Beteiligte
Verwaltungs-Berufsgenossenschaft |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. Juni 1998 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten wegen der Entschädigung eines Unfalls der Klägerin als Arbeitsunfall.
Die im Jahre 1948 geborene Klägerin unterzog sich ab 24. August 1987 auf Kosten der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK) einer stationären Kurmaßnahme wegen vegetativer Labilität, Gastritis, Colitis und Hypertonie im DAK-Kurzentrum „H. ” in P.. Gegen Ende des Kuraufenthaltes stürzte sie am 17. September 1987 um ca 01.00 Uhr nachts vom Balkon ihres im dritten Stock des Kurzentrums gelegenen Appartements und zog sich dabei erhebliche Verletzungen zu.
Auf den im März 1993 gestellten Antrag der Klägerin auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung hin zog die Beklagte ua die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Kempten bei. Aus diesen ergibt sich, daß das wegen des Unfalls eingeleitete Ermittlungsverfahren eingestellt worden ist, weil sich keinerlei Anhaltspunkte für ein Fremdverschulden ergäben. Die Klägerin könne sich an den Vorgang nicht mehr erinnern; es sei davon auszugehen, daß sie vermutlich wegen eines Schwächeanfalls von ihrem Zimmer auf den Balkon getreten und dort über die Balkonbrüstung, die keine Mängel aufweise, gefallen sei.
Die Beklagte lehnte daraufhin die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab, weil sich der Unfall während der Nachtruhe, also bei einer nicht versicherten Tätigkeit ereignet und keine dem Krankenhaus eigentümliche besondere Betriebsgefahr den Unfall verursacht habe. Auch aus der 0,96 m hohen Balkonbrüstung habe kein besonderes Gefahrenmoment resultiert (Bescheid vom 11. Januar 1994 idF des Widerspruchsbescheides vom 22. August 1994).
Das Sozialgericht Duisburg (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 31. August 1995). Der Unfall habe sich als Folge der Erkrankung und deren Behandlung in der Kurklinik ereignet, so daß der für die Anerkennung als Arbeitsunfall erforderliche innere Zusammenhang mit dem Aufenthalt in der Klinik nicht gegeben sei.
Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) hat ein schriftliches Sachverständigengutachten der Ärztin für Rechtsmedizin Dr. R. eingeholt; hierzu hat die Beklagte ein von ihr veranlaßtes Gutachten von Prof. Dr. H. eingereicht. Sodann hat das LSG die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 23. Juni 1998). Die Klägerin habe bei dem Kuraufenthalt zwar grundsätzlich unter Versicherungsschutz gestanden, der sich allerdings auf die mit der stationären Unterbringung verbundenen Gefahren beschränke. Es sei davon auszugehen, daß sie wegen Schwindel- und Übelkeitsbeschwerden habe erbrechen müssen und sich deshalb auf den Balkon begeben habe; eine Suizidabsicht sei ausgeschlossen, für alkoholbeeinflußtes Verhalten finde sich kein Anhalt. Zwar seien die genauen Einzelheiten des Sturzes angesichts der fehlenden Erinnerung der Klägerin daran nicht rekonstruierbar, jedoch seien nach der rechtsmedizinischen Beweiserhebung drei Geschehensabläufe denkbar: Es sei möglich (erster Geschehensablauf), daß sie beim Betreten des Balkons über die Balkontürschwelle gestolpert und mit dem Körper gegen die Balkonumwehrung geprallt sei und aus diesem Schwung mit dem Oberkörper über die schmale Brüstung das Gleichgewicht verloren habe. Es sei auch möglich (zweiter Geschehensablauf), daß die Klägerin den Balkon mit feuchten Füßen betreten, sich bei dem Versuch, sich über die Balkonbrüstung hinweg zu übergeben, vorgebeugt und bei hinzutretendem Schwindel Übergewicht bekommen habe und weggerutscht sei. Schließlich sei (nach Prof. Dr. H.) vorstellbar (dritter Geschehensablauf), daß sie sich bei dem Versuch, sich über die Balkonbrüstung hinweg zu übergeben, auf die Zehenspitzen gestellt und dabei stark über die Brüstung gelehnt habe; die Herabsetzung der Fuß-Bodenhaftung und die gleichzeitige Vorverlagerung des Schwergewichts könnten dann zum Absturz geführt haben. Allen drei in Betracht kommenden Geschehensabläufen sei gemeinsam, daß sich der Körperschwerpunkt der Klägerin oberhalb der Brüstungshöhe von 0,96 m befunden habe, so daß eine ursächliche Beteiligung der baulichen Verhältnisse an dem erlittenen Sturz unabweisbar sei. Daß die Brüstungshöhe den damals gültigen bauordnungsrechtlichen Vorschriften entsprochen habe, stehe dem nicht entgegen, da es allein darauf ankomme, ob die Balkonbrüstung wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen habe. Dies sei jedoch nicht der Fall.
