Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlaß einer Vollstreckungsanordnung. Unzulässigkeit bedingt erhobener Verfassungsbeschwerden
Leitsatz (amtlich)
1. Anordnungen nach § 35 BVerfGG dürfen die Entscheidung, deren Vollstreckung sie dienen, nicht ändern, modifizieren, ergänzen oder erweitern.
2. Bedingt erhobene Verfassungsbeschwerden sind unzulässig.
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Antrag auf Erlaß einer Vollstreckungsanordnung gegen die Abschaffung der einkommensteuerlichen Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten mit Wirkung ab 1. Januar 1983 (Art. 1 Nr. 8 Buchst. b des Haushaltsbegleitgesetzes 1983 vom 20. Dezember 1982, BGBl. I S. 1857) sowie gegen die Herabsetzung des Kindergeldes für das zweite Kind auf 70 DM und für die weiteren Kinder auf 140 DM (Art. 13 Nr. 2 Buchst. b des Haushaltsbegleitgesetzes 1983) wird verworfen.
2. Gegenstand eines verfassungsgerichtlichen Urteils ist allein die Normsituation zum Zeitpunkt der Verkündung. Spätere Gesetzgebungsakte, die in dem Urteil nicht mehr berücksichtigt sind, können auch nicht Gegenstand von Vollstreckungsmaßnahmen zur Durchsetzung dieses Urteils sein.
Normenkette
BVerfGG §§ 35, 23 Abs. 1; EStG § 32 Abs. 3, §§ 32a, 33, 33a; HBeglG 1983 Art. 1 Nr. 8 Buchst. b, Art. 13 Nr. 2 Buchst.b
Verfahrensgang
Gründe
A.
Die Antragsteller wenden sich mit dem Antrag auf Erlaß einer Vollstreckungsanordnung gegen die Abschaffung der einkommensteuerlichen Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten mit Wirkung ab 1. Januar 1983 (Art. 1 Nr. 8 Buchst. b des Haushaltsbegleitgesetzes 1983 vom 20. Dezember 1982 (BGBl. I S. 1857)) sowie gegen die Herabsetzung des Kindergeldes für das zweite Kind auf 70 DM und für die weiteren Kinder auf 140 DM (Art. 13 Nr. 2 Buchst. b des Haushaltsbegleitgesetzes 1983).
I.
1. Die ursprünglich für die Jahre 1980 bis 1982 gültige Regelung des Einkommensteuergesetzes über die steuerliche Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten lautete:
§ 33 a
Außergewöhnliche Belastung in besonderen Fällen
(1) und (2) …
(3) Erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen
- für Dienstleistungen zur Beaufsichtigung oder Betreuung eines Kindes im Sinne des § 32 Abs. 4 oder
durch die Beschäftigung einer Hausgehilfin oder Haushaltshilfe, wenn
- der Steuerpflichtige oder sein nicht dauernd getrennt lebender Ehegatte das 60. Lebensjahr vollendet hat oder
- der Steuerpflichtige oder sein nicht dauernd getrennt lebender Ehegatte oder ein zu seinem Haushalt gehöriges Kind im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 oder eine andere zu seinem Haushalt gehörige unterhaltene Person, für die eine Ermäßigung nach Absatz 1 gewährt wird, nicht nur vorübergehend körperlich hilflos oder schwer körperbehindert ist oder die Beschäftigung einer Hausgehilfin oder einer Haushaltshilfe wegen Krankheit einer der genannten Personen erforderlich ist, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, daß die Aufwendungen vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, und zwar im Fall der Nummer 1 höchstens 600 Deutsche Mark oder bei Zusammenveranlagung von Ehegatten höchstens 1200 Deutsche Mark im Kalenderjahr für jedes Kind, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat; die Erhöhung auf 1200 Deutsche Mark gilt auch, wenn der andere Elternteil nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist oder seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Kind für den Veranlagungszeitraum nicht nachkommt, …
(4) und (5) …
Nachdem das Bundesverfassungsgericht im Urteil zur Besteuerung der Halbfamilien (BVerfGE 61, 319) ausgesprochen hatte, daß § 33 a Abs. 3 EStG 1979 die Alleinerziehenden durch die Beschränkung des Abzugs auf 600 DM ohne jeden sachlichen Grund gegenüber Ehepaaren mit Kindern benachteiligte, wurde durch Art. 1 Nr. 20 des Haushaltsbegleitgesetzes 1983 eine rückwirkende Regelung getroffen, die einen einheitlichen Abzug von Kinderbetreuungskosten in Höhe von 1 200 DM vorsah. Die Vorschrift lautet:
§ 53 a
Schlußvorschrift
(Sondervorschrift zum Abzug von Aufwendungen für Dienstleistungen zur Beaufsichtigung oder Betreuung eines Kindes)
(1) § 33 a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes 1981 in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Dezember 1981 (BGBl. I S. 1249) ist bei Steuerfestsetzungen für die Veranlagungszeiträume 1980 bis 1982 in der folgenden Fassung anzuwenden, wenn am 24. Dezember 1982 die betreffende Steuerfestsetzung noch nicht bestandskräftig ist oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht:
Erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen für Dienstleistungen zur Beaufsichtigung oder Betreuung eines Kindes im Sinne des § 32 Abs. 4, wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, daß die Aufwendungen, höchstens jedoch ein Betrag von 1200 Deutsche Mark im Kalenderjahr für jedes Kind, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden.
