Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Zurechnung von Umsätzen an Strohmann. Vollendung der Steuerhinterziehung bei Steueranmeldung. Voraussetzung des Tatbestandsirrtums. Unternehmereigenschaft eines Handelsvertreters. Übernahme der rechtlichen Beurteilung des Strafgerichts durch das FG
Leitsatz (redaktionell)
1. Handelt eine Person auf eigenes Vergütungsrisiko und ohne an Weisungen gebunden zu sein, wird sie umsatzsteuerlich als Unternehmer tätig und sind Provisionszahlungen als Ausgangsumsätze ihr und nicht dem von ihr eingesetzten Strohmann zuzurechnen.
2. Die Steuerhinterziehung ist bereits dann vollendet, wenn eine Steueranmeldung ausbleibt.
3. Ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen, dass der Steuerpflichtige seine Pflicht, Steueranmeldungen zur Umsatzsteuer abzugeben, verkannt haben könnte, ist ein Tatbestandsirrtum i. S. d. § 16 Abs. 1 StGB ausgeschlossen.
Normenkette
UStG § 2 Abs. 1, 2 Nr. 1, § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 18 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1; AO § 169 Abs. 2 S. 2 Hs. 1, § 370 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 S. 1, § 150 Abs. 1 S. 3; StGB § 16 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger als Unternehmer im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG des Umsatzsteuergesetzes (UStG) eine gewerbliche Tätigkeit selbständig ausgeübt hat.
Die Stadt X hatte dem Kläger am 1. Juli 1991 die Ausübung einer selbständigen Handelsvertretung untersagt (Auskunft aus dem Gewerbezentralregister vom 13. September 2005, Betriebsprüfungsakten, Bl. 11). Später war der Kläger als angestellter Handelsvertreter bei einer … GmbH (künftig: F-GmbH) beschäftigt. Von dieser erhielt er im Kalenderjahr 1992 einen Bruttoarbeitslohn von 28.643,37 DM und für Januar 1993 in Höhe von 1.586,96 DM.
Für die Zeit danach, die Monate Februar bis Dezember 1993, erteilte ihm eine … (künftig: A) – „Altbausanierungsvertretung” – eine Lohnsteuerbescheinigung, nach der der Kläger einen Bruttoarbeitslohn von 14.940,00 DM erzielt haben soll. Nach einer weiteren Lohnsteuerbescheinigung soll A dem Kläger für das Kalenderjahr 1994 einen Bruttoarbeitslohn von 15.600,00 DM bezahlt haben. Der Beklagte folgte diesen Angaben.
Nachdem A davon abgesehen hatte, die Steueranmeldungen für die Kalenderjahre 1993 bis 1995 abzugeben, setzte der Beklagte bei A die Umsatzsteuer für diese Jahre im Wege der Schätzung fest. Im Einzelnen schätzte der Beklagte die Bemessungsgrundlage
für das Kalenderjahr |
mit |
mit Bescheid vom |
1993 |
5.000,00 DM |
12. Oktober 1994 |
1994 |
30.100,00 DM |
17. Oktober 1994 |
1995 |
19.500,00 DM |
17. Juli 1997 |
Nachdem der Beklagte aber erfahren hatte, dass A von der F-GmbH Vergütungen
für das Kalenderjahr |
In Höhe von |
1993 |
222.487,00 DM |
1994 |
344.413,00 DM |
erhalten haben sollte, änderte er die Bescheide für diese beiden Jahre. Die Bescheide vom 2. Dezember 1998 wurden unanfechtbar.
Im Laufe des Jahres 1998 teilten die damaligen Bevollmächtigten des Klägers dem Beklagten mit, der Kläger habe bislang nicht berücksichtigte Betriebseinnahmen erzielt, und zwar
im Kalenderjahr (Streitjahr) |
in Höhe von |
1994 |
61.009,62 DM |
1995 |
136.732,49 DM |
(Schreiben vom 22. April und 17. Juni 1998, Umsatzsteuerakten für 1995, Bl. 1, 5 bzw. für 1994, Bl. 1). Diesen Angaben folgend setzte der Beklagte für das Streitjahr 1994 und – jetzt erstmals – für den Besteuerungszeitraum 1995 beim Kläger Umsatzsteuer fest (Bescheide über die Umsatzsteuer für das Streitjahr 1994 vom 16. Dezember 1999 und für den Besteuerungszeitraum 1995 vom 31. Januar 2000).
Das Amtsgericht X verurteilte den Kläger am 28. Juli 2004 wegen der Hinterziehung von Einkommensteuer in zwei Fällen zu einer Gesamtstrafe von 100 Tagessätzen. Mit seinem Urteil (Einspruchsakten, Bl. 47) stellte das Amtsgericht fest, der Kläger sei zunächst über ein Jahr bei der F-GmbH als deren Angestellter im Bereich der Akquisition und Kundenberatung beschäftigt gewesen. Danach habe er sich entschlossen, seine Tätigkeit für die F-GmbH als selbständiger Vertreter fortzusetzen.
Allerdings sei dem Kläger die Ausübung eines Gewerbes untersagt gewesen. Daher habe er A veranlasst, unter ihrem Namen ein Gewerbe „Vertreter für Altbausanierungen” anzumelden und ein Bankkonto einzurichten. Darüber hinaus hätte A im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit keine Aufgaben wahrzunehmen gehabt. A sei hierzu auch nicht in der Lage gewesen. Dies gelte insbesondere für den eigentlichen Gegenstand des Unternehmens, nämlich Aufträge zu erwerben.
Vielmehr habe der Kläger das Gewerbe „faktisch … selbständig” geführt. Er habe die Umsätze des Unternehmens mithin allein erwirtschaftet. Auch habe die A die Geldbeträge, die dem erwähnten Bankkonto gutgeschrieben worden seien, als Geldmittel angesehen, die dem Kläger zugestanden hätten. Dementsprechend habe der Kläger über das Konto – auch mit Karte – verfügen, sich insbesondere Geldbeträge auszahlen lassen können. Ferner sei das Konto n...