Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage an den EuGH zur Frage der Bedeutung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer für die Steuerbefreiung der inngemeinschaftlichen Lieferung (hier: innergemeinschaftliches Verbringen)
Leitsatz (redaktionell)
Dem EuGH wird folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Erlauben die Art. 22 Abs. 8 und Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 und Buchst. d der Sechsten Richtlinie des Rates 77/388/EWG vom 17.5.1977 den Mitgliedsstaaten, eine Steuerbefreiung für eine innergemeinschaftliche Lieferung (hier: innergemeinschaftliches Verbringen) zu versagen, wenn der Lieferer zwar nicht alle ihm zumutbaren Maßnahmen im Hinblick auf formelle Erfordernisse bei der Aufzeichnung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erfüllt hat, aber keine konkreten Anhaltspunkte für eine Steuerhinterziehung bestehen, der Gegenstand in einen anderen Mitgliedsstaat verbracht worden ist und auch die übrigen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung vorliegen?
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 22 Abs. 8, Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1; EWGRL 388/77 Art. 28c Teil A Buchst. d; UStG § 3 Abs. 1a, § 6a Abs. 1, § 4 Nr. 1 Buchst. b; UStDV § 17c
Nachgehend
Tenor
A. Dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) wird gem. Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Erlauben die Art. 22 Abs. 8 und Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 und Buchst. d der Sechsten Richtlinie des Rates 77/388/EWG vom 17. Mai 1977 den Mitgliedsstaaten, eine Steuerbefreiung für eine innergemeinschaftliche Lieferung (hier: innergemeinschaftliches Verbringen) zu versagen, wenn der Lieferer zwar nicht alle ihm zumutbaren Maßnahmen im Hinblick auf formelle Erfordernisse bei der Aufzeichnung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erfüllt hat, aber keine konkreten Anhaltspunkte für eine Steuerhinterziehung bestehen, der Gegenstand in einen anderen Mitgliedsstaat verbracht worden ist und auch die übrigen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung vorliegen?
B. Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des EuGH über die Vorabentscheidungsfrage ausgesetzt.
Tatbestand
I.
Im Streitjahr (2006) erwarb der Kläger, ein Einzelunternehmer (Firmenname: HD E.), einen neuen Pkw für sein Unternehmen, den er diesem zuordnete. Das neue Fahrzeug versandte er am 20. Oktober 2006 an einen spanischen Kfz-Händler, um den Pkw in Spanien zu verkaufen. Nachdem ein Käufer gefunden worden war, veräußerte der Kläger das Fahrzeug am 11. Juli 2007 an das spanische Unternehmen D.
Der Kläger hatte für diesen Vorgang im Jahr 2006 keinen Umsatz und im Jahr 2007 eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung des Pkw an D erklärt. In seinen Aufzeichnungen hielt er fest, dass das Fahrzeug am 20. Oktober 2006 nach Spanien versandt (CMF-Frachtbrief) und im Jahr 2007 an D verkauft wurde (Rechnung vom 11. Juli 2007). Der Kläger zeichnete keine eigene spanische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer auf. In Spanien erklärte er keinen Umsatz. Seine Steuererklärung für 2006 stand einer Festsetzung der Umsatzsteuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich.
Im Rahmen einer Außenprüfung vertrat der Beklagte (das Finanzamt – FA –) die Auffassung, die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung im Jahr 2007 lägen nicht vor; es sei in Deutschland eine steuerpflichtige Lieferung im Jahr 2007 zu versteuern.
Das FA erließ einen entsprechend geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2007. Diesen hob das FA im anschließenden Klageverfahren vor dem Finanzgericht auf, weil das Gericht darauf hingewiesen hatte, dass sich das Fahrzeug im Jahr 2007 bereits in Spanien befunden hatte.
Das FA änderte nunmehr die Festsetzung der Umsatzsteuer für das Jahr 2006. Dabei vertrat es die Ansicht, das Verbringen des Fahrzeugs im Jahr 2006 nach Spanien unterliege der Umsatzsteuer und sei nicht steuerfrei. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein, den das FA als unbegründet zurückwies. Der Kläger habe das Fahrzeug im Jahr 2006 mit Verkaufsabsicht und daher nicht nur vorübergehend vom Inland nach Spanien verbracht. Der Umsatz sei nicht steuerbefreit, weil der Kläger keine eigene spanische UmsatzsteuerIdentifikationsnummer aufgezeichnet und damit den erforderlichen Buchnachweis nicht geführt habe.
Der Kläger erhob Klage. Im Klageverfahren berief sich das FA auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 27. September 2012 C-587/10, VSTR, ECLI:EU:C:2012:592, Deutsches Steuerrecht – DStR – 2012, 2014). Die Beteiligten sind sich einig, dass keine Steuerhinterziehung im Raum steht.
Die deutsche Finanzverwaltung hat der spanischen Finanzverwaltung den Sachverhalt nicht mitgeteilt.
Entscheidungsgründe
II.
1. Rechtlicher Rahmen
a) Unionsrecht
Art. 3 der Sechsten Richtlinie des Rates 77/388/EWG vom 17. Mai 1977 (Richtlinie 77/388/EWG) regelt u.a., was unter dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates zu verstehen ist.
Gem. Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG gilt als Steuerpflichtiger, wer eine wir...