Nach dem von Prof. Dr. H. aufgezeigten dritten Geschehensablauf, der nicht ausgeschlossen werden könne und daher wegen der die Klägerin treffenden Beweislast zugrunde gelegt werden müsse, sei die Brüstungshöhe nicht als rechtlich wesentliche Teilursache des Unfalls zu werten. Der dem unversicherten Bereich zuzurechnende Anteil am Zustandekommen des Sturzes überwiege derart, daß von einem noch ins Gewicht fallenden Kausalbeitrag der baulichen Anlage nicht mehr gesprochen werden könne. Zu bedenken sei, daß die Klägerin den Balkon ausschließlich wegen ihres schlechten Befindens nach Mitternacht aufgesucht habe und daß auch für das anschließende Verhalten allein ihre der unversicherten Privatsphäre angehörende Befindlichkeit maßgebend gewesen sei. Es bestehe nämlich kein Zweifel daran, daß die Klägerin dabei zwanghaft von dem Gedanken beherrscht worden sei, nur nicht das Appartement und den Balkon zu verunreinigen. Die Balkonbrüstung, die eine bauordnungsgemäße Höhe gehabt habe und auch sonst von normaler Beschaffenheit gewesen sei, trete demgegenüber als Mitursache in den Hintergrund. Bei natürlicher Betrachtung sei vielmehr im wesentlichen allein das krankheitsbedingte, willentlich kaum noch gesteuerte Verhalten der Klägerin für den Sturz verantwortlich, ohne das es nicht zu dem Unfall gekommen wäre. Dies gelte um so mehr, als es angesichts der in etwa der Lage des Körperschwerpunktes der Klägerin entsprechenden Höhe der Brüstung eines von der üblichen Balkonbenutzung erheblich abweichenden Geschehensablaufs bedurft habe, um die Funktion der Brüstung als Absturzsicherung zu überwinden. Aus dem Umstand, daß nach der Durchführungsanweisung zu § 33 der Unfallverhütungsvorschriften eine Geländerhöhe von mindestens 1 m einzuhalten sei, ergebe sich nichts anderes, da es keine allgemein anerkannten sicherheitstechnischen Regelungen bezüglich der Höhe von Brüstungen gebe.
Mit ihrer – vom LSG zugelassenen – Revision trägt die Klägerin vor, bei den Verhältnissen, die zu dem Unfall geführt hätten, habe es sich um Betriebsgefahren gehandelt, wie sie nur während der Kur vorzufinden gewesen seien; in ihrer häuslichen Umgebung wäre der Unfall weitestgehend auszuschließen gewesen. Wenn mehrere Geschehensabläufe möglich seien, aber nur bei einem dieser möglichen Unfallverläufe ein Arbeitsunfall nicht anzunehmen sei, könne auf das Vorliegen eines Arbeitsunfalls aus Indizien geschlossen werden, falls bei der Abwägung die für einen Arbeitsunfall sprechenden die dagegen sprechenden Indizien überwögen und die für die Annahme eines Arbeitsunfalls sprechenden Geschehensabläufe in sich schlüssig seien und praktisch keinen Zweifel hinterließen. Auf die Darstellung und die Gewißheit eines tatsächlichen Geschehensablaufs könne in diesem Fall verzichtet werden.
