Bindung für die Tatsacheninstanz, zu verstehen gewesen. Wenn das LSG bei beiden og Vergleichen, darunter einem Vergleich mit dem Bundesdurchschnitt, zu weitgehend übereinstimmenden Resultaten gekommen ist, nämlich medizinisch nicht zu erklärenden und damit nicht gebotenen überlangen Verweildauern des Städtischen Krankenhauses F., die auf eine unzureichende Bettenauslastung schließen lassen, ist dies nicht zu beanstanden, zumal das LSG ergänzend den überdurchschnittlich hohen Rückgang der Verweildauer in den vergangenen Jahren als zusätzliches Indiz für Kapazitätsreserven in diesem Krankenhaus gewürdigt hat.
Die von der Revision angegriffene Berücksichtigung von 17 nicht aufgestellten Planbetten im St.-Fr. zur Deckung des Bedarfs ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Das LSG hat nachvollziehbar dargelegt, daß diese Betten als Planbetten gegenüber dem Kläger vorrangig sind, bei Bedarf jederzeit hätten aufgestellt werden können und somit auch zur Versorgung der in der Klinik des Klägers behandelten Patienten zur Verfügung gestanden hätten.
Im Ergebnis hat das LSG auf beiden Wegen – mit ansonsten vom Kläger nicht angegriffenen Zahlen – in der maßgeblichen Zeit von 1990 bis 1998 einen zusätzlichen Bettenbedarf lediglich in folgenden Jahren festgestellt: Bei Korrektur der Ist-Zahlen des Städtischen Krankenhauses F. anhand landesweiter Schwerpunktkrankenhäuser für 1990 (0,5 %) und 1991 (3,97 %), anhand bundesweitem Vergleich für 1991 (2,63 %) und 1996 (2,58 %). Demgemäß ist unter Zugrundelegung der im Krankenhausplan angesetzten Planbettenzahlen allenfalls von einem Bettenbedarf von einem Bett (1990) bzw sechs Betten (1991) bzw vier Betten (1996) auszugehen. Es ist nicht zu beanstanden, wenn das LSG angesichts der erheblichen Unsicherheitsfaktoren seiner Berechnungsmethode, die weitgehend und unvermeidlich auf einer hypothetischen Betrachtungsweise beruht, diesen rein zahlenmäßigen Bettenbedarf als zu vorübergehend und zu geringfügig bewertet, um darauf die Überzeugung zu stützen, die Klinik des Klägers sei – wenn nicht mit allen Betten, so doch mit einem wesentlichen Teil – zur Versorgung der Versicherten notwendig gewesen. Gerade beim Nachholen einer Prognose, deren Fehlen von der Revision mithin zu Unrecht beanstandet wird, durfte es dabei auch berücksichtigen, daß schon 1990 der eindeutige Trend zu kürzeren Verweildauern und kontinuierlichem Bettenabbau gegangen ist.
Den Abschluß eines Versorgungsvertrages für die Zukunft hat das LSG unter Einbeziehung der neueren Zahlen für 1997 und 1998 zusätzlich wegen der steigenden Möglichkeiten des ambulanten Operierens sowie der künftig umfassenden Abrechnung nach Fallpauschalen – von der eine weitere Verkürzung der Verweildauern erwartet wird – im Wege einer Gesamtabwägung als zur Versorgung der Versicherten nicht erforderlich angesehen. Das ist im Rahmen einer naturgemäß mit Unsicherheiten verbundenen Prognose eine plausible und nachvollziehbare Argumentation, die Verstöße gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze nicht erkennen läßt.
Die Kostenentscheidung folgt aus dem am 1. Januar 1993, also vor dem erstinstanzlichen Urteil, in Kraft getretenen § 193 Abs 4 Satz 2 SGG (BGBl I, 2266) iVm § 116 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung sowie § 51 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGG. Eine Kostenerstattungspflicht des Klägers zugunsten der Beigeladenen kam nicht in Betracht, weil diese sich nicht am Verfahren beteiligt haben (vgl Urteil des Senats vom 5. Juli 2000, aaO).
Fundstellen
Haufe-Index 625137 |
BSGE 88, 111 |
BSGE, 111 |
SozR 3-2500 § 109, Nr. 8 |
NJOZ 2002, 1386 |
SozSi 2002, 324 |