Entscheidungsstichwort (Thema)
Einsatz von Vertrauenspersonen im Ermittlungsverfahren
Beteiligte
1. Rechtsanwälte Sieghart Ott und Kollegin |
2. Rechtsanwälte Gerhard Strate und Kollege |
3. Rechtsanwalt Dr. Edgar Weiler |
Rechtsanwalt Dr. Gunter Widmaier |
Verfahrensgang
BGH (Urteil vom 21.07.1994; Aktenzeichen 1 StR 83/94) |
LG München I (Urteil vom 21.05.1993; Aktenzeichen Ks 122 Js 3887/91) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde-Verfahren werden verbunden.
Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerden betreffen vor allem die Frage, ob der Einsatz von Vertrauenspersonen im Ermittlungsverfahren, der zur Erfassung von Äußerungen einer zur Aussageverweigerung berechtigten Zeugin führte, nach deren Aussageverweigerung in der Hauptverhandlung zu einem Beweisverwertungsverbot für das strafgerichtliche Urteil führt.
I.
Das Landgericht verurteilte die Beschwerdeführer jeweils wegen Mordes in Tateinheit mit schwerem Raub zu lebenslanger Freiheitsstrafe, bei dem Beschwerdeführer zu 1. unter Bejahung der besonderen Schwere seiner Schuld.
Nach den Feststellungen des Landgerichts waren zwei Vertrauensleute von der ermittelnden Polizeibehörde förmlich für den öffentlichen Dienst verpflichtet worden. Sie hatten monatelang im Umfeld der beiden des Mordes verdächtigen Beschwerdeführer ermittelt und dabei das Vertrauen der Verlobten des Beschwerdeführers zu 2. erworben. Diese äußerte sich eines Tages ungefragt gegenüber einem der Vertrauensleute zur Herkunft des Tatwerkzeugs aus dem Haushalt ihrer Familie. Sie erläuterte ihre Bemerkung auf Nachfrage durch den Vertrauensmann. Diese Informationen flossen durch die Vernehmung der Vertrauensleute als Zeugen in das gegen die Beschwerdeführer ergangene Urteil des Landgerichts ein, obwohl die Verlobte des Beschwerdeführers zu 2. als Zeugin in der Hauptverhandlung die Aussage verweigert hatte.
Das Landgericht und der Bundesgerichtshof sahen die Verwertung der Ausführungen der Zeugin gegenüber dem V-Mann der Polizei als rechtlich unbedenklich an. Der Bundesgerichtshof (BGHSt 40, 211 ff.) schloss nicht nur die von den Beschwerdeführern befürwortete entsprechende Anwendung des § 252 StPO auf den Fall aus, dass V-Leute gezielt auf Beschuldigte in deren Umfeld eingesetzt werden und damit auch für die Ermittlungsbehörden erkennbar Personen betroffen werden können, die sich später auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen könnten. Er hielt es auch unter verfassungsrechtlichen Aspekten, insbesondere nach dem aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Grundsatz eines fairen Verfahrens nicht für angezeigt, die Äußerungen der Zeugin gegenüber den V-Leuten, deren Einsatz zur Aufklärung eines Mordes er grundsätzlich für zulässig erachtet hat, nicht zu verwerten.
II.
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde machen die Beschwerdeführer die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 sowie Art. 6 Abs. 1 GG, der Beschwerdeführer zu 1. darüber hinaus aus Art. 2 Abs. 2, Art. 3 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 GG geltend. Vor allem wenden sie sich gegen den gezielten Einsatz von Vertrauenspersonen in ihrem Umfeld, der die Zeugin unter Missachtung ihres Zeugnisverweigerungsrechts zu gerichtlich verwerteten Angaben veranlasst habe, und rügen deshalb einen Verstoß gegen den Grundsatz eines fairen Verfahrens.
Entscheidungsgründe
III.
Die Verfassungsbeschwerden werden gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg haben (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪24 ff.≫). Sie sind unzulässig.
1. Soweit die Beschwerdeführer die heimliche Ausforschung ihres persönlichen Umfeldes durch Vertrauensleute rügen, entspricht die Verfassungsbeschwerde nicht den gemäß §§ 23 Abs. 1 Satz 2, 92 BVerfGG an die Begründung einer Verfassungsbeschwerde zu stellenden Anforderungen.
a) Ein Beschwerdeführer hat danach nicht nur die Grundrechtsverletzung durch Bezeichnung des angeblich verletzten Rechts und des die Verletzung enthaltenden Vorgangs substantiiert und schlüssig darzulegen. Er ist weiterhin gehalten vorzutragen, inwieweit das gerügte Grundrecht durch die angegriffenen Maßnahmen verletzt ist (vgl. BVerfGE 99, 84 ≪87≫).
