rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Haftung, wenn eine nach den steuerrechtlichen Vorschriften gebotene Steuerzahlung gleichzeitig eine nach den insolvenzrechtlichen Vorschriften der §§ 130 ff. InsO anfechtbare Handlung darstellt
Leitsatz (redaktionell)
1. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob der Geschäftsführer einer GmbH wegen pflichtwidriger Nichtabführung angemeldeter Lohnsteuern nach § 69 AO insoweit in Haftung zu nehmen ist, als Anmeldungszeiträume des anfechtungsrechtlich erheblichen Dreimonatszeitraums des § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO betroffen sind (Anschluss an FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. August 2004 1 V 49/03).
2. Nach der Legaldefinition des § 17 Abs. 2 InsO ist ein Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Dabei ist nach der neuen Insolvenzordnung lediglich auf die fälligen Zahlungsverpflichtungen abzustellen.
Normenkette
AO 1977 § 34 Abs. 1, § 69; EStG § 38 Abs. 3, § 41a Abs. 1; InsO § 130 Abs. 1 Nr. 1, § 17 Abs. 2; FGO § 69 Abs. 2-3
Nachgehend
Tenor
1. Die Vollziehung des Haftungsbescheids vom 19. September 2001 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Juni 2004 wird insoweit bis einen Monat nach Ergehen einer Entscheidung in der Hauptsache ausgesetzt, als sich die Haftung auf die Lohnsteuern und Folgeabgaben für die Lohnsteuer-Anmeldungszeiträume Mai und Juni 2000 erstreckt. Dem Antragsgegner wird aufgegeben, den Aussetzungsbetrag entsprechend § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO nach Maßgabe der Gründe zu berechnen. Im Übrigen wird der Antrag als unbegründet zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner zu 50 v.H.; im Übrigen trägt sie der Antragsteller.
3. Die Beschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Aussetzung der Vollziehung eines Lohnsteuer-Haftungsbescheids, den der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller erlassen hat.
Der Antragsteller war Gesellschafter und seit November 1999 alleiniger Geschäftsführer der P-GmbH (im folgenden: GmbH), die im Dezember 1963 gegründet worden war. Aufgrund des Antrags der GmbH vom 17. August 2000 hat das Amtsgericht S. durch Beschluss vom 5. Oktober 2000 59 IN 155/00 das Insolvenzverfahren eröffnet.
Nachdem die GmbH die von ihr für die Zeiträume März bis Juni 2000 angemeldeten Lohnsteuern und Folgeabgaben nicht an den Antragsgegner abgeführt hatte, erließ der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller am 19. September 2001 einen entsprechenden Haftungsbescheid in Höhe von insgesamt 00.000,00 DM. Am 26. September 2001 legte der Antragsteller hiergegen Einspruch ein, dem der Antragsgegner insoweit stattgab, als er die Haftungssumme in der Einspruchsentscheidung vom 28. Juni 2004 auf 00.000,00 DM (00.000,00 EUR) herabsetzte, den er aber im Übrigen als unbegründet zurückwies. Dagegen richtet sich die Klage des Antragstellers vom 29. Juli 2004, die unter dem Geschäftszeichen 2 K 282/04 geführt wird.
Am 23. Juli 2004 stellte der Antragsteller beim Antragsgegner einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung, den der Antragsgegner mit seiner Verfügung vom 18. August 2004 zurückwies. Den hiergegen gerichteten Einspruch vom 26. August 2004 wies der Antragsgegner mit seiner Einspruchsentscheidung vom 20. September 2004 als unbegründet zurück.
Am 30. September 2004 stellte der Antragsteller den vorliegenden gerichtlichen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung.
Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, ihm lägen maßgebliche Unterlagen nicht vor, die er zu einer ordnungsgemäßen Prozessführung dringend benötige. Auf Anfrage beim Insolvenzverwalter habe dieser mitgeteilt, solche Unterlagen seien von der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts N. beschlagnahmt worden. Dort habe man ihm indessen mitgeteilt, den Steuerfahndungsbeamten seien nur wenige Unterlagen übergeben worden, die in steuerlicher Hinsicht bedeutsam sein könnten. Aus den vorliegenden Unterlagen sei jedenfalls nicht ersichtlich, wann die GmbH welche Steuern an den Antragsgegner gezahlt habe und wie diese Beträge verbucht worden seien. Weitere Unterlagen seien nicht mehr vorhanden, nachdem sie vermutlich vom Nachmieter der GmbH-Geschäftsräume weggeworfen worden seien. Eine grob fahrlässige Pflichtverletzung durch den Antragsteller dürfte zu verneinen sein, da er Lohnsteuern in beträchtlichem Maße an den Antragsgegner gezahlt habe. Wenn dieser die Beträge auf ältere Lohnsteuern gebucht habe, könne von einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung durch den Antragsteller nicht die Rede sein. Er könne aufgrund seiner wirtschaftlichen Lage ohnehin nicht die Haftungsschuld begleichen, da er auch für rückständige Krankenkassenbeiträge der GmbH in Anspruch genommen werde.
Der Antragsteller beantragt,
die Vollziehung des Haftungsbescheids vom 19. September 2001 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Juni 2004 auszusetzen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag als unbegründet zurückzuweisen.
Zur Begründung führt er unter Bezugnahme auf...