Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an Beschluss zur Durchsuchung von Geschäftsräumen aufgrund des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Durchsuchungsbeschluss muss insbesondere den Tatvorwurf so beschreiben, dass der äußere Rahmen abgesteckt wird, innerhalb dessen die Zwangsmaßnahme durchzuführen ist. Der Richter muss die aufzuklärende Straftat oder Ordnungswidrigkeit, wenn auch kurz, doch so genau umschreiben, wie es nach den Umständen des Einzelfalls möglich ist.
2. Ein Durchsuchungsbeschluss genügt nicht den Anforderungen, wenn die zitierten Normen unterschiedliche Formen der Schwarzarbeit erfassen, Angaben zum tatsächlich vorgeworfenen Verhalten und zum Tatzeitraum fehlen und die Benennung der Beweismittel („Verträge oder Aufträge jeder Art von oder mit Kunden, Rechnungen, Bankbelege sowie Buchführungsunterlagen, Muster- oder Mustermappen, Karteikarten, Terminkalender, Schriftverkehr aus dem hervorgeht, dass der Obengenannte das Handwerk/Gewerbe ausübt, Quittungen, Sparkassenbücher etc.”) die Suche nach nahezu allen denkbaren schriftlichen Geschäftsunterlagen ohne zeitliche Eingrenzung zulässt, den Ermittlungspersonen somit nicht zweifelsfrei aufzeigt, worauf sie ihr Augenmerk bei der Durchsuchung zu richten hatten.
Normenkette
StPO § 102; GG Art. 13 Abs. 1-2; SchwarzArbG 2004 § 1 Abs. 2 Nr. 4; SchwarzArbG 2004 § 1 Abs. 2 Nr. 5; SchwarzArbG 2004 § 8 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Beschluss vom 23.05.2008; Aktenzeichen 061 Qs 62/08) |
AG Langenfeld (Beschluss vom 19.11.2007; Aktenzeichen 40 Gs 71/07) |
Tenor
Der Beschluss des Amtsgerichts Langenfeld vom 19. November 2007 – 40 Gs 71/07 –, soweit er die Durchsuchung der Geschäftsräume der Beschwerdeführerin angeordnet hat, und der Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 23. Mai 2008 – 061 Qs 62/08 – verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 13 Absatz 1 und 2 des Grundgesetzes.
Die Entscheidungen werden im vorgenannten Umfang aufgehoben. Damit ist der Beschluss des Amtsgerichts Langenfeld vom 21. April 2008 – 40 Gs 71/07 – gegenstandslos. Die Sache wird an das Landgericht Düsseldorf zur Entscheidung über die Kosten zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen die Anordnung der Durchsuchung ihrer Geschäftsräume in einem gegen ihren Geschäftsführer geführten Verfahren wegen des Verdachts bußgeldbewehrter Verstöße gegen das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung (Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz – SchwarzArbG) vom 23. Juli 2004 (BGBl I S. 1842) in der Fassung vom 7. September 2007 (BGBl I S. 2246).
I.
1. Die nicht in der Handwerksrolle eingetragene Beschwerdeführerin betreibt ein Gewerbe, das sie zunächst als „Bauleitung, Bauvermittlung, Bauvermessung” und „Dienstleistungen im Bauwesen” gewerberechtlich angemeldet hatte. Mit Ummeldung vom 14. Februar 2008 konkretisierte sie die Baudienstleistungen als „Trockenbau, Verputzarbeiten, Bauten- und Objektbeschichtung, Bauwerksabdichtung, Fassadenmontage sowie Einbau von genormten Baufertigteilen”.
