Entscheidungsstichwort (Thema)
Begriff der "Einkünfte" in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG
Leitsatz (redaktionell)
1. Lässt der Vortrag eines Beschwerdeführers nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, inwiefern eigene Grundrechte durch die im Verfassungsbeschwerdeverfahren angefochtene gerichtliche Entscheidung verletzt sein könnten, ist die Verfassungsbeschwerde nicht in § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG genügender Weise begründet und daher unzulässig.
2. Der in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG verwendete Begriff der "Einkünfte" entspricht der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 EStG und nicht dem "zu versteuernden Einkommen" oder dem "Gesamtbetrag der Einkünfte" (Einkommen) i. S. des § 2 Abs. 5 EStG.
Normenkette
BVerfGG § 23 Abs. 1 S. 2 Halbs. 1, § 92; EStG § 32 Abs. 4 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Auslegung des Begriffs der “Einkünfte” in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in der für 1997 geltenden Fassung.
I.
- Die Beschwerdeführerin bezog im Jahr 1997 Sozialhilfe. Für ihren im April 1978 geborenen Sohn, der sich während des gesamten Jahres 1997 in Berufsausbildung befand, zahlte das Arbeitsamt Oldenburg – Familienkasse – der Beschwerdeführerin für 1997 zunächst Kindergeld. Nachdem die Familienkasse festgestellt hatte, dass der Sohn der Beschwerdeführerin 1997 eine Ausbildungsvergütung in Höhe von (brutto) insgesamt 14.112 DM bezogen hatte, ermittelte sie hieraus nach Abzug des Arbeitnehmer-Pauschbetrages von 2.000 DM “Einkünfte” des Sohnes in Höhe von 12.112 DM. Wegen Überschreitung des für 1997 geltenden Grenzbetrages von 12.000 DM (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG) forderte die Familienkasse von der Beschwerdeführerin das für 1997 gezahlte Kindergeld (2.640 DM) zurück.
- Die hiergegen gerichtete Klage der Beschwerdeführerin vor dem Niedersächsischen Finanzgericht (FG) hatte Erfolg. Mit Urteil vom 20. Juli 1999 – VII 471/98 Ki – (EFG 1999, S. 1137) hob das FG den Rückforderungsbescheid der Familienkasse auf: Der Begriff der “Einkünfte” in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG sei im Sinne von “zu versteuerndem Einkommen” (§ 2 Abs. 5 EStG) zu verstehen, so dass die Ausbildungsvergütung des Sohnes der Beschwerdeführerin um weitere Beträge zu kürzen sei; deshalb werde die kindergeldschädliche Einkommensgrenze im Streitfall nicht überschritten.
- Auf die Revision der Familienkasse hob der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 21. Juli 2000 – VI R 153/99 – (BStBl II 2000 S. 566) das Urteil des FG auf und wies die Klage der Beschwerdeführerin ab: Der Begriff der “Einkünfte” in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG entspreche der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 EStG; er sei nicht als “zu versteuerndes Einkommen” i.S. des § 2 Abs. 5 EStG oder als “Einkommen” i.S. des § 2 Abs. 4 EStG (Gesamtbetrag der Einkünfte, vermindert um die Sonderausgaben und die außergewöhnlichen Belastungen) zu verstehen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪24 ff.≫), denn sie ist unzulässig.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht in einer den §§ 23 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz, 92 BVerfGG genügenden Weise begründet. Der Vortrag der Beschwerdeführerin lässt nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, inwiefern eigene Grundrechte der Beschwerdeführerin – sie rügt die Verletzung von Art. 3 Abs. 1 und 3 GG – durch die angefochtene BFH-Entscheidung verletzt sein könnten (vgl. z.B. BVerfGE 28, 17 ≪19≫; 80, 137 ≪150≫):
Die Beschwerdeführerin stützt im Einklang mit der erstinstanzlichen Entscheidung die Behauptung eines Verfassungsverstoßes durch wortlautgerechte Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG im Wesentlichen auf den als Beispiel dargelegten Fall, dass die Nichtberücksichtigung notwendigen Mehraufwands für Behinderung im Rahmen der schädlichen “Einkünfte” eines Kindes während der Ausbildung gleichheitswidrig sei. Inwieweit eigene Verfassungsrechte der Beschwerdeführerin, deren Sohn offenbar nicht behindert ist, verletzt sein könnten, ist jedoch nicht erkennbar.
Wenn die Beschwerdeführerin im Übrigen auf die Ausführungen des FG verweist, so ist darauf hinzuweisen, dass das FG zur Begründung seiner Entscheidung zwar umfassend darlegt, dass die Einkommensgrenze im Wege der “teleologischen Analogie” über den Wortlaut des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG hinaus auf den Einkommensbegriff i.S. des § 32a Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 5 EStG zu beziehen sei; die Ausführungen des FG zur Verfassungswidrigkeit einer anderen Auslegung des Begriffs der “Einkünfte” beschränken sich jedoch auch nur auf den von der Beschwerdeführerin aufgegriffenen Vergleich behinderter und nicht behinderter Auszubildender. Die Bezugnahme der Beschwerdeführerin auf das FG-Urteil ist insoweit nicht zur weiteren Substantiierung ihrer Verfassungsbeschwerde geeignet.
- Unklar bleibt nach der Beschwerdebegründung auch die Selbstbetroffenheit der Beschwerdeführerin hinsichtlich der vom BFH als offen bezeichneten Frage, in welcher Höhe ein Mehraufwand bei auswärtiger Unterbringung eines Kindes während der Berufsausbildung bei der Bemessung des Grenzbetrages i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG zu berücksichtigen ist.
- Im Übrigen erschöpft sich die Verfassungsbeschwerde in der Wiedergabe von Entscheidungsgründen des Urteils des Bundesfinanzhofs und der Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichts. Dies ersetzt nicht die eigene Begründung eines Verfassungsverstoßes und die Auseinandersetzung mit den tragenden Erwägungen des Bundesfinanzhofs.
Im Übrigen wird von einer Begründung gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Hassemer, Osterloh, Mellinghoff
Fundstellen