Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorliegen eines Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG bei ausschließlicher grundsteuerlicher Begünstigung jüdischer Kultusgemeinden

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Einem der islamischen Religionsausübung dienenden Verein steht ohne eine Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechtes (KöR) die Grundsteuerbefreiung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 GrStG nicht zu.
  2. Die weder auslegungs- noch analogiefähige Privilegierung der jüdischen Kultusgemeinden in Bezug auf die Anerkennung als KöR durch § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG ist als sachgerechte Differenzierung verfassungsgemäß.
  3. Die im Übrigen geltende Beschränkung steuerlicher Privilegierungen auf in der Rechtsform einer KöR verfasste Religionsgesellschaften würde nur dann den Gleichheitssatz verletzen, wenn es anderen Religionsgesellschaften in unzumutbarer Weise erschwert würde, diesen Status zu erlangen, obwohl sie die materiellen Voraussetzungen hierfür erfüllen. Dafür bestehen keine Anhaltspunkte.
  4. Die Befreiung von der Grundsteuer kann auch durch Anfechtung des Einheitswertbescheides geltend gemacht werden, sofern die Finanzbehörde nicht ausdrücklich die Entscheidung über grundsteuerrechtliche Fragen dem Steuermessbetragsverfahren vorbehalten hat
  5. Verschweigen die Verantwortlichen eines Vereins die zur rückwirkenden Aberkennung der Gemeinnützigkeit führenden Tatsachen gegenüber den für die Körperschaftsteuer und die Einheitswertfeststellung zuständigen Finanzämtern und erlangen dadurch die nicht gerechtfertigte Befreiung von der Grundsteuer, verwirklichen sie den Tatbestand der Steuerhinterziehung mit der Folge, dass die Feststellungsfrist für die der Grundsteuerfestsetzung vorausgehende Einheitsbewertung 10 Jahre beträgt.
  6. Es reicht für den subjektiven Tatbestand des § 370 AO aus, wenn die Tatsachen, die auch aus der Sicht des Laien zumindest Zweifel an den Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit aufkommen lassen, der zuständigen Finanzbehörde bewusst nicht zur Prüfung der Rechtslage offenbart werden.
 

Normenkette

GrStG § 3 Abs. 1 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1, 3 S. 1, Art. 140; WRV Art. 137 Abs. 5 S. 2; AO § 63 Abs. 3, § 169 Abs. 2 S. 2, § 181 Abs. 1, § 184 Abs. 1, § 370 Abs. 1

 

Streitjahr(e)

1998

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 30.06.2010; Aktenzeichen II R 9/09)

BFH (Urteil vom 30.06.2010; Aktenzeichen II R 9/09)

 

Tatbestand

Der Kläger ist ein rechtsfähiger Verein, der den in Deutschland lebenden oder sich in Deutschland aufhaltenden Menschen islamischen Glaubens die Möglichkeit zu ihrer Religionsausübung gibt.

...

Der Kläger erwarb durch notariell beurkundeten Kaufvertrag…das bebaute Grundstück…in... . In einem Telefonat vom…teilte ein unbekannter türkischer Mitbürger, der nach dem Aktenvermerk des Sachbearbeiters des Beklagten beim Kläger für den Erwerb von Grundstücken zuständig war, dem Beklagten mit, dass der Verein das Grundstück im Rahmen seiner Satzung für kulturelle Zwecke nutze. Der Beklagte erließ daraufhin am 9. Juni 1997 einen als Aufhebungsbescheid bezeichneten Einheitswertbescheid über 0 DM.

Mit einer Kontrollmitteilung vom 27. Oktober 2006 setzte das Finanzamt…den Beklagten davon in Kenntnis, dass dem Kläger auf Grund der Ergebnisse einer Betriebsprüfung/Fahndungsprüfung die Gemeinnützigkeit rückwirkend ab 1997 aberkannt worden sei. Die Tatsachen, die zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit geführt haben, sind zwischen den Beteiligten unstreitig.

...

Der Beklagte erließ am 29. Oktober 2007 einen Einheitswertbescheid, Nachfeststellung auf den 1. Januar 1998, in dem er den Einheitswert mit…EUR (... DM) im Rahmen des Sachwertverfahrens für ein sonstiges bebautes Grundstück feststellte. Dabei schätzte er mangels weiterer Anhaltspunkte die Berechnungsgrundlagen. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf die Anlage 1 zum Bescheid verwiesen.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat der Kläger Klage erhoben und trägt vor:

Der angefochtene Einheitswertbescheid hätte nicht erlassen werden dürfen, weil beim Erlass dieses Bescheids bereits Feststellungsverjährung eingetreten gewesen sei. Die regelmäßige Feststellungsfrist betrage vier Jahre und sei im Zeitpunkt des Erlasses bereits abgelaufen gewesen. Anhaltspunkte dafür, dass hinsichtlich der Grundsteuer eine Steuerhinterziehung begangen worden sei und die Feststellungsfrist deshalb zehn Jahre betrage, lägen nicht vor. Aus der Kontrollmitteilung des für die Körperschaftsteuer zuständigen Finanzamtes…könne nur entnommen werden, dass ihm, dem Kläger, rückwirkend ab 1997 die Gemeinnützigkeit aberkannt worden sei. Eine Grundsteuerhinterziehung könne ihm nicht zu Last gelegt werden. Es fehle diesbezüglich an dem für die Steuerhinterziehung durch Unterlassen erforderlichen Vorsatz der verantwortlichen Personen.

Darüber hinaus sei ungeachtet der aberkannten Gemeinnützigkeit und der daher nicht mehr anzuwendenden Grundsteuerbefreiung gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 b GrStG zu seinen Gunsten die Grundsteuerbefreiung gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 i.V. mit Satz 2 GrSt...

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