2. a) Das Amtsgericht Langenfeld ordnete auf Antrag der Verfolgungsbehörde mit angegriffenem Beschluss vom 19. November 2007 unter anderem die Durchsuchung der Geschäftsräume der Beschwerdeführerin an. Der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin sei nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen verdächtig, durch die Beschwerdeführerin „Arbeiten des Dachdecker-Handwerkes auszuführen unter Verstoß gegen § 1 Abs. 2 Nr. 4 u. 5 des Gesetzes zur Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit und damit zusammenhängender Steuerhinterziehung”. Es sei zu vermuten, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen werde, insbesondere „Verträge oder Aufträge jeder Art von oder mit Kunden, Rechnungen, Bankbelege sowie Buchführungsunterlagen, Muster- oder Mustermappen, Karteikarten, Terminkalender, Schriftverkehr aus dem hervorgeht, dass der Obengenannte das Handwerk/Gewerbe ausübt, Quittungen, Sparkassenbücher etc.”
b) Die Durchsuchung fand am 5. Dezember 2007 statt.
3. a) Das Amtsgericht Langenfeld half der Beschwerde der Beschwerdeführerin mit Beschluss vom 21. April 2008 nicht ab. Der angefochtene Beschluss sei zu Recht ergangen. Aus den seinerzeit von der Verfolgungsbehörde vorgelegten Unterlagen habe sich ein Anfangsverdacht ergeben. Die Behörde habe vorgetragen, dass am 22. Oktober 2007 Mitarbeiter der Beschwerdeführerin auf einer näher bezeichneten Baustelle Arbeiten des Dachdeckerhandwerks ausgeführt hätten, obwohl eine diesbezügliche Eintragung in die Handwerksrolle für die Beschwerdeführerin nicht vorgelegen habe. Da der Beschuldigte Geschäftsführer der Beschwerdeführerin sei und nach dem Sachvortrag der Behörde die ihm vorgeworfene Tat im Rahmen des Geschäftsbetriebs der Beschwerdeführerin verübt habe, habe die Beschwerdeführerin die Durchsuchung ihrer Geschäftsräume hinzunehmen gehabt.
b) Das Landgericht Düsseldorf verwarf die Beschwerde mit angegriffenem Beschluss vom 23. Mai 2008 als unbegründet. Ein Tatverdacht sei im Hinblick auf das näher bezeichnete Bauvorhaben zutreffend bejaht worden. Das Amtsgericht sei auch zutreffend davon ausgegangen, dass Beweismittel aufgefunden werden könnten. Außerdem sei die Durchsuchung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auch verhältnismäßig gewesen, weil der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin der Begehung von Ordnungswidrigkeiten verdächtig sei, die nach § 8 Abs. 3 SchwarzArbG mit einer Geldbuße bis zu 50.000 EUR und somit mit einer nicht unerheblichen Sanktion bedroht seien. Die angeordnete Maßnahme habe in angemessenem Verhältnis zur Stärke des Tatverdachts und zur Schwere der Tat gestanden.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die Beschwerdeführerin sieht sich durch die angegriffenen Beschlüsse in ihrem Grundrecht aus Art. 13 GG verletzt. Der Tatvorwurf sei nicht genau umschrieben worden. Es fehlten hinreichende tatsächliche Angaben über den aufzuklärenden Sachverhalt beziehungsweise die aufzuklärende Straftat oder Ordnungswidrigkeit. Ferner seien Ziel und Zweck der Durchsuchung nicht in ausreichendem Maße beschrieben worden. So sei nicht dargelegt worden, welche einzelnen konkreten Beweismittel hätten aufgefunden werden sollen. Darüber hinaus habe das Landgericht Düsseldorf die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme zu Unrecht bejaht. Kein einziger der vom Bundesverfassungsgericht zum Thema Hausdurchsuchung und Handwerksrecht aufgestellten Grundsätze sei berücksichtigt worden.
2. Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hat von einer Stellungnahme abgesehen. Die Akte des Ausgangsverfahrens ist beigezogen worden.
III.
Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung nach § 93c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 93a Abs. 2 BVerfGG sind erfüllt. Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG; vgl. BVerfGE 42, 212 ≪220≫; 103, 142 ≪150 f.≫), und die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des Grundrechts der Beschwerdeführerin aus Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).
