Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit von § 67 Abs. 3 BewG i.d.F. vom 13.7.1961. Verdoppelung der Freibeträge für das sonstige Vermögen bei Zusammenveranlagung zur Vermögensteuer
Leitsatz (amtlich)
§ 67 Absatz 3 des Bewertungsgesetzes in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 1961 vom 13. Juli 1961 – Bundesgesetzbl. I S. 981 – (= § 110 Absatz 3 in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. Dezember 1965 – Bundesgesetzbl. I S. 1861 –) ist mit dem Grundgesetz vereinbar.; BewG a. F. § 67 Abs. 3 = BewG 1965 § 110 Abs. 3.
Normenkette
BewG § 67 Abs. 3, § 110 Abs. 3, § 119; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1; VStG §§ 4-5, 11
Tatbestand
I.
1. Bei der Veranlagung zur Vermögensteuer ist das Gesamtvermögen des unbeschränkt Steuerpflichtigen mit dem Wert anzusetzen, der sich nach §§ 73 bis 77 (114 bis 121) des Bewertungsgesetzes ergibt (§ 4 des Vermögensteuergesetzes – VStG –). Unbeschränkt steuerpflichtige Ehegatten, die nicht dauernd getrennt leben, werden zusammen veranlagt; dasselbe gilt für den Haushaltsvorstand und seine noch nicht 18 Jahre alten Kinder (§ 11 Abs. 1 und 2 VStG). Bei der Zusammen Veranlagung wird das Vermögen der Ehegatten und der Kinder zur Ermittlung des Gesamtvermögens zusammengerechnet (§ 75 [119] BewG).
2. Das Bewertungsgesetz unterscheidet folgende Vermögensarten (§ 19 [18]):
1) Land- und forstwirtschaftliches Vermögen
2) Grundvermögen
3) Betriebsvermögen
4) Sonstiges Vermögen.
Sonstiges Vermögen sind Wirtschaftsgüter, die nicht zu den drei anderen Vermögensarten gehören (vgl. im einzelnen die Aufzählung in § 67 Abs. 1 [§ 110 Abs. 1]). Von besonderer Bedeutung sind die unter Nr. 1 bis 3 genannten Wirtschaftsgüter des „nichtgewerblichen Kapitalvermögens”, nämlich Kapitalforderungen, Spareinlagen, Bankguthaben, Zahlungsmittel, Aktien, Geschäftsanteile u. dgl.
3. Bei der Ermittlung des Wertes der unter § 67 (110) Abs. 1 Nr. 1 bis 3 fallenden Wirtschaftsgüter sind Freibeträge zu berücksichtigen. Zunächst gehören Spareinlagen, Bankguthaben, Postscheckguthaben und sonstige laufende Guthaben, sowie Zahlungsmittel, die auf Deutsche Mark lauten, bei natürlichen Personen nur insoweit zum sonstigen Vermögen, als sie insgesamt 1 000 Deutsche Mark übersteigen (Abs. 1 Nr. 2). § 67 (110) Abs. 2 und 3 bestimmen ferner:
(2) Bei der Ermittlung des Werts des sonstigen Vermögens bleibt der Wert der Wirtschaftsgüter, der sich nach Abs. 1 Ziffer 1 bis 3 ergibt, bis zum Betrage von insgesamt 10 000 Deutsche Mark außer Betracht.
(3) Im Falle einer Zusammenveranlagung nach § 11 Abs. 1 oder 2 des Vermögensteuergesetzes erhöhen sich die Freibeträge und Freigrenzen nach den Absätzen 1 und 2 auf den doppelten Betrag.
