Tz. 159
Stand: EL 113 – ET: 03/2024
Eine Sacheinlage iSd § 20 Abs 1 UmwStG kann im Zusammenhang mit der Ausgabe neuer Anteile auch dann gegeben sein, wenn die Anteile bei Gründung der Übernehmerin oder bei Kap-Erhöhung gesellschaftsrechtlich durch eine Bareinlage entstehen. Da die Übertragung des BV der in § 20 Abs 1 UmwStG genannten Sachgesamtheiten ursächlich auf den Erwerb von neuen Anteilen gerichtet sein muss (s Tz 170), ist für den Sacheinlagetatbestand des § 20 Abs 1 UmwStG bei einer Bargründung oder Barkap-Erhöhung zu fordern, dass für den Bezug der neuen Anteile neben der Bareinlage eine weitere Verpflichtung, nämlich die Übertragung des BV einer betrieblichen Sachgesamtheit iSd § 20 Abs 1 UmwStG als Nebenleistung iSd § 3 Abs 2 GmbHG, vereinbart wird (s Urt des BFH v 07.04.2010, BStBl II 2010, 1094; ebenso die hA, s Herlinghaus, in R/H/vL, 3. Aufl, § 20 UmwStG Rn 215; s Schmitt, in S/H, 9. Aufl, § 20 UmwStG Rn 186 aE; s Menner, in H/M/B, 5. Aufl, § 20 UmwStG Rn 255; s Nitzschke, in Brandis/Heuermann, § 20 UmwStG 2006 Rn 27 aE und 73; ebenso die FinVerw; s UmwSt-Erl 2011 Rn 01.44 letzter Abs). Bei diesem Sachverhalt sind zwar die gesellschaftsrechtlichen Sonderregelungen für Sacheinlagen (s Tz 158a, 158b) nicht zu beachten; hierauf kommt es aber bei der Beurteilung des stlichen Begriffs der Sacheinlage iSd § 20 Abs 1 UmwStG (s Tz 19 und 170) nicht an (ebenso s Herlinghaus, in R/H/vL, 3. Aufl, § 20 UmwStG Rn 215). Maßgebend ist für stliche Zwecke, dass die Bargründung mit Agioauflage in Gestalt der Übertragung von Sachwerten in vollem Umfang ein entgeltliches Geschäft (zum Erwerb der neuen Anteile) ist (dh in einem Gegenseitigkeitsverhältnis mit der Ausgabe der neuen Anteile steht, s Tz 170); und zwar auch insoweit, als der Bw der Sachübertragung ausschließlich der Kap-Rücklage (s § 272 Abs 2 Nr 1 HGB) zugerechnet wird (s Vor §§ 20–23 UmwStG Tz 52). Das Sachagio ist Teil des tauschähnlichen Geschäfts der Gründung/Kap-Erhöhung, wenn es als korporatives Agio vereinbart wird (s u).
Folglich sind hier diejenigen Vorgänge abzugrenzen, bei denen die Übertragung der WG des Sacheinlagegegenstands unentgeltlich (dh "freiwillig" außerhalb einer – im Vorhinein, notariell, klar vereinbarten – Leistungspflicht bei Gründung oder Kap-Erhöhung; dazu s Ausführungen im Urt des BFH v 27.05.2009, BFH/NV 2010, 375 unter II. 2. b) aa)) als verdeckte Einlage oder entgeltlich gegen andere (dh nicht in neuen Gesellschaftsrechten bestehende) Gegenleistung (zB Darlehensforderung, Stille Beteiligung etc) erfolgt (s Patt, GmbH-StB 2011, 20). Dies gilt selbst dann, wenn die als verdeckte Einlage zu beurteilende Übertragung der Sachwerte (dazu s Tz 172) in einem sehr nahen (bloß) zeitlichen Zusammenhang mit der Gründung oder Kap-Erhöhung erfolgt (zur Abgrenzung und zu den Auslegungskriterien einer versprochenen Sachleistung s Beschl des BFH v 01.12.2011, BFH/NV 2012, 1015 und Vorinstanz).
Das für den Tatbestand des § 20 Abs 1 UmwStG erforderliche Gegenseitigkeitsverhältnis von Übertragung des BV einer betrieblichen Sachgesamtheit und Erwerb der neuen Anteile an der Übernehmerin ist gegeben, wenn das Sacheinlageagio in statuarischer Form iSd § 3 Abs 2 GmbHG oder aufgr eines formwirksamen Kap-Erhöhungsbeschl oder einer Gründungsvereinbarung erfolgt (sog korporatives Agio; s Patt, GmbH-StB 2017, 148). Ein als Nebenleistung zu erbringendes Sachagio kann aber auch durch rein schuldrechtliche Vereinbarung erfolgen (zur Zulässigkeit s Urt des BGH v 15.10.2007, DB 2007, 2826; s Wagner, DB 2004, 293; s Lubberich, DNotz 2016, 164; s Karl, GmbHR 2020, 9 unter III.1). Es stellt sich die Frage, ob ein solches schuldrechtliches Aufgeld auch zur Anwendung des § 20 Abs 1 UmwStG führt. UE ist dies nur (ausnahmsweise) gegeben, wenn der/die Kap-Erhöhungsbeschl/Gründungsvereinbarung einerseits und die schuldrechtliche Nebenleistung andererseits in ihrer Wirksamkeit in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis stehen (und somit zu einem einheitlichen Rechtsgeschäft verbunden werden; dazu s Patt, GmbH-StB 2017, 148). Ist dies nicht der Fall, liegen zwei unterschiedliche Rechtsgeschäfte vor (hier fehlt es am Gegenseitigkeitsverhältnis; die Gründung oder Kap-Erhöhung wird auch bei Fehlern der schuldrechtlichen Nebenabrede wirksam; das schuldrechtliche Aufgeld kann auch wegen Willensmängeln angefochten werden; selbst nach Eintragung im HReg, was bei dem korporativen Agio nicht zulässig ist).
Die Einbringung iSd § 20 Abs 1 UmwStG durch Sachagio bietet zahlreiche zivilrechtliche Vorteile gegenüber einer Sachgründung oder Sachkap-Erhöhung (zB Zeitgewinn und Kostenersparnis durch Vermeidung einer Werthaltigkeitskontrolle für die Einlage von Sachen; Ausschuss einer umwandlungsrechtlichen Nachhaftung; Umgehung der Reg-Publizität; s Lubberich, DNotZ 2016, 164; s Patt, GmbH-StB 2017, 148).
Welche Motive für die Verpflichtung eines "Sach-Aufgelds" bei der Gründung oder Kap-Erhöhung tragend sind, ist uE für die stliche Beurteilung des Tatbestands gem § 20 Abs 1 UmwStG ...