Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz gegen einen Antrag des Finanzamts auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Leitsatz (redaktionell)
1. Für die Überprüfung eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerschuldners ist – anders als für die Prüfung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens – das Finanzgericht und nicht das Insolvenzgericht zuständig.
2. Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bildet auch dann, wenn er von der Finanzbehörde gestellt wird, ein schlichtes hoheitliches Handeln und dementsprechend keinen Verwaltungsakt.
3. Einstweiliger Rechtsschutz gegen einen solchen Antrag des Finanzamts kann durch das Finanzgericht im Wege der einstweiligen Anordnung gewährt werden. Die Vorwegnahme der Hauptsache durch eine Stattgabe macht den Antrag nicht unzulässig.
4. Die Stellung des Insolvenzantrags bildet eine in das pflichtgemäße Ermessen der Finanzbehörde gestellte Vollstreckungsmaßnahme.
5. Für die Beurteilung der Ausübung des Ermessens der Finanzbehörde ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich.
Normenkette
FGO § 33 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 114 Abs. 1, 5, § 105; AO §§ 118, 251, 5
Tenor
Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragstellerin vom 08. Juni 2012 gegenüber dem Amtsgericht … zurückzunehmen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.
Tatbestand
A
Unter dem 08. Juni 2012 beantragte der Antragsgegner beim Amtsgericht … die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragstellerin. Der Antrag ging dort am 12. Juni 2012 ein. In seinem Antrag gab der Antragsgegner Forderungen gegen die Antragstellerin i.H.v. insgesamt 125.029,63 EUR an. Die aufgeführten Forderungen, zu denen auch Säumniszuschläge zählten, seien unanfechtbar festgesetzt. Seit dem 01. April 2011 hätten keine Zahlungen realisiert werden können. Die Antragstellerin selbst habe ihre Zahlungsunfähigkeit erklärt. Die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen sei am 06. Juni 2011 fruchtlos verlaufen. Die Pfändungen der Konten bei der B. und der C. vom 05. Januar 2011 sowie der D. und der E. vom 25. März 2011 wie auch die Forderungspfändung bei der F. Werbung GmbH u. Co KG vom 05. Januar 2011 hätten insgesamt lediglich zu Zahlungen i.H.v. 952,16 EUR geführt.
In den Verwaltungsvorgängen findet sich ein vom jetzigen Prozessbevollmächtigten und seinerzeitigem Vorstand der Antragstellerin unterzeichneter Fragebogen zur Ermittlung der wirtschaftlichen Verhältnisse bei juristischen Personen. Nach den dortigen Angaben vom 27. Juni 2012 gegenüber dem Insolvenzgericht ist die Antragstellerin nicht zahlungsunfähig und hat ihr Unternehmen im Bereich der Verwaltung noch nicht eingestellt. An Vermögensgegenständen ist lediglich eine Forderung gegen die F. … AG und Co. KG i.H.v. 130.000,– EUR angegeben, der Verbindlichkeiten i.H.v. ca. 100.000,– EUR gegenüber stünden. Die Forderung sei durch eine Teilabtretung einer Steuererstattung in selber Höhe gesichert.
Mit Schreiben vom 06. Juli 2012 an das Insolvenzgericht führte der Antragsgegner aus, das Steuerstrafverfahren gegen den ehemaligen Vertreter der Antragstellerin Kämpfer sei noch nicht abgeschlossen. Die bis dato festgesetzte Umsatzsteuer für 2009 und 2010 stimme rechnerisch mit den abgegebenen Jahreserklärungen überein. Nach Veranlagung ergäbe sich keine Änderung der Forderungen des Antragsgegners. Zur fruchtlosen Pfändung vom 06. Juni 2011 habe seine Vollziehungsbeamtin vom Aufsichtsratsvorsitzenden der Antragstellerin G. Auskunft über deren wirtschaftliche Situation erhalten. Die Antragstellerin sei damit über die bestehenden Forderungen informiert gewesen.
Er halte den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragstellerin aufrecht und folge dem Antrag des „Geschäftsführers” der Antragstellerin, den Antrag zurückzunehmen, nicht.
Die Antragstellerin legt in Fotokopie ein Protokoll über die Übertragung einer Umsatzsteuervoranmeldung für Juli 2012 am 05. September 2012 vor, mit der steuerpflichtige Umsätze zum Regelsteuersatz von 19 v.H. i.H.v. ./. 574.243,– EUR angemeldet worden sind, aus denen sich ein Steuerbetrag von ./. 109.106,30,– EUR ergab. Zudem legt sie die Kopie einer nicht unterzeichneten Umsatzsteuervoranmeldung für denselben Voranmeldungszeitraum mit denselben Daten vor.
Am 25. September 2012 bestellte das Insolvenzgericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter. Es ordnete die vorläufige Verwaltung des Vermögens der Antragstellerin und auch an, dass Verfügungen der Antragstellerin nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam seien.
Mit Bescheid vom 23. November 2012, den er der Antragstellerin übersandte, setzte der Antragsgegner die Umsatzsteuervorauszahlung für Juli 2012 auf ./. 92.006,17 EUR fest. Den Vorbehalt der Nachprüfung erhielt er aufrecht. Es ergab sich ein Guthaben in Höhe des Betrags, über dessen Verwendung eine gesonderte Mitteilung ergehe. Die Steuer beruhte einzig auf...