4. Außer diesen Freibeträgen, die den Wert des „sonstigen Vermögens” beeinflussen, gewährt das Vermögensteuergesetz allgemeine („persönliche”) Freibeträge. Sie werden nach abgeschlossener Ermittlung des Gesamtvermögens von diesem abgesetzt; so ergibt sich das „steuerpflichtige Vermögen” (§ 7 Nr. 1 a VStG). Die Höhe dieser Freibeträge ist in § 5 VStG eingehend geregelt: Grundsätzlich bleiben für den Steuerpflichtigen selbst, für seine Ehefrau und für jedes noch nicht 18 Jahre alte Kind je 20 000 DM vermögensteuerfrei; unter gewissen Voraussetzungen erhöhen sich die Freibeträge für den Steuerpflichtigen und seinen Ehegatten (Altersfreibeträge, § 5 Abs. 2 und 3). Der Freibetrag für Kinder kann auch über das 18. Lebensjahr hinaus gewährt werden, namentlich wenn das Kind noch in der Berufsausbildung steht. Im allgemeinen deckt sich der Kreis der Freibetragsberechtigten mit dem der zusammenveranlagten Familienmitglieder; bei den Kindern kommt es jedoch häufig vor, daß der Freibetrag weiter gewährt wird, während die Zusammenveranlagung aufhört; für ein Kind, das an der Zusammenveranlagung teilnimmt, wird immer ein Freibetrag gewährt.
Entscheidungsgründe
II.
Die Berufungsführerin des Ausgangsverfahrens, eine Witwe, wurde bei der Vermögensteuerveranlagung zum i. Januar 1963 mit ihren drei Kindern zusammen veranlagt. Alle vier Mitglieder der Veranlagungsgemeinschaft besaßen „sonstiges Vermögen” von mehr als (je) 11 000 DM. Das Finanzamt hat in Anwendung des § 67 Abs. 1 Ziffer 2, Abs. 2 und 3 BewG eine Vermögensteuerschuld von 1 632,50 DM (+ 163,20 DM Kirchenvermögensteuer) festgesetzt. Die Berufungsführerin hat beantragt, jedem der vier Mitglieder der Veranlagungsgemeinschaft die Freibeträge nach § 67 Abs. 1 Ziffer 2 und Abs. 2 zu gewähren; dann ergebe sich eine Steuerschuld von nur 1 412,50 DM (+141,20 DM Kirchenvermögensteuer).
Das Finanzgericht möchte dem Antrag der Berufungsführerin entsprechen, sieht sich aber durch § 67 Abs. 3 BewG daran gehindert. Es hält diese Bestimmung (mindestens) insoweit für verfassungswidrig, als sie die Freibeträge auch dann nur auf den doppelten Betrag erhöht, wenn der Haushaltsvorstand mit Kindern zusammen veranlagt wird und jedes Mitglied der aus mehr als zwei Personen bestehenden Veranlagungsgemeinschaft Vermögen im Sinne des § 67 BewG besitzt, das die in Abs. 1 und 2 dieser Bestimmung bezeichneten Freibeträge übersteigt. Das Gericht hat das Verfahren ausgesetzt und gemäß Art. 100 Abs. 1 GG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu dieser Frage erbeten.
Das Finanzgericht geht davon aus, daß gegen die Zusammenveranlagung bei der Vermögensteuer keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. In Verbindung mit der Freibetragsregelung des § 67 Abs. 3 BewG führe sie aber jedenfalls dann zu einem mit Art. 6 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbaren Ergebnis, wenn die Veranlagungsgemeinschaft aus mehr als zwei Personen bestehe und jedes Mitglied ein Vermögen besitze, das die Freibeträge nach § 67 Abs. 1 Ziffer 2 und Abs. 2 übersteige; denn dann müsse, da die Freibeträge nur verdoppelt würden, die Gemeinschaft insgesamt mehr Vermögensteuer zahlen als bei getrennter Veranlagung, bei der jeder Teilnehmer Anspruch auf einen eigenen Freibetrag hätte. Das Gericht hält es mit anderen Worten für verfassungswidrig, daß einer Familiengemeinschaft von (hier) vier Personen nur dieselbe Vergünstigung eingeräumt wird, die bereits einer Gemeinschaft aus zwei Personen zusteht. Daß die Regelung sich in vielen Fällen zugunsten der Beteiligten auswirkt, erscheint dem Gericht nicht entscheidend; es genüge zur Verfassungswidrigkeit, daß „eine kleine Minderheit von Steuerpflichtigen” benachteiligt werde. Sachliche Gründe für die vom Gesetzgeber bewußt getroffene Regelung seien nicht erkennbar; eine die Benachteiligung vermeidende verfassungskonforme Auslegung sei nicht möglich.
