Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Behandlung des bei der Ausgabe von Optionsanleihen vereinnahmten Aufgeldes. Körperschaftsteuer 1986, 1987 und 1988
Leitsatz (redaktionell)
Das in Zusammenhang mit der Ausgabe von Optionsanleihen vereinnahmte, handelsrechtlich als Kapitalrücklage einzustellende offene und verdeckte Aufgeld ist unter Durchbrechung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes steuerrechtlich aufgrund des eigenständigen schuldrechtlichen Charakters des Bezugsrechtsverhältnisses, welches dem gezahlten Aufgeld zu Grunde liegt, als Verbindlichkeit zu passivieren, die erst bei Ausübung oder Verfall der Option auszubuchen ist.
Normenkette
KStG § 8 Abs. 1; EStG § 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 6, § 4 Abs. 1 S. 5; HGB § 272 Abs. 2 Nr. 2; AktG § 221 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist die steuerliche Behandlung des von der Klägerin bei der Ausgabe von Optionsanleihen vereinnahmten (offenen sowie verdeckten) Aufgeldes, ferner der Zeitpunkt, auf den der Marktwert der Anleihen (Schuldverschreibungen) zu bestimmen ist.
Die Klägerin … (im Folgenden: AG).
Am 15. Mai 1985 wurde die AG von ihrer Hauptversammlung zur Emission von zwei Aktien-Optionsanleihen (im Folgenden: Anleihe A und Anleihe B) im Gesamtbetrag von 400 Mio. DM ermächtigt. Gleichzeitig wurde das Grundkapital der Klägerin bedingt erhöht. Die Anleihebedingungen legte der Vorstand am 29. Oktober 1985 (für Anleihe A) bzw. am 20. Mai 1986 (Anleihe B) wie folgt fest:
|
Anleihe A |
Anleihe B |
Gesamtnennbetrag |
200.000.000 DM |
200.000.000 DM |
Verzinsung p.a. |
3 v. H. |
3 v. H. |
Ausgabekurs |
100 v.H. |
110 v.H. |
Laufzeit in Jahren |
8 |
10 |
Tilgung zum Nennwert am |
01.02.1994 |
01.07.1996 |
Kündigungsmöglichkeit |
keine |
keine |
Bezugspreisentrichtung am |
17.01.1986 |
07.07.1986 |
Optionsfrist |
03.03.1986- |
18.08.1986- |
|
01.02.1994 |
01.07.1996 |
Abtrennbarkeit der Optionsscheine ab |
20.01.1986 |
08.07.1986 |
Erste Anleihe-Börsennotiz am |
12.02.1986 |
18.08.1986 |
Zu weiteren Einzelheiten der Anleihebedingungen wird ergänzend auf die Vorstandsbeschlüsse Bezug genommen.
Bei beiden Anleihen handelt es sich nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten jeweils um niedrig verzinsliche Schuldverschreibungen, die den Erwerber zugleich zum Bezug der in den Anleihebedingungen festgelegten Anzahl von Aktien in dem dort bestimmten Zeitraum zu einem festen Optionspreis berechtigen. Nach dieser Betrachtungsweise entfällt der Ausgabebetrag sowohl auf die Anleihe als auch auf das Bezugsrecht (Optionsrecht). Soweit der Nennbetrag der (niedrig verzinslichen) Anleihe über deren Marktwert liegt, stellt der Unterschiedsbetrag Entgelt (sog. verdecktes Aufgeld) für die Einräumung des Bezugsrechts dar. Auch bei einem über dem Nennbetrag der Anleihe liegenden Ausgabebetrag betrifft der Aufschlag das Bezugsrecht (sog. offenes Aufgeld). Danach ist im vorliegenden Fall Anleihe A mit einem verdeckten Aufgeld und Anleihe B darüber hinaus auch mit einem offenen Aufgeld ausgestattet.
In den Streitjahren übte keiner der Bezugsrechtsinhaber sein Optionsrecht aus.
Die Klägerin passivierte die Verbindlichkeiten aus beiden Anleihen in ihren Handels- und Steuerbilanzen jeweils zum Rückzahlungsbetrag (Nennwert) und bildete in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen dem Anleihewert ohne Optionsrecht und dem Ausgabepreis – d.h. in Höhe der verdeckten Aufgelder – einen aktiven Rechnungsabgrenzungsposten („Disagio auf die Anleihen”). Für die Bestimmung des Marktwerts der Anleihen stellte die AG dabei auf den Zeitpunkt ab, zu dem ihr Vorstand über die Anleihebedingungen entschieden hatte. Auf dieser Grundlage ermittelte die AG den aktiven Rechnungsabgrenzungsposten wie folgt:
|
Anleihe A |
Anleihe B |
Kurswert in % |
75,67 |
72,19 |
Kurswert in DM |
151.348.356 |
144.385.236 |
verdecktes Aufgeld: |
48.651.644 |
55.614.764 |
offenes Aufgeld: |
|
20.000.000 |
Danach errechnete sich der aktive Rechnungsabgrenzungsposten (in Höhe der verdeckten Aufgelder) mit 104.266.408 DM.
Die auf die Optionsrechte entfallenden offenen und verdeckten Aufgelder in Höhe von insgesamt 124.266.408 DM stellte die AG in ihrer Handelsbilanz in die Kapitalrücklage ein und erfasste die Beträge auch in der Steuerbilanz als Eigenkapital.
Der Beklagte (das Finanzamt – FA–) folgte zunächst den auf dieser Grundlage eingereichten Steuererklärungen der AG. Die Steuerbescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Bei einer Außenprüfung gelangte das FA zu der Auffassung, dass für den Marktwert der Anleihen – entgegen der Auffassung der Klägerin – nicht auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung durch den Vorstand der AG über die Anleihebedingungen, sondern auf die Marktverhältnisse im Zeitpunkt der Ausgabe der Anleihen abzustellen sei. Auf dieser Grundlage errechnete das FA einen gegenüber dem Ansatz der AG höheren Marktwert der Anleihen, so dass sich das auf das Optionsrecht entfallende verdeckte Aufgeld und ...