(2) …
Zugleich wurde durch Art. 1 Nr. 8 des Haushaltsbegleitgesetzes 1983 § 33 a Abs. 3 EStG so gefaßt, daß die bisher in Nr. 1 enthaltene Regelung über die Aufwendungen für Dienstleistungen zur Beaufsichtigung oder Betreuung eines Kindes wegfiel. Mit Wirkung ab 1. Januar 1983 lautet die Vorschrift:
§ 33 a
Außergewöhnliche Belastung in besonderen Fällen
(1) und (2) …
(3) Erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen durch die Beschäftigung einer Hausgehilfin oder Haushaltshilfe, wenn
- der Steuerpflichtige oder sein nicht dauernd getrennt lebender Ehegatte das 60. Lebensjahr vollendet hat oder
- der Steuerpflichtige oder sein nicht dauernd getrennt lebender Ehegatte oder sein zu seinem Haushalt gehöriges Kind im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 oder eine andere zu seinem Haushalt gehörige unterhaltene Person, für die eine Ermäßigung nach Absatz 1 gewährt wird, nicht nur vorübergehend körperlich hilflos oder schwer körperbehindert ist oder die Beschäftigung einer Hausgehilfin oder einer Haushaltshilfe wegen Krankheit einer der genannten Personen erforderlich ist, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, daß die Aufwendungen, höchstens 1200 Deutsche Mark im Kalenderjahr, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden …
(4) und (5) …
Der Wegfall der steuerlichen Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten wurde zum Teil dadurch ausgeglichen, daß durch Art. 1 Nr. 7 des Haushaltsbegleitgesetzes 1983 ein neuer § 32 Abs. 8 EStG geschaffen wurde, der für jedes Kind einen vom Einkommen abzuziehenden Kinderfreibetrag von 432 DM im Kalenderjahr vorsieht.
2. Nach § 10 des Bundeskindergeldgesetzes – BKGG – beträgt das Kindergeld für das erste Kind 50 DM, für das zweite Kind 100 DM, für das dritte Kind 220 DM und für das vierte und jedes weitere Kind je 240 DM monatlich. Durch Art. 13 Nr. 2 des Haushaltsbegleitgesetzes 1983 wurde der Vorschrift ein neuer Absatz 2 angefügt, der eine einkommensabhängige Kürzung des Kindergeldes vorsieht:
§ 10
(1) …
(2) Das Kindergeld für das 2. und jedes weitere Kind wird nach dem in Satz 4 genannten Maßstab stufenweise bis auf einen Sockelbetrag von 70 Deutsche Mark für das 2. Kind, 140 Deutsche Mark für jedes weitere Kind gemindert, wenn das Jahreseinkommen des Berechtigten und seines nicht dauernd von ihm getrenntlebenden Ehegatten den für ihn maßgeblichen Freibetrag um wenigstens 480 Deutsche Mark übersteigt. Für die Minderung des nach § 8 Abs. 2 bemessenen Kindergeldes verringert sich der Sockelbetrag des Satzes 1 um den Betrag der bei der Bemessung nach § 8 Abs. 2 berücksichtigten anderen Leistung. Der Freibetrag setzt sich zusammen aus 25 920 Deutsche Mark für Berechtigte, die verheiratet sind und von ihrem Ehegatten nicht dauernd getrennt leben, 18 120 Deutsche Mark für sonstige Berechtigte sowie 7 800 Deutsche Mark für jedes Kind, für das dem Berechtigten Kindergeld zusteht oder ohne Anwendung des § 8 Abs. 1 zustehen würde. Für je 480 Deutsche Mark, um die das Jahreseinkommen den Freibetrag übersteigt, wird das Kindergeld um 20 Deutsche Mark monatlich gemindert; kommt die Minderung des für mehrere Kinder zu zahlenden Kindergeldes in Betracht, wird sie beim Gesamtkindergeld vorgenommen.
