Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerbarkeit des Barausgleichs beim Aktientausch

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Seit Einführung der Abgeltungssteuer unterliegen auch ausländische Kapitalerträge dem Steuerabzug vom Kapitalertrag. Dies gilt auch für einen Barausgleich anlässlich eines Aktientauschs.

2. Waren Anteile vor dem 1.1.2009 wegen Ablaufs der einjährigen Veräußerungsfrist bereits steuerentstrickt, ist der anlässlich des Aktientauschs nach dem 31.12.2008 gezahlte Barausgleich nicht der Abgeltungssteuer zu unterwerfen.

3. Dies gilt auch dann, wenn stille Reserven zum 1.1.2009 noch steuerverstrickt waren, zum Zeitpunkt des Aktientauschs die Aktien aber steuerfrei hätten veräußert werden können.

 

Normenkette

EStG § 20 Abs. 4a Sätze 1-2, Abs. 1 Nr. 1, § 52a Abs. 10-11; EStG a.F. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 20.10.2016; Aktenzeichen VIII R 42/13)

BFH (Urteil vom 20.10.2016; Aktenzeichen VIII R 42/13)

 

Tenor

1. Der Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 14. Dezember 2011 wird dahingehend geändert, dass die festzusetzende Einkommensteuer um den Betrag ermäßigt wird, der sich ergibt, wenn bei der Berechnung der Einkommensteuer von nach § 32d des Einkommensteuergesetzes zu versteuernden Kapitalerträgen in Höhe von 622 EUR ausgegangen wird. Die Berechnung der Einkommensteuer wird dem Beklagten übertragen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob Gegenleistungen, die der Kläger im Streitjahr 2010 anlässlich eines Aktientausches erhalten hat, nach § 20 Abs. 4a des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung (EStG) steuerpflichtig waren und dem Steuerabzug vom Kapitalertrag unterlagen.

Die Kläger wurden im Streitjahr bei dem Beklagten (dem Finanzamt – FA –) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Der Kläger erwarb am 2. November 2007 2.000 Aktien der ER Inc. (Kanada) zu einem Kaufpreis von 4.050,87 EUR. Am 9. September 2008 erwarb er zu einem Kaufpreis von 1.536,65 EUR weitere 3.000 Aktien dieses Unternehmens. Anlässlich der Fusion der ER Inc. mit der EM Corp. erhielt der Kläger entsprechend dem Übernahmeangebot der EM Corp. im Tausch für 2.000 Aktien der ER Inc. am 20. September 2010 186,4 Aktien der EM Corp. sowie zusätzlich einen Barausgleich in Höhe von 373,83 EUR. Weiter erhielt er im Tausch für 3.000 Aktien der ER Inc. am 20. September 2010 279,6 Aktien der EM Corp. sowie zusätzlich einen Barausgleich in Höhe von 560,75 EUR. Die Aktien wurden in einem Depot bei der X Bank gehalten. Bei der Abrechnung wurde der Barausgleich beim Freistellungsauftrag des Klägers berücksichtigt bzw. der Kapitalertragsteuer unterworfen.

Der Kläger erklärte im Streitjahr Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von insgesamt 2.518,77 EUR (incl. des Barausgleichs in Höhe von insgesamt 934,58 EUR) und die Klägerin in Höhe von 640,44 EUR. In ihrer Einkommensteuererklärung beantragten die Kläger die Günstigerprüfung für sämtliche Kapitalerträge und vertraten die Auffassung, dass der anlässlich des Aktientauschs vom Kläger vereinnahmte Barausgleich nicht der Kapitalertragsteuer hätte unterworfen werden dürfen. Da die Aktien vor dem Jahr 2009 erworben worden seien, wäre ein etwaiger vor der Fusion im Falle des Verkaufs erzielter Veräußerungsgewinn steuerfrei gewesen; dies müsse auch für den Barausgleich gelten, der einer Teilrückzahlung des investierten Kapitals gleichkomme. Abgesehen davon liege der Wert der eingetauschten Aktien zum 29. Juni 2011 bei 744 EUR, sodass der Kläger insgesamt bis zu diesem Zeitpunkt einen nicht unerheblichen Verlust erzielt habe.

Mit Einkommensteuerbescheid vom 28. September 2011 setzte das FA die Einkommensteuer auf 14.501 EUR fest. Bei der Berechnung der Einkünfte, die nach § 32d Abs. 1 EStG besteuert wurden, berücksichtigte das FA als Kapitalertrag auch den Barausgleich in Höhe von 934,58 EUR. Über den hiergegen am 4. Oktober 2011 erhobenen Einspruch ist bis zum jetzigen Zeitpunkt ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes nicht entschieden worden. Der Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr wurde jedoch aus nicht streiterheblichen Gründen mit Bescheiden vom 3. November und 14. Dezember 2011 geändert (zuletzt festgesetzte Einkommensteuer: 13.315 EUR).

In ihrer am 7. August 2012 erhobenen Untätigkeitsklage führen die Kläger im Wesentlichen ergänzend aus, dass bei der Besteuerung der teilweisen Barabgeltung des Grundkapitals eine Besteuerung des investierten Kapitals erfolgt sei, obwohl die Aktien vor 2009 erworben worden seien, und der Aktientausch erst im Jahr 2010 erfolgt sei. Wäre die Rechtsauffassung des FA zutreffend, und wäre bei der Übernahme der Aktiengesellschaft ein vollständiger Barausgleich erfolgt, wäre dieser in voller Höhe der...

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