Joachim Patt, Fabian Bernhagen
Tz. 6
Stand: EL 110 – ET: 06/2023
Der Tatbestand und auch Rechtsfolgen des § 22 Abs 1 bis 3 UmwStG beziehen sich gegenständlich auf die "erhaltenen" bzw die "eingebrachten" Anteile (s Tz 5; Ausnahme bei Energieunternehmen s Tz 3a). Da § 22 UmwStG in das Regelungssystem des Sechsten Teils des UmwStG eingebunden ist, sind mit diesen Anteilen in erster Linie diejenigen Anteile gemeint, die im Zuge der Sacheinlagevorgänge der §§ 20, 21, 25 UmwStG neu ausgegeben werden bzw die Anteile, die tatsächlicher Sacheinlagegegenstand sind (s auch die entspr Klammerverweise auf die Sacheinlagevorschriften in § 22 Abs 1 und 2 UmwStG). Diese Anteile werden hier als "originäre Anteile" bezeichnet. Hierdurch soll eine Abgrenzung zu denjenigen Anteilen zum Ausdruck kommen, die einerseits zwar an der Übernehmerin bestehen, aber nicht von § 22 UmwStG erfasst werden (also nicht sperrfristverhaftet sind, s Tz 6a, 6b) und anderseits zu den Anteilen, die durch eine Einbringung mitverstrickt und erst dadurch sperrfristverhaftet werden (s Tz 8ff) oder im Fall der Weitereinbringung der originären Anteile von diesen abgeleitet sind (s Tz 15ff). Die Sacheinlagevorschriften der §§ 20, 21, 25 UmwStG regeln nämlich nicht nur die Fälle der Neuerrichtung von Gesellschaften, sondern auch Einbringungsgestaltungen bei bereits bestehenden Unternehmensstrukturen und die Weitereinbringung von Anteilen (Ketteneinbringungen).
Die zivilrechtliche Ausgestaltung der "erworbenen" oder "eingebrachten" Anteile (zB Gewinnbezugs-, Stimmrechte, Höhe der Beteiligung), die stlichen Merkmale (zB Zugehörigkeit zum PV oder BV) oder gar das Fehlen eines inl Besteuerungsrechts für die stillen Reserven der "erworbenen" Anteile spielen für den Anwendungsbereich des § 22 UmwStG keine Rolle (ebenso s Schmitt, in S/H, 9. Aufl, § 22 UmwStG Rn 12–13). Denn eine sperrfristschädliche Vfg über die von § 22 Abs 1 und 2 UmwStG erfassten Anteile hat für Zwecke des § 22 UmwStG keine Auswirkungen auf die Besteuerung der Anteile, sondern dient nur als "auslösendes Moment" für die nachträgliche Besteuerung der bei Einbringung noch nicht aufgedeckten stillen Reserven (s Tz 54a).
Tz. 6a
Stand: EL 110 – ET: 06/2023
Die Auswirkungen des § 22 UmwStG betreffen nur die Anteile, die konkret als Gegenleistung für die (Teil-)Betriebseinbringung oder Einbringung eines MU-Anteils iSd § 20 Abs 1 UmwStG von der übernehmenden Gesellschaft als "neue" Beteiligung an den Einbringenden ausgegeben worden sind (ebenso beim Formwechsel iSd § 25 UmwStG und der Option nach § 1a KStG, s Tz 6c). Erfolgt der Erwerb der Beteiligung an einer Kap-Ges oder Gen durch Einbringung von PV oder von BV außerhalb der in § 20 Abs 1 UmwStG genannten Sachgesamtheiten, sind die Anteile nicht nach § 22 Abs 1 UmwStG verhaftet (ebenso s Stangl, in R/H/vL, 3. Aufl, § 22 UmwStG Rn 262). Dies gilt selbst dann, wenn unter irriger Annahme einer Sacheinlage iSd § 20 Abs 1 UmwStG ein Bw oder Zwischenwert für den Einbringungsgegenstand angesetzt worden ist. Denn der Bewertungsansatz nach § 20 Abs 2 S 2 UmwStG, auf den im Klammerzusatz in § 22 Abs 1 S 1 UmwStG Bezug genommen wird, setzt den Tatbestand einer Sacheinlage iSd § 20 Abs 1 UmwStG voraus. Ohne Erfüllung aller Voraussetzungen des § 20 Abs 1 UmwStG gibt es nach objektiver Rechtslage gar kein Bewertungswahlrecht nach § 20 Abs 2 S 2 UmwStG, so dass allein eine unzutr Bewertung des eingebrachten Vermögens bei der übernehmenden Gesellschaft nicht den Regelungsbereich des § 22 Abs 1 UmwStG eröffnet (ebenso s Schmitt, in S/H, 9. Aufl, § 22 UmwStG Rn 13; s Widmann, in W/M, § 22 UmwStG Rn 11; zu einer vergleichbaren Problematik bei § 21 UmwStG aF, s Urt des BFH v 16.12.2009, BStBl II 2010, 808 unter Rn 17).
Erfolgt die Sacheinlage iRe gemischten Bar- und Sachgründung (bzw gemischten Kap-Erhöhung) oder einer gemischten (Teil-)Betriebseinbringung und Einbringung anderer WG (außerhalb des Sacheinlagegegenstands gem § 20 Abs 1 UmwStG), ist die gewährte Beteiligung aufzuteilen. Gleiches gilt für den Gründungsanteil im Fall der Bargründung einer Kap-Ges mit Sacheinlage-Agio (dazu s § 20 UmwStG Tz 159). Nur soweit der neue Anteil an der Übernehmerin auf die Erbringung der Sacheinlage entfällt, kommt es zur Anwendung des § 22 Abs 1 UmwStG (dh Sperrfristverhaftung). Dabei hat die Aufteilung so zu erfolgen, dass die stillen Reserven des Sacheinlagegegenstands (bei Einbringung) den stillen Reserven in den erhaltenen Anteilen entspr. Dies folgt (auch) aus den in § 22 Abs 7 UmwStG festgelegten Grundsätzen, wonach der Übergang stiller Reserven von aus einer Einbringung erhaltenen Anteilen auf andere Anteile insoweit zu einer Mitverstrickung dieser (bereicherten) anderen Anteile und damit zu einer Sperrfristverhaftung iSd § 22 Abs 1 UmwStG führt (s Tz 8ff). Der bei Gründung oder Kap-Erhöhung ausgegebene (zivilrechtlich einheitliche) Anteil ist für Zwecke des § 22 Abs 1 UmwStG (und § 22 Abs 2 S 5 UmwStG, s Tz 7a) quotal sperrfristv...