II.
Die Antragsteller gehören zu den Beschwerdeführern, die das Urteil zur Besteuerung der Halbfamilien (BVerfGE 61, 319) erstritten haben. Sie begehren eine Ergänzung der in Nr. 2 des Tenors der genannten Entscheidung (BVerfGE 61, 319 (321)) getroffenen Übergangsregelung. Diese wird nach ihrer Auffassung dadurch unterlaufen, daß sich die Lage der Alleinerziehenden ab 1. Januar 1983 durch die Abschaffung der steuerlichen Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten und die Kürzung des Kindergeldes weiter verschlechtert hat. Die Anwendung des für verfassungswidrig erklärten § 32 a EStG bis zum 31. Dezember 1984 habe das Bundesverfassungsgericht lediglich im Interesse der Rechtssicherheit gestattet. Diese könne es aber nicht rechtfertigen, daß das Haushaltsbegleitgesetz 1983 den alleinstehenden Eltern über den für verfassungswidrig erklärten Tarif hinaus zusätzliche Belastungen auferlege.
Dies wirke wie eine Anhebung des verfassungswidrigen Steuersatzes und gehe damit über die Ermächtigung hinaus, § 32 a EStG vorläufig weiter anzuwenden. Besonders erschwerend sei, daß das Bundesverfassungsgericht gerade die unzureichende Berücksichtigung des Kinderbetreuungsaufwandes der Alleinerziehenden als verfassungswidrig gerügt habe. Die neue Regelung bedeute daher eine Verschärfung der Intensität des Verfassungsverstoßes, die erst recht nicht auf die vom Bundesverfassungsgericht getroffene Übergangsregelung gestützt werden könne.
Bereits in der Kindergeldentscheidung (BVerfGE 43, 108) habe das Bundesverfassungsgericht hervorgehoben, daß zwischen der steuerrechtlichen Berücksichtigung der geminderten Leistungsfähigkeit der Eltern und deren (Teil-)Ausgleich durch das Kindergeld ein unmittelbarer Zusammenhang bestehe. Werde das Kindergeld gekürzt, so trete eine zusätzliche Minderung der Leistungsfähigkeit ein, der das Steuerrecht Rechnung tragen müsse.Mit ihrem Antrag begehren die Antragsteller nicht die Feststellung, daß die genannten Regelungen des Haushaltsbegleitgesetzes 1983 verfassungswidrig sind. Diese Feststellung ergibt sich ihrer Ansicht nach bereits aus dem Urteil vom 3. November 1982 (BVerfGE 61, 319). Sie begehren vielmehr eine Anpassung oder Klarstellung der Übergangsregelung in Nr. 2 des Tenors des genannten Urteils. Rechtsgrundlage dieser Übergangsregelung sei § 35 BVerfGG. Eine nachträgliche Änderung dieser Regelung sei durch selbständigen Beschluß möglich. Sie sei auch zur klarstellenden Ergänzung der rechtlichen Folgen des verfassungsgerichtlichen Urteils geboten. Die Antragsteller beantragen, für die Dauer der vorläufig gestatteten Weiteranwendung des für verfassungswidrig erklärten § 32 a EStG die verschärften Belastungen der alleinerziehenden Eltern durch das Haushaltsbegleitgesetz 1983 auf diese ebenso vorläufig nicht anzuwenden.