Der Bundesminister der Finanzen, der sich für die Bundesregierung geäußert hat, hält § 67 Abs. 3 BewG für verfassungsgemäß.
III.
Die Vorlage ist zulässig.
§ 67 (110) Abs. 2 und 3 sind nachkonstitutionelles Recht; sie sind erst durch das Gesetz zur Änderung vermögensteuerrechtlicher Vorschriften vom 24. Juli 1958 – BGBl I S. 538 – in das Bewertungsgesetz eingefügt worden.
Auf die Gültigkeit des § 67 Abs. 3 BewG kommt es für die Entscheidung des Finanzgerichts an. Ist die Bestimmung gültig, so muß das Gericht die Berufung zurückweisen. Ist sie – in dem hier in Betracht kommenden Umfang – verfassungswidrig, so wird das Gericht jedenfalls diese Entscheidung nicht treffen. Auch wenn es – entgegen seiner Auffassung – sich darauf beschränken müßte, nach Aufhebung des Vermögensteuerbescheids sein Verfahren auszusetzen, bis der Gesetzgeber gesprochen hätte, wäre dies eine andere Entscheidung als im Fall der Gültigkeit des Gesetzes (vgl. BVerfGE 17, 210 [215 f.]; 18, 353 [360]).
IV.
Die zur Prüfung gestellte Vorschrift ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
1. Das Bundesverfassungsgericht hat die Vorschriften über die Zusammenveranlagung von Ehegatten und von Eltern mit ihren Kindern im Einkommensteuerrecht für nichtig erklärt, weil bei einem progressiv gestalteten Steuertarif die Zusammenrechnung der Einkünfte mehrerer Steuerpflichtiger notwendig zu einer höheren Besteuerung führen muß als bei getrennter Veranlagung; knüpft die Zusammenveranlagung an das Bestehen eines Familienbandes an, so verstößt diese steuerliche Benachteiligung gegen Art. 6 Abs. 1 GG (BVerfGE 6, 55; 18, 97).
Solche verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen gegen die Zusammenveranlagung bei der Vermögensteuer nicht. Diese Steuer wird nach einem einheitlichen Steuersatz (grundsätzlich 1 %) vom steuerpflichtigen Vermögen erhoben (§ 8 VStG). Die Zusammenveranlagung als solche führt daher nicht zu einer höheren Belastung und steht deshalb, soweit sie Familiengemeinschaften betrifft, nicht mit Art. 6 Abs. 1 GG in Widerspruch (vgl. BVerfGE 12, 151 [164] und BFH BStBl 1964 III S. 414 = NJW 1964 S. 2081).
Auch bei einem Proportionaltarif könnte aber unter Umständen durch Gewährung verschieden hoher Freibeträge eine verfassungswidrige Diskriminierung bestimmter Gruppen von Steuerpflichtigen eintreten. Eine solche Wirkung haben die allgemeinen („persönlichen”) Freibeträge nach § 5 VStG nicht, weil sie für alle an der Zusammenveranlagung teilnehmenden Familienmitglieder in gleicher Höhe gewährt werden, ohne daß es darauf ankommt, wie hoch das Vermögen des einzelnen Teilnehmers ist und ob er überhaupt Vermögen hat. Bei getrennter Veranlagung würde also keine geringere, bisweilen sogar eine höhere Steuerbelastung eintreten (BFH a.a.O.).
2. Anders scheint es sich mit den hier in Frage stehenden besonderen Freibeträgen nach § 67 (110) Abs. 1 Ziffer 2, Abs. 2 und 3 BewG zu verhalten. Diese Freibeträge werden nach § 67 Abs. 3 im Fall einer Zusammenveranlagung lediglich verdoppelt, nicht aber nach der Zahl der Mitglieder der Veranlagungsgemeinschaft bemessen. Eine aus mehr als zwei Personen bestehende Gemeinschaft erscheint deshalb zunächst als benachteiligt.
