Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerbefreiung, Finanzdienstleistung, Bitcoins, Handel mit Bitcoins, Umtausch von Bitcoins, Umsätze mit Devisen als gesetzliches Zahlungsmittel, Steuerbarkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass Umsätze wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die im Umtausch konventioneller Währungen in Einheiten der virtuellen Währung „Bitcoin“ und umgekehrt bestehen und die gegen Zahlung eines Betrags ausgeführt werden, der der Spanne entspricht, die durch die Differenz zwischen dem Preis, zu dem der betreffende Wirtschaftsteilnehmer die Währungen ankauft, und dem Preis, zu dem er sie seinen Kunden verkauft, gebildet wird, gegen Entgelt erbrachte Dienstleistungen im Sinne dieser Bestimmung darstellen.
2. Art. 135 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2006/112 ist dahin auszulegen, dass Dienstleistungen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die im Umtausch konventioneller Währungen in Einheiten der virtuellen Währung „Bitcoin“ und umgekehrt bestehen und die gegen Zahlung eines Betrags ausgeführt werden, der der Spanne entspricht, die durch die Differenz zwischen dem Preis, zu dem der betreffende Wirtschaftsteilnehmer die Währungen ankauft, und dem Preis, zu dem er sie seinen Kunden verkauft, gebildet wird, von der Mehrwertsteuer befreite Umsätze im Sinne dieser Bestimmung darstellen.
3. Art. 135 Abs. 1 Buchst. d und f der Richtlinie 2006/112 ist dahin auszulegen, dass solche Dienstleistungen nicht in den Anwendungsbereich dieser Bestimmungen fallen.
Normenkette
EGRL 112/2006 Art. 2 Abs. 1, Art. 135 Abs. 1 Buchst. e, d, f
Beteiligte
Verfahrensgang
Högsta förvaltningsdomstol (Schweden) (Beschluss vom 27.05.2014; ABl. EU 2014, Nr. C 245/7) |
Tatbestand
„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem ‐ Richtlinie 2006/112/EG ‐ Art. 2 Abs. 1 Buchst. c und Art. 135 Abs. 1 Buchst. d bis f ‐ Dienstleistungen gegen Entgelt ‐ Umtausch der virtuellen Währung ‚Bitcoin‘ in konventionelle Währungen ‐ Befreiung“
In der Rechtssache C-264/14
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Högsta förvaltningsdomstol (Oberstes Verwaltungsgericht, Schweden) mit Entscheidung vom 27. Mai 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Juni 2014, in dem Verfahren
Skatteverket
gegen
David Hedqvist
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Vierten Kammer T. von Danwitz in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Fünften Kammer sowie der Richter D. Šváby, A. Rosas (Berichterstatter), E. Juhász und C. Vajda,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. Juni 2015,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ des Skatteverk, vertreten durch M. Loeb, Rechtsreferent,
‐ von Herrn Hedqvist, vertreten durch A. Erasmie, advokat, und F. Berndt, jur. kand.,
‐ der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk und E. Karlsson als Bevollmächtigte,
‐ der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und K. Petersen als Bevollmächtigte,
‐ der estnischen Regierung, vertreten durch K. Kraavi-Käerdi als Bevollmächtigte,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Lozano Palacios, M. Owsiany-Hornung, K. Simonsson und J. Enegren als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 16. Juli 2015
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Abs. 1 und Art. 135 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Skatteverk (schwedische Steuerverwaltung) und Herrn Hedqvist über einen vom Steuerrechtsausschuss (Skatterättsnämnd) erteilten Vorbescheid über die Mehrwertsteuerpflichtigkeit des Umtauschs von konventionellen Währungen in die virtuelle Währung „Bitcoin“ oder umgekehrt, den Herr Hedqvist über ein Unternehmen durchführen möchte.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
In Art. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie heißt es:
„(1) Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze:
a) Lieferungen von Gegenständen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt tätigt;
…
c) Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt;
…“
Rz. 4
Art. 14 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:
„Als ‚Lieferung von Gegenständen‘ gilt die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen.“
Rz. 5
Art. 24 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:
„Als ‚Dienstleistung‘ gilt jeder Umsatz, der keine Lieferung von Gegenständen ist.“
Rz. 6
Art. 135 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:
„(1) Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:
…
d) ...