1. Die angegriffenen Beschlüsse verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 GG.
a) Art. 13 Abs. 1 GG bestimmt die Unverletzlichkeit der Wohnung. Auf dieses Grundrecht, das auch Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume umfasst (vgl. BVerfGE 76, 83 ≪88≫), kann sich die Beschwerdeführerin als inländische juristische Person nach Art. 19 Abs. 3 GG berufen (vgl. BVerfGE 42, 212 ≪219≫; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 26. März 2007 – 2 BvR 1006/01 –, NVwZ 2007, S. 1047 ≪1048≫).
aa) Eine Durchsuchung greift in die durch Art. 13 Abs. 1 GG geschützte persönliche Lebenssphäre schwerwiegend ein (vgl. BVerfGE 103, 142 ≪150 f.≫). Dem Gewicht dieses Eingriffs und der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Schutzes der räumlichen Privatsphäre entspricht es, dass Art. 13 Abs. 2 GG die Anordnung einer Durchsuchung grundsätzlich dem Richter vorbehält (vgl. BVerfGE 103, 142 ≪151≫). Diesen trifft als Kontrollorgan der Verfolgungsbehörden die Pflicht, durch eine geeignete Formulierung des Durchsuchungsbeschlusses im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren sicherzustellen, dass der Eingriff in die Grundrechte messbar und kontrollierbar bleibt (vgl. BVerfGE 42, 212 ≪220≫; 103, 142 ≪151≫). Dazu muss der Beschluss insbesondere den Tatvorwurf so beschreiben, dass der äußere Rahmen abgesteckt wird, innerhalb dessen die Zwangsmaßnahme durchzuführen ist (vgl. BVerfGE 103, 142 ≪151≫; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 7. September 2007 – 2 BvR 620/02 –, juris, Rn. 20; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 7. September 2007 – 2 BvR 260/03 –, juris, Rn. 14). Der Richter muss die aufzuklärende Straftat oder Ordnungswidrigkeit, wenn auch kurz, doch so genau umschreiben, wie es nach den Umständen des Einzelfalls möglich ist (vgl. BVerfGE 20, 162 ≪224≫; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 7. September 2007 – 2 BvR 620/02 –, a.a.O., Rn. 20; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 7. September 2007 – 2 BvR 260/03 –, a.a.O., Rn. 14). Dies versetzt dann den von der Durchsuchung Betroffenen zugleich in den Stand, die Durchsuchung seinerseits zu kontrollieren und etwaigen Ausuferungen im Rahmen seiner rechtlichen Möglichkeiten von vornherein entgegenzutreten (vgl. BVerfGE 42, 212 ≪220≫; 103, 142 ≪151≫).
b) Diesen Anforderungen werden die angegriffenen Beschlüsse nicht gerecht.
aa) Der Beschluss des Amtsgerichts Langenfeld vom 19. November 2007 genügt nicht seiner verfassungsrechtlichen Begrenzungsfunktion und ist, soweit er die Durchsuchung der Geschäftsräume der Beschwerdeführerin angeordnet hat, bereits aus diesem Grund aufzuheben (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 7. September 2007 – 2 BvR 620/02 –, a.a.O., Rn. 23).
Der Durchsuchungsbeschluss benennt und umschreibt die dem Geschäftsführer der Beschwerdeführerin zur Last gelegte Tat lediglich als „Arbeiten des Dachdecker-Handwerks … unter Verstoß gegen § 1 Abs. 2 Nr. 4 u. 5 des Gesetzes zur Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit und damit zusammenhängender Steuerhinterziehung”. Der Beschluss lässt damit offen, welcher Verstoß dem Geschäftsführer der Beschwerdeführerin angelastet wird, weil § 1 Abs. 2 Nr. 4 SchwarzArbG einerseits und § 1 Abs. 2 Nr. 5 SchwarzArbG andererseits unterschiedliche Formen von Schwarzarbeit beschreiben und die Angabe eines Bußgeldtatbestandes im Durchsuchungsbeschluss gänzlich fehlt. Auch die Bußgeldvorschrift des § 8 SchwarzArbG, die im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Schwarzarbeit die Tatbestandsvoraussetzungen verschiedener Ordnungswidrigkeiten normiert und Geldbußen in unterschiedlicher Höhe androht, wird im Durchsuchungsbeschluss nicht erwähnt. Hinzu kommt eine unrichtige Gesetzesbezeichnung. Angewandt wurde nicht das (Artikel-)Gesetz „zur Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit und damit zusammenhängender Steuerhinterziehung”, sondern das „Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung”.
