Tz. 61
Stand: EL 115 – ET: 09/2024
Gem Abs 6 S 2 Nr 1 ist die Erstattung nach Abs 6 ausgeschlossen, "soweit" eine solche "nach anderen Vorschriften vorgesehen" ist (Subsidiarität). Gemeint sind damit namentlich Ansprüche gem § 44a Abs 9 EStG und § 50c EStG (ggf iVm DBA). Das "vorgesehen" bedeutet, dass auf das abstrakte Bestehen abzustellen ist, die Subsidiarität also auch dann greift, wenn die Antragstellerin solche anderen Ansprüche zB wegen Fristversäumnis nicht mehr geltend machen kann. Ob diesbzgl ein Verschulden der Antragstellerin vorliegt, ist mithin irrelevant. Wenn im konkreten Fall KapSt einbehalten und abgeführt wurde, obwohl diesbzgl gar keine beschr StPflicht vorliegt, ist dies kein Fall der Subsidiarität, denn dann fehlt es schon an eben dieser Tatbestandsvoraussetzung (s Tz 62 erster Aufzählungspunkt). Letztlich ist die Antragstellerin dann aber erst Recht gehalten, anders vorzugehen, dann auf Grundlage des § 37 Abs 2 AO (dazu s § 2 Tz 167). Besteht zwar beschr StPflicht, wurde aber KapSt einbehalten und abgeführt, obwohl dies für den konkreten Fall nach § 43 EStG nicht vorgesehen ist, kann dahinstehen, ob auch dies schon tatbestandsmäßig unter Abs 6fällt oder nicht; jedenfalls wäre Abs 6 dann zumindest subsidiär gegenüber der Möglichkeit, gegen die KapSt-Anmeldung vorzugehen und damit die Voraussetzung für eine Erstattung zu schaffen.
Tz. 62
Stand: EL 115 – ET: 09/2024
Im Überblick der Tatbestandsmerkmale erfordert die Erstattung gem Abs 6 – wenn bzw soweit diese nicht ohnehin subsidiär (s Tz 61) oder aus Gründen iSd Abs 6 S 2 Nr 2 bzw Nr 3 ausgeschlossen ist (s Tz 71 f) –, dass
- eine iSd § 2 Nr 1 KStG beschr stpfl Kö, Pers-Vereinigung oder Vermögensmasse (S 1 Nr 1 1. Hs),
- die Kap-Erträge iSd § 49 Abs 1 Nr 5 EStG erzielte (S 1 1. Hs),
- auf welche KapSt mit Abgeltungswirkung gem § 32 Abs 1 KStG (S 1 1. Hs)
- einbehalten und abgeführt wurde (S 1 1. Hs).
- Der potenzielle und in Abs 6 ausdrücklich sog "Gläubiger" (treffender: Gläubigerin) des Erstattungsanspruchs gem Abs 6 muss die Voraussetzungen des § 5 Abs 1 Nr 9 KStG erfüllen (S 1 Nr 1 Buchst a).
- Die Gläubigerin muss Sitz und Geschäftsleitung in einem ausl Staat (EU- oder Drittstaat) haben (S 1 Nr 1 Buchst b und c).
- Dieser ausl Staat muss, falls er nicht ohnehin EU-Staat ist, aufgr anderer bestimmter Rechtsgrundlagen
- sowohl iSv S 1 Nr 1 Buchst b zur Amtshilfe (Informationsaustausch)
- als auch iSv S 1 Nr 1 Buchst c zur Beitreibungshilfe verpflichtet sein und
- beides auch tats leisten (S 1 Nr 1 Buchst b und c).
- In diesem Heimatstaat muss die Gläubigerin außerdem einer § 1 KStG vergleichbaren unbeschr StPflicht unterliegen (S 1 Nr 1 Buchst d).
Darüber hinaus ist in bestimmten Fallgr zusätzlich Folgendes erforderlich:
- Liegen Kap-Erträge iSv § 20 Abs 1 Nr 1, 2 oder 9 EStG vor (dh GA und gleichgestellte Eink), ist weitere Voraussetzung, dass die Gläubigerin iSv S 1 Nr 2 "unmittelbar" beteiligt ist.
- Ist der Heimatstaat der Gläubigerin kein EU- oder EWR-Staat, dürfen gem S 1 Nr 3 die KapSt-belasteten Eink nicht "im Zusammenhang mit Direktinvestitionen" stehen.
Soweit dieser umfangreiche Katalog nicht selbsterklärend ist, ist dazu Folgendes ergänzend anzumerken:
Tz. 63
Stand: EL 115 – ET: 09/2024
Die Erstattung ist nicht auf solche KapSt begrenzt, die auf Dividenden und gleichgestellte Eink anfällt. Das ergibt sich nicht nur aus dem Verweis auf den gesamten § 49 Abs 1 Nr 5 EStG, sondern mittelbar auch aus S 1 Nr 2, welcher ersichtlich nur für einen Teil der demnach betroffenen Eink ein weiteres Tatbestandsmerkmal anordnet. Auch die Ges-Begr bestätigt dies (s BT-Drs 20/8628, 193 Mitte).
Tz. 64
Stand: EL 115 – ET: 09/2024
Die Merkmale der Abgeltungswirkung und der (tats) Einbehaltung und Abführung der KapSt sind nicht etwa identisch. Denn es erscheint zumindest nicht ausgeschlossen, dass Abgeltungswirkung in (seltenen) Fällen auch ohne "einbehaltene und abgeführte" KapSt eintreten könnte (vgl BFH Urt v 29.09.2020, BStBl II 2021, 468, dort allerdings zu § 43 Abs 5 S 1 EStG), so dass davon auszugehen ist, dass diese Worte als eigenes Tatbestandsmerkmal gemeint sind (zum Nachw s Tz 74).
Tz. 65
Stand: EL 115 – ET: 09/2024
Eine hohe Hürde bildet das Erfordernis, dass die Gläubigerin die Voraussetzungen des § 5 Abs 1 Nr 9 KStG erfüllen muss. Danach kommt es nicht etwa (nur) darauf an, ob die Gläubigerin im Heimatstaat mehr oder weniger ähnliche Vorauss für eine dortige St-Freiheit oder St-Begünstigung erfüllt. Vielmehr ist erforderlich, dass sie in D in jeder Hinsicht als gemeinnützig iSd §§ 51ff AO anerkannt werden könnte, wäre sie denn eine inländische Kö. Das knüpft offensichtlich an einschlägige Rspr des BFH an (BFH Urt v 18.08.2022, BStBl II 2023, 302 zur Satzungsstrenge; ebenso von Brocke, IWB 2024, 359, 366) und wird auch in der Ges-Begr sehr deutlich (BT-Drs 20/8628 S 193f: "vollständige Gleichbehandlung"). Nach dieser soll allerdings für den mithin ua erforderlichen Inl-Bezug der Tätigkeit schon eine Ansehenssteigerung D genügen, wofür wiederum (schon) ausreiche, da...