Entscheidungsstichwort (Thema)
ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: RAAD VAN BEROEP GRONINGEN – NIEDERLANDE. Sozialpolitik. Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit. Nationale Rechtsvorschriften, die bei Arbeitsunfähigkeit Leistungen gewährleisten, deren Betrag von den früheren Einkünften unabhängig ist. Ausnahme von diesem Grundsatz für diejenigen Versicherten, die eine Teilzeitbeschäftigung ausgeuebt haben. Ausnahme, die hauptsächlich die weiblichen Arbeitnehmer trifft. Unzulässigkeit bei Fehlen einer objektiven Rechtfertigung. Richtlinie 79/7. Artikel 4 Absatz 1. Unmittelbare Wirkung. Umfang
Leitsatz (amtlich)
1. Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 79/7, wonach jegliche Diskriminierung aufgrund des Geschlechts verboten ist, steht einer nationalen Regelung, die den Versicherten bei Arbeitsunfähigkeit ein soziales Minimum gewährleistet, entgegen, soweit sie eine Ausnahme von diesem Grundsatz für diejenigen Versicherten vorsieht, die zuvor eine Teilzeitbeschäftigung ausgeuebt haben, und den Betrag der Leistung auf den zuvor bezogenen Lohn begrenzt, wenn diese Maßnahme wesentlich mehr Frauen als Männer trifft, es sei denn, diese Regelung ist durch objektive Faktoren, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben, gerechtfertigt.
2. Solange es keine angemessenen Durchführungsmaßnahmen zu Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 79/7 gibt, hat im Falle einer mittelbaren Diskriminierung durch den Staat die durch diese Diskriminierung benachteiligte Gruppe Anspruch auf die gleiche Behandlung und auf Anwendung der gleichen Regelung wie die übrigen Leistungsempfänger, wobei diese Regelung mangels einer ordnungsgemässen Durchführung dieser Richtlinie das einzig gültige Bezugssystem bleibt.
Normenkette
Richtlinie 79/7 des Rates Art. 4 Abs. 1
Beteiligte
Bestuur van de Bedrijfsvereniging voor Overheidsdiensten |
Tenor
1) Artikel 4 Absatz 1 der Richtline 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 ist dahin auszulegen, daß er einer nationalen Regelung, die den Versicherten bei Arbeitsunfähigkeit ein soziales Minimum gewährleistet, entgegensteht, soweit sie eine Ausnahme von diesem Grundsatz für diejenigen Versicherten vorsieht, die zuvor eine Teilzeitbeschäftigung ausgeuebt haben, und den Betrag der Leistung auf den zuvor bezogenen Lohn begrenzt, wenn diese Maßnahme wesentlich mehr Frauen als Männer trifft, es sei denn, diese Regelung ist durch objektive Faktoren, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben, gerechtfertigt.
2) Solange es keine angemessenen Durchführungsmaßnahmen zu Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 79/7/EWG gibt, hat im Falle einer mittelbaren Diskriminierung durch den Staat die durch diese Diskriminierung benachteiligte Gruppe Anspruch auf die gleiche Behandlung und auf Anwendung der gleichen Regelung wie die übrigen Leistungsempfänger, wobei diese Regelung mangels einer ordnungsgemässen Durchführung dieser Richtlinie das einzig gültige Bezugssystem bleibt.
Gründe
1 Der Raad van Beröp Groningen hat mit Beschluß vom 10. März 1988, beim Gerichtshof eingegangen am 30. März 1988, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag zwei Fragen nach der Auslegung von Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit (ABl. 1979, L 6, S. 24; im folgenden: Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Frau Ruzius-Wilbrink und dem Verwaltungsrat der Bedrijfsvereniging voor Overheidsdiensten (Berufsverband des öffentlichen Dienstes) wegen der Berechnung der Leistung bei Arbeitsunfähigkeit, die der Beklagte der Klägerin zuerkannt hat.
3 Gemäß Artikel 6 des niederländischen Allgemeinen Invaliditätsversicherungsgesetzes (Algemene Arbeidsongeschiktheidswet, im folgenden: AAW) vom 11. Dezember 1975 haben Versicherte, die das 17. Lebensjahr vollendet haben und arbeitsunfähig geworden sind, Anspruch auf Leistungen bei Arbeitsunfähigkeit, wenn sie in dem Jahr, das dem Tag des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit unmittelbar vorausgegangen ist, ein Einkommen in Höhe von mehr als 15 % des Mindestlohns erzielt haben.
4 Diese Voraussetzung gilt nicht für Versicherte, die am Tag der Vollendung ihres 17. Lebensjahres arbeitsunfähig sind, für vollzeitbeschäftigte Selbständige, deren Einkommen unter dem Mindestlohn liegt, für Studierende ohne Einkommen und für unverheiratete Personen, die im Haushalt ihrer Eltern oder unverheirateten Brüder oder Schwestern arbeiten.
5 Gemäß den Artikeln 10 und 12 AAW bestimmt sich die Leistung wegen Arbeitsunfähigkeit nach einem vom Grad der Arbeitsunfähigkeit abhängigen Prozentsatz der Bemessungsgrundlage, die einem täglichen Mindestlohn entspricht und vom Personenstand des Betroffenen, vom Vorhandensein eines unterhaltsberechtigten Kindes und von den tatsächlichen Einkünften abhängt. Der demgemäß ermittelte Betrag, das sogena...