rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Fiktion der Bekanntgabe eines Feststellungsbescheids am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post auch bei tatsächlich früherem Zugang. Behauptung eines unrichtigen Bescheiddatums
Leitsatz (redaktionell)
1. Wurde ein Grundlagenbescheid durch einfachen Brief bekanntgegeben, beginnt die Zweijahresfrist i. S. v. § 171 Abs. 10 S. 1 AO gemäß § 122 Abs. 1 Nr. 1 AO auch dann erst am dritten Tag nach Aufgabe zur Post, wenn der Bescheid dem Adressaten tatsächlich schon vor Ablauf von drei Tagen zugegangen ist.
2. Behauptet der Steuerpflichtige, der Bescheid sei schon vor dem im Bescheid maschinell ausgrdruckten Datum zur Post gegeben worden, muss er sein Vorbringen im Rahmen des Möglichen substantiieren. Es ist auch dann von einer Aufgabe zur Post an dem Tag auszugehen, den der Bescheid als Erlassdatum ausweist, wenn sich zwar in der Feststellungsakte kein Vermerk über die Aufgabe des Bescheids zur Post findet, wenn aber nach den ganzen bei der Beweisaufnahme gewonnenen Erkenntnissen und unter Berücksichtigung der üblichen örtlichen Postlaufzeit zur Überzeugung des Gerichts feststeht, dass das auf dem Bescheid maschinell ausgedruckte Datum mit dem Tag der Aufgabe zur Post übereinstimmt.
Normenkette
AO § 122 Abs. 2 Nr. 1, § 171 Abs. 10 S. 1, § 124 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Heranziehung des Klägers zur Einkommensteuer für das Jahr 1992.
Der Kläger ist Teilhaber der X-GmbH & Co. KG. Mit Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen vom 7.10.2002 stellte das Finanzamt M fest, dass dem Kläger im Veranlagungsjahr Einkünfte aus diesem Gewerbebetrieb in Höhe von 16.750 DM statt wie zuvor in Höhe von ./. 726.065 DM zuzurechnen seien. Dieser mit einfachem Brief zur Post gegebene Bescheid ging dem Bevollmächtigten des Klägers am 8.10.2002 zu.
In der Folge setzte der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 11.10.2004 die vom Kläger zu zahlende Einkommensteuer für das Jahr 1992 neu auf nunmehr 457.854,72 EUR fest und forderte den Kläger auf, eine Nachzahlung von 154.213,30 EUR zu leisten. Diesen Bescheid stellte der Beklagte dem Bevollmächtigten des Klägers am selben Tage, einem Montag, gegen Empfangsbekenntnis persönlich zu.
Seinen gegen diesen Bescheid gerichteten und am 3.11.2004 bei dem Beklagten eingegangenen Einspruch begründete der Kläger im Wesentlichen damit, dass für das Veranlagungsjahr 1992 bereits Festsetzungsverjährung eingetreten und der Änderungsbescheid damit rechtswidrig sei. Denn die gesetzliche Frist von zwei Jahren zur Auswertung des Grundlagenbescheides vom 7.10.2002 habe bereits am Tage des tatsächlichen Zugangs – hier dem 8.10.2002 – zu laufen begonnen und damit am 8.10.2004 geendet.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Entscheidung vom 14.01.2005 als unbegründet zurück.
Mit seiner am 9.02.2005 eingegangenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt unter Wiederholung und Vertiefung seiner vorprozessualen Ausführungen vor, dass die für die Bestimmung des Bekanntgabezeitpunktes maßgebliche Vorschrift des § 122 Abs. 2 Nr. 1 Abgabenordnung – AO –, die bei Übermittlung des Bescheides durch einfachen Brief die Bekanntgabe am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post fingiere, auch mit Blick auf die neuere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes dann nicht greife, wenn der Bescheid nachweislich schon vor oder nach Ablauf der Drei-Tages-Frist zugegangen sei. In einem solchen Fall komme es stets auf den Tag des tatsächlichen Zugangs an. Im Übrigen, so der Kläger, bestreite er, dass der Grundlagenbescheid erst am 7.10.2002 zur Post gegangen sei. Es sei nicht auszuschließen, dass dies bereits zuvor geschehen sei und dass bei Erlass des geänderten Einkommensteuerbescheides die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
den Einkommensteuerbescheid für 1992 des Beklagten vom 11.10.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.1.2005 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er vertritt unter Wiederholung und Vertiefung der Ausführungen in der Einspruchsentscheidung die Auffassung, dass die Drei-Tages-Fiktion in Anbetracht des klaren gesetzlichen Wortlautes stets zum Tragen komme. Wenn der Kläger im Klageverfahren nunmehr erstmals geltend mache, dass der Grundlagenbescheid zu einem früheren als dem auf dem Bescheid angegebenen Datum zur Post gelangt sei, so könne dies der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Grundsätzlich stimme das auf dem Bescheid maschinell ausgedruckte Datum mit dem Tag der Aufgabe zur Post überein.
Das Gericht hat Beweis durch Vernehmung der Zeugin A erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
Dem Gericht haben bei seiner Entscheidung ein Band Einkommensteuerakten sowie ein Band Feststellungsakten des Beklagten vorgelegen, auf die wegen der weiteren Einzelhe...