Entscheidungsstichwort (Thema)
Gleichzeitige Zahlung einer Invalidenrente und einer um die Invalidenrente gekürzten Geschäftsführervergütung bei partieller Berufsunfähigkeit des alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH als verdeckte Gewinnausschüttung
Leitsatz (redaktionell)
Hat die GmbH ihrem alleinigen Gesellschafter und Geschäftsführer u. a. eine ab dem 65. Lebensjahr mögliche Pension sowie bei Eintritt der Berufsunfähigkeit vor dem 65. Lebensjahr eine Invalidenrente zugesagt, wird der Gesellschafter-Geschäftsführer vor seinem 65. Geburtstag infolge einer schweren Verletzung teilweise berufsunfähig, wird deswegen eine deutliche Reduzierung der bisherigen Arbeitszeit, der Beginn der Auszahlung der Invalidenrente sowie die Kürzung der bisherigen Geschäftsführerbezüge um den Betrag der Invalidenrente vereinbart, so ist es ernstlich zweifelhaft, ob die Auszahlung der Invalidenrente zu einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) führt. Hat die GmbH im Ergebnis nicht mehr aufgewendet, als sie ohne Eintritt des Versorgungsfalls aufgewendet hätte, so ist insoweit ernstlich zweifelhaft, ob von einer Wertverschiebung zwischen GmbH und Gesellschafter-Geschäftsführer im Sinne einer – für eine vGA erforderlichen – Vermögensminderung zu Lasten der GmbH ausgegangen werden kann.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 2 Sätze 2, 7, Abs. 3 S. 1; KStG § 8 Abs. 1, 3 S. 2; EStG § 4 Abs. 1 S. 1, § 6a
Tenor
Die Vollziehung der Bescheide für 2015 über Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag sowie des Nachforderungsbescheids über Kapitalertragsteuer für 2013 bis 2015 – alle vom 27. September 2019 – sowie des Nachforderungsbescheids über Kapitalertragsteuer für 2017 vom 18. Oktober 2019 wird bis einen Monat nach Ergehen einer Entscheidung über die Einsprüche insoweit ausgesetzt bzw. aufgehoben, als darin verdeckte Gewinnausschüttungen i.H.v. 25.469 EUR (2013), 25.978 EUR (2014), 26.498 EUR (2015) und 39.014 EUR (2017) der Besteuerung zugrunde gelegt wurden. Dem Antragsgegner wird entsprechend § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO aufgegeben, die auszusetzenden bzw. aufzuhebenden Beträge zu berechnen.
Im Übrigen wird der Antrag als unzulässig zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.
Die Beschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin ist eine durch Gesellschaftsvertrag vom xx.yy.zz gegründete GmbH (Dok Bl. 5 ff.), deren Unternehmensgegenstand der Betrieb eines Hotels ist. Die Antragstellerin hat ihren Geschäftsbetrieb in X ausweislich der Gewerbeabmeldung am 30. November 2017 eingestellt bzw. ihre Betriebsstätte zum 1. Dezember 2017 nach Y verlegt (Dok Bl. 43 f.). Alleiniger Gesellschafter der Antragstellerin ist der am xx.yy.1957 geborene, in Frankreich wohnhafte Herr C (nachfolgend: C), der seit der Gründung der Antragstellerin auch zu deren einzigem Geschäftsführer bestellt ist.
Am xx.yy.zz schlossen die Antragstellerin und C einen Geschäftsführeranstellungsvertrag ab (Dok Bl. 20 ff.). Gemäß der Nachtragsvereinbarung vom xx.yy.2006 erhielt C ab Januar 2006 Geschäftsführerbezüge i.H.v. monatlich 10.000 EUR zuzüglich Weihnachtsgratifikation, Urlaubsgeld und Gewinntantieme (Dok Bl. 29 ff.). In der Nachtragsvereinbarung vom xx.yy.2017 wurde geregelt, dass C ab Januar 2017 ein monatliches Gehalt von 15.000 EUR zuzüglich Weihnachtsgratifikation und Urlaubsgeld erhält; eine Gewinntantieme war in dieser Vereinbarung nicht mehr enthalten (Dok Bl. 32a ff.).
Die Antragstellerin und C vereinbarten am xx.yy.2002 eine Pensionszusage (Dok Bl. 33 ff.). Hiernach erhält C bei Vollendung des 65. Lebensjahrs und Ausscheiden aus dem Unternehmen auf Lebenszeit eine Altersrente von monatlich 3.000 EUR. Für den Fall des Eintritts der Berufsunfähigkeit vor Erreichen der Altersgrenze sollte C – längstens bis zur Vollendung des 65. Lebensjahrs – eine Invalidenrente von monatlich 2.000 EUR erhalten. In der o.g. Vereinbarung vom xx.yy.2006 wurde bestimmt, dass – entgegen der ursprünglichen Abrede – die Pensionszusage nicht vom Bestehen einer betrieblichen Rückdeckungsversicherung abhängig sein solle und dass die Bezüge des C im Fall der Auszahlung der Invalidenrente darum zu kürzen seien (Dok Bl. 28 ff., insbes. Bl. 31).
Im Jahr 2006 erlitt C eine schwerwiegende (…-)Verletzung, die eine mehrmonatige Krankschreibung nach sich zog und bis heute eine dauerhafte gesundheitliche Beeinträchtigung darstellt. Seine Tätigkeit als Geschäftsführer der Antragstellerin übte C trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen ab Januar 2008 in reduziertem Umfang (41 Wochenstunden statt 59 Wochenstunden) weiter aus. Vor diesem Hintergrund schlossen die Antragstellerin und C am xx.yy.2009 eine Vereinbarung über Rentenzahlungen, welche für deren Auszahlungsdauer die Bezüge des C mindern sollten. Die Berufsunfähigkeitsrente wurde in den Streitjahren auf die Geschäftsführerbezüge angerechnet; C wurde von der Antragstellerin ein um den jeweiligen monatlichen Rentenbetrag gekürztes Geschäftsführergehalt wie folgt ausgezahlt (vgl. Bl. 39 und Ge...