Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld während der Zeit des Mutterschutzes und der anschließenden Betreuungszeit
Leitsatz (redaktionell)
Es ist nicht zumutbar, fortgesetzte Bemühungen um einen Ausbildungsplatz während der Zeit des Mutterschutzes und der anschließenden Betreuungszeit zu fordern.
Jedenfalls bei objektiven Anzeichen für eine fortbestehende Ausbildungswilligkeit trotz des Ausbleibens von Bewerbungsbemühungen liegen die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 S 1 Nr 2 Buchst. c EStG vor.
Normenkette
EStG § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 S. 3; MuSchG § 3 Abs. 2; GG Art. 3 Abs. 1-2; EG Art. 13; EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger Kindergeld für seine im Juni 1981 geborene Tochter T für die Monate März 2004 bis Juli 2006 zusteht.
Die Tochter der Klägerin hatte im September 1999 geheiratet. Im Juli 2000 beantragte die Klägerin Kindergeld für T als verheiratetes, ausbildungsuchendes Kind. In der Zeit von Juli 2000 bis einschließlich Juni 2001 nahm T beim Sozialverband K an einer ausbildungsvorbereitenden Maßnahme „Arbeiten und Lernen” teil (Kindergeld-Akte, Bl. 32, 45). Seit Januar 2001 befand sich T in der ambulanten psychiatrischen Behandlung des Facharztes Dr. P wegen Angstzuständen, Depressionen und Spannungskopfschmerz/Migräne. Regelmäßige Migräneanfälle wurden seit Februar 2002 bescheinigt (Kindergeld-Akte, Bl. 128, 129). In der Zeit von Januar 2002 bis einschließlich Juli 2002 stand T mit dem Sozialverband K in einem Arbeitsverhältnis. Ebenfalls im Juli 2002 unterzog sich T erfolgreich einer sog. „Nichtschülerprüfung” und erlangte so – ohne an Unterrichtmaßnahmen teilzunehmen – nachträglich ihren Hauptschulabschluss. Lt. einer Bescheinigung von September 2002 war T für die Zeit von September 2002 bis einschließlich August 2003 für eine weitere berufsvorbereitende Maßnahme des Sozialverbands L vorgesehen (Kindergeld-Akte, Bl. 82, 83, 127), sie war in der Zeit von September 2002 bis einschließlich Juni 2003 aber offensichtlich als Langzeit-Praktikantin in der Arztpraxis des Herrn Dr. N beschäftigt, von dem sie auch die Zusage für einen Ausbildungsplatz erhalten hatte (GA Bl. 35).
Mit Bescheid vom 27. Januar 2003 lehnte die Beklagte einen erneuten Kindergeldantrag der Klägerin ab; der Bescheid wurde nicht angefochten (Kindergeld-Akte, Bl. 87, 93, 108).
Ende des Jahres 2002 war T offensichtlich noch bei der Berufsberatung als ausbildungsuchend geführt. Am 20. Februar 2003 wurde das Kind jedoch aus der Liste der Ausbildungssuchenden gestrichen, da sie angegeben hatte, sie werde ab September 2003 eine Ausbildung als Arzthelferin bei Herrn Dr. N beginnen (Verbis-Kurzübersicht und Vermerk vom 20.03.2003). Im weiteren Verlauf des Jahres 2003 wurde T schwanger. Die für die Zeit ab September 2003 in Aussicht gestellte Ausbildungsstelle konnte T nicht antreten. Seit Ende Dezember 2003 lebt T von ihrem Ehemann getrennt. Kontakt zu ihm gibt es nicht mehr (GA Bl. 36). Ihre eigene Tochter wurde im April 2004 geboren. Unterhalt erhält sie nur für ihre Tochter (Kindergeld-Akte, Bl. 126).
Im August 2006 nahm T eine Ausbildung zur Konditorei-Fachverkäuferin auf (Kindergeld-Akte, Bl. 140). Im April 2007 beantragte die Klägerin – auch rückwirkend – Kindergeld für T (Kindergeld-Akte, Bl. 126). Sie habe früh geheiratet und sei aufgrund ihrer Erkrankung (Migräne) nicht in der Lage gewesen, ihre Ausbildung fortzusetzen (Attest von Dr. P vom 20. Februar 2007). Außerdem liegt eine weitere Bescheinigung eines Neurologen vom 12. März 2007 vor, nach der T aus gesundheitlichen Gründen in der Zeit von Dezember 2003 (Trennungsmonat) bis August 2006 nicht zu Aufnahme einer Ausbildung in der Lage war (Kindergeld-Akte, Bl. 127, 128).
Die Beklagte bewilligte das Kindergeld lediglich für die Monate ab August 2006 (Ausbildungsbeginn). Die Kindergeldfestsetzung für die Monate Januar 2003 bis Juli 2006 wurde mit dem vorliegend streitgegenständlichen Bescheid vom 9. Mai 2007 abgelehnt. Der Einspruch mit dem Antrag, das Kindergeld auch für die Monate Januar 2003 bis Juli 2006 festzusetzen, blieb ohne Erfolg. Zur Begründung führte die Beklagte in der Einspruchsentscheidung vom 4. Dezember 2007 aus: Voraussetzung für eine Berücksichtigung als behindertes Kind sei zunächst, dass eine Behinderung vorliege und außerdem, dass das Kind außer Stande sei, sich selbst zu unterhalten. Ein hoher Grad von Behinderung allein sei regelmäßig nur bei hilflosen Menschen ausreichend, um dieses Tatbestandsmerkmal zu bejahen. Eine auf eine abschätzbare Dauer beschränkte Krankheit stelle hingegen keine Behinderung dar.
Die Klägerin hatte schriftsätzlich zunächst geltend gemacht, T sei als behindertes Kind zu berücksichtigen. Bereits seit 2002 habe sie unter so starken Migräne-Anfällen gelitten, dass es ihr unmöglich gewesen sei, eine Berufstätigkeit auszuüben oder eine Ausbildung aufzunehmen. In der Zeit ...