Trotzdem ergibt eine die Bestimmung in ihrem Zusammenhang (vor allem mit § 5 VStG) und in ihren praktischen Auswirkungen würdigende Gesamtbetrachtung, daß ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht vorliegt.
a) Das Vermögensteuerrecht trägt dem verfassungsrechtlichen Postulat des Familienschutzes und der Familienförderung durch die Gewährung hoher Freibeträge nach § 5 VStG in besonders weitgehender Weise Rechnung. Diese Freibeträge sind „personenbezogen”; sie werden für jedes Mitglied der engeren Familie in derselben Höhe (20 000 DM) gewährt; ihr Gesamtbetrag wächst also proportional zur Größe der Familie. Die Freibeträge für Kinder werden aus sozialpolitischen Gründen in vielen Fällen weit über das 18. Lebensjahr hinaus gewährt (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 VStG).
b) Die Freibeträge nach § 67 (110) BewG haben einen anderen Sinn. Sie sind „sachbezogen”, d.h. sie knüpfen an eine besondere Vermögensart, das „nichtgewerbliche Kapitalvermögen”, an und wirken sich hier bereits im Stadium der Wertermittlung aus. Bei einer Zusammenveranlagung kommt es also nicht so sehr darauf an, wie viele Personen an der Zusammenveranlagung teilnehmen, als vielmehr darauf, ob innerhalb der Veranlagungsgemeinschaft Kapitalvermögen dieser Art in entsprechender Höhe vorhanden ist, gleichgültig welchem Teilnehmer es gehört.
Der Gesetzgeber hat diese Steuervergünstigung im Jahre 1958 eingeführt und 1961 erweitert. Maßgebend dafür waren nicht sozialpolitische, sondern allgemeine wirtschafts- und gesellschaftspolitische Erwägungen. In der Amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs (BT Drucks. III/261) heißt es dazu:
Der Weg, die im Interesse der Kapitalmarktförderung notwendigen Vergünstigungen in der Form von Freibeträgen zu gewähren, ist gewählt worden, um auf diese Weise für die Masse der Steuerpflichtigen – das sind die Steuerpflichtigen mit verhältnismäßig kleinem Vermögen – eine allgemeine Milderung der Vermögensteuerbelastung herbeizuführen; denn gerade für „Neusparer” wirkt auch die geringste durch die Spartätigkeit verursachte Vermögensteuerbelastung psychologisch besonders ungünstig. Würde man demgegenüber statt der Freibeträge die angeführten Vermögenswerte nur mit einem Bruchteil bei der Vermögensbesteuerung ansetzen, so könnten dadurch die anderen Vermögensarten (Grundbesitz und Betriebsvermögen) diskriminiert erscheinen; beim Grundbesitz ist allerdings zu beachten, daß die Einheitswerte noch auf den Wertverhältnissen vom 1. Januar 1935 beruhen und deshalb teilweise erheblich unter den heutigen Verkehrswerten liegen. Zudem würden durch eine Bruchteilsbewertung die Steuerpflichtigen mit hohem Kapitalvermögen am allermeisten profitieren. Außerdem würde schon allein bei einer Halbierung der Wertansätze bei Aktien und Anteilen an Kapitalgesellschaften ein für die Länderhaushalte unzumutbarer Steuerausfall eintreten.