Vor allem aber enthält der Durchsuchungsbeschluss keine konkreten Angaben zu dem dem Geschäftsführer der Beschwerdeführerin tatsächlich vorgeworfenen Verhalten sowie zum Tatzeitraum. Aus dem Durchsuchungsbeschluss wird nicht ersichtlich, welches konkrete Verhalten dem Geschäftsführer der Beschwerdeführerin zur Last gelegt wird und inwiefern sich daraus der Verdacht einer Ordnungswidrigkeit nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz ergeben könnte.
Zwar ist die Angabe von Indiztatsachen, auf die der Verdacht gestützt wird, in einem Durchsuchungsbeschluss nicht stets von Verfassungs wegen zwingend notwendig. Dies gilt allerdings nur, wenn sie nicht zur Begrenzung der richterlichen Durchsuchungsgestattung notwendig sind (vgl. BVerfGK 1, 51 ≪52≫; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 7. September 2007 – 2 BvR 620/02 –, a.a.O., Rn. 24), etwa weil sich in der Zusammenschau mit der Umschreibung der aufzufindenden Beweismittel ergibt, worauf die mit der Durchsuchung betrauten Beamten ihr Augenmerk zu lenken haben. Daran fehlt es hier. Die Benennung der Beweismittel „Verträge oder Aufträge jeder Art von oder mit Kunden, Rechnungen, Bankbelege sowie Buchführungsunterlagen, Muster- oder Mustermappen, Karteikarten, Terminkalender, Schriftverkehr aus dem hervorgeht, dass der Obengenannte das Handwerk/Gewerbe ausübt, Quittungen, Sparkassenbücher etc.”) lässt vielmehr die Suche nach nahezu allen denkbaren schriftlichen Geschäftsunterlagen ohne zeitliche Eingrenzung zu (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 21. April 2008 – 2 BvR 1910/05 –, juris, Rn. 22). Den Ermittlungspersonen war somit nicht zweifelsfrei aufgezeigt, worauf sie ihr Augenmerk bei der Durchsuchung zu richten hatten. Der äußere Rahmen der Durchsuchung war nicht hinreichend abgesteckt.
bb) Der Beschluss des Landgerichts Düsseldorf konnte diesen Mangel nicht beseitigen, wobei es auf den Inhalt der Gründe seiner Entscheidung nicht ankommt. Denn Mängel bei der ermittlungsrichterlich zu verantwortenden Umschreibung des Tatvorwurfs und der zu suchenden Beweismittel können, wenn die Durchsuchung – wie hier – bereits stattgefunden hat, im Beschwerdeverfahren nicht geheilt werden (vgl. BVerfGK 5, 84 ≪88≫; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 20. April 2004 – 2 BvR 2043/03, 2 BvR 2104/03 –, NJW 2004, S. 3171).
2. Der Beschluss des Amtsgerichts Langenfeld vom 19. November 2007, soweit er die Durchsuchung der Geschäftsräume der Beschwerdeführerin angeordnet hat, und der Beschluss des Landgerichts Düsseldorf sind aufzuheben. Die Sache wird an das Landgericht Düsseldorf zur Entscheidung über die Kosten zurückverwiesen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).
3. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Fundstellen
Haufe-Index 2947542 |
BFH/NV 2012, 1085 |
HFR 2012, 660 |