Ausdrücklich würden die fehlenden Feststellungen der Beschaffenheit des Balkons über die festgestellte Brüstungshöhe von 0,96 m hinaus und ihrer eigenen häuslichen Umgebung gerügt; wegen dieses Mangels könnten diese Umstände nicht miteinander verglichen werden. Zu beachten sei auch, daß der dritte Geschehensablauf, bei dem ein Arbeitsunfall nicht vorliege, nur von Prof. Dr. H. in seiner gutachtlichen Stellungnahme, die im Gegensatz zu dem Gerichtsgutachten von Dr. R. lediglich Parteivortrag sei, als denkbar geschildert worden sei. Da es sich um „anspruchsvernichtende Vorhaltungen” handele, trage hierfür ausschließlich die Beklagte die Beweislast.
Ein Arbeitsunfall sei deswegen anzunehmen, weil sie in einer Umgebung verunglückt sei, die gegenüber ihren häuslichen Verhältnissen erhöhte Gefahren aufweise. Der Balkon in der Kureinrichtung sei kleiner und mit einer „Stolperfalle” versehen gewesen, habe sich außerdem im dritten Stock befunden, während ihr häuslicher Balkon im ersten Stock gelegen sei. Es komme hinzu, daß sie sich zu Hause – wäre es ihr dort übel geworden – wegen des Übergebens keine Gedanken gemacht hätte, weil dort anders als in ihrem Appartement im Kurzentrum keine dritten Personen Zugang hätten. Selbst wenn man den dritten Geschehensablauf zugrunde lege, wäre das besonders weite Vorbeugen zu Hause deshalb nicht notwendig gewesen, während sie im Appartement habe befürchten müssen, fremde Personen mit dieser von jedem normalempfindlichen Menschen als unangenehm und peinlich empfundenen Situation konfrontieren zu müssen.
Die Klägerin beantragt,
- das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 23. Juni 1998 sowie das Urteil des SG Duisburg vom 31. August 1995 und den Bescheid der Beklagten vom 11. Januar 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. August 1994 aufzuheben,
die Beklagte zu verurteilen, den Unfall vom 17. September 1987 als Arbeitsunfall anzuerkennen und dem Grunde nach zu entschädigen,
hilfsweise,
- die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Sie hat keinen Anspruch, wegen des Unfallereignisses vom 17. September 1987 aus der gesetzlichen Unfallversicherung entschädigt zu werden.
Der Anspruch der Klägerin richtet sich noch nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), weil der von ihr geltend gemachte Arbeitsunfall vor dem Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 1. Januar 1997 eingetreten ist (Art 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes ≪UVEG≫, § 212 SGB VII).
