Entscheidungsstichwort (Thema)
Evangelische Kirchensteuer in Baden-Württemberg: Berücksichtigung steuerbefreiter Halbeinkünfte. Behandlung von Verlustvorträgen
Leitsatz (redaktionell)
1. Für Streitigkeiten über die evangelische Kirchensteuer ist im Land Baden-Württemberg der Finanzrechtsweg eröffnet, obwohl es um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Abgabenangelegenheiten handelt.
2. Der Kirchensteuerbescheid ist nur insoweit anfechtbar, als die Besteuerungsgrundlagen für die Festsetzung der Einkommensteuer, die zum Kirchensteuerbescheid im Verhältnis von Grundlagen- zu Folgebescheid steht, keine Rolle spielen.
3. Die Kirchensteuer wird als ein nach § 51a EStG modifizierter Zuschlag zur Einkommensteuer erhoben, so dass auch bei einer Einkommensteuer von 0 EUR eine positive Kirchensteuer festzusetzen sein kann.
4. Die Halbhinzurechnung der nach § 3 Nr. 40 EStG bei der Einkommensteuerfestsetzung zur Hälfte steuerfreien Einkünfte bei der Festsetzung der Kirchensteuer nach § 51a Abs. 2 EStG entspricht der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
5. Ein bei der Festsetzung der Einkommensteuer verbleibender Verlustvortrag bleibt für die Kirchensteuerfestsetzung auch dann ungenutzt, wenn diese die Einkommensteuerfestsetzung übersteigt. Der verbleibende Verlustabzug mindert in den nachfolgenden Besteuerungsperioden das zvE und damit auch die KiSt; die KiSt-Minderung geht mithin nicht endgültig verloren
Normenkette
EStG § 51a Abs. 2, 5 S. 1, § 3 Nr. 40, § 10d; FGO § 33 Abs. 1 Nr. 4; AGFGO BW §§ 3-4; KiStG BW § 5 Abs. 2, § 17 Abs. 1, § 19 Abs. 2, § 21 Abs. 1 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer Kirchensteuerfestsetzung, für deren Bemessung dem zu versteuernden Einkommen die nach § 3 Nr. 40 EStG steuerbefreiten sog. Halbeinkünfte hinzugerechnet worden sind.
Die Kläger sind Eheleute, die vom beklagten Finanzamt (FA) zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt werden. Sie sind beide Mitglieder der Evangelischen Landeskirche in X und unterliegen daher nach § 3 Abs. 1 des Gesetzes über die Erhebung von Steuern durch öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften in Baden-Württemberg vom 15. Juni 1978 (KiStG BW; Gesetzblatt für Baden-Württemberg – GBl. – S. 370), zuletzt geändert durch Gesetz vom 06. Februar 2001 (GBl. S. 116), auch der Kirchensteuer (KiSt).
Zum 31. Dezember des Jahres 2002 hat das FA die noch berücksichtigungsfähigen Verluste im Bescheid vom 12. September 2007 wie folgt gesondert festgestellt:
den verbleibenden Verlustvortrag nach § 10d Abs. 4 EStG
für die Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf |
1.646.913 EUR |
für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung auf |
3.398.272 EUR |
für die Einkünfte aus Leistungen auf |
3.938 EUR |
den verbleibenden Verlustabzug (aus den Jahren vor 1999) |
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nach § 10d Abs. 3 EStG in der Fassung vom 16.04.1997 auf |
1.668.079 EUR |
Im Rahmen der Veranlagung der Kläger zur ESt des Jahres 2003 berücksichtigte das FA bei den gewerblichen Einkünften des Klägers u. a. solche aus einer Beteiligung an der A-KG. Diese waren vom FA D in Höhe von 1.549.631,44 EUR einheitlich und gesondert festgestellt worden; bei deren Ermittlung ist ein Betrag in Höhe von 1.795.918,59 EUR nach § 3 Nr. 40 EStG unberücksichtigt geblieben. Unter Berücksichtigung der weiteren Einkünfte der Kläger ergab sich ein Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 1.096.003 EUR, der jedoch aufgrund der Berücksichtigung eines Verlustvortrages aus vorangegangenen Veranlagungszeiträumen zu keinem positiven zu versteuernden Einkommen (zvE) geführt hat. Nach Abzug auch der Sonderausgaben verblieb vielmehr ein zvE in Höhe von ./. 34.086 EUR, das zu einer ESt in Höhe von 0 EUR führte.
Zur Ermittlung der KiSt weist der Bescheid vom 29.12.2004 folgende Berechnung (Beträge in EUR) aus:
zu versteuerndes Einkommen |
./. |
34.086 |
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hinzu |
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steuerfreie Halbeinkünfte des Ehemannes i.H.v. |
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1.796.134 |
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maßgebendes zu versteuerndes Einkommen |
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1.762.048 |
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darauf entfallende Einkommensteuer |
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834.834 |
ev Kirchensteuer 8 % von 834.834 EUR |
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66.786,72 |
Gegen die KiSt-Festsetzung für 2003 ließen die Kläger Einspruch einlegen, wobei sie sich gegen die Hinzurechnung der nach § 3 Nr. 40 EStG steuerbefreiten Halbeinkünfte zur Bemessung der KiSt auf der Grundlage des § 51 a Abs. 2 EStG wandten. Das FA wies den Einspruch durch Entscheidung vom 14. Juni 2005 als unbegründet zurück.
Während des Einspruchsverfahrens hatte der Evangelische Oberkirchenrat mit Verfügung vom 22. Februar 2005 unter Ablehnung eines weitergehenden Begehrens einem Antrag der Kläger auf Kappung der KiSt insoweit entsprochen, als er den Klägern für 2003 KiSt in Höhe von 5.115 EUR erlassen hat.
Sowohl gegen die Entscheidung des FA als auch gegen diejenige der Evangelischen Landeskirche in X haben die Kläger Klage e...