Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungswidrigkeit der Verlängerung der Spekulationsfrist für die Veräußerung privater Grundstücke von zwei auf zehn Jahre
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Erweiterung der Frist zwischen Anschaffung und Veräußerung von privaten Grundstücken von zwei auf zehn Jahre durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 (StEntlG) vom 24.3.1999 verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot von Gesetzen (Art. 20 Abs. 3 GG).
2. Im Streitfall konnte offenbleiben, ob eine echte Rückwirkung bzw. eine Rückwirkung von Rechtsfolgen im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG darin zu sehen ist, dass das erst am 31.3.1999 verkündete StEntlG 1999/2000/2002 auch solche privaten Veräußerungsgeschäfte mit zehnjähriger Frist zwischen Anschaffung und Veräußerung erfasst, die vor dem 31.3.1999 vereinbart worden sind (hier: Veräußerung --notarieller Vertrag-- vom 22.4.1999).
Normenkette
EStG § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; StEntlG 1999/2000/2002; GG Art. 20 Abs. 3
Gründe
I.
Streitig ist, ob die Verlängerung der Frist zwischen Anschaffung und Veräußerung von privaten Grundstücken von zwei auf zehn Jahre durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) verfassungswidrig ist
Der Antragsteller hatte durch notariellen Vertrag vom 29. August 1990 das Grundstück … … erworben. Durch notariellen Vertrag vom 22. April 1999 veräußerte er das Grundstück. Der Antragsgegner, das Finanzamt (FA), sieht hierin ein privates Veräußerungsgeschäft im Sinn des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1999 und unterwarf den hieraus errechneten Veräußerungsgewinn (§ 23 Abs. 3 Satz 1 EStG) in Höhe von 74.288 DM im nachträglichen Einkommensteuervorauszahlungsbescheid für 1999 vom 23. Februar 2000 der Einkommensteuer. Hiergegen legte der Antragsteller Einspruch ein und beantragte sinngemäß die Aufhebung des Vorauszahlungsbescheids. Außerdem stellte er den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung, den das FA mit Bescheid vom 16. März 2000 ablehnte.
Daraufhin beantragte der Antragsteller die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Vorauszahlungsbescheids beim Gericht. Zur Begründung macht er geltend, § 23 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 sei jedenfalls insoweit verfassungswidrig, als er keine Übergangsregelung für bereits steuerentstrickte Grundstücke und keine Berücksichtigung des Kaufkraftschwunds enthalte. Auf den Schriftsatz seines Prozeßbevollmächtigten vom 10. April 2000 wird verwiesen.
Das FA beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Auf seinen Schriftsatz vom 19. Mai 2000 wird Bezug genommen.
II.
Der Antrag kann keinen Erfolg haben.
Nach der für das Vollziehungsaussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung bestehen nach Auffassung des Senats keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Vorauszahlungsbescheids im Sinn des § 69 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Ansatz des Veräußerungsgewinns entspricht den Vorschriften des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 EStG. Die Erweiterung der Frist zwischen Anschaffung und Veräußerung von Grundstücken von zwei auf zehn Jahre durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 verstößt nicht gegen das sog. Rückwirkungsverbot im Sinn der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG).
Bei dieser Fristerweiterung handelt es sich nicht um eine sog. echte Rückwirkung bzw. Rückwirkung von Rechtsfolgen im Sinne der Rechtsprechung des 1. und des 2. Senats des BVerfG, die grundsätzlich gegen das Grundgesetz verstößt. Eine solche liegt vor, wenn ein Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift (z. B. Beschluß des BVerfG vom 3. Dezember 1997 2 BvR 882/97, NJW 1998, 1547, siehe auch Wermeckes, DStZ 1999, 479). Dies ist hier nicht der Fall.
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7, § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG unterliegen der Einkommensteuer Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken (und Rechten, die den Vorschriften des Bürgerlichen Rechts unterliegen), bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Steuerlich erfaßt werden also Veräußerungsgeschäfte. Der Besteuerungstatbestand wird verwirklicht erst durch das Veräußerungsgeschäft, nicht schon mit der Anschaffung. Die Anschaffung – innerhalb von zehn Jahren vor der Veräußerung – gehört zwar auch zum gesetzlichen Tatbestand, sie ist aber nur Beginn der Tatbestandsverwirklichung, die sich über einen längeren Zeitraum erstreckt, nämlich von der Anschaffung bis zur Veräußerung. Auch wenn sich also die Tatbestandsverwirklichung über einen Zeitraum erstreckt, der teils (Anschaffung) vor und teils (Veräußerung) nach dem Wirkungsbeginn (ab 1. Januar 1999) der neuen Besteuerungsvorschrift liegt, so ändert dies nichts daran, daß das die Besteuerung auflösende Tatbestandsmerkmal Veräußerungsgeschäft erst nach dem Wirkungsbeginn des Gesetzes verwirklicht ist. Die Besteuerung solche...