Aus diesen Ausführungen erhellt, daß die Freibeträge nicht als allgemein familienfördernde Maßnahmen gedacht waren; wäre dies beabsichtigt gewesen, so hätte es näher gelegen, die allgemeinen Freibeträge des § 5 VStG zu erhöhen. Ansatzpunkt der Regelung war eine bestimmte Vermögensart, das „nichtgewerbliche Kapitalvermögen”; auf das Vorhandensein solchen Vermögens kam es an, nicht auf die familiären Verhältnisse des Steuerpflichtigen. Die kleineren Vermögen dieser Art sollten dadurch begünstigt werden, daß die Grenze der Steuerpflicht weiter nach oben gerückt wurde. Dieselbe Wirkung hätte auch mit anderen Mitteln erreicht werden können (z.B. durch Wertansetzung nur mit einem Bruchteil wie in § 73 a [115] BewG); warum die Gewährung von Freibeträgen gewählt wurde, ist in der Gesetzesbegründung dargelegt. Die Verdoppelung der Freibeträge im Falle der Zusammenveranlagung ergab sich aus der Überlegung, daß häufig beide Ehegatten Vermögen besitzen und es zu umständlich wäre, im Einzelfall jeweils zu ermitteln, welche Wirtschaftsgüter der in § 67 Abs. 1 bezeichneten Art dem einen oder dem anderen Ehegatten gehören. Andererseits sollte eine Benachteiligung von Ehegatten gegenüber Ledigen von vornherein vermieden werden. Schließlich, wurde, da bei Auflösung der Ehe häufig ein Teil des Vermögens auf die Kinder übergeht, zur Vermeidung von Härten die Verdoppelung der Freibeträge auch für den Fall der Zusammen Veranlagung von Eltern (oder eines Elternteils) mit Kindern vorgesehen.
c) Zu dieser Vergünstigung war der Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht verpflichtet. Es stand ihm daher – bis zur Grenze der Willkür – frei, wie weit er die Vergünstigung erstrecken und in welchen Formen er sie verwirklichen wollte (BVerfGE 11, 50 [601] 12, 151 [166]; 17, 210 [216]). Wenn davon abgesehen worden ist, für jedes an der Zusammenveranlagung teilnehmende Familienmitglied einen gleich hohen Freibetrag zu gewähren, so beruht dies auf sachlichen Erwägungen. Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, daß Kinder unter 18 Jahren erfahrungsgemäß nur selten eigenes (Kapital-)Vermögen besitzen; bei größerer Kinderzahl konnte deshalb die entsprechende Vervielfachung der Freibeträge neben den hohen allgemeinen Freibeträgen des § 5 VStG als unangemessen erscheinen. Da die Kinder an der Zusammenveranlagung teilnehmen, auch wenn sie selbst kein eigenes Vermögen besitzen, kann der Zahl der Kinder keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen werden, die es rechtfertigen oder gar gebieten würde, für jedes Kind auch hier einen besonderen Freibetrag zu gewähren. Wenn das Gesetz deshalb für jeden Fall der Zusammenveranlagung nur die Verdoppelung der Freibeträge vorsieht, so wird damit nicht die Familie diskriminiert; es wird lediglich eine der Familiengemeinschaft zugedachte Steuererleichterung vernünftig begrenzt.
d) Die in Frage stehende Regelung wirkt sich im übrigen keineswegs immer dahin aus, daß eine aus mehr als zwei Personen bestehende Veranlagungsgemeinschaft mehr Vermögensteuer zu zahlen hätte als bei getrennter Veranlagung der Teilnehmer. Für die Gewährung der Freibeträge kommt es nicht darauf an, welchem Mitglied der Gemeinschaft das begünstigte Vermögen gehört. Hat also – wie häufig – der Ehemann allein oder – nach Auflösung der Ehe – der mit den Kindern zusammenveranlagte Ehegatte allein solches Vermögen, so werden die Freibeträge trotzdem verdoppelt, während bei getrennter Veranlagung nur ein einfacher Freibetrag zu gewähren wäre. Die Vorschrift führt also immer dann zu einer steuerlichen Besserstellung der zusammenveranlagten Familiengemeinschaft, wenn nur bei einem Teilnehmer steuerbegünstigtes Vermögen vorhanden ist, die übrigen Beteiligten aber mangels solchen Vermögens in entsprechender Höhe bei getrennter Veranlagung außerstande wären, die Freibeträge für sich voll auszunutzen. Das werden nach der Lebenserfahrung die häufigeren Fälle sein.
