Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerabzug aus einer Anzahlungsrechnung für ein bezahltes, aber tatsächlich wegen Betrugsabsicht des Rechnungsausstellers nicht geliefertes Blockheizkraftwerk bei Gutgläubigkeit des Bestellers
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei richtlinienkonformer Auslegung gilt als Unternehmer bereits, wer die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hat, eine unternehmerische Tätigkeit auszuüben, und erste Investitionsausgaben für diesen Zweck tätigt (im Streitfall: Anzahlung auf den Kaufpreis für ein Blockheizkraftwerk – BHKW –, das auf die nachhaltige Erzielung von Einnahmen durch regelmäßige Einspeisung von Strom in das allgemeine Stromnetz abzielt).
2. Wurde eine in Rechnung gestellte Anzahlung für die Lieferung eines BHKW bezahlt, so steht dem in unternehmerischer Absicht handelnden Besteller der Vorsteuerabzug aus dieser Anzahlungsrechnung auch dann zu, wenn der Rechnungsaussteller zwar von Anfang an die Absicht hatte, das BHKW nicht zu liefern, die Vorausrechnung nur gestellt hat, um zum Betrieb eines Schneeballsystems an weitere finanzielle Mittel zu gelangen, und tatsächlich das BHKW nie ausgeliefert hat, wenn jedoch der gutgläubige Besteller ersichtlich vom leistenden Unternehmer getäuscht worden ist und darauf vertraut hat, dass die vereinbarte Leistung tatsächlich erbracht wird (Anschluss an EUGH, Urteil v. 13.3.2014, C-107/13, FIRIN; BFH, Urteil v. 29.1.2015, V R 51/13; entgegen FG Münster, Urteil v.3.4.2014, 5 K 383/12 U).
3. Der Vorsteuerabzug ist auch nicht deswegen zu versagen, weil der Kläger bereits im Jahr der Anzahlung noch erfahren hat, dass ihm kein BHKW geliefert werden wird, so dass nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil v. 13.3.2014, C-107/13) eigentlich eine Vorsteuerberichtigung nach Art. 185 Abs. 1 MwStSystRL vorzunehmen wäre, und zwar unabhängig davon, ob der Leistende die Umsatzsteuer weiter schuldet oder die Anzahlung zurückerstattet hat. Denn die hier maßgebenden nationalen Vorschriften (§ 17 Abs. 2 Nr. 2 und § 17 Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStG) sind auch nach ihrem Wortsinn einer richtlinienkonformen Auslegung nicht zugänglich. Eine Rechtsfortbildung zu Lasten des Steuerpflichtigen kommt nicht in Betracht, es fehlt zudem an einer planwidrigen Regelungslücke.
4. Eine rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare, nach der EuGH-Rechtsprechung zur Nichtanerkennung der Unternehmereigenschaft führende Gestaltung liegt nicht schon dann vor, wenn zwar ein Steuerpflichtiger ein BHKW nicht persönlich betreibt und die aus seiner Person als Eigentümer des BHKW resultierenden Risiken durch den Abschluss eines Verwaltungs- und Servicevertrags vertraglich weitgehend auf andere abwälzt, wenn ihm jedoch noch das Insolvenzrisiko bezüglich der anderen Vertragsparteien und das sich im Streitfall tatsächlich verwirklichte Risiko, nach einer geleisteten Anzahlung kein BHKW zu erhalten, verbleibt.
Normenkette
UStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Sätze 1-3, § 2 Abs. 1 S. 1, § 14 Abs. 5 S. 1, § 14c Abs. 2 S. 2, § 17 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 2 Nr. 2; Richtlinie 2006/112/EG Art. 167, 63, 65, 185 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Unter Änderung des Umsatzsteuerbescheids vom und des Änderungsbescheids vom wird die Umsatzsteuer für 2010 auf EUR herabgesetzt.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist im Wesentlichen der Vorsteuerabzug aus einem gekauften und angezahlten, aber nicht gelieferten Blockheizkraftwerk (BHKW) im Jahr 2010 (Streitjahr).
Der Kläger bestellte am 10. April 2010 bei der A1-Gesellschaft … mbH (nachfolgend: A1) ein BHKW. Mit Schreiben vom 12. April 2010 bestätigte die A1 den Auftrag unter Beifügung der technischen Daten und teilte mit, dass der Lieferzeitpunkt gesondert bekanntgegeben werde und der Standort „freibleibend” sei. Gleichzeitig stellte sie dem Kläger das BHKW mit einer Größe von 40 kWh mit netto … EUR nebst Umsatzsteuer in Höhe von … EUR in Rechnung. Am gleichen Tag meldete der Kläger ein Gewerbe zur Erzeugung erneuerbarer Energien an.
Über das zu liefernde BHKW erhielt der Kläger eine weitere als Anzahlungsrechnung bezeichnete Rechnung vom 15. Juli 2010 mit gesondertem Steuerausweis, in der quittiert ist, dass er den Gesamtbetrag von … EUR am 19. April 2010 bereits beglichen habe. Zudem wurde er informiert, dass der genaue Lieferzeitpunkt des BHKW, das nach Aktenlage in B hergestellt werden und nach Umrüstung auf Rapsöl in einem Container in einem Gewerbegebiet bei C zum Einsatz kommen sollte, noch nicht feststehe. Der Kläger finanzierte den Kaufpreis des BHKW über einen Pr...