Die Klägerin hat am 17. September 1987 keinen Arbeitsunfall erlitten. Nach § 548 Abs 1 Satz 1 RVO ist Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Die Klägerin gehörte zwar während der ihr von der DAK als Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung gewährten stationären Kurmaßnahme (§ 559 RVO) grundsätzlich zu den nach § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a RVO gegen Arbeitsunfall versicherten Personen. Jedoch hat sie den Unfall vom 17. September 1987 nicht bei einer mit der stationären Behandlung zusammenhängenden versicherten Tätigkeit erlitten. Zu den versicherten „Tätigkeiten” bei einer stationären Behandlung gehört alles, was der Versicherte im inneren Zusammenhang mit der stationären Heilbehandlung verrichtet. Dafür reicht ein nur zeitlicher oder örtlicher Bezug nicht aus. Vielmehr muß eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, die es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit im Wege der Wertung zuzurechnen (BSGE 63, 273, 274 = SozR 2200 § 548 Nr 92 mwN; Bundessozialgericht ≪BSG≫ SozR 3-2200 § 548 Nr 28; Brackmann/Krasney, Handbuch der Sozialversicherung, SGB VII, 12. Aufl, § 2 RdNr 719). Der erforderliche innere Zusammenhang in diesem Sinne ist zunächst bei Verrichtungen gegeben, die der stationären Behandlung bzw Kur dienlich sind (BSG SozR 2200 § 539 Nr 84; BSG Urteil vom 26. März 1986 - 2 RU 32/85 - = USK 86166 mwN). Dazu genügt es, daß der Versicherte von seinem Standpunkt aus der Auffassung sein konnte, die Tätigkeit sei geeignet, seiner stationären Behandlung zu dienen und daß diese subjektive Meinung in den objektiv gegebenen Verhältnissen eine ausreichende Stütze findet (BSG SozR 2200 § 539 Nr 84; BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 2; Krasney in Festschrift für Gitter, 1995, S 481, 488). Diese Voraussetzungen liegen hier nach dem vom LSG festgestellten Sachverhalt, der insoweit nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden und daher für den Senat bindend (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫) ist, nicht vor.
Der Unfall der Klägerin ereignete sich während der Nachtruhe. Zwar dienen alltägliche, normale Verrichtungen wie Schlafen, Essen und Trinken dem Gesunden zur Erhaltung und grundsätzlich auch dem Kranken zur Wiedererlangung seiner Gesundheit. Allein hierdurch werden sie jedoch – wie etwa auch das lebensnotwendige Atmen – nicht zu der stationären Behandlung bzw Kur dienlichen Verrichtungen und damit nach § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a RVO versicherten Risiken (vgl BSG SozR 2200 § 539 Nr 84 mwN). Der Unfall der Klägerin erfolgte mithin bei einer dem rein persönlichen Bereich angehörenden eigenwirtschaftlichen Tätigkeit, die vom Versicherungsschutz des § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a RVO grundsätzlich nicht erfaßt wird (vgl BSG Urteil vom 26. März 1986 - 2 RU 32/85 - = USK 86166 -; Urteil vom 27. November 1986 - 2 RU 20/86 - = USK 86201 - jeweils mwN; Brackmann/Krasney, aaO, § 2 RdNr 720 mwN).
Allerdings hat der Senat den Versicherungsschutz nach § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a RVO auch bei eigenwirtschaftlichen Verrichtungen während der stationären Behandlung bzw Kurmaßnahme bejaht, wenn für den Unfall besondere, gerade mit dem Aufenthalt in der fremden Umgebung verbundene Gefahrenmomente wirksam geworden sind, die sich aus der Einrichtung des Krankenhauses bzw Kurheims ergeben. Hierbei wurde berücksichtigt, daß ähnlich wie bei Dienst- und Geschäftsreisen (vgl BSGE 50, 100 = BSG SozR 2200 § 548 Nr 50; BSG SozR 2200 § 539 Nr 110, jeweils mwN) die stationäre Behandlung vor allem durch die dauernde Unterbringung in einer Krankenanstalt bzw einem Kurheim und somit in fremder Umgebung gekennzeichnet ist und dabei die ungewohnten äußeren Lebensumstände während einer stationären Behandlung in den privaten Bereich hineinwirken können (BSGE 59, 291, 292 = SozR 2200 § 539 Nr 115; BSG Urteil vom 26. März 1986 - 2 RU 32/85 - = USK 86166 -; Urteil vom 27. November 1986 - 2 RU 20/86 - = USK 86201). Der Versicherte soll so gegen die durch das Verweilen in fremder Umgebung sich ergebenden besonderen Risiken geschützt werden, denen er bei im Normalfall anzutreffenden häuslichen Gegebenheiten nicht begegnet wäre (BSG SozR 2200 § 539 Nr 72; BSG Urteil vom 11. August 1998 - B 2 U 43/97 R - = HVBG-Info 1998, 2700; Krasney, aaO, S 490; Gitter, SGb 1982, 221, 225; KassKomm-Ricke, § 548 RVO, RdNr 153; Lauterbach/Schwerdtfeger, UV-SGB VII § 2 RdNr 542; Riebel in Hauck, K § 2 SGB VII RdNr 233).