Nur für den Fall, daß das Bundesverfassungsgericht einen Antrag nach § 35 BVerfGG im vorliegenden Verfahren nicht für möglich halten sollte, bitten die Antragsteller, ihren Antrag als Einlegung einer Verfassungsbeschwerde in Verbindung mit einem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung zu betrachten.
III.
Die Bundesregierung, für die sich der Bundesminister der Finanzen geäußert hat, hält den Antrag auf Erlaß einer Vollstreckungsanordnung und die hilfsweise erhobene Verfassungsbeschwerde für unzulässig.Das Bundesverfassungsgericht habe dem Gesetzgeber für die gebotene Neuregelung eine Frist bis zum 31. Dezember 1984 gesetzt. Es sei davon ausgegangen, daß eine vorübergehende Beschwer der Betroffenen bis zur endgültigen rückwirkenden Regelung hingenommen werden müsse. Für eine Vollstreckungsanordnung nach § 35 BVerfGG fehle das Rechtsschutzinteresse, weil die Auswirkungen des Haushaltsbegleitgesetzes 1983 nicht gravierend seien. Dabei sei auch zu berücksichtigen, daß dieses Gesetz in einer außergewöhnlichen Situation entstanden sei. Im Herbst 1982 habe sich die neue Bundesregierung einer schwierigen Wirtschafts- und Finanzlage gegenübergesehen.
Angesichts der prekären Lage der Staatsfinanzen sei es damals nicht als möglich erschienen, die für den Kindesunterhalt für wünschenswert gehaltene steuerliche Entlastung sofort in voller Höhe zu gewähren. Auf diese Situation sei die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 3. November 1982 zur Besteuerung Alleinerziehender getroffen. Die Bundesregierung habe durch Kabinettsbeschluß vom 24. November 1982 versucht, im Sinne dieses Urteils auf das Gesetzgebungsverfahren Einfluß zu nehmen und vorgeschlagen, für jedes Kind neben dem allgemeinen Kinderfreibetrag von 432 DM auch Kinderbetreuungskosten von jährlich höchstens 800 DM für Alleinerziehende und 400 DM für Verheiratete mit Kindern zu berücksichtigen. Dagegen hätten sich aber erhebliche Widerstände seitens der Länder gezeigt. Deshalb sei die Verabschiedung des Haushaltsbegleitgesetzes 1983 mit der von der Bundesregierung vorgesehene Ergänzung im Bundesrat erheblich gefährdet gewesen. Dann hätte auch der Bundeshaushalt 1983 bis zum Wahltermin am 6. März 1983 nicht mehr verabschiedet werden können. Dies sei ein Politikum ersten Ranges gewesen. Unter diesen Umständen hätten sich die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen des Deutschen Bundestages für die Beibehaltung der Regelungen des ursprünglichen Gesetzentwurfs entschieden. Das Hinausschieben dieser Maßnahmen bis zu einer Beschlußfassung durch den 10. Deutschen Bundestag hätte nicht absehbare Schäden für das Gemeinwohl nach sich gezogen.
Der Antrag auf Erlaß einer Vollstreckungsanordnung und die hilfsweise erhobene Verfassungsbeschwerde seien auch insoweit unzulässig, als die Antragsteller und Beschwerdeführer eine Aussetzung der Kürzung des Kindergeldes nach § 10 Abs. 2 BKGG begehrten. Eine solche Anordnung sei keine Maßnahme zur Vollstreckung des Urteils vom 3. November 1982, weil sie über die vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Rechtsfragen hinausginge.
Im übrigen fehle es an einem Rechtsschutzinteresse der Antragsteller an einer Aussetzung der Beseitigung des Abzugs von Kinderbetreuungskosten ebenso wie für die Einführung eines Kinderfreibetrags. Der Inhalt der nach dem genannten Urteil gebotenen Neuregelung stehe noch nicht fest. Diese werde jedenfalls in den Fällen zu einer Entlastung führen, in denen für Alleinerziehende tatsächlich ein zusätzlicher zwangsläufiger Kinderbetreuungsaufwand entstanden sei.
B.
