Entscheidungsstichwort (Thema)
Verstoß des Abzugsverbots für negativen Aktiengewinn aus Investmentfonds gegen Art. 56 EG. Keine Saldierung des abziehbaren negativen Aktiengewinns mit positivem Aktiengewinn. Verfassungsmäßigkeit des § 40a Abs. 1 S. 2 und § 43 Abs. 18 KAGG i. d. F. des Korb II-Gesetzes
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Beschränkung des Abzugsverbots des § 40a Abs. 1 S. 2 KAGG auf Gewinnminderungen, die auf Beteiligungen eines Wertpapier-Sondervermögens an ausländischen Kapitalgesellschaften entfallen und im Jahr 2001 und in dem im Jahr 2002 endenden vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr der betreffenden Kapitalgesellschaft realisiert wurden, verstößt gegen Art. 56 EG.
2. Die Gewinnminderungen, für die danach wegen des Anwendungsvorrangs gemeinschaftsrechtlichen Primärrechts das Abzugsverbot des § 40a Abs. 1 S. 2 KAGG nicht gilt, sind nicht mit entsprechenden auf ausländische Beteiligungen entfallenden Gewinnen nach § 8b Abs. 2 KStG i. V. m. § 40a Abs. 1 S. 1 KAGG zu saldieren. Die Saldierung lässt sich weder mit der Regelungskorrespondenz zwischen der Steuerbefreiung nach § 40a Abs. 1 Satz 1 KAGG und dem Abzugsverbot nach § 40a Abs. 1 Satz 2 KAGG noch mit der durch die isolierte Anwendung des § 40a Abs. 1 S. 1 KAGG bei ausländischen Beteiligungen eintretenden Benachteiligung vergleichbarer Inlandsbeteiligungen begründen.
3. Die mit § 43 Abs. 18 KAGG i. d. F. des sog. Korb II-Gesetzes v. 22.12.2003 (BGBl I 2003, 2840) angeordnete Rückwirkung der Abzugsverbotsregelung des § 40a Abs. 1 S. 2 KAGG ist verfassungsgemäß.
Normenkette
KAGG § 40a Abs. 1 Sätze 2, 1, § 43 Abs. 18, 14 S. 5 Fassung: 2003-12-22; KStG § 8b Abs. 3, 2 Fassung: 2001-12-20, § 34 Abs. 1; EG Art. 56; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3, Art. 14, 2 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Der Ablehnungsbescheid vom 2. August 2010 wird aufgehoben und das Finanzamt verpflichtet, den Körperschaftsteuerbescheid für 2002 vom 5. März 2010 dahin zu ändern, dass das zu versteuernde Einkommen um 158.488.352 EUR vermindert wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 45 v.H., der Beklagte zu 55 v.H.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft; Gegenstand ihres Unternehmens ist das Versicherungsgeschäft.
Sie hielt Anteile an dem von der X Kapitalanlagegesellschaft mbH (KAG) verwalteten Spezialfonds „B”, einem Wertpapier-Sondervermögen, das Aktien verschiedener Aktiengesellschaften enthielt. Die Beteiligungen des Fonds an den Aktiengesellschaften lagen jeweils niedriger als 10 % des jeweiligen Nennkapitals. Zum 1. August 2002 gab die Klägerin der KAG 5.886.821 Anteilsscheine des Fonds zum Kurswert von 309.999.993,86 EUR zurück; infolge des Buchwertabgangs der Anteile von 415.059.507,31 EUR ergab sich hieraus ein bilanzieller Verlust in Höhe von 105.059.513,45 EUR. Die Klägerin erzielte dabei einen sog. negativen – besitzzeitanteiligen – Anleger-Aktiengewinn in Höhe von 238.137.772 EUR.
Dieser Aktiengewinn war der Saldo aus Dividenden, Gewinnen aus der Veräußerung von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften und nicht realisierten Wertsteigerungen von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften in Höhe von insgesamt 50.760.255 EUR einerseits sowie den Verlusten aus der Veräußerung von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften und nicht realisierten Wertminderungen von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften in Höhe von insgesamt 288.898.027,42 EUR andererseits. Davon entfielen 144.881.218 EUR auf im Jahr 2001 realisierte Verluste aus der Veräußerung ausländischer Beteiligungen an Kapitalgesellschaften, 11.656.275 EUR auf Verluste aus der Veräußerung ausländischer Beteiligungen, die im ersten im Jahr 2002 endenden – vom Kalenderjahr abweichenden – Wirtschaftsjahr der betreffenden Kapitalgesellschaft und vor dem 1. August 2002 veräußert wurden, sowie 1.950.859 EUR auf nicht realisierte Verluste aus der Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften, deren erstes, im Jahr 2002 endendes – vom Kalenderjahr abweichendes – Wirtschaftsjahr nach dem 1. August 2002 endete. Dem standen im Jahr 2001 realisierte Gewinne aus der Veräußerung ausländischer Beteiligungen an Kapitalgesellschaften in Höhe von 34.492.200 EUR, Gewinne in Höhe von 2.223.552 EUR aus der Veräußerung ausländischer Beteiligungen an Kapitalgesellschaften, die im ersten im Jahr 2002 endenden – vom Kalenderjahr abweichenden – Wirtschaftsjahr der betreffenden Kapitalgesellschaft und vor dem 1. August 2002 veräußert wurden, sowie nicht realisierte Gewinne in Höhe von 660.889 EUR aus der Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften, deren erstes...