Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschränkte Steuerpflicht
Leitsatz (redaktionell)
1) Rentenbezieher mit ausländischem Wohnsitz, die eine Steuerermäßigung aufgrund der getätigten Altersvorsorgeaufwendungen in der Vergangenheit in Deutschland nicht erhalten haben, unterliegen dennoch der beschränkten Steuerpflicht, soweit sie Zahlungen von einem inländischen Versicherungsunternehmen erhalten.
2) Diese Rechtslage verstößt nicht gegen Unionsrecht.
Normenkette
EStG § 22 Nr. 1 S. 3, § 10; EGV Art. 43; AEUV Art. 49; EWR Art. 31, 40; EStG § 49 Abs. 1 Nr. 7
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger. Er verzog 1993 zunächst …. Seit 2005 hat er seinen ausschließlichen Wohnsitz in Liechtenstein.
Zwischen 1994 und 1998 schloss der Kläger mit inländischen Versicherungsunternehmen Verträge über Leibrentenversicherungen auf ein Leben mit sofort beginnender Rentenzahlung gegen Einmalbetrag ab.
Mit Bescheiden vom 27.07.2007 setzte der Beklagte die Einkommensteuer des Jahres 2005 sowie die Einkommensteuer-Vorauszahlungen für 2007 und die Folgejahre unter Einbeziehung der vorgenannten Leibrenten in die Besteuerung fest. In den Erläuterungen zum Einkommensteuerbescheid 2005 führte der Beklagte aus, dass der Kläger zutreffend dargelegt habe, dass es sich bei den Privatrenten um inländische Einkünfte im Sinne des § 49 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) handele. Diese Einkünfte seien in Deutschland steuerpflichtig, da mit dem Fürstentum Liechtenstein kein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) bestehe. Die Doppelbesteuerung könne nur durch Anrechnung der deutschen Einkommensteuer im Rahmen der in Liechtenstein abzugebenden Steuererklärung vermieden werden. Die Steuer gemäß § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG sei zu Gunsten des Klägers unter Berücksichtigung des Grundfreibetrages von 7.644 EUR nach dem Grundtarif ermittelt worden.
Rechtlich entsprechend verfuhr der Beklagte im Einkommensteuerbescheid für 2006 vom 21.09.2007.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit seinen Einsprüchen vom 28.08.2007 bzw. 17.10.2007, mit denen er die Aufhebung der Bescheide und die Feststellung begehrte, dass die inländischen Renteneinkünfte nicht der deutschen (beschränkten) Einkommensteuerpflicht unterlägen. Denn diese Renten habe bzw. müsse er bereits in seinem Wohnsitzstaat Liechtenstein versteuern.
Mit Einspruchsentscheidung vom 22.02.2008 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Ab 2005 sei die Besteuerung von Renten durch das Alterseinkünftegesetz neu geregelt worden. Die inländischen Einkünfte würden nicht mehr von einem Steuerabzug abhängig gemacht. Leibrenten, die von inländischen gesetzlichen Versicherungsträgern oder inländischen Versicherungsunternehmen – wie im Falle des Klägers – gewährt würden, seien als inländische Einkünfte zu erfassen. Eine Ausnahme bei der Besteuerung von Renten, bei denen in der Entstehungsphase kein Bezug zur deutschen Steuerhoheit bestanden habe, sehe das EStG nicht vor. Ein entsprechender rechtspolitischer Wunsch hätte einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedurft. Das Völkerrecht kenne kein Verbot der Doppelbesteuerung. Eine Doppelbesteuerung könne durch völkerrechtliche Verträge, wie sie Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) darstellten, vermieden werden. Mit Liechtenstein bestehe aber ein solches nicht, sodass das Besteuerungsrecht Deutschlands nicht eingeschränkt werde. Im Umkehrschluss aus § 50 Abs. 6 (heute Abs. 3) EStG könne eine Anrechnung der in Liechtenstein gezahlten Steuer auf die Renteneinkünfte ebenfalls nicht erfolgen.
Mit seiner Klage vom 28.03.2008 verfolgt der Kläger sein Begehren fort. Die auf die aus Deutschland bezogenen privaten Leibrenten in Liechtenstein erhobene Erwerbssteuer entspreche der Einkommensteuer in Deutschland. Die doppelte Besteuerung der von ihm bezogenen inländischen privaten Renten in Liechtenstein und Deutschland stelle einen Verstoß gegen Grundsätze des Europäischen Rechts dar, insbesondere gegen die Freiheit des Kapitalverkehrs, die Niederlassungsfreiheit, gegen das Verbot der Doppelbesteuerung und gegen das Verbot der Diskriminierung aufgrund des Wohnsitzes. Diese Freiheiten seien im Wege des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) auch auf in Liechtenstein ansässige Personen ausgeweitet worden. Wenn – wie im Streitfall – ein Tatbestand nicht durch ein DBA geregelt werde, sei nach Auffassung der Europäischen Kommission und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) für die Ausübung des Besteuerungsrechts dem Staat der Vorrang einzuräumen, dessen Anknüpfung der Besteuerung sachlich näher liege. Daneben solle sich bei der Aufteilung der Steuerhoheit zwecks Vermeidung einer Doppelbesteuerung mangels eines bilateralen Abkommens auch an der völkerrechtlichen Praxis und dabei insbesondere an dem von der OECD erarbeiteten Musterabkommen orientiert werden (EuGH-Urteil vom 12.05.1998 C-336/96 „Gilly”, Slg. 1998, I-2793, IStR 1998...