Der Antrag auf Erlaß einer Vollstreckungsanordnung und die hilfsweise erhobene Verfassungsbeschwerde sind unzulässig.
I.
Die von den Antragstellern begehrte Anordnung geht über den Anwendungsbereich des § 35 BVerfGG hinaus, weil sie sich nicht auf eine Vollstreckung des Urteils vom 3. November 1982 (BVerfGE 61, 319) beschränkt.
1. Nach § 35 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung bestimmen, wer sie vollstreckt; es kann auch im Einzelfall die Art und Weise der Vollstreckung regeln.
Danach trifft das Gericht alle Anordnungen, die erforderlich sind, um seinen verfahrensabschließenden Sachentscheidungen Geltung zu verschaffen. Dabei hängt die Art, das Maß und der Inhalt der Vollstreckungsanordnungen einmal vom Inhalt der Sachentscheidung ab, die vollstreckt werden soll, zum anderen von den konkreten Verhältnissen, die in Einklang mit der Entscheidung zu bringen sind, insbesondere von dem Verhalten der Personen, Organisationen, Behörden, Verfassungsorgane, an die oder gegen die sich die Entscheidung richtet. Vollstreckung ist hier „der Inbegriff aller Maßnahmen, die erforderlich sind, um solche Tatsachen zu schaffen, wie sie zur Verwirklichung des vom Bundesverfassungsgericht gefundenen Rechts notwendig sind” (Arndt, DVBl. 1952, S. 3). § 35 BVerfGG geht davon aus, daß die zur Durchsetzung der Entscheidung zu treffenden Anordnungen in dieser Entscheidung selbst getroffen werden. Wenn sich ihre Notwendigkeit erst nachträglich herausstellt, kann dies aber auch in einem selbständigen Beschluß des Gerichts geschehen. Dieser kann die Sachentscheidung, deren Vollstreckung er dient, ebenfalls nicht ändern, modifizieren, ergänzen oder erweitern; er bleibt ebenso wie die Vollstreckungsanordnungen in der Hauptentscheidung selbst seiner Natur nach eine reine Entscheidung im Rahmen der Durchsetzung, des Vollzugs der Sachentscheidung (BVerfGE 6, 300 (303 f.)).
2. Die Antragsteller begehren, daß das Bundesverfassungsgericht mit einer Vollstreckungsanordnung auf ein nach Verkündung des Urteils zur Besteuerung der Halbfamilien erlassenes Gesetz reagiert. Gegenstand des verfassungsgerichtlichen Urteils war aber allein die Normsituation zum Zeitpunkt der Verkündung. Spätere Gesetzgebungsakte, die in dem Urteil nicht mehr berücksichtigt sind, können auch nicht Gegenstand von Vollstreckungsmaßnahmen zur Durchsetzung dieses Urteils sein. Eine teilweise Aussetzung von Gesetzgebungsakten, die erst nach Verkündung eines verfassungsgerichtlichen Urteils ergangen sind, würde notwendig auf eine Erweiterung der ursprünglichen verfassungsgerichtlichen Entscheidung hinauslaufen. Eine derartige Vollstreckungsanordnung könnte nicht ergehen, ohne das neue Gesetz in seinem Inhalt und seinen Wirkungen zu analysieren und verfassungsrechtlich zu würdigen. Dies ist dann aber keine Durchsetzung der ursprünglichen verfassungsgerichtlichen Entscheidung mehr, die auf § 35 BVerfGG gestützt werden könnte. Für dieses Ergebnis spricht auch, daß der neue Gesetzgebungsakt Gegenstand eines neuen Verfassungsbeschwerdeverfahrens sein kann. Es kann nicht Zweck des § 35 BVerfGG sein, den Beschwerdeführern eines früheren verfassungsgerichtlichen Verfahrens neben einer neuen Verfassungsbeschwerde einen zusätzlichen wahlweisen Rechtsbehelf in Form eines Antrags auf Erlaß einer Vollstreckungsanordnung zu gewähren.
II.
Der unmittelbar gegen Art. 1 Nr. 8 Buchst. b und Art. 13 Nr. 2 Buchst. b des Haushaltsbegleitgesetzes 1983 gerichteten Verfassungsbeschwerde steht der Grundsatz entgegen, daß verfahrenseinleitende Anträge nicht von einer Bedingung abhängig gemacht werden dürfen.
