Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtigkeit eines mündlichen Einfuhrabgabenbescheids. Keine Auslegung der Nichtzahlung von Abgaben als Rechtsbehelfseinlegung. Zulässigkeit der Anfechtungsklage gegen nichtigen Bescheid. Eingangsabgaben
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein unter Berufung auf § 29a ZollV und Aushändigung des Vordrucks 0700 mündlich bekannt gegebener Bescheid über die Erhebung von Einfuhrabgaben ist wegen der Unwirksamkeit der Vorschrift aufgrund fehlender Ermächtigungsgrundlage nichtig.
2. Die Nichtzahlung von mündlich erhobenen Eingangsabgaben kann nicht als Rechtsbehelfseinlegung ausgelegt werden.
3. Aufgrund des erweckten Scheins der Rechtswirksamkeit ist eine Anfechtungsklage gegen einen nichtigen Verwaltungsakt, für den keine Rechtsbehelfsfrist zu wahren ist, zulässig.
Normenkette
ZollV § 29a; AO 1977 § 125 Abs. 1, § 119 Abs. 2 S. 2, § 157 Abs. 1 S. 1, § 355; ZK Art. 6 Abs. 2; GG Art. 80 Abs. 1; UStG § 21 Abs. 2
Nachgehend
Tenor
I. Der Abgabenbescheid des HZA X vom 12. Februar 2000 GB5 0700 000037 02 2000 4102 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31. Juli 2000 wird aufgehoben.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist wegen der dem Kläger zu erstattenden Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht der Kläger Sicherheit leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Erhebung von Einfuhrabgaben für eine Skijacke. Streitig ist insbesondere, ob der Einspruch des Klägers gegen die Erhebung von Einfuhrabgaben rechtzeitig erfolgte.
Am 12. Februar 2000 erschien der Kläger mit seinem Pkw am Zollamt Y zur Einreise aus der Schweiz in die Bundesrepublik Deutschland. Auf die Aufforderung des diensthabenden Zollbeamten, alle mitgebrachten Waren anzumelden, erklärte der Kläger, keine Waren mitzuführen. Er komme vom Skifahren aus S. Auf die Frage des Beamten nach möglicherweise erworbenen Textilien oder Schmuck entgegnete er, nichts dergleichen eingekauft zu haben.
Bei der anschließenden zollrechtlichen Kontrolle wurden im Geldbeutel des Klägers mehrere Kassenbelege aus der Schweiz vorgefunden. Bei einem der Belege handelte es sich um die Quittung eines Sportgeschäftes vom 30. Januar 2000 über insgesamt 3 nicht näher bezeichnete Artikel, einmal über 899,– Sfr und zweimal über 49,– Sfr. Auf Vorhalt gab der Kläger dem Zollbeamten gegenüber an, dass es sich bei dem Betrag von 899,– Sfr um die Skijacke handle, die er gerade trage, und bei den beiden Artikeln zu 49,– Sfr um zwei Mützen. Daraufhin wurden hinsichtlich der Skijacke Einfuhrabgaben in Höhe von 139,61 DM Zoll sowie 196,86 DM Einfuhrumsatzsteuer (EUSt), insgesamt 336,47 DM, festgesetzt. Die Festsetzung der Abgaben wurde dem Kläger mündlich mitgeteilt.
Im Anschluss hieran übergaben die Zollbeamten dem Kläger ein auf Basis des damaligen Vordruckes 0700 handschriftlich ausgefülltes Formular (Registrierkennzeichen GB5 0700 000037 02 2000 4102), dem der Abfertigungshinweis mit der Berechnung der Abgaben beigefügt war. In dem Formular ist der Kläger unter der Angabe des Namens und seiner Adresse als Zollschuldner bezeichnet, außerdem enthält es Angaben zu der Warenbezeichnung (Skijacke), dem Ursprungsland, der Codenummer der Kombinierten Nomenklatur (KN), dem Rechnungsbetrag, dem Umrechnungskurs sowie dem Zollwert und dem Zollsatz. Auf dem Vordruck ist in der unteren linken Ecke vermerkt: „Blatt 1 Zollbeteiligter”, „Blatt 2 Zollamt”. Des Weiteren enthält die drittletzte Zeile der linken Spalte des Vordrucks den Hinweis „Zahlungsaufforderung und Rechtsbehelfsbelehrung siehe Rückseite”. Ob das Exemplar auf der Rückseite tatsächlich eine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, ist streitig. Der Kläger war weder bereit noch in der Lage, die Abgaben sofort zu entrichten.
Mit Schreiben vom 18. Mai 2000, eingegangen beim beklagten Hauptzollamt (HZA) am 19. Mai 2000, legte der Kläger Einspruch gegen die Erhebung der Einfuhrabgaben ein. Als Bezug war in dem Schreiben das Registrierkennzeichen des oben beschriebenen Formulars angegeben. Mit Bescheid vom 31. Juli 2000 wies das HZA den Einspruch als unzulässig zurück, da der Einspruch nicht innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Steuerbescheids eingelegt worden sei. Der Steuerbescheid sei dem Kläger am 12. Februar 2000 mündlich bekannt geworden. Die Einspruchsfrist habe am 13. Februar 2000 begonnen und mit Ablauf des 13. März 2000 geendet. Der Einspruch des Klägers sei mithin verspätet eingegangen. Bei mündlich bekannt gegebenen Verwaltungsakten könne auf eine schriftliche Rechtsbehelfsbelehrung verzichtet werden. Die Frist beginne in diesen Fällen auch ohne Rechtsbehelfsbelehrung.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Klage. Er trägt im Wesentlichen vor, der Einspruch sei nicht verspätet. Wenn man mit der Behörde davon ausgehe, dass dem Kläger der angefochtene Bescheid am 12. Februar 2000 mündlich...