b) Diesen Anforderungen werden die Verfassungsbeschwerden nicht gerecht. Sie legen nicht dar, inwiefern durch die Verurteilung der Beschwerdeführer unter Berücksichtigung der von der Zeugin gegenüber dem V-Mann gemachten Angaben Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte verletzt worden sind. Zwar gehen die Verfassungsbeschwerden auf die auch verfassungsrechtlich bedeutsame Frage der Zulässigkeit eines gezielten Einsatzes von V-Personen im Umfeld von Beschuldigten ein, in dessen Zusammenhang eine Zeugin unter Missachtung ihres bestehenden Zeugnisverweigerungsrechts zu Angaben veranlasst worden ist. Sie zeigen damit auch eine Verletzung ihres Anspruchs auf ein faires rechtsstaatliches (Ermittlungs-)Verfahren auf. Denn das den Ermittlungsbehörden im Rahmen des erteilten Auftrags zuzurechnende Vorgehen der Vertrauensleute (vgl. BGH, StV 2000, S. 57 ≪61≫) stellt sich nicht nur als eine rein passive Informationserlangung ohne Eingriffscharakter, sondern spätestens mit der Nachfrage bei der Zeugin nach ihrer spontanen Äußerung als eine heimliche Befragung einer Aussageperson durch V-Personen und damit als eine Maßnahme dar, die jedenfalls ohne spezielle gesetzliche Ermächtigungsgrundlage nicht zulässig war. Die darin liegende Missachtung des Vertrauensverhältnisses zwischen einem Beschuldigten und seinen Angehörigen im Sinne des § 52 StPO enthält einen Verstoß gegen das Prinzip eines fairen Verfahrens, da der in verschiedenen Vorschriften des Strafverfahrensrechts garantierte Schutz eines Angehörigenverhältnisses (vgl. §§ 52 Abs. 1 und 3, 97 Abs. 1, 100d Abs. 3 Satz 3, 252 StPO) in seinem Kernbestand zu den rechtsstaatlich unverzichtbaren Erfordernissen eines fairen Verfahrens zählt.
Die Beschwerdeführer versäumen es aber, sich mit der Frage auseinander zu setzen, ob und gegebenenfalls welche Folgerungen aus diesem Verfahrensverstoß im Ermittlungsverfahren für die Berücksichtigung der dabei gewonnenen Erkenntnisse in der Hauptverhandlung zu ziehen sind. Lehnen Strafgerichte die Annahme eines Verwertungsverbots bezüglich im Ermittlungsverfahren gewonnener Erkenntnisse ab und berücksichtigen sie diese in ihrem strafgerichtlichen Urteil, muss ein Beschwerdeführer – um den verfassungsprozessualen Begründungsanforderungen zu genügen – auf die Frage eingehen, ob und warum eine Beweisverwertung unzulässig ist und inwiefern die Ablehnung eines Beweisverwertungsverbots seine verfassungsrechtlich verbürgten Rechte beeinträchtigt. Dies setzt regelmäßig zwar auch eine Befassung mit dem der Beweisverwertung zugrunde liegenden Vorgang der Beweisgewinnung voraus, weil seine Beurteilung – als rechtmäßig, als einfach-rechtlicher Verstoß gegen strafverfahrensrechtliche Vorschriften oder sogar als Eingriff in verfassungsrechtlich geschützte Rechtspositionen – für die Annahme eines Beweisverwertungsverbots von ausschlaggebender Bedeutung ist. Grundsätzlich ist es damit aber nicht getan, sich ausschließlich mit der Frage der Zulässigkeit oder Rechtmäßigkeit der Beweiserhebung auseinander zu setzen, weil sich allein daraus nicht ohne weiteres ein Beweisverwertungsverbot ableiten lässt, jedenfalls nicht feststeht, ob die Ablehnung eines Verwertungsverbots Verfassungsrecht verletzt.
Dies gilt umso mehr, als es feste verfassungsrechtliche Maßstäbe für die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen von Verfassungs wegen ein Beweisverbot im Strafverfahren in Betracht kommt, in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung noch nicht gibt (vgl. BVerfGE 44, 353 ≪370 ff.≫; 56, 37 ≪50 f.≫; 80, 367 ≪373 ff.≫; vgl. auch BVerfGE 85, 386 ≪395 ff.≫).
2. Die weitere Beanstandung des Beschwerdeführers zu 1., er sei im Ermittlungsverfahren unter Verletzung seiner Beschuldigtenrechte anfangs als Zeuge vernommen worden, ist unzulässig. Der Beschwerdeführer hat die rechtzeitige Erhebung des von der Rechtsprechung (vgl. BGHSt 38, 214 ≪225 f.≫; 39, 349 ≪352≫; 42, 15 ≪22 ff.≫) geforderten Widerspruchs gegen die Beweisverwertung in der tatrichterlichen Hauptverhandlung nicht in seiner Revisionsbegründung dargelegt; er hat deshalb bereits keine zulässige Verfahrensrüge angebracht. Dadurch ist zugleich der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde nicht gewahrt.
3. Die Rüge des Beschwerdeführers zu 1., es habe eine Täuschung des Beschwerdeführers zu 2. in einer Beschuldigtenvernehmung durch den Vorhalt seiner Aussage gegenüber einem Informanten der Polizei vorgelegen, genügt gleichfalls nicht den Begründungsanforderungen gemäß §§ 23 Abs. 1 Satz 2, 92 BVerfGG. Die entsprechende Revisionsrüge wurde vom Bundesgerichtshof aus tatsächlichen Gründen als unbegründet bezeichnet. Die bloße Behauptung, diese Entscheidung sei nicht nachvollziehbar, legt einen Grundrechtsverstoß nicht hinreichend dar.
4. Unsubstantiiert sind auch die Angriffe des Beschwerdeführers zu 1. auf die Beweiswürdigung und die Annahme der besonderen Schwere seiner Schuld durch das Landgericht. Feststellungen zu Einzelheiten des Tatgeschehens und zu Indiztatsachen hat das Landgericht auf Zeugenaussagen und Sachbeweise gestützt. Die besondere Schwere der Schuld wurde mit Strafschärfungsgründen begründet. Darauf geht der Beschwerdeführer zu 1. nicht ein.
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Limbach, Hassemer, Broß
Fundstellen
Haufe-Index 565325 |
wistra 2000, 216 |
StraFo 2000, 190 |