Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit des Abzugsverbots für Nachzahlungszinsen in § 10 Nr. 2 KStG - Erfassung von Erstattungszinsen als Betriebseinnahme
Leitsatz (redaktionell)
- Das in § 10 Nr. 2 KStG angeordnete Abzugsverbot für Nachzahlungszinsen verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG (Anschluss an BFH-Urteil vom 06.10.2009 I R 39/09, BFH/NV 2010, 470).
- Unerheblich ist dabei, ob Schuldzinsen für ein Darlehen, mit dem eine Steuerzahlung finanziert wird, bei einer Kapitalgesellschaft als Betriebsausgaben abziehbar sind.
- Die Erfassung der Erstattungszinsen als steuerpflichtige Betriebseinnahme bei Kapitalgesellschaften ist jedenfalls deshalb verfassungsrechtlich unbedenklich, weil der Gesetzgeber durch die rückwirkende Regelung in § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3, § 52a Abs. 8 Satz 2 EStG i. d. F. des JStG 2010 den Gleichlauf mit der Besteuerung natürlicher Personen wieder hergestellt hat.
- In der Regelung des JStG 2010 zur Besteuerung der Erstattungszinsen liegt kein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot.
Normenkette
KStG § 10 Nr. 2; EStG § 12 Nr. 3, § 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 3, § 52a Abs. 8 S. 2, § 10 Abs. 1 Nr. 5; AO § 233a
Streitjahr(e)
2002, 2004
Tatbestand
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen zur „...”. Für die Streitjahre 2002 und 2004 setzte der Beklagte Zinsen gem. §§ 233a bis 237 AO i. H. v. 72.098,00 EUR (2002) und 70.612,44 EUR (2004) fest. Diese in den jeweiligen Streitjahren von der Klägerin gewinnmindernd berücksichtigten Zinsen rechnete der Beklagte gem. § 10 Nr. 2 Körperschaftsteuergesetz als nicht abzugsfähige Betriebsausgabe dem Einkommen wieder hinzu. Gegen die entsprechenden Bescheide zur Körperschaftsteuer 2002 und 2004, zum Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer 2002 und 2004 sowie über die Gewerbesteuermessbeträge 2002 und 2004 (vom 12.12.2006 - Körperschaftsteuer 2002 und 2004; sowie vom 14.09.2006 - Gewerbesteuer 2004 und 19.03.2007 - Gewerbesteuer 2002) erhob die Klägerin nach erfolgslosem Einspruchsverfahren (Einspruchsentscheidungen vom 12.02.2008) Klage, mit der sie sich gegen die Nichtabzugsfähigkeit der gegen sie festgesetzten Zinsen wendet.
Zwar seien die im Streitfall festgesetzten Zinsen gem. § 233 a und § 237 AO - unstreitig - unter das Abzugsverbot des § 10 Nr. 2 KStG zu subsumieren, jedoch sei die Regelung des § 10 Nr. 2 KStG verfassungswidrig.
Sie verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz sowie das Willkürverbot. Darüber hinaus verstoße der Vorschrift gegen das verfassungsrechtliche Gebot tatsächlich gleicher Steuerbelastung durch gleichmäßigen Gesetzesvollzug.
1. Artikel 3 Abs. 1 GG fordere, dass der Gesetzgeber im Bereich der Ertragssteuern, einschließlich der Körperschaftsteuer, sein Handeln an dem Grundsatz der Steuergerechtigkeit zu orientieren habe, wonach grundsätzlich eine Inanspruchnahme des Steuerpflichtigen nur im Rahmen seiner jeweiligen Leistungsfähigkeit erfolgen dürfe. Dieses Prinzip der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit konkretisiere sich im so genannten objektiven Nettoprinzip, das in § 2 Abs. 2 EStG kodifiziert sei und über § 8 Abs. 1 KStG auch im Bereich der Körperschaftsteuer Anwendung finde. Das objektive Nettoprinzip, welches lediglich den Gewinn als Saldo der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben der Ertragsbesteuerung unterwerfe, verlange, dass die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne einer Belastungsgleichheit umgesetzt werde. Allein beim Vorliegen sachlicher Gründe dürfe dieses durchbrochen werden. Bei der Normierung derartiger Ausnahmen sei der Gesetzgeber allerdings nicht völlig frei, sondern dürfe diese nur treffen, wenn die Unterscheidung der Fälle so gravierend sei, dass eine Abweichung im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG gerechtfertigt sei. Eine solche sachliche Rechtfertigung sei jedoch im vorliegenden Fall des § 10 Nr. 2 KStG nicht gegeben. Soweit der fiktive Zinsvorteil, den der Steuerpflichtige durch eine verspätete Steuerzahlung erziele durch die Vollverzinsung ausgeglichen werden solle, gehe die Nichtabziehbarkeit der Zinsen über dieses Ziel hinaus. Sie stelle eine Mehrbelastung des Steuerpflich-tigen dar, die nicht mehr zu rechtfertigen sei.
Noch deutlicher werde die Verfassungswidrigkeit, wenn man berücksichtige, dass bei einem Steuerpflichtigen Erstattungszinsen und nicht abziehbare Nachzahlungszinsen unmittelbar gegenüberstünden, insbesondere, wenn beide Zinseffekte letztendlich auf ein und demselben Ereignis beruhten. Für diesen Fall habe die Finanzverwaltung selbst angeordnet, dass Billigkeitsmaßnahmen nach § 163 AO aufgrund sachlicher Härten zu gewähren seien (vgl. BMF vom 05.10.2000, BStBl I 2000, 1503). In diesem Zusammenhang sei ausdrücklich festzuhalten, dass Billigkeitsmaßnahmen, die ohnehin zuerst nur auf einen entsprechenden Antrag des Steuerpflichtigen zu gewähren seien, die Verfassungswidrigkeit in keiner Weise beseitigen könnten. Vielmehr erscheine die Verwaltungsauffassung bei gegenläufigen Zinseffekten, die auf ein und demselben Ereignis beruhten, als der (untaugliche) Versuch, den best...