Entscheidungsstichwort (Thema)

Zinsen auf erstattete Antidumpinzölle

 

Leitsatz (amtlich)

1. In Ermangelung einer Unionsregelung sind die Modalitäten für die Zahlung von Zinsen bei Erstattung von unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobenen Geldbeträgen von der innerstaatlichen Rechtsordnung jedes Mitgliedstaates zu regeln (EuGH, Urteil vom 28.04.2022, C-415/20, Rn. 74).

2. Zu den Modalitäten für die Zahlung der Zinsen zählen neben dem Zinssatz und der Berechnungsmethode insbesondere auch der Zinslauf sowie die Festsetzungsfrist.

3. Da Zinsansprüche nach innerstaatlichem Recht der Festsetzungsverjährung nach § 239 Abs. 1 AO unterliegen, ist mit Blick auf die Wahrung des Äquivalenzgrundsatzes davon auszugehen, dass auch in Bezug auf den unionsrechtlichen Zinsanspruch die Vorschrift des§ 239 Abs. 1 AO betreffend die Festsetzungsverjährung Anwendung findet.

4. Die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen ist für die Rechtsverfolgung im Interesse der Rechtssicherheit, die zugleich den Abgabepflichtigen und die Behörde schützt, mit dem Unionsrecht vereinbar.

5. Die im nationalen Recht in § 239 Abs. 1 Satz 1 AO normierte Festsetzungsfrist führt nicht dazu, dass dem Einzelnen die Ausübung der ihm nach der Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte - konkret die Geltendmachung des Zinsanspruchs für den Zeitraum der Entrichtung der Antidumpingzölle bis zur Erstattung dieser Abgaben - praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird.

 

Normenkette

AO §§ 233, 236, 239

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Festsetzung von Zinsen im Wege eines Abrechnungsbescheides.

Die Klägerin hatte im Zeitraum zwischen Juni 2011 und April 2012 Zitrusfrüchte mit Ursprung in der Volksrepublik China eingeführt, für die das beklagte Hauptzollamt unter Hinweis auf die Verordnung (EG) Nr. 1355/2008 des Rates vom 18.12.2008 des Rates vom 18. Dezember 2008 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren bestimmter zubereiteter oder haltbar gemachter Zitrusfrüchte (Mandarinen usw.) mit Ursprung in der Volksrepublik China (ABl. L 350/35, im Folgenden: VO Nr. 1355/2008) Antidumpingzoll in Höhe von insgesamt ... Euro festgesetzt hatte. Nachdem der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 22.03.2012 (C-338/10) die Verordnung Nr. 1355/2008 für ungültig erklärt hatte, erstattete das beklagte Hauptzollamt der Klägerin die von ihr gezahlten Antidumpingzölle mit verschiedenen Bescheiden aus dem Juni und Juli 2012.

Mit E-Mail vom 10.08.2012 beantragte die Klägerin die Verzinsung des erstatteten Abgabenbetrages, was das beklagte Hauptzollamt in der Folge mit Bescheid vom 03.05.2013 unter Hinweis auf Art. 241 Zollkodex (ZK) ablehnte. Gegen den Bescheid vom 03.05.2013 legte die Klägerin keinen Einspruch ein.

Mit Schreiben vom 29.08.2017 beantragte die Klägerin sodann die Verzinsung des Erstattungsbetrages im Wege des Erlasses eines Abrechnungsbescheides, was das beklagte Hauptzollamt mit Bescheid vom 02.06.2018 ablehnte. Den gegen diesen Bescheid eingelegten Einspruch wies das beklagte Hauptzollamt mit Einspruchsentscheidung vom 18.08.2021 zurück.

Mit ihrer am 21.09.2021 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren fort. Sie verweist darauf, dass ihr nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ein unmittelbar aus dem Unionsrecht folgender Zinsanspruch in Bezug auf die unionsrechtswidrig erhobenen Antidumpingzölle zustehe. Zwar habe der Gerichtshof in seinem Urteil vom 28.04.2022 (C-415/20)verdeutlich, dass die wirksame Ausübung unionsrechtlicher Ansprüche grundsätzlich nicht erfordere, dass die nationalen Behörden von Amts wegen unionsrechtswidrig erhobene Abgaben erstatteten oder derartige Zinsen zahlten, wenn der Wirtschaftsbeteiligte zur Wahrung seiner Rechte nicht die Initiative für ein streitiges Verfahren ergriffen habe. Anders verhalte es sich jedoch, wenn der Wirtschaftsbeteiligte zur Wahrung seiner Rechte tätig geworden sei. Sie - die Klägerin - habe auf der Grundlage des geltenden nationalen Verfahrensrechts nachweislich die Initiative ergriffen und bereits im August 2012 Anträge auf Verzinsung der Erstattungsbeträge gestellt, was das beklagte Hauptzollamt allerdings mangels einer entsprechenden Zinsregelung im nationalen Recht und unter unionsrechtswidriger Auslegung des Art. 241 ZK vereitelt habe. Ihre Initiative habe sie dann mit der Beantragung des streitgegenständlichen Abrechnungsbescheides wieder aufgegriffen. Dass der Ablehnungsbescheid aus dem Mai 2013 zwischenzeitlich in Bestandskraft erwachsen sei, sei vorliegend ohne Belang. Da die nationale Vorschrift des § 233 AO in der bis zum 21.07.2022 geltenden Fassung den hier in Rede stehenden Zinsanspruch nicht erfasst habe, sei die Vorschrift des§ 239 AO betreffend die Festsetzungsverjährung nicht anwendbar mit der Folge, dass die in § 228 AO geregelte fünfjährige Zahlungsverjährung die Grenze der verfahrensrechtlichen Erstattung bilde. Ausgehend von diesem Verständnis sei keine Zahlungsverjährung eingetreten, d...

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