Eine aus mehr als zwei Beteiligten bestehende Veranlagungsgemeinschaft ist, wenn die Freibeträge nach § 5 VStG mitberücksichtigt werden, nur dann höher belastet als bei getrennter Veranlagung, wenn mehr als zwei Teilnehmer der Gemeinschaft sonstiges Vermögen im Sinne des § 67 (110) Abs. 1 Ziffer 1 bis 3 von zusammen mehr als 22 000 DM besitzen (2 × 10 000 DM + 2 × 1 000 DM nach § 67 Abs. 1 Ziffer 2 BewG) und außerdem das Gesamtvermögen der Gemeinschaft höher ist als die Summe der ihnen entsprechend ihrer Kopfzahl zustehenden allgemeinen Freibeträge nach § 5 VStG. Das Finanzgericht Düsseldorf weist richtig darauf hin (EFG 1964, 421), daß z.B. bei einer viergliederigen Veranlagungsgemeinschaft eine Benachteiligung nur eintreten könne, wenn das Gesamtvermögen den Betrag von 102 000 DM (4 × 20 000 DM +2 × 11 000 DM) übersteige und dieses Vermögen nicht bei einem oder bei zwei Mitgliedern der Gemeinschaft konzentriert sei.
Der Bundesminister der Finanzen ist danach mit Recht der Auffassung, daß die Regelung sich häufiger zugunsten als zuungunsten der Veranlagungsgemeinschaften auswirkt (ebenso FG Düsseldorf a.a.O.). Freilich wird die Verfassungswidrigkeit einer Regelung nicht dadurch ausgeschlossen, daß diese sich nur in einer geringen Zahl von Fällen belastend auswirkt (BVerfGE 18, 97 [106]). Entscheidend ist, ob die Bestimmung ihrer Struktur nach und in dem gesetzessystematischen Zusammenhang, in dem sie steht, grundsätzlich eine steuererhöhende Wirkung hat. Dies ist hier, wie gezeigt, nicht der Fall; die Regelung ist so gestaltet, daß sie die Familie und ihr Vermögen nicht tendenziell schädigt, sich vielmehr in der Praxis für die meisten Veranlagungsgemeinschaften vorteilhaft auswirkt. Ausnahmefälle, in denen eine Benachteiligung eintritt, können und müssen dann bei einer im ganzen dem Gedanken des Familienschutzes großzügig Rechnung tragenden Regelung hingenommen werden (vgl. auch BVerfGE 12, 151 [165 f.]; 15, 328 [333]).
Sind sonach die Fälle, in denen zusammen veranlagte Familiengemeinschaften benachteiligt werden, nach allen Erfahrungen verhältnismäßig selten, so fällt weiter für die verfassungsrechtliche Beurteilung ins Gewicht, daß das Ausmaß der Benachteiligung angesichts des niedrigen Steuersatzes der Vermögensteuer in aller Regel im Verhältnis zur Höhe des betroffenen Vermögens geringfügig bleibt; im Falle des Ausgangsverfahrens beläuft sich der strittige Betrag auf 242 DM (bei einem Gesamtvermögen von 271 000 DM). Von sozialen Härten kann keine Rede sein, zumal die Abzugsfähigkeit der Vermögensteuer bei der Einkommensteuer einen Teil der Benachteiligung wieder ausgleicht.
Aus allen diesen Erwägungen kann dem Gesetzgeber kein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 oder Art. 3 Abs. 1 GG zur Last gelegt werden, wenn er im Rahmen der im ganzen die Familiengemeinschaft sichtlich begünstigenden Vermögensbesteuerung die Gewährung der hier in Frage stehenden Freibeträge aus sachlichen Erwägungen begrenzt hat, auch wenn dadurch in einzelnen Fällen eine geringfügige Mehrbelastung der Familiengemeinschaft gegenüber einzeln veranlagten Steuerpflichtigen eintreten kann.
Fundstellen
Haufe-Index 1074948 |
BStBl II 1968, 133 |
BVerfGE 23, 74 |
BVerfGE, 74 |
JZ 1968, 302 |
MDR 1968, 380 |