Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Rückgängigmachung der Teilwertabschreibung einer vom Landgericht abgelehnten und erst vom Berufungsgericht rechtskräftig anerkannten Forderung. Keine rückwirkenden bilanziellen Folgen eines erst vom Berufungsgericht angenommenen Treuhandverhältnisses. Zeitliche Streckung der Verlustnutzung nach § 10d Abs. 2 EStG 2004 und § 10a GewStG 2004 grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig
Leitsatz (redaktionell)
1. Wurde eine streitige Forderung einer GmbH aus einem Kooperationsvertrag bestritten und auch erstinstanzlich vom zuständigen Landgericht abgelehnt, muss ungeachtet der Einlegung einer Berufung gegen dieses Urteil in der Bilanz für dieses Wirtschaftsjahr eine Teilwertanschreibung auf die Forderung vorgenommen werden. Wertet das Berufungsgericht zwei Jahre später die Kooperationsvereinbarung als Treuhandvereinbarung und erkennt es deswegen rechtskräftig die streitige Forderung der GmbH an, so muss diese im Wege der Wertaufholung die Forderung wieder gewinnerhöhend aktivieren. Eine nachträgliche Rückgängigmachung der zuerst vorgenommenen Teilwertabschreibung unter dem Gesichtspunkt der Wertaufhellung kommt nicht in Betracht, wenn das für die GmbH positive Urteil des Berufungsgerichts erst zu zu einem Zeitpunkt bekannt wird, zu dem einjährige Frist zur ordnungsmäßigen Bilanzerstellung für das Geschäftsjahr der Teilwertabschreibung schon abgelaufen ist.
2. Das vom Berufungsgericht nachträglich angenommene Treuhandverhältnis kann bilanziell steuerlich nicht rückwirkend berücksichtigt werden, wenn u.a. nicht zweifelsfrei erkennbar war, dass die GmbH als Treuhänderin und nicht auf eigene Rechnung tätig war und wenn das vermeintliche Treugut (hier: Grundstücke) in der Bilanz der GmbH auch nicht als Treuhandvermögen ausgewiesen worden ist.
3. Die in § 10d Abs. 2 EStG in der Fassung vom 22.12.2003 sowie in § 10a GewStG in der Fassung vom 23.12.2003 geregelte Beschränkung der Verlustnutzung im Wege einer zeitlich unbegrenzten, betraglich jedoch beschränkten Verlustnutzung schränkt –in Verbindung mit § 8 KStG auch in Bezug auf Körperschaften– das prinzipielle Gebot einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit zwar spürbar ein, ist aber mit dem Grundgesetz noch vereinbar. Die bisher einhellige Rechtsprechung zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der zeitlichen Streckung des Verlustausgleichs lässt sich auf den Bereich der sachlichen Unbilligkeit als Voraussetzung für eine Billigkeitsfestsetzung nach § 163 S. 1 AO dahingehend übertragen, dass der Gesetzgeber mit der Einführung der Neuregelungen in § 10a S. 1 und 2 GewStG, § 10d Abs. 2 EStG eine gewisse Härte, nämlich die (vorübergehende) Mindestbesteuerung, in Kauf genommen hat.
4.Eine sachliche Unbilligkeit kann hingegen anzunehmen sein, wenn es nicht nur zu einer Beschränkung des Verlustausgleichs im Sinne einer zeitlichen Verschiebung bzw. Streckung kommt, sondern zu einem endgültigen Ausschluss des Verlustausgleichs aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen. Hieraus resultierende verfassungswidrige Ergebnisse des Normvollzugs im Einzelfall sind vorrangig im Wege einer verfassungskonformen Auslegung der §§ 10d Abs. 2 EStG, 10a GewStG Norm zu vermeiden.
5. Die Frage nach einer etwaigen verfassungskonformen Auslegung der §§ 8 KStG, 10d Abs. 2 EStG und des § 10a GewStG stellt sich erst dann, wenn der endgültige Verlust des streitigen Verlustvortrags im Streitzeitraum konkret droht; hiervon ist ungeachtet der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer GmbH nicht auszugehen, wenn es unter Berücksichtigung des vorhandenen Vermögens und ggf. in vorhandenen Grundstücken vorhandener stillen Reserven nicht ausgeschlossen ist, dass die GmbH künftig noch die vorhandenen Verlustvorträge ausnutzen kann.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 2 S. 1, § 5 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 2, § 10d Abs. 2; KStG § 8 Abs. 1; GewStG § 10a Sätze 1-2; HGB § 243 Abs. 3, § 252 Abs. 1 Nr. 4; AO §§ 5, 163 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1; FGO § 102
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die steuerliche Behandlung von Verlusten, die bei der B.mbH i. L. entstanden sind, und über die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Finanzierungskosten.
Gegenstand des Unternehmens der 1992 gegründeten B.mbH i. L. ist die Erbringung von Dienstleistungen aller Art im Zusammenhang mit der Durchführung der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme „B.” in C. einschließlich des An- und Verkaufs von bebauten und unbebauten Grundstücken, der Erarbeitung von wirtschaftlichen Nutzungskonzepten für Entwicklungsgebiete sowie deren Umsetzung und die Übernahme der wirtschaftlichen Betreuung von Entwicklungs- und Erschließungsmaßnahmen. Mit Beschluss vom 28. Juli 2005 eröffnete das Amtsgericht Charlottenburg über das Vermögen der B.mbH i. L. das Insolvenzverfah...