Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerpflichtiger Erwerb der gesetzlichen Erben auch bei irrtümlich unterlassener Verfassung eines Testaments durch die Erblasserin und Verzicht eines gesetzlichen Erben auf seinen Erbanteil
Leitsatz (redaktionell)
1. Sollte nach dem Willen der Erblasserin die Stieftochter alleinige Erbin sein, wurde aber ein Testament nicht verfasst, weil die Erblasserin irrtümlich ihre Stieftochter für ihre gesetzliche Erbin hielt, so liegt auch dann für einen gesetzlichen Erben ein erbschaftsteuerpflichtiger Erwerb vor, wenn er freiwillig seinen Erbanteil in voller Höhe der Stieftochter der Erblasserin zukommen lässt. Eine Erklärung, mit der mehrere der gesetzlichen Erben nach Erteilung eines auf sie ausgestellten Erbscheins zugunsten der Stieftochter auf ihren Erbteil „verzichten”, weil „die Erblasserin allein ihre Stieftochter … als Erbe bedacht wissen wollte, jedoch zur Ausführung eines rechtsgültigen Testamentes infolge des Todeseintritts nicht mehr gekommen ist”, kann nicht als formunwirksame letztwillige Verfügung der Erblasserin gewertet werden.
2. Abschließend schlägt das Gericht vor, durch einen Erlass „das über alle Maßen anständige Verhalten” der Klägerin – für das es keine rechtliche Verpflichtung gab – zu honorieren.
Normenkette
ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 1; AO § 41
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit des Erbschaftsteuerbescheides vom 26. Oktober 2005.
Die Klägerin ist neben ihren beiden Neffen … und … H. und ihrem Cousin, dem Prozessbevollmächtigten, gesetzliche Erbin nach K. B., geb. H. Die Erblasserin war verheiratet mit dem Wittwer H. Aus dessen erster Ehe war eine Tochter hervorgegangen, die inzwischen ebenfalls verstorbene Frau S. Diese wuchs bei den Eheleuten B. auf. Die Erblasserin hatte keine Nachkommen; Frau S. war von ihr nicht adoptiert worden.
Frau S. hatte seit 1990 Kontovollmacht für die Konten der Erblasserin. Nach deren Tod trug sie die Nachlasskosten der Erblasserin. Die Sparkasse H. akzeptierte nach dem Tod der Erblasserin am 4. März 2004 zunächst anstandslos die Kündigung des Girokontos und monatliche Verfügungen über das Sparkonto durch Frau S. Im Jahre 2005 verlangte die Sparkasse für die weitere Auszahlung des Sparkontoguthabens einen Erbschein. Im Juni 2005 erließ das zuständige Nachlassgericht einen Erbschein zugunsten der gesetzlichen Erben der Erblasserin. Die Klägerin und der Prozessbevollmächtigte trafen im August 2005 „mit dem Wissen, das ≪die Erblasserin≫ allein ihre Stieftochter (…) als Erbe bedacht wissen wollte, jedoch zur Ausführung eines rechtsgültigen Testamentes infolge des Todeseintritts nicht mehr gekommen ist” eine Vereinbarung, wonach sie auf ihren Erbanteil „verzichteten”. Ihren jeweiligen Anteil am Nachlass ließen sie Frau S. zukommen. Die beiden Neffen der Klägerin hatten zuvor deutlich gemacht, dass sie eine derartige Vereinbarung nicht unterschreiben würden.
Der Beklagte (das Finanzamt – FA –) setzte aufgrund der gesetzlichen Erbfolge unter Berücksichtigung des auf die Klägerin entfallenden Anteils am Nachlass am 26. Oktober 2005 gegen die Klägerin Erbschaftsteuer in Höhe von 884 EUR fest. Zur Begründung des hiergegen eingelegten Einspruchs trug die Klägerin vor, die Erblasserin sei ohne Testament und ohne Nachkommen verstorben. Das aufgrund der Ehe entstandene Stiefkindverhältnis zu Frau S. habe dem eines leiblichen Kindschaftsverhältnisses gleichgestanden. Die Erblasserin habe nie einen Zweifel daran gelassen, dass ihre Stieftochter das Begräbnis durchführen und die Grabstelle pflegen solle. Dafür habe ihr das Ersparte zustehen sollen, zumal die Stieftochter die Erblasserin die letzten zwölf Jahre gepflegt habe. Weshalb es nicht zur Abfassung eines rechtsgültigen Testaments gekommen sei, sei nicht bekannt. Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Das FA führte im Einspruchsbescheid vom 2. Februar 2007 aus, der Besteuerung sei die gesetzliche Erbfolge zu Grunde zu legen. Die „Erklärung über eine formnichtige mündliche Verfügung des Erblassers” könne nicht anerkannt werden. Es fehle der Nachweis des ernstlichen Erblasserwillens. Die Erklärung sei auch nicht zeitnah, sondern erst mehrere Monate nach dem Todesfall erstellt worden. Im Übrigen handele es sich nicht um eine unwirksame Verfügung der Erblasserin, denn eine solche (auch formunwirksame) Verfügung existiere nicht.
Zur Begründung der hiergegen erhobenen Klage wiederholt die Klägerin im Wesentlichen ihren Vortrag im Einspruchsverfahren und trägt ergänzend vor, dass erbschaftsteuerrechtlich nur die Bereicherung zu besteuern sei. Nach Erfüllung des letzten Willens der Erblasserin sei nicht sie, die Klägerin, sondern Frau S. Bereicherte.
In der mündlichen Verhandlung wies der Prozessbevollmächtigte darauf hin, dass alle Beteiligten davon ausgegangen seien, dass die Erblasserin ihre Stieftochter als Erbin eingesetzt habe. Anlässlich eines Geburtstages der Erblasserin habe diese erklärt, ihre Stieftochter würde s...