Auf der Grundlage der Feststellungen des LSG, die auch insoweit nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden und daher für den Senat bindend sind, waren hier aber die dafür erforderlichen Voraussetzungen nicht gegeben. Danach ist der Unfallhergang wegen des fehlenden Erinnerungsvermögens der Klägerin zwar nicht mehr genau feststellbar, aber auf drei mögliche Geschehensabläufe einzugrenzen; weitere Versionen sind ausgeschlossen. Hiergegen hat die Klägerin zwar vorgebracht, es seien nur zwei – ihrer Ansicht nach wahrscheinlichere und unter Versicherungsschutz stehende – Geschehensabläufe anzunehmen, da die Annahme des dritten vom LSG festgestellten möglichen Geschehensablaufs allein auf der Auswertung des Gutachtens des Prof. Dr. H. beruhe, das aber lediglich ein Privatgutachten sei und im übrigen den dritten Geschehensablauf gegenüber den beiden anderen in den Hintergrund treten lasse. Diese Rüge betrifft die Beweiswürdigung durch das Berufungsgericht, die indes grundsätzlich in dessen Ermessen steht; das Revisionsgericht kann nur prüfen, ob das Tatsachengericht bei seiner Beweiswürdigung gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen hat, und ob es das Gesamtergebnis des Verfahrens berücksichtigt hat (BSG Urteil vom 27. Januar 1994 - 2 RU 3/93 - = HVBG-Info 1994, 943 = USK 9422 mwN; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 2. Aufl 1997, III, RdNrn 162 f). Ein solcher Verstoß ist nicht vorgetragen und auch sonst nicht erkennbar. Allgemeine Erfahrungssätze, gegen die das Berufungsgericht verstoßen haben könnte, hat die Klägerin nicht genannt. Ein Verstoß gegen die Denkgesetze liegt nicht schon dann vor, wenn das Gericht eine falsche Folgerung gezogen hat, sondern nur dann, wenn aus dem festgestellten Sachverhalt nur eine Schlußfolgerung gezogen werden kann, jede andere, also auch die, welche das Gericht tatsächlich gezogen hat, nicht „denkbar” ist (BSG Beschluß vom 28. September 1998 - B 2 U 236/98 B -; Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl, 1998, § 128 RdNr 12 mwN). Dies ist hier nicht der Fall. Die Revision setzt vielmehr im Kern ihre Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des LSG; dies ist im Revisionsverfahren jedoch unzulässig (BSG SozR 1500 § 164 Nr 31; s auch BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 19). Die weiteren Verfahrensrügen der Klägerin, das LSG habe es unter Verletzung seiner Amtsermittlungspflicht unterlassen, die genaue Beschaffenheit des Balkons und die ihrer eigenen häuslichen Umgebung zu ermitteln, sind unzulässig, weil nicht dargelegt ist, inwiefern sich das Berufungsgericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung dazu gedrängt fühlen mußte.
Unfallversicherungsrechtlich muß das Wirksamwerden eines bestimmten, mit dem Kurheimaufenthalt zusammenhängenden Gefahrenmoments sicher feststehen, also der volle Nachweis erbracht sein, da es sich dabei um ein anspruchsbegründendes Merkmal handelt (vgl BSGE 61, 127, 128, 130 = SozR 2200 § 548 Nr 84 mwN). Das ist nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG im vorliegenden Rechtsstreit jedoch nicht der Fall, da der genaue Unfallhergang nicht aufklärbar ist und naturgemäß mehrere Möglichkeiten gegeben sind.
