Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung von Kapitalertragsteuer an im Ausland ansässige Person. Festsetzungsfrist für den Erlass eines Freistellungsbescheids
Leitsatz (redaktionell)
Die Festsetzungsfrist zum Erlass eines Freistellungsbescheids als verfahrensrechtliche Voraussetzung für die Erstattung der Kapitalerstagsteuer an eine im Ausland ansässige Person beginnt nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steueranmeldung durch die Bank als Schuldnerin der Kapitalerträge eingereicht wird, spätestens mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist.
Normenkette
AO § 37 Abs. 2, § 155 Abs. 1 S. 3, § 170 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 1, § 180 Abs. 1 Nr. 2a; EStG § 44 Abs. 1, § 45a Abs. 1 S. 1, § 49
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens im ersten und zweiten Rechtszug.
Tatbestand
Das Verfahren befindet sich im 2. Rechtszug.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger einen Anspruch auf Erstattung von Kapitalertragsteuer hat.
Der Kläger wohnte in den Streitjahren (1995 und 1996) in den USA und hatte in Deutschland weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt. Er war Mitglied einer Erbengemeinschaft nach der verstorbenen L. Die Einkünfte der Erbengemeinschaft wurden für die Streitjahre erstmals mit Bescheiden vom 22. Februar 2002 gesondert und einheitlich festgestellt. Die dem Kläger zugerechneten Einkünfte der Erbengemeinschaft betreffen die Einkünfte aus einer Hausgemeinschaft, an der die verstorbene Frau L beteiligt war. Die Einkünfte der Hausgemeinschaft werden ebenfalls einheitlich und gesondert festgestellt und auf die Beteiligten – darunter die Erbengemeinschaft – verteilt.
In den Feststellungsbescheiden der Erbengemeinschaft wurden dem Kläger u.a. Einkünfte aus Kapitalvermögen zugerechnet. Diese Einkünfte wurden in den Einkommensteuerbescheiden des Klägers nicht erfasst, da der Kläger mit ihnen unstreitig nicht beschränkt steuerpflichtig war. Auf die gegenüber dem Kläger festgesetzte Einkommensteuer wurde keine Kapitalertragsteuer angerechnet.
Mit Schreiben vom 19. Februar 2002 hatte der Kläger unter Hinweis auf die abgegebenen Feststellungserklärungen beantragt, ihm die auf seine Kapitaleinkünfte entfallene – zutreffend einbehaltene und abgeführte – Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag zu erstatten. Diesen Antrag lehnte der Beklagte (das Finanzamt) mit der Begründung ab, dass Zahlungsverjährung eingetreten sei. Der deshalb erhobene Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg.
Auf die daraufhin erhobene Klage erließ das Finanzgericht (FG) ein Urteil (vom 10. Mai 2005 7 K 878/03), durch das es das Finanzamt zu einer antragsgemäßen Erstattung verpflichtete.
Auf die – vom FG zugelassene – Revision des Finanzamts hob der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 28. Juni 2006 (I R 47/05) das Urteil des FG auf, verwies die Sache an das FG zurück und übertrug die Entscheidung über die Kosten des gesamten Rechtstreits dem FG.
Zur Begründung führte der BFH aus, nach § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) habe u.a. derjenige, auf dessen Rechnung eine Steuer ohne rechtlichen Grund gezahlt worden sei, einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten Betrages. Einen solchen Anspruch mache der Kläger im Streitfall geltend: Er begehre die Erstattung von Kapitalertragsteuer, die für seine Rechnung einbehalten und abgeführt worden sei (§ 44 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetztes – EStG –). Davon sei auch das FG ausgegangen. Es habe jedoch verkannt, dass der Kläger die begehrte Steuererstattung schon deshalb nicht erreichen könne, weil es an dem dafür notwendigen Steuerbescheid (§ 218 Abs. 1 AO) fehle. Einen solchen könnte der Kläger nur dadurch erwirken, dass er entweder den Erlass eines Freistellungsbescheides im Sinne des § 155 Abs. 1 Satz 3 AO erreiche oder erfolgreich die Aufhebung oder Änderung der Steueranmeldungen betreibe, die der Abführung der Kapitalertragsteuer zugrunde lägen. Weder die Feststellungen des FG noch der Vortrag der Beteiligten enthielten einen Anhaltspunkt dafür, dass eines von beiden geschehen sei. Unter diesen Umständen bilde nach der gegenwärtigen Bescheidlage die jeweilige Steueranmeldung einen Rechtsgrund für die Zahlung der Steuer, was einer Erstattung nach Maßgabe des § 37 Abs. 2 AO entgegenstehe. Jedoch sei der Antrag eines Steuerschuldners auf Erstattung einbehaltener und abgeführter Steuerbeträge regelmäßig dahin zu deuten, dass er auf den Erlass eines Freistellungsbescheides gerichtet sei. Dies gelte auch für den im Streitfall vom Kläger gestellten Antrag. Deshalb hätte das FG prüfen müssen, ob der so verstandene Antrag Erfolg haben könne; in diesem Zusammenhang hätte es u.a. berücksichtigen müssen, dass ein Freistellungsbescheid als Steuerbescheid (§ 155 Abs. 3 AO) den Regelungen über die Festsetzungsfrist (§§ 169 ff. AO) unterliege. Eine solche Prüfung habe das FG bislang nicht angestellt. Anges...