Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung der Vollziehung. Kürzung des Vorwegabzugs bei GmbH-Geschäftsführern. Aufhebung der Vollziehung von Einkommensteuer 1999 und 2000
Leitsatz (amtlich)
Es ist ernstlich zweifelhaft, ob bei der Kürzung des Vorwegabzugs auch der Arbeitslohn mit einzubeziehen ist, für den der Arbeitnehmer die Zukunftssicherungsleistungen in vollem Umfang selbst zu tragen hat.
Normenkette
EStG 1997 § 10 Abs. 3 S. 2 Buchst. a; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Vollziehung der ESt-Bescheide 1999 und 2000, jeweils vom 7. März 2002, wird in Höhe von … (ESt 1999) und von … (ESt 2000) aufgehoben.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Beschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Antragsteller (Ast) sind verheiratet und wurden in den Streitjahren gemeinsam zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Die Antragstellerin (Astin) bezog sozialversicherungspflichtigen Arbeitslohn in Höhe von … DM (1999) und … DM (2000). Der Ast erhielt Arbeitslohn als Geschäftsführer der … GmbH. Es bestand dabei weder eine gesetzliche Rentenversicherungspflicht noch hatte der Ast eine Anwartschaft auf eine Altersversorgung, für die er ganz oder teilweise von dritter Seite Zuschüsse erhielt.
Im ESt-Bescheid 1999 vom 18. Mai 2001 kürzte der Antragsgegner (Ag) den Vorwegabzug der Sonderausgaben zunächst nur um denjenigen Anteil, der sich unter Berücksichtigung des sozialversicherungspflichtigen Arbeitslohns der Astin ergab. Im Anschluss an eine Lohnsteueraußenprüfung erließ der Ag am 7. März 2002 für das Streitjahr 1999 einen nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderten und für 2000 einen erstmaligen ESt-Bescheid und ermittelte dabei die Kürzung des Vorwegabzugs auch unter Einbezug des nicht sozialversicherungspflichtigen Arbeitslohns des Ast. Die ESt-Nachzahlung in Höhe von … für 1999 und … für 2000 wurde von den Ast entrichtet. Gegen die ESt-Bescheide vom 7. März 2002 legten die Ast Einspruch ein und beantragten Aussetzung/Aufhebung der Vollziehung (AdV). Letzteren Antrag lehnte der Ag mit Verwaltungsakt vom 20. März 2002 ab.
Mit Schriftsatz vom 6. April 2002 beantragten die Ast Aufhebung der Vollziehung beim Finanzgericht (FG) in Höhe von … (ESt 1999) und … (ESt 2000). Sie tragen zur Begründung vor, der Ag habe die Änderung aufgrund des Beschlusses des Bundesfinanzhof (BFH) vom 21. Dezember 2000 (XI B 75/99) und gemäß R 106 Satz 3 Einkommensteuerrichtlinien (EStR) 2001 vorgenommen. Diese rückwirkende Änderung verstoße gegen § 176 AO. Weiter seien die angefochtenen Verwaltungsakte deshalb rechtswidrig, weil bei der Kürzung des Vorwegabzugs nur der Arbeitslohn einzubeziehen sei, der auch der Sozialversicherungspflicht unterliege, so wie dies auch das Finanzgericht (FG) Berlin in seinem Urteil vom 20. Januar 2000 (4 K 4031/97) festgestellt habe.
Die Ast beantragen,
die Vollziehung der ESt-Bescheide 1999 und 2000, jeweils vom 7. März 2002, in Höhe von … (ESt 1999) und von … EUR (ESt 2000) aufzuheben.
Der Ag beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Er verweist zur Begründung darauf, dass er aufgrund einer Verwaltungsanweisung daran gebunden sei, in diesen Fällen keine AdV bzw. Aufhebung der Vollziehung zu gewähren.
Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag ist zulässig und begründet.
Es ist ernstlich zweifelhaft, ob bei der Kürzung des Vorwegabzugs auch der Arbeitslohn mit einzubeziehen ist, für den der Arbeitnehmer die Zukunftssicherungsleistungen in vollem Umfang selbst zu tragen hat.
Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht die Vollziehung eines angefochtenen Steuerbescheides aussetzen bzw. aufheben, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtsmäßigkeit bestehen. Dies ist dann zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung der angefochtenen Steuerbescheide neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechenden Umstände zutage treten, die Unsicherheit oder Unklarheit in der Beurteilung von Rechts- oder Tatfragen bewirken (Koch in Gräber, Kommentar zur FGO, 5. Auflage, 2002, § 69 Anm. 87 mit weiteren Nachweisen). Dabei sind ernstliche Zweifel in der Beurteilung von Rechtsfragen nicht immer schon dann ausgeschlossen, wenn der Verwaltungsakt mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhof (BFH) in Einklang steht. Eine herrschende Lehre oder eine ständige Rechtsprechung sind weder jede für sich allein noch zusammengenommen geeignet, eine Frage außerhalb jeden ernstlichen Zweifels zu stellen. Denn dann könnte es niemals dazu kommen, dass von der herrschenden Lehre abgewichen und eine ständige Rechtsprechung aufgegeben würde (Beschluss des BFH vom 17. Februar 1970, II B 58/69, BStBl II 1970, 333).
Zwar sieht der BFH die Rechtsfrage, ob der Vorwegabzug auch um sozialversicherungsfreien Arbeitslohn zu kürzen ist, als geklärt an (Beschluss vom 21. Dezember 2000 XI B 75/99, BFH/NV 2001, 773; dagegen ist eine Verfassungsbeschwerde unter dem Az. 2 BvR 587/01 anhängig). Sowohl das FG B...