Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Konkursverwalters bei Option zur Umsatzsteuer in Kenntnis der Masselosigkeit
Leitsatz (redaktionell)
1) Der Konkursverwalter verletzt die ihm obliegenden Pflichten, wenn er in Kenntnis der Masselosigkeit für einen grundsätzlich steuerfreien Umsatz auf die Steuerbefreiung verzichtet, obwohl er weiß, dass er den Bruttoerlös in vollem Umfang an einen Gläubiger auskehren muss und dass der Erwerber zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.
2) Der Vorsteuerberichtigungsanspruch nach § 15a UStG hat bei der Beurteilung der Pflichtverletzung und des Haftungsschadens außer Betracht zu bleiben.
3) Der Grundsatz der anteilmäßigen Befriedigung aller Gläubiger findet keine Anwendung, wenn die Pflichtverletzung in der Auslösung einer nicht realisierbaren Steuer liegt.
Normenkette
AO 1977 §§ 69, 34-35; UStG § 4 Nrn. 9, 9 Buchst. a, § 9 Abs. 1-2; AO 1977 § 191
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob ein Konkursverwalter für diejenige Umsatzsteuer (USt), die er durch Verzicht auf die Steuerfreiheit einer Grundstückslieferung aus der Konkursmasse ausgelöst hat, in voller Höhe haftet.
Die spätere Gemeinschuldnerin M. betrieb bis Februar 1995 auf ihrem gemischtgenutzten Grundstück … str. 13 in … das Unternehmen einer Bäckerei und einer Gaststätte. Ab März 1995 vermietete sie diesen Betrieb zusammen mit den zu einem Gaststättenlokal ausgebauten, jedoch bisher leer stehenden Räumen auf ihrem Nachbargrundstück … str. 14 und 15 an eine GmbH, wobei sie für die USt-Pflicht optierte.
Durch Beschluß vom 2.11.1995 eröffnete das Konkursgericht das Konkursverfahren über ihr Vermögen und bestellte den Kläger (Kl.), der Betriebswirt ist und schon wiederholt als Konkursverwalter tätig war, zum Konkursverwalter. Dieser veräußerte im Laufe des Verfahrens den Grundbesitz der Gemeinschuldnerin an Dritte. Dabei verkaufte er zunächst die drei neugebildeten Eigentumswohnungen auf den Grundstücken … str. 13 bis 15 (Kaufverträge vom 7.5.1996) und das Gaststättengrundstück … str. 13 einschließlich Inventar (Kaufvertrag vom 9.5.1996). Später zeigte er die Unzulänglichkeit der Masse im Sinne des § 60 der Konkursordnung (KO) an (Schreiben vom 16.12.1996). Danach verkaufte er auch das Teileigentum an dem Gaststättengrundstück … str. 14 und 15, an dem einem absonderungsberechtigten Gläubiger (einer kreditgebenden Bank) Sicherungseigentum zustand, an einen Unternehmer, wobei er unter Hinweis auf § 9 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) auf die USt-Befreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a
UStG verzichtete und dem Käufer die USt wie folgt in Rechnung stellte (vgl. § 5 des Kaufvertrages vom 30.1.1997):
Nettokaufpreis: |
700.000,00 DM |
hieraus 1/2 Grunderwerbsteuer: |
12.250,00 DM |
Bemessungsgrundlage: |
712.250,00 DM |
hieraus 15 % USt: |
106.837,50 DM |
Somit ergibt sich ein Gesamtkaufpreis von |
a) Nettokaufpreis: |
700.000,00 DM |
b) Mehrwertsteuer: |
106.837,50 DM |
Zugleich verkaufte er das Inventar zum Kaufpreis von 300.000,00 DM zuzüglich 15 % USt (45.000,00 DM) = 345.000,00 DM.
Der Käufer zahlte den Bruttokaufpreis von insgesamt 1.151.837,50 DM am 2.4.1997 entsprechend dem Kaufvertrag zu Händen des treuhänderisch tätigen Notars, der den Betrag vereinbarungsgemäß an die absonderungsberechtigte Sicherungsnehmerin weiterleitete.
Im Mai 1997 gab der Kl. bei dem Beklagten (Bekl.) eine USt-Voranmeldung für April 1997 ab, in der er die Lieferungen nach dem Vertrag vom 30.1.1997 als steuerpflichtige Umsätze erklärte und eine USt in Höhe von insgesamt 151.837,50 DM anmeldete. Zugleich verwies er auf seine Erklärung zur Masseunzulänglichkeit (Schreiben vom 5.5.1997). Die angemeldete USt wurde in Höhe eines Teilbetrages von 146.356,10 DM nicht entrichtet. Am 22.8.1997 wurde das Konkursverfahren mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse eingestellt.
Nach vorheriger Anhörung nahm der Bekl. den Kl. als Haftenden über 146.356,10 DM rückständige USt II/1997 und 20.640,00 DM rückständige Säumniszuschläge – SZ – (insgesamt 166.996,10 DM) in Anspruch (Haftungsbescheid vom 4.11.1998). Zur Begründung führte er aus:
Die Gemeinschuldnerin schulde die USt nach § 14 Abs. 2 UStG, weil diese in dem Kaufvertrag vom 30.1.1997 zu Unrecht offen ausgewiesen worden sei. Die Veräußerung des Betriebsgrundstücks mit Inventar stelle eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im ganzen dar. Hierfür hafte der Kl. nach § 69 der Abgabenordnung (AO), weil er den unrichtigen Steuerausweis zu einem Zeitpunkt veranlaßt habe, als er bereits gewußt habe, daß die dadurch entstandene USt nicht beglichen werden konnte. Da die Inanspruchnahme der Steuerschuldnerin erfolglos geblieben sei, sei es ermessensgerecht, den Kl. zur Haftung heranzuziehen.
Hiergegen erhob der Kl. nach Durchführung eines erfolglosen Einspruchsverfahrens frist- und formgerecht die vorliegende Anfechtungsklage. Während der Anhängigkeit des Klageverfahrens entließ der Bekl. den Kl. insoweit aus der Haftung, als diese die Veräußerung des Inventars betraf, und setzte die Haftung...