Auch die Voraussetzungen für eine sog Wahlfeststellung (s BSGE 13, 51, 53 = SozR Nr 51 zu § 1 BVG; BSG SozR 2200 § 548 Nr 80, SozR 3-2200 § 550 Nr 5) sind nicht gegeben. Nach den auch im Unfallversicherungsrecht anzuwendenden Regeln dieser Rechtsfigur ist Unfallversicherungsschutz dann zu bejahen, ohne daß es einer bis ins einzelne gehenden Sachaufklärung bedarf, wenn bei nicht aufklärbarem Unfallverlauf alle denkbaren Unfallverläufe und -zusammenhänge zu dem Ergebnis führen, daß die versicherte Tätigkeit – bzw hier ein kurheimspezifisches Gefahrenmoment – ursächlich iS der unfallversicherungsrechtlichen Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung war (vgl BSGE 61, 127, 129 = SozR 2200 § 548 Nr 84 mwN; BSG Urteil vom 12. Juni 1990 - 2 RU 58/89 - = USK 90150 = HV-Info 1990, 2064; BSG SozR 3-2200 § 550 Nr 7). Nach den Feststellungen des LSG war bei allen denkbaren Unfallverläufen die Balkonumwehrung für den Sturz mitverantwortlich. Daraus folgt indes noch nicht, daß es sich dabei um ein mit dem Kurheimaufenthalt verbundenes Gefahrenmoment handelte, dem die Klägerin bei im Normalfall anzutreffenden häuslichen Gegebenheiten nicht begegnet wäre. Die Balkonumwehrung mag zwar mit 0,96 m verhältnismäßig niedrig gewesen sein, entsprach jedoch nach den Feststellungen des LSG den damals geltenden bauordnungsrechtlichen Bestimmungen, war auch sonst von normaler Beschaffenheit und nur bei einem von der üblichen Balkonbenutzung erheblich abweichenden Geschehensablauf als Absturzsicherung zu überwinden. Eine solche bauliche Einrichtung ist – anders als etwa ein nur durch Besteigen eines Hockers zu bedienender Münzfernseher (BSG Urteil vom 12. Mai 1981 - 2 RU 7/80 - = USK 81106) – dem privaten häuslichen Bereich nicht grundsätzlich fremd, ist vielmehr auch dort häufig anzutreffen und stellt daher keine kurheimeigentümliche Gefahr dar. Dies gilt auch für eine hohe Balkontürschwelle, die bei dem ersten Geschehensablauf für den Sturz von Bedeutung war.
Im übrigen wäre eine Wahlfeststellung hier auch bei Annahme eines kurheimeigentümlichen Gefahrenmoments nicht möglich, weil das LSG in rechtlich nicht zu beanstandender Weise auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen zu dem Schluß gekommen ist, daß jedenfalls bei dem denkbaren dritten Geschehensablauf die Balkonumwehrung gegenüber dem krankheitsbedingten riskanten Verhalten der Klägerin als Mitursache derart in den Hintergrund trat, daß sie keine wesentliche Mitbedingung für den Sturz darstellte. Die mit der Entwicklung und dem Verlauf der die stationäre Behandlung bzw den Kuraufenthalt bedingenden – und erst recht einer davon unabhängigen – Erkrankung selbst verbundenen Risiken gehören jedoch dem privaten Bereich an und sind daher unversichert, auch wenn sie zu einem Unfall führen (BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 2; Brackmann/Krasney, aaO, § 2 RdNr 715).
Die Folgen der objektiven Beweislosigkeit hat nach der ständigen Rechtsprechung des BSG die Versicherte zu tragen (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 14 mwN), so daß ihr ein Anspruch auf Entschädigung wegen des Unfalls vom 17. September 1987 nicht zusteht.
Die Revision der Klägerin war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
AuA 1999, 460 |
SGb 1999, 512 |
SozSi 1999, 435 |