rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausweis der Religionszugehörigkeit auf der LSt-Karte 1997
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Tatbestand
I.
Die zuständige Gemeinde stellte dem Kläger, einem als Rechtsanwalt selbständig Tätigen, aber als Lektor nichtselbständig Tätigen, die Lohnsteuer (LSt)-Karte 1997 aus, auf der unter der Rubrik „Kirchensteuerabzug” vermerkt war: „–”. Mit den zwei Strichen wird dem Arbeitgeber des Klägers deutlich gemacht, daß eine Kirchenlohnsteuer (KiLSt) nicht einzubehalten ist (s. Abschn. 108 Abs. 9 Satz 4 der Lohnsteuer-Richtlinien 1996 –LStR–).
Mit Schreiben vom 10.10.1996 beantragte der Kläger, ihm eine LSt-Karte 1997 ohne jede Angabe der Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft auszustellen. Entsprechendes gelte für die Zusendung jeder weiteren LSt-Karte.
Der nach § 39 Abs. 6 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) eingeschaltete Beklagte (Finanzamt) wies den Antrag bezüglich der LSt-Karte 1997 mit Verfügung vom 29.11.1996 ab.
Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung –EE– vom 24.10.1997).
Mit seiner Klage trägt der Kläger im wesentlichen vor, daß die vorgenommene Eintragung gegen sein Grundrecht der negativen Bekenntnisfreiheit verstoße (Art. 4 Abs. 1 des Grundgesetzes –GG–). Entgegen den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) im Beschluß vom 23.10.1978 – 1 BvR 439/75 (BVerfGE 49, 375 = HFR 1979, 65) lasse sich die in Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) garantierte Berechtigung, Kirchensteuern zu erheben, nicht zur Einschränkung der Rechtsgarantien der Art. 4 Abs. 1 GG und Art. 136 Abs. 3 Satz 1 WRV heranziehen. Nach Art. 136 Abs. 3 Satz 1 sei er nämlich nicht verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren. Die Einschränkung dieser Freiheitsgarantie in Art. 136 Abs. 3 Satz 2 WRV sei nicht einschlägig, weil es vorliegend darum gehe, daß durch die negative Bescheinigung der Konfessionszugehörigkeit auf der LSt-Karte seine religiöse Überzeugung dem Arbeitgeber offenbart werde, der den KiLSt-Abzug vorzunehmen habe. Als Arbeitnehmer sei er verpflichtet, dem Arbeitgeber die jährliche LSt-Karte vorzulegen. Diese Pflicht sei durch Art. 136 Abs. 3 Satz 2 WRV nicht mehr gedeckt.
Durch Art. 137 Abs. 6 WRV solle lediglich eine geordnete Kirchensteuerverwaltung garantiert werden. Es bestehe keine Notwendigkeit, am KiLSt-Abzugsverfahren festzuhalten. Die Beitreibung der KiLSt lasse sich durchaus auch in der Weise bewerkstelligen, daß die Finanzämter die KiSt-Pflicht selbständig feststellten und zu diesem Zweck die allein ihnen mitgeteilte Religionszugehörigkeit des einzelnen Arbeitnehmers mit den LSt-Abgaben des Arbeitgebers verglichen. Dies sei zwar mit einem gewissen Mehraufwand verbunden, stelle aber ebenfalls ein geordnetes Steuerverfahren dar.
Hinzu komme, daß es ein KiLSt-Abzugsverfahren während der Weimarer Republik nicht gegeben habe. Es sei vielmehr erst im Dritten Reich durch das Gesetz vom 27.3.1934 eingeführt worden. Die nationalsozialistischen Machthaber seien infolge des Ermächtigungsgesetzes vom 24.3.1933 nicht mehr an die Freiheitsgarantien der WRV (insbes. in Art. 136 Abs. 3 Satz 1) gebunden gewesen. Das nach wie vor geltende KiLSt-Erhebungsverfahren stehe damit in Widerspruch zu der in der Weimarer Republik geltenden Rechtslage.
Die Bescheinigung der Religionszugehörigkeit sei für ihn auch unzumutbar. Er lehne staatliche oder gesellschaftliche Organisationen ab, die zur Verteidigung ideologischer Vorurteile die Beschneidung der rechtsstaatlichen Freiheits- und Gleichheitsrechte vornähmen und propagierten. Zu derartigen Organisationen rechne er die beiden Großkirchen, insbes. die katholische. Letztere weise eine oft genug menschenverachtende, klerikale Sittenordnung und eine hierarchische Befehlsstruktur auf, die bis in die aktuelle Tagespolitik ihre diskriminierenden Wirkungen zeitigten. Dies gelte insbesondere auch für die kirchliche Einstellung gegenüber gleichgeschlechtlich orientierten Personen, zu denen er sich rechne. Er dürfe daher nicht von Gesetzes wegen gezwungen werden, durch die (negative) Mitteilung der Religionszugehörigkeit zum materiellen Vorteil dieser Religionsgesellschaften beizutragen.
Der Senat verweist im übrigen auf die Schriftsätze vom 6.11.1997 und 14.3.1998.
Der Berichterstatter teilte dem Kläger mit (Schreiben vom 31.3.1998, Bl. 43 FG-Akte), daß sich der angegriffene Verwaltungsakt vom 29.11.1996 (betr. die LSt-Karte 1997) durch die Vornahme der strittigen Eintragung und durch Zeitablauf erledigt habe. Jedoch sei die Klage gem. § 100 Abs. 1 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) insoweit als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig.
Der Kläger beantragt daraufhin,
festzustellen, daß die Eintragung der Religionszugehörigkeit auf der LSt-Karte 1997 rechtswidrig gewesen ist.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es tritt im Sch...