Lars Leibner, Ewald Dötsch
Tz. 317
Stand: EL 100 – ET: 10/2020
Die wohl am meisten bzgl der Anwendung des § 8c Abs 1a KStG diskutierte Frage ist die nach dem Zeitpunkt des Kriseneintritts. Diese Frage ist deshalb von zentraler Bedeutung, weil die ges Sanierungsvorschrift nur angewendet werden kann, wenn der schädliche Beteiligungserwerb punktgenau zum Zeitpunkt des Kriseneintritts erfolgt. Ein Beteiligungserwerb vor oder nach diesem Zeitpunkt ist nach überwiegender Auff im Schrifttum (stellvertretend s Ziegenhagen/Thewes, BB 2009, 2116, 2117; weiter s Lang, DStZ 2009, 751, 753; s Lang, in B/W, § 8c KStG Rn 159ff) kein Beteiligungserwerb zum Zweck der Sanierung iSd § 8c Abs 1a KStG. AA s Sistermann/Brinkmann (DStR 2009, 1453, 1454) und s Suchanek/Herbst (Ubg 2009, 525, 527 sowie Ubg 2019, 146, 149), nach deren Auff die Anwendung des § 8c Abs 1a KStG (nur) voraussetzt, dass die Verlust-Kö im Zeitpunkt des Beteiligungserwerbs sanierungsbedürftig ist. Krit s auch Altrichter-Herzberg (GmbHR 2009, 466, 467) und s Dörr (NWB 27/2009, 2050, 2053). Lang (s DStZ 2009, 751, 753) fordert ein Tätigwerden des Ges-Gebers, um diese strenge Voraussetzung, an der in der Praxis wohl viele Sanierungsversuche scheitern werden, abzumildern. Krit s auch Eilers (StuW 2010, 205). Nach Rn 7 der Vfg der OFD NRW v 20.12.2018 (s DB 2019, 26) liegt ein Erwerb zum Zweck der Sanierung grds nicht mehr vor, wenn die Sanierungsmaßnahme später als 1 Jahr nach dem Beteiligungserwerb ergriffen wird. Umgekehrt gehen Epler/Petersen (s Stbg 2019, 114, 123) zutr davon aus, dass die Anwendbarkeit des § 8c Abs 1a KStG nur schwer zu begründen ist, wenn ein bereits saniertes Unternehmen erworben wird, mithin also die Sanierung bereits unabhängig vom Beteiligungserwerb abgeschlosssen ist.
Die Unsicherheit darüber, was genau der Zeitpunkt des Eintritts der Krise ist, entsteht ua dadurch, dass der Ges-Wortlaut und die Ges-Begr divergieren. Wie Ortmann-Babel/Bolik/Gageur (s DStR 2009, 2173, 2174) zutr ausführen, ergibt sich aus dem zusammengefassten Ges-Wortlaut der S 1 und 2 des § 8c Abs 1a KStG, dass der Beteiligungserwerb zum Zweck der Sanierung erfolgt, wenn er zum Zeitpunkt der drohenden bzw eingetretenen Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung stattfindet. Nach der Begr des Fin-Aussch (s BT-Drs 16/13429, 50) entspr dieser Zeitpunkt dem des Eintritts der Krise nach den Grundsätzen des EK-Ersatzrechts vor Inkrafttreten des MoMiG (s BT-Drs 16/6140, 57 und 16/76); weiter s Mückl/Remplik (FR 2009, 691).
Tz. 318
Stand: EL 100 – ET: 10/2020
Nach Auff von Neumann/Stimpel (s DK 2009, 409, 411) und Mückl/Remplik (s FR 2009, 689, 692) geht der Ges-Geber, da nach der Begr des Reg-Entw (s BR-Drs 198/1/09, 31) die drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit bzw Überschuldung als "Krise" definiert wird, deren Eintritt nach den Grundzügen des alten (vor MoMiG geltenden) EK-Ersatzrechts (dazu s BT-Drs 16/140, 57) bestimmt werden soll, offensichtlich davon aus, dass die "drohende" Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit nach Eintritt einer "Krise" stets gegeben ist. Träfe dies zu, könnte auf die aus anderen Sachzusammenhängen (Sanierungsbedürftigkeit iSd Schr des BMF v 27.03.2003, BStBl I 2003, 240, bzw nunmehr § 3a EStG, dazu s § 8 Abs1 KStG Tz 280ff; Berücksichtigung von Darlehensverlusten als nachträgliche AK iSd § 17 EStG) bekannte Systematik zur Bestimmung des Zeitpunkts des Krisenbeginns zurückgegriffen werden. Von einem Kriseneintritt wäre danach auszugehen, wenn die Kö kreditunwürdig ist und damit angesichts ihrer Finanzverhältnisse von einem fremden Dritten einen Kredit zu marktüblichen Konditionen nicht mehr erhalten würde (s BFH-Urt v 24.04.1997, BStBl II 1999, 339; s BFH-Urt v 04.11.1997, BStBl II 1999, 344; s BFH-Urt v 10.11.1998, BStBl II 1999, 348; s BFH-Urt v 13.07.1999, BStBl II 1999, 724; und s Urt des BFH v 12.12.2000, BFH/NV 2001, 761). Bei der Beurteilung wäre nur auf die eigene Bonität bzw die eigenen Sicherungsmittel der Gesellschaft abzustellen (s BGH-Urt v 07.11.1994, GmbHR 1995, 38). Dh eine Refinanzierung durch einen AE der Kö würde zwar eine drohende Zahlungsunfähigkeit der Kö verhindern, nicht jedoch ihre Kreditunwürdigkeit beseitigen. Demzufolge dürfte regelmäßig die "Krise" noch nicht eingetreten sein, wenn die Kö noch Aktivvermögen hat, das zur Sicherung der Kredite eingesetzt werden könnte.
Tz. 319
Stand: EL 100 – ET: 10/2020
Zur Handhabung der Sanierungsregelung durch die Fin-Verw liegen nur wenige Erkenntnisse vor. Es besteht der Eindruck, dass die Verw einem zu weiten Vorziehen des Zeitpunkts des Kriseneintritts eher abl gegenübersteht und einem "wirtsch Krisenbeginn" sowie die Kreditunwürdigkeit nicht als begünstigt ansieht (glA s Frotscher, in F/D, § 8c KStG Rn 185). Bei einer zu großzügigen Anwendung besteht die Gefahr des Leerlaufens des § 8c Abs 1 KStG. Bei zu strenger Anwendung könnte es zur Nichtanwendung der Sanierungsklausel in Fällen kommen, die der Ges-Intention entspr. Vor diesem Hintergrund ist wohl nicht zu erwarten, dass die Fin-Verw einheitliche Krit...