Entscheidungsstichwort (Thema)
Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung unter einer aufschiebenden Bedingung. Zeitpunkt des Entstehens eines Liquidationsverlustes
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Tatbestandsmerkmal der Veräußerung i. S. d. § 17 Abs. 1 EStG verwirklicht sich in dem Zeitpunkt, in dem die Anteile nicht mehr dem Veräußerer, sondern dem Erwerber zuzurechnen sind.
2. Geschieht die Übertragung des Gesellschaftsanteils unter einer aufschiebenden Bedingung und tritt die Bedingung nicht ein, ist der Tatbestand der Veräußerung nicht verwirklicht.
3. Die Entstehung des Auflösungsverlustes i. S. d. § 17 Abs. 4 EStG setzt bei der Kapitalgesellschaft zunächst deren Auflösung voraus.
4. Die Kapitalgesellschaft ist i. S. d. § 17 Abs. 4 EStG frühestens in dem Zeitpunkt aufgelöst, in dem sie nach Gesetz oder Satzung zivilrechtlich aufgelöst wäre. Vermögenslosigkeit ist für sich genommen noch kein Auflösungsgrund. Als zivilrechtlicher Auflösungsgrund kommt im Streitfall nur die Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse in Frage.
Normenkette
EStG § 17 Abs. 1, 4; AO § 39 Abs. 1, 2 Nr. 1; BGB § 158 Abs. 1; GmbHG § 60 Abs. 1 Nr. 5
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist, ob im Streitjahr Verluste aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft oder aus deren Liquidation zu berücksichtigen sind.
I.
Der Kläger erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom […] März 1998 einen Geschäftsanteil von 25.000 DM an der […] (M-GmbH) von […] (G) für einen Kaufpreis in Höhe von 200.000 DM. Die M-GmbH hatte zu diesem Zeitpunkt ein Stammkapital in Höhe von 50.000 DM und G wird in diesem Kaufvertrag als Alleingesellschafterin bezeichnet. Den zweiten Geschäftsanteil von 25.000 DM an der M-GmbH hielt G als Treuhänderin für […] (R). Mit notariellem Vertrag vom […] März 1998 übertrug G auf den Kläger auch diesen Geschäftsanteil und der Kläger übernahm von G auch die Stellung als Treuhänderin für R. Diese Übertragung erfolgte unentgeltlich.
Mit notariellem Kaufvertrag vom […] Mai 1998 veräußerte der Kläger seinen Geschäftsanteil in Höhe von 25.000 DM sowie den weiteren treuhänderisch gehaltenen Geschäftsanteil in Höhe von 25.000 DM an der M-GmbH für einen Kaufpreis in Höhe von 500.000 DM an R. Der Kaufpreis sollte in Höhe eines Teilbetrages von 300.000 DM am Tag des Kaufvertragsabschlusses und in Höhe eines weiteren Teilbetrages von 100.000 DM binnen weiterer zwei Wochen fällig sein. Für den Restbetrag von 100.000 DM war eine Fälligkeit in 10 Monatsraten zu je 10.000 DM ab dem 1. September 1998 vereinbart. Die Abtretung der Geschäftsanteile sollte unter der aufschiebenden Bedingung erst wirksam werden, nachdem der erste Teilkaufpreis in Höhe von 300.000 DM bezahlt worden sei. Mit der Zahlung der 300.000 DM sollte auch das Treuhandverhältnis zwischen dem Kläger und R beendet sein.
R leistete auf den vereinbarten Kaufpreis keine Zahlungen. Die Zwangsvollstreckung des Klägers gegen R blieb erfolglos. Im Jahr 2000 wurde vom Insolvenzgericht, nachdem […] Mai 2000 ein Gutachten im Insolvenzantragsverfahren erstattet worden war […], der Antrag, über das Vermögen der M-GmbH das Insolvenzverfahren zu eröffnen, mangels Masse abgelehnt.
Da der Kläger trotz Aufforderung die Einkommensteuererklärung 1998 nicht abgegeben hatte, schätzte der Beklagte – das Finanzamt (FA) – die Besteuerungsgrundlagen mit Einkommensteuerbescheid für 1998 vom 15. Juni 2000 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. In der daraufhin abgegebenen Einkommensteuererklärung für 1998 machte der Kläger bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb einen Verlust aus der Veräußerung der Geschäftsanteile an der M-GmbH in Höhe von 301.978 DM geltend. Den Verlust errechnete der Kläger so, dass er den Anschaffungskosten mit einem Kaufpreis für die Geschäftsanteile in Höhe von 200.000 DM sowie nachträglichen Anschaffungskosten für ein eigenkapitalersetzendes Darlehen in Höhe von 100.000 DM und Notarskosten für die Geschäftsanteilsabtretung in Höhe von 1.978 DM einen Veräußerungserlös in Höhe von 0 DM gegenüberstellte.
Das FA änderte unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung mit Einkommensteuerbescheid für 1998 vom 13. Juli 2000 den bisherigen Steuerbescheid. Es folgte jedoch nicht den Angaben des Klägers hinsichtlich des Verlustes aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft und berücksichtigte den geltend gemachten Verlust in Höhe von 301.978 DM nicht bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb. Seine Entscheidung begründete es damit, dass die Geschäftsanteile vor nicht mehr als fünf Jahren entgeltlich erworben worden seien. Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg. Mit Einspruchsentscheidung vom 11. August 2006 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. Da nach den Angaben des Klägers auf den Gesamtkaufpreis in Höhe von 500.000 DM keine Zahlungen geleistet worden seien, sei die Geschäftsanteilsabtretung an den Käufer nicht wirksam geworden. Da keine Veräußerung von Anteilen an der K...