Entscheidungsstichwort (Thema)
Möglichkeit der Beschränkung des Rechts auf freie Niederlassung von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der EU
Leitsatz (redaktionell)
- Im Rahmen der Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 1 Satz 2 AO muss der Stpfl. auch ungefragt seine Beteiligungsverhältnisse an Kapitalgesellschaften offen legen und gegebenenfalls Veränderungen in den Beteiligungsquoten nachweisen, anderenfalls die Beteiligungsquote und die Höhe erzielter Veräußerungsgewinne geschätzt werden können.
- Die Vermögenszuwachsbesteuerung nach § 6 AStG i. d. F. d. SEStEG verstößt nicht gegen die Niederlassungsfreiheit des EG-Vertrags.
- Die Anordnung der Anwendung des § 6 Abs. 2 bis 7 AStG i. d. F. d. SEStEG auf alle noch offenen Einkommensteuerveranlagungen stellt keine verfassungswidrige Rückwirkung dar.
Normenkette
EStG 1990 § 17 Abs. 1; AStG i.d.F. d. SEStEG § 6; AStG i.d.F. d. SEStEG § 21 Abs. 13 S. 1; AStG i.d.F. d. SEStEG § 21 Abs. 13 S. 2; AStG a.F. § 6 Abs. 1 S. 1; AuslInvestmG § 18; AO § 90 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, § 162 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1; EG Art. 43; GG Art. 20 Abs. 3
Streitjahr(e)
1995, 1996, 1997, 1998
Tatbestand
Streitig sind die Feststellungen einer Betriebsprüfung bei der Klägerin und bei deren Ehemann, dem Kläger in dem Verfahren 9 K 1270/04 E.
Nach den Feststellungen der BP in Tz. 11 des Berichtes vom 18.6.2003 war die Klägerin nach einer Ausbildung zur kaufmännischen Angestellten und Tätigkeit in einem Steuerbüro seit 1972 als freiberufliche Kauffrau tätig. Sie hielt verschiedene Beteiligungen an Unternehmen. Bis zum Jahre 1998 lebten die Klägerin und ihr Ehemann in Deutschland. Im Oktober oder Dezember 1998 – das genaue Datum ist zwischen den Beteiligten umstritten – verzogen sie zunächst nach Belgien. Nach einer Hausdurchsuchung am 6.3.2001 u.a in ihrem Wohnhaus in Belgien zogen sie in die Schweiz. Der derzeitige genaue Aufenthaltsort ist dem Gericht nicht bekannt.
Die Klägerin gab zusammen mit ihrem Ehemann zunächst für die Streitjahre Einkommenssteuererklärungen ab, aufgrund derer der Beklagte die Einkommensteuer festsetzte. Vom 1.3.2000 fand bei der Klägerin und ihrem Ehemann eine Betriebsprüfung statt, die mit dem hier streitigen Bericht vom 18.6.2003 endete. Am 6.3.2001 wurde gegen die Eheleute ein Steuerstrafverfahren eingeleitet.
Nach Ansicht der Betriebsprüfung in Tz. 7 haben die Klägerin und ihr Ehemann nicht an der Aufklärung des erheblichen Sachverhaltes mitgewirkt. Insbesondere wurden keine Angaben über die genauen Beteiligungshöhen an den Gesellschaften, insbesondere der N und der I gemacht. Auch seien Aufforderungen zur Vorlage von Kontoauszügen über ausländische Konten unerfüllt geblieben. Insbesondere seien Vorgänge und Sachverhalte hinsichtlich der Kapitaleinlagen und Veräußerungsvorgänge im Zusammenhang mit ausländischen Gesellschaften, der Tätigkeiten für die ausländischen Gesellschaften und deren Vergütung, Einnahmen aus Kapitalvermögen auf Guthaben bzw. Depots bei ausländischen Banken, Spekulationsgewinne aus Depots bei ausländischen Instituten und Arbeitslohn aus Kommissionsnachlässen mangels hinreichender Mitwirkung unaufgeklärt geblieben.
Im Einzelnen traf die Betriebsprüfung folgende Feststellungen:
Im Rahmen der Feststellung einer Besteuerung von Kapitaleinkünften nach § 6 des Außensteuergesetzes (AStG) wurde die Beteiligungsquote der Klägerin an der N in dem Zeitraum von fünf Jahren vor dem Wegzug nach Belgien auf mehr als 25 v.H. geschätzt.
In dem Bericht heißt es unter Tz. 20 hierzu, auch nach Auswertung der beschlagnahmten Unterlagen sei eine genaue Entwicklung der Gesellschafterstruktur der N nicht einwandfrei möglich. Bei den Aktien der N habe es sich um leicht übertragbare, bis zum Börsengang im Jahre 1995 auch nicht depotbankverwahrte Inhaberaktien gehandelt. Nach dem Börsengang seien von US-amerikanischen Banken für diese Aktien Aktienzertifikate, sogen. ADR (American Depositary Receipt's) ausgegeben worden, die den Handel in den USA ermöglichten. Dabei repräsentierten zunächst 10 ADR eine Aktie; nach einem im Jahre 1998 durchgeführten Split standen für eine Aktie 30 ADR.
Grundlage für die Schätzung, dass die Klägerin zu verschiedenen Zeitpunkten an der N mit mehr als 25 v.H. beteiligt gewesen sein soll, waren nach Ansicht der Betriebsprüfung u.a. ihre Teilnahme an der Hauptversammlung am 21.6.1993. Auf dieser Versammlungen war die Klägerin mit 50 v.H. am Kapital der N beteiligt (Tz. 20 lit.e)).
Des Weiteren war die Klägerin in der Körperschaftssteuererklärung für die N für das Jahr 1993 mit eine Beteiligung von 61,74 v.H. angegeben (Tz. 20 lit.d)). aufgrund von ausgegebenen Aktienzertifikaten der N sei die Klägerin zum 31.12.1993 noch als Inhaberin von 4.000 Stück Aktien von insgesamt 9.000 Stück anzusehen (Tz. 20 lit.e)).
Ferner habe sie sich an einer Kapitalerhöhung im Jahre 1993 beteiligt und einen Zeichnungsschein unterzeichnet und abgegeben, der auf eine Beteiligung in Höhe von 65,95 v.H. schließen lasse (Tz. 20 li.f). Insgesamt ergäben sich erhebliche Anhalts...