1. Die Beschwerdeführer begehren nur für den Fall, daß das Bundesverfassungsgericht ihren Antrag nach § 35 BVerfGG im vorliegenden Verfahren nicht für möglich halten sollte, ihren Antrag als Verfassungsbeschwerde in Verbindung mit einem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung zu betrachten. Der Antrag nach § 35 BVerfGG und die Verfassungsbeschwerde sind somit in ein echtes Eventualverhältnis gestellt. Die Verfassungsbeschwerde ist von einer ablehnenden Entscheidung des Gerichts über den Antrag auf Erlaß einer Vollstreckungsanordnung abhängig gemacht.
2. Es ist ein anerkannter Grundsatz des Verfahrens, daß Prozeßhandlungen, die ein Verfahren einleiten, nicht von einer Bedingung abhängig gemacht werden dürfen (vgl. BVerfGE 40, 272 (275); BGH, NJW 1972, S. 1373 (1374); BVerwGE 59, 302 (304); BFH, NVwZ 1983, S. 439). Dieser Grundsatz hat auch im Verfassungsbeschwerdeverfahren Gültigkeit, es sei denn, daß es sich um zulässige Hilfsanträge handelt. Das Bundesverfassungsgericht hat hilfsweise gestellte Anträge dann als zulässig angesehen, wenn es sich in der Sache nur um zwei verschiedene Formulierungen ein und desselben Begehrens handelte (vgl. BVerfGE 1, 14 (15 f., 39)) oder wenn über den Hilfsantrag in demselben Verfahren entschieden werden konnte, in dem über den Hauptantrag zu entscheiden war (BVerfGE 1, 299 (310)). Das Bundesverfassungsgericht hat außerdem eine in einem Organstreit zusätzlich „hilfsweise” erhobene Verfassungsbeschwerde nicht als unzulässigen Hilfsantrag aufgefaßt, sondern als selbständige Verfassungsbeschwerde angesehen und abgetrennt (BVerfGE 27, 240 (243); 294 (296)).
3. Die Voraussetzungen, unter denen ein Hilfsantrag im Verfassungsbeschwerdeverfahren ausnahmsweise zulässig ist, sind hier nicht erfüllt. Es handelt sich nicht um verschiedene Formulierungen für ein und dasselbe Begehren, sondern die Antragsteller und Beschwerdeführer verfolgen mit einer identischen Begründung zwei verschiedene Rechtsschutzbegehren: In erster Linie wollen sie eine Ergänzung der Übergangsregelung im Urteil vom 3. November 1982 (BVerfGE 61, 319) erreichen. Insoweit wollen sie ausdrücklich nicht das Haushaltsbegleitgesetz 1983 mit der Verfassungsbeschwerde als verfassungswidrig angreifen. Dies tun sie nur für den Fall, daß das Bundesverfassungsgericht eine Ergänzung der Übergangsregelung nicht für möglich hält. Über Haupt- und Hilfsantrag kann auch nicht in demselben Verfahren entschieden werden. Der Antrag auf Erlaß einer Vollstreckungsanordnung war noch Bestandteil des mit dem Urteil vom 3. November 1982 (BVerfGE 61, 319) abgeschlossenen Verfahrens. Die hilfsweise erhobene Verfassungsbeschwerde gegen das Haushaltsbegleitgesetz 1983 würde dagegen ein neues Verfahren eröffnen. Die Lage im vorliegenden Verfahren ist auch nicht mit der Verfahrenssituation in BVerfGE 27, 240 (243); 294 (296) vergleichbar. Damals wollten die betroffenen Landkreise ein und dasselbe Ziel, nämlich die Nichtigerklärung eines Gesetzes, auf dem Weg des Organstreitverfahrens und zugleich durch eine hilfsweise erhobene Verfassungsbeschwerde erreichen. In diesem Fall wollen die Antragsteller und Beschwerdeführer aber auf unterschiedlichen Verfahrenswegen verschiedene prozessuale Ziele erreichen. Eine Umdeutung dieser klaren Anträge